Heppenheimer Proklamation
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Quelle/Zitierweise: ADL, Bestand Carl-Hubert Schwennicke; Signatur N54-24
Archiviert als PDF-Dokument; Signatur IN5-189
Archiv des Liberalismus
2013.11.21 12:17:00 +01'00'
[1] FREIE DEMOKRATISCHE PARTEI XXXVIII
– DER STELLV. VORSITZENDE –
Während in Bonn die Bundesrepublik Deutschland entsteht, haben sich die freiheitlich-demokratischen Landesparteien in den drei Westzonen und in Berlin im Bewusstsein der Verbundenheit mit ihren Gesinnungsfreunden in der sowjetischen Besatzungszone zur Freien Demokratischen Partei vereinigt.
Damit ist die organisatorische Grundlage geschaffen für die Sammlung der politischen Kräfte, die den Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechtes zum Richtmass aller Entscheidung erheben. Selbstverantwortung und Achtung vor der Menschenwürde aller sollen die Lebensordnung für Volk und Welt bestimmen. Dies ist der Weg der FDP. zu Freiheit, Frieden und Sicherheit für Deutschland in einem geeinten Europa.
Ausgehend von dieser Grundhaltung hat der Vorstand im Auftrage der Gründungsversammlung folgende Erklärungen zu dringlichen Tagesfragen der deutschen Politik gegeben:
- Die FDP. erkennt an, dass Deutschland ohne die Lieferungen der angelsächsischen Besatzungsmächte seine Wirtschaft nicht wieder aufbauen kann. Was mit der einen Hand gegeben wird, darf aber mit der anderen nicht genommen werden. Die Besatzungskosten haben im Jahre 1947 35 – 40 % und teilweise noch mehr des Steueraufkommens der deutschen Länder verschlungen. Durch das Besatzungsstatut muss den Besatzungskosten eine den Grundsätzen des geltenden Völkerrechtes entsprechende Grenze gesetzt werden und die Demontage von Betrieben, die der Friedensproduktion dienen können, eingestellt werden.
- Deutschland kann nur leben, wenn es arbeitsintensive Waren exportiert. Ein ausreichender Export setzt voraus, dass Rohstoffe rechtzeitig und in genügender Menge eingeführt werden, dass der Aussenhandel von allen bürokratischen Fesseln befreit wird, dass Deutschland in einen intereuropäischen Verrechnungsverkehr gleichberechtigt eingeschaltet wird, dass Deutschland den Marshall-Plan unter den gleichen Bedingungen wie die anderen Länder durchführen kann und dass schliesslich unser Land das Recht erhält, wieder konsularische Vertretungen im Ausland zu errichten.
- Eine Verbesserung der deutschen Lebenshaltung ist nur möglich, wenn das deutsche Sozialprodukt vermehrt wird. Dies setzt grosse Aufwendungen für die Erhaltung und Erneuerung der Werkstätten und Wohnungen in Stadt und Land voraus.
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Sie sind ohne inflatorische Erhöhung des Preisspiegels und Gefährdung der Währung nur möglich, wenn den Aufwendungen Ersparnisse entsprechen. Die kommende Steuerreform muss daher darauf ausgerichtet sein, das Sparen mit allen Mitteln zu fördern. Menschen in fortgeschrittenem Lebensalter muss durch Steuervergünstigungen die Möglichkeit gegeben werden, sich in angemessener Frist eine neue Rücklage für das Alter zu ersparen.
- Das Schicksal der Demokratie hängt von einer gerechten Verteilung der Lasten des Krieges ab. Wir fordern daher, einen echten Lasten-Ausgleich zu Gunsten der durch den Krieg und seine Folgen Geschädigten. Wir lehnen den Missbrauch des Lasten-Ausgleichs für parteipolitische Ziele ab. Wir fordern eine individuelle und nach sozialen Gesichtspunkten abgestufte Entschädigung auf das in redlicher Arbeit erworbene Eigentum. Wir lehnen dagegen ab, die Mittel aus dem Lasten-Ausgleich durch Übertragung auf kollektive Vermögensträger zu einer kalten Sozialisierung eines grossen Teiles unseres Volksvermögens zu missbrauchen. Wir empfehlen als ein Mittel des Lasten-Ausgleichs eine massvolle Wiederherstellung der Sparguthaben auch der Ostvertriebenen etwa bis zu der in den Währungsgesetzen vorgesehenen Höhe von 20 %.
- Wir bekennen uns zu dem traditionellen Ziel der deutschen Sozialpolitik, dem wirtschaftlich Schwachen im Daseinskampf zu helfen. Wir bekämpfen jede Bestrebung, die zur Bürokratisierung und zur Errichtung politischer Machtpositionen führt. Sozialpolitik und Sozialversicherung sind endlich von den Fesseln eines bedrückenden, aus totalitärer Staatsauffassung geborenen Zentralismus zu befreien und wieder auf die verantwortliche Selbstverwaltung durch alle Beteiligten zu gründen.
- Wir fordern:
- 1) die beschleunigte Einrichtung eines zentralen Flüchtlingsamtes, das insbesondere für eine angemessene Verteilung der Heimatvertriebenen auf alle Länder der drei Zonen zu sorgen hat,
- 2) einen gerechten Ausgleich der den Ländern aus der Sorge für die Vertriebenen entstehenden Lasten,
- 3) Freizügigkeit und freie Wahl des Berufs- und Arbeitsplatzes für alle Heimatvertriebenen,
- 4) Gleichstellung der heimatvertriebenen Ruhegehaltsempfänger und ihrer Hinterbliebenen mit den Einheimischen.
- Wir fordern die verfassungsmässige Anerkennung des Berufsbeamtentums.
Essen, den 14. Dezember 1948.