Helene, Prinzessin von Mecklenburg, verwittwete Herzogin von Orleans

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Titel: Helene, Prinzessin von Mecklenburg, verwittwete Herzogin von Orleans
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 1 vom 1. Juli 1843, S. 2–4
Herausgeber: Johann Jacob Weber
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Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
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Helene, Prinzessin von Mecklenburg, verwittwete Herzogin von Orleans.

An der Straße von Berlin nach Hamburg, nahe beim Eintritt in das reiche und fruchtbare Großherzogthum Mecklenburg, erhebt sich ein Städtchen, das dem Reisenden einen ebenso überraschenden als erfreulichen Anblick gewährt; es ist dies Ludwigslust, eine der lieblichsten und anziehendsten Städte Deutschlands. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war Ludwigslust nur ein Jagdschloß, allein im Jahre 1756 verlegte der Großherzog Friedrich seinen Hof dahin, erbaute ein Schloß, eine Kirche, Häuser für seine Offiziere und legte mehre breite und elegante Straßen an.

Der Großherzog Friedrich Franz setzte das Werk seines Vorgängers fort; er verschönerte das Schloß und umgab es mit einem Park. Sein Geschmack an schönen Künsten und Naturwissenschaften bestimmte ihn eine Gemäldegallerie, ein mineralogisches und ein Muschelkabinet anzulegen, welche gesehen zu werden verdienen. Ludwigslust erwuchs durch die Gunst zweier Fürsten in kurzer Zeit zu einer ausgezeichneten Stadt. Es gibt nichts Gemüthlicheres, als die Ansicht der nach holländischer Art gebauten Häuser und seiner durch Trottoirs gezierten Straßen, die von einer doppelten Reihe von Linden beschattet werden. Nichts ist anziehender als die Ansicht des Schlosses mit der klaren Cascade unter den Fenstern und den grünen, von einer Reihe Wohnungen umschlossenen und von der Kirche begrenzten Plätzen.

In dieser heitern Hauptstadt der Fürsten und des Adels von Mecklenburg wurde die Prinzessin Helene, Herzogin von Orleans, geboren. Ihr Vater war der Erbgroßherzog Friedrich Ludwig, ein Fürst so sanft als edelmüthig, so geradsinnig als hochherzig; ihre Mutter war die junge Herzogin Caroline von Sachsen-Weimar; auf dem Erbschlosse ihrer Ahnen zeigte man mir jüngst ihr Bild, das von rührender Schönheit und bewunderungswürdigem Geiste spricht. Erzogen zu Weimar in jenem großen literarischen Zeitabschnitt, der diese Stadt berühmt gemacht, inmitten eines poetischen Hofes, dem die Namen eines Schiller und Goethe Unsterblichkeit gesichert haben, inmitten der ausgezeichnetsten Männer Deutschlands und fremder Lande, die sich mit Stolz unter den liebreichen Schutz der weimarischen Fürsten begaben, zeichnete sich Caroline bald durch die seltensten Tugenden des Geistes und Herzens aus. Weimars Einwohner nannten sie nur ihren Schutzengel, und Goethe, der sie seit ihrer Geburt aufwachsen sah, sagte von ihr: „es war ein himmlisches Gemüth!“

Durch Vater und Mutter wurde die Herzogin von Orleans mit allem ausgestattet, was den Namen der Fürsten in die Herzen der Völker gräbt, mit allem, was ihr Gedächtniß in den Augen der Künstler und Dichter veredelt, während sie durch ihre Abkunft mit den ältesten und mächtigsten Familien des östlichen Europas verwandt ist. Ein Prinz von Mecklenburg regierte über Schweden; ein andrer, der tapfre Rurik, eroberte und unterwarf einen Theil jenes unermeßlichen Reiches, das noch heutigen Tages unter der Selbstherrschaft des Hauses Romanow steht. Die Genealogen führen die Geschichte der mecklenburgischen Fürsten bis in das graue Alterthum zurück und lassen die Verzweigungen dieses Geschlechts über den ganzen Norden sich ausbreiten. Ganz neuerlich noch hat der gelehrte Finn Magnussen ihre Verwandtschaft mit Regnar Lodbrok, dem berühmten Helden der scandinavischen Sagen, nachgewiesen. –

Ueber die von so reichem Tugendglanze umgebene Wiege stieg indessen ein Unglücksstern auf. In ihrem zweiten Lebensjahre verlor die Herzogin von Orleans ihre Mutter. Von neuem vermählte sich ihr Vater am 3. April 1818 mit der Prinzessin Auguste von Hessen-Homburg; allein nach anderthalb Jahren entriß der Tod diesen Fürsten seinem Volke und der Liebe seiner Kinder. Schon hatte die Herzogin von Orleans einen jüngern Bruder verloren und so blieb ihr nur noch ein einziger, den sie zärtlich liebte; allein auch ihn sah sie in dem Alter erbleichen, wo er seiner Familie und seinem Lande die schönsten Hoffnungen versprach, in dem Alter, wo er sich vorbereitete, seinen väterlichen Vorfahren würdig folgen zu können; im Jahr 1834 vernahm sie seinen letzten Athemzug.

Im Parke des Schlosses Ludwigslust, mitten in einem Buchenwäldchen, bemerkt man eine in einfachem aber großartigem Style erbaute Kapelle. Hier ruhen unter einem geisterartig erhellten Gewölbe die zarten Opfer eines frühen Todes. Beim Anblicke dieses Grabmals mischt sich der Gedanke gläubiger Hoffnung mit den Gefühlen der Trauer und des Schmerzes. Das Gewölbe, welches dasselbe bedeckt, ist blau, mit Sternen besäet, wie der Himmel einer schönen Sommernacht und die Ueberschrift der Pforte spricht von dem Glücke derjenigen, die, nachdem sie aus diesem Leben geschieden, sich jenseits wiederfinden. Diese Kapelle ist für die treuen Mecklenburger eine Art Wallfahrtsort. An dem Tage, als ich sie besuchte, trat eine alte Bäuerin aus der Umgegend von Schwerin hinein, die Hände gefaltet, das Gesicht betrübt. Sie betete und in ihr Gebet schloß sie gewiß Vergangenheit und Zukunft ein, und die Namen Derjenigen, die nicht mehr waren, wie der noch Lebenden.

Obgleich die Vorsehung der Herzogin von Orleans die süßesten und heiligsten Familienbande zerriß, so gab sie ihr doch in der zweiten Gemahlin ihres Vaters eine mitfühlende Stütze, eine Mutter voll inniger Zärtlichkeit und unermüdlicher Ergebenheit, ein edles Herz, verklärt durch Widerwärtigkeiten, eigenen und fremden Leiden geöffnet, erhaben und gestählt durch Liebe zum Guten und durch [3] Pflichtgefühl; eine treffliche Frau, bestimmt in ihren schönsten Tagen sich in den Witwenschleier zu hüllen, frühzeitig gewöhnt in religiösem Glauben einen Widerhalt gegen Unglücksfälle dieser Welt, so wie in dem Schatze der Wissenschaften wahre Ruhe zu suchen, die ausdauernder als die ist, welche Macht und Vermögen gewähren. So war die, welche die Herzogin von Orleans mit Zuziehung gewählter Lehrer und einer trefflichen Erzieherin gebildet hat; sie war es, die durch unermüdliche Sorgfalt, durch grenzenlose Liebe, durch geistreichen Unterricht die herrlichen Gaben entwickelte, die der Himmel der Prinzessin verliehen; sie war es, die sie Schritt für Schritt ins Leben eingeführt, die ihre erste Lektüre und ihre ersten Gedanken überwacht hat, wobei sie alle Umstände benutzte, um dem Geist der Prinzessin die richtige Stimmung, und ihrer Seele eine fromme Erhebung zu verleihen; sie war es, welche sie einst nach Frankreich zur königlichen Hochzeit geleitete, die so glänzend begangen und ach! so bald in tiefe Trauer gehüllt wurde und sie ist, die bei der Kunde des schrecklichen Unglückfalls vom Ende Deutschlands herbeieilte, um ihr fromme Tröstungen und neue Beweise ihrer Zärtlichkeit zu bringen.

Die Erbgroßherzogin-Witwe verbrachte zu Ludwigslust verbrachte zu Ludwigslust mit ihrer Adoptivtochter zwanzig Jahre, die nur der Einsammlung von Erfahrung, dem Unterrichte, guten Werken und erhebenden Gedanken gewidmet waren. Sie bewohnte eins der Häuser, welches Friedrich an den grünen Plätzen erbauen ließ, die sich bis zur Kirche erstrecken. Die Mehrzahl der Einwohner in der großherzoglichen Residenz, Arme wie Reiche, war von ihr gekannt und gern widmete sie sich ihren Interessen, kam sie ihren Wünschen entgegen. Oft war sie ihnen Beschützerin, Beratherin und Unterstützerin und lehrte dadurch ihre Tochter die Süßigkeiten des Wohlthuns und des Mitgefühls kennen. Ein Theil des Tages ward darauf verwendet, über das Wohlbefinden ihrer Umgebung zu wachen, der übrige Theil war gewählten Gesellschaften, der Lektüre, dem Studium der Künste, der Literatur, der Geschichte, belehrenden Spaziergängen im botanischen Garten, den die Großherzogin selbst hatte anlegen und mit den neuesten und seltensten Pflanzen versehen lassen, gewidmet.

Gewöhnlich verließen beide Fürstinnen beim Beginn des Sommers ihren stillen Aufenthalt und besuchten einige der schönsten Gegenden und der merkwürdigsten Städte Deutschlands. Sie hielten sich in Jena, Berlin, Leipzig und Weimar auf, betrachteten die Denkwürdigkeiten und Monumente und unterhielten sich mit den berühmtesten Männern der Städte, wo sie sich eben befanden. Wer wollte wol die Vortheile einer solchen Erziehung verkennen? Und hat nicht die, welche sie mit so viel Geist unternommen und mit so viel Liebe fortgesetzt hat, ihre Hoffnungen herrlich erfüllt gesehen und den Lohn ihres zärtlichen Unterrichts in den glücklich erzielten Erfolgen empfangen?

Man muß in Deutschland und namentlich in Mecklenburg gewesen sein, um zu wissen, welch hohe Achtung und Liebe die Herzogin von Orleans bei Allen zurückließ, die sie näher kannten. Seitdem sie Ludwigslust verlassen, haben sich die Blicke der ganzen Bevölkerung dieser Stadt nach Frankreich gewendet. Man hat auf französische Blätter abonnirt und erwartet ungeduldig die Nachrichten aus Paris. Sobald das Blatt durch den Postboten ankommt, schlägt man die erste Seite auf und sucht nur die Zeile, in welcher, wie man hofft, der Name der jungen Herzogin steht. Jedermann folgte ihr mit zärtlicher Sorge bei ihrer Abreise nach Frankreich, und jede Familie spricht noch jetzt von ihr wie von einem geliebten abwesenden Kinde, das man sich wiederzusehen freut. In Folge dieser Liebe, die weder die Zeit schwächt, noch die Abwesenheit vermindert hat, liebt man auch das Land, das die Herzogin aufgenommen, und wünscht es mächtig, friedsam und glücklich zu sehen; denn in den Gedanken der guten Bewohner von Ludwigslust verknüpft sich das Schicksal von Frankreich mit dem der jungen Prinzessin. Nirgends hegt man heißere Wünsche für den Ruhm und die Wohlfahrt Frankreichs und Keinem wird mehr Aufmerksamkeit erwiesen, als der nach Frankreich geht oder von dort zurückkehrt.

Das eigentliche Volk hegt für die Prinzessin, die unter seinen Augen aufgewachsen ist, dieselbe Achtung und Ergebenheit. Die niederen Klassen können, in ihrer Unwissenheit, den Lebensverhältnissen der Herzogin nicht so folgen, wie die, welche die auswärtigen Angelegenheiten kennen und Zeitungen lesen; und so sehen sie sie heutiges Tages noch, wie sie in glücklicher Jugendlust die Straßen und den Park der Residenz, wohlwollende Blicke und freundliche Worte spendend, durchwandelte. Eines Tags nahm ich einen Lohnwagen, der mich von Ludwigslust nach Schwerin bringen sollte. Unterwegs unterhielt ich mich mit dem Kutscher, einem biederen Greise, der mich durch seine lebhafte Physiognomie und seine naiven Erzählungen ergötzte. Nachdem ich mich mit ihm über das Volksthümliche seines Landes, über das Schloß zu Schwerin und die Dämme von Doberan unterhalten, fragte ich ihn, ob er die Herzogin von Orleans gekannt habe? Bei dieser Frage neigte er den Kopf und beobachtete ein Stillschweigen wie ein Mensch, der über einen nicht üblichen Namen nachdenkt und in seinem Kopfe eine etwas verworrene Idee aufzuklären sucht, dann rief er plötzlich, indem er mich lächelnd betrachtete: „Ach! unsre Helene! ja wohl, kenne ich sie! das glaub’ ich, wie oft hab’ ich sie vor unserem hause vorbeigehen sehen; und meine Frau und meine Kinder kennen sie auch recht gut und können ihnen sagen, wie lieb wir sie haben in unserm Lande. Aber, sehen Sie, der neue Titel, den Sie ihr geben, macht mich ganz verdreht. Wir wissen, daß sie jetzt eine französische Herzogin ist, und doch können wir ihr keinen andern Namen geben, als den sie bei uns führte. Das ist unsere Helene von Mecklenburg, wo sie auch immer hinkommen mag.“ Und nun erzählte der würdige Greis Alles, was er von der Kindheit der Prinzessin wußte, von ihrer Güte und Wohltätigkeit, die sie der ganzen Gegend werth und theuer gemacht hätte, und diese Erzählung währte bis zu unserer Ankunft an den gothischen Bögen des alten Schlosses von Schwerin.

In Weimar, wo die Herzogin von Orleans zu verschiedenen Malen mehre Monate zubrachte, ist nur Eine Stimme des Lobes und Segens von den Hallen des Schlosses ihres Oheims bis zur geringsten Bürgerwohnung herab. Die Zuneigung, welche die Einwohner dieser Stadt ihrer Mutter widmeten, trugen sie auch auf die edle Tochter über, und wenn ich nur ihren Namen unter ihnen aussprach, so wechte er allerwärts Ausdrücke der Liebe und Dankbarkeit. „Unser Schutzengel hat uns nicht verlassen – sagte mir einmal ein alter Freund Goethe’s – unsre Prinzessin Caroline lebt noch mitten unter uns; sie lebt in ihrer Anmuth und Güte in Helenen, die uns ebenso gut wie Mecklenburg angehört, wieder auf.“

Die Herzogin von Orleans verdient diese ausdauernde Zuneigung durch die Treue, die sie denjenigen bewahrt, die sie einmal kennen und schätzen lernte. Während sie mit Herz und Sinn sich Frankreich geweiht, hat sich doch nie ihr Heimathland vergessen. In der Ferne schwelgt sie in der Erinnerung an ihr theures Deutschland; sie freut sich über dessen Fortschritte und Wohlstand; mit aufmerksamem Blicke verfolgt sie die Lebensschicksale Aller, die sie geliebt. Sie nimmt Theil an ihrem Glücke, so wie sie ihre Leiden bedauert, und, bietet sich eine Veranlassung dar, der Reihe nach schickt sie ihnen mit geflügelter Eile glänzende Beweise der Großmuth, der Theilnahme, der Ermuthigung und des Trostes. Während meines Aufenthaltes in Weimar starb ein ausgezeichneter Künstler, und den ersten Condolenzbrief erhielt die betrübte Witwe von der Herzogin von Orleans. Eine andere Dame reiste nach Italien, um unter einem milderen Himmel ein Mittel gegen ihre langwierigen Leiden ausfindig zu machen, und unterwegs, in jeder Stadt hatte die Herzogin von Orleans Vorsorge für ihre Ankunft treffen lassen, und öffentliche Beamte boten ihr angelegentlichst ihre Dienste an.

Ich habe nicht nöthig, zu bemerken, welche Gefühle diese durchlauchtige Prinzessin ihrem zweiten Vaterlande eingeflößt hat. Das ganze Frankreich weiß es, und ich habe denen nicht von ihren Tugenden zu erzählen, welche sie durch einen Theil der französischen Provinzen reisen sahen, ebenso wenig denen, die Gelegenheit haben, täglich in Paris die edelherzigen Handlungen zu beobachten, welche ihre Bescheidenheit zu verbergen sucht und nur die Dankbarkeit entschleiert.

Seit ihrer Kindheit studirte die Herzogin von Orleans französische Sprache und Literatur, sie erlernte gleichzeitig mit ihrer Muttersprache die französische, und als sie, die Grenzen Deutschlands hinter sich, den Fuß auf französischen Boden setzte, inmitten dieses fröhlichen Volkes, das sie zu sehen sich drängte, war sie schon bei ihrem Eintritte in dieses Land keine Fremde mehr. Seit langer Zeit kannte sie die Tage des Ruhms und des Unglücks, die Reichthümer und die Berühmtheiten desselben. Sie kam in Frankreich wie eine zurückkehrende Tochter an, die lange erwartet wurde; und wie dieses Volk sich ihr ergeben zeigte, so schloß auch sie sich den Wünschen und Interessen desselben an.

Wer erinnert sich nicht an die glänzenden Feste von Fontainebleau, wo sie mit so viel Reiz und Würde geschmückt erschien, wo ein Staatsminister äußerste, als sie majestätischen Schrittes die Stufen des Schlosses hinanstieg: „man erwartete eine Fürstin, aber eine Königin ist angekommen!“ Wer erinnert sich nicht jener Soiréen im Pavillon Marsan, wo die Herzogin von Orleans im Vereine ihres erlauchten Gemahls die durch Geburt, Würden und Talente bedeutendsten Männer bei sich sah, die Großwürdenträger des Königreichs und die Dichter, die Deputirten des Volkes und die Künstler?!

Ach! ein schreckliches Unglück, ein Unglück, das wie ein Donnerschlag durch ganz Europa widerhallte, machte all’ diesen Festen, diesen schönen und geistreichen Zusammenkünften ein Ende. Lebensfröhlich und kriegesmuthig eilte der Herzog von Orleans am letztvergangenen 13. Juli zu seinen Eltern, um sich für eine glänzende Heerschau, die ihn erwartete, auf einige Tage bei ihnen zu beurlauben. Von dort aus wollte er zu seiner Gemahlin reisen, die nach der Rückkehr aus dem Bade in ländlicher Stille auf dem Schlosse zu Plombières verweilte. Da knickte ein unerforschlicher Rathschluß des Himmels die Blüthen der Hoffnung. Ein Scheuwerden der Pferde veranlaßte ein augenblickliches Schnellfahren, wobei der Herzog auf eine noch immer kaum erklärliche Weise kopfüber aus dem Wagen geschleudert wurde und sich an dem Steinpflaster die Hirnschale zerschmetterte, so daß er besinnungslos aufgehoben wurde, und, ohne wieder zu sich zu kommen, umgeben von seiner Familie, aber fern von seiner Gemahlin, in einem ärmlichen Hause an der Straße verschied. Vorsichtige Boten müssen der Herzogin von einer Krankheit des Herzogs berichten. Ahnungsvoll eilt sie nach Paris zurück. Da begegnen ihr unterwegs Bruder und Schwester des Verstorbenen. Ihre stumme Umarmung verkündet die Größe des Unglücks, und das stille Dunkel der heiligen Nacht umhüllt auf einsamer Landstraße den unsäglichen Schmerz.

Aber noch wacht Gott über Die, welche er heimgesucht, und Frankreich blickt mit Zärtlichkeit auf die junge Fürstin, die eine große Pflicht zwischen ewiger Trauer und einer schönen Hoffnung, zwischen dem Schmerz als Gattin und der Freude der Mutter, zwischen den Klagen um die Vergangenheit und den Verheißungen der Zukunft aufrecht erhält. Der Herzog von Orleans hinterließ Frankreich einen Thronerben und dem Thronerben eine Mutter, zu der beide mit Stolz und Vertrauen emporblicken können. Ihr geprüftes Herz, ihr gereiftes Urtheil lenken die ersten Schritte des jetzt bald fünfjährigen Grafen von Paris – geb. am 24. Aug. 1838 –, bis er dereinst nach Zurücklegung des 18. Lebensjahres aus den Händen seines Großvaters oder seines Onkels die Krone empfängt, die jener durch seine Weisheit von neuem und immer heller erglänzen macht, dieser fest und treu als ein anvertrautes Pfand zu hüten berufen ist. In dem Herzog von Chartres – geb. am 9. Nov. 1840 – erwächst eine zweite Burgschaft für Frankreichs Ruhe und Glück. Auch er wird dereinst dazu beitragen, den Namen seiner Mutter, der Prinzessin Helene, noch in fernen Zeiten und bei künftigen Generationen eben so tief in Aller Herzen zu graben, wie ihre Tugenden ihn in Deutschland und in Frankreich den Jetztlebenden unvergeßlich gemacht haben.

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Die Herzogin von Orleans und der Graf von Paris.