Heitere Zollgeschichten
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Auf dem Fährdampfer, der, von Trelleborg in Schweden kommend, in Saßnitz auf Rügen, wo die Zollabfertigung stattfindet, mittags ein Uhr eintrifft, befand sich unter anderen Passagieren auch eine ältere, sehr behäbige Berliner Dame, die es sich trotz der Warnung ihres Gatten in den Kopf gesetzt hatte, ein auf der Nordlandreise in Bergen in Norwegen gekauftes Eisbärenfell zollfrei nach Deutschland hineinzubringen. Zu diesem Zweck hatte die geniale Berlinerin das Eisbärenfell, an das der naturalisierte Kopf erst später angenäht werden sollte, mit einem dünnen, billigen Futter versehen und trug es nun beim Verlassen des Schiffes, das Futter nach außen, als Umhang.
Die Zollabfertigung findet in einem niedrigen Holzhäuschen dicht an der Landungsbrücke statt, in dem besonders an klaren Sommertagen um die Mittagszeit eine wenig angenehme Temperatur herrscht. Die Dame hatte insofern doppeltes Pech, als sie einmal einen Julitag erwischt hatte, an dem das Thermometer mittags bei völliger Windstille etwa dreißig Grad im Schatten zeigte, zweitens aber auch an einen Zollbeamten geriet, der ihre Absicht sofort durchschaute und nach den ersten Fragen über die Herkunft der merkwürdigen Sommermantille ihr bedeutete, sie müsse so lange warten, bis die übrigen Reisenden abgefertigt seien, da der Fall eine etwas gründlichere Erörterung erheische.
Nach zehn Minuten war die findige Dame mit dem Fellumhang in der Backofenglut des Zollraumes bereits einer Ohnmacht nahe. Die Zöllner, die sich inzwischen wohl durch einen heimlichen Wink verständigt haben mochten, ließen sich bei der Revision des Gepäckes der anderen Passagiere heute besonders lange Zeit, so daß das Schwitzbad der Eisbärenfellbesitzerin von Minute zu Minute unangenehmer wurde. Trotzdem hielt sie mit dem Mute der Verzweiflung aus und strafte die Leute, die ihr krebsrotes Gesicht ironisch lächelnd musterten, nur mit Blicken tiefster Verachtung.
Endlich – endlich kam dann auch die Reihe an sie. Der Beamte fragte von neuem nach diesem und jenem, wo das Fell gekauft sei, ob die Dame es schon auf der Reise als Umhang getragen habe und so weiter. Die Antworten schienen ihn jedoch nicht ganz zu befriedigen. Schließlich erklärte er, er könne die Sache selbst nicht entscheiden, hier müsse der Herr Zollinspektor das letzte Wort sprechen. Er würde diesen antelephonieren und um Bescheid bitten.
Inzwischen war dem Gatten der Berlinerin die Sache peinlich geworden. Er flüsterte seiner Frau zu, er würde das Fell lieber verzollen, damit die furchtbare Schwitzkur endlich ein Ende finde. Aber die Dame schaute ihn nur strafend an, und – er schwieg.
Der Zöllner verschwand, um seinen Vorgesetzten anzurufen.
Eine Viertelstunde verging und noch eine. Da hielt es der arme Ehemann der resoluten Dame, der bereits das Wasser in Strömen über daß Gesicht floß, nicht länger aus, und er rief einem Zollbeamten zu, er würde den Zoll für das Fell entrichten, da er nicht länger warten wolle. Nach den Zollsätzen waren für ein gegerbtes Tierfell im ungefähren Werte von zweihundert Mark acht Mark zu zahlen. Der Berliner hatte schon seine Börse gezogen und wollte gerade die Summe begleichen, als der andere Zöllner mit dem Bescheid des Herrn Zollinspektors zurückkehrte.
Die Sache nahm nun eine noch fatalere Wendung für die findige Dame. Denn der Herr Zollinspektor hatte den salomonischen Spruch gefällt, es handle sich hier nicht um ein zollpflichtiges neues Fell, sondern um ein neues pelzgefüttertes Kleidungsstück, also um einen Luxusartikel, der einundzwanzig Mark Zoll koste. Und dabei blieb‘s trotz allen Gezeters der Berlinerin. Den einzigen Trost, den sie aus dem Schwitzkasten mit ins Freie hinaustrug, war der, daß es ihr freigestellt wurde, sich bei der Oberzolldirektion in Stralsund zu beschweren.
Und dies tat sie auch. Ein halbes Jahr später erhielt sie Antwort, nachdem das Fell mit dem schönen naturalisierten Kopf längst unter ihrem Schreibtisch in ihrem Damensalon lag: Die Beschwerde müsse abschlägig beschieden werden, da ein im Juli in Norwegen gekauftes und zu einem Umhang umgearbeitetes Eisbärenfell nicht als „gebrauchtes“ und daher zollfreies Kleidungsstück angesehen werden könne. Damit war die Geschichte endgültig erledigt. Man darf überzeugt sein, daß die Dame ähnliche Manöver nie wieder versuchen wird. –
Ein New Yorker Buchhändler wurde eines Tages von der Zollbehörde benachrichtigt, daß für ihn aus London eine Kiste mit sämtlichen Bänden der ersten Ausgabe der Werke Dickens’ eingetroffen sei. Die Zollabfertigung der Sendung stieß jedoch insofern auf Schwierigkeiten, als ein Beamter in einem der Bücher einen offenen Brief gefunden hatte, in dem eine starke, weiße Haarlocke lag, die nach dem beigefügten, von einem Arzte beglaubigten Attest vom Haupte des Dichters stammen sollte.
Wegen dieser Haarlocke kam es zwischen dem Buchhändler und der Zollbehörde zu einem Streit, der sich darum drehte, ob die Locke als Haar einfuhrzollpflichtig oder als Reliquie zollfrei sei. Der Buchhändler behauptete das letztere – und dies nicht etwa deswegen, um den tatsächlich lächerlich hohen Zoll für Haar zu sparen, indem er auf die Bedeutung Dickens’ als Dichter und die Tatsache aufmerksam machte, daß dieser 1812 geboren sei, mithin seine Locke vor mehr als hundert Jahren entstanden und somit zum mindesten als „Antike“ anzusprechen sei. Er drang jedoch mit seiner Ansicht nicht durch. Ein Sachverständiger wurde geholt. Dieser erklärte, es handle sich weder um eine Reliquie noch um eine Antike, denn erstens gehöre Dickens nicht zu jenen Geistesheroen erster Klasse, daß eine Locke von ihm als Reliquie betrachtet werden könne, und zweitens sei diese schneeweiße Locke dem Dichter doch fraglos nicht bei seiner Geburt, sondern erst im letzten Lebensalter abgeschnitten worden, mithin auch erst einige vierzig Jahre alt und daher keine Antike.
So kam es, daß Dickens’ Locke, für die der Buchhändler nicht weniger als siebzig Dollar Zoll bezahlen sollte, säuberlich verpackt und unter der Aufschrift „Annahme verweigert“ nach London zurückgesandt wurde, wo dieses Bravourstückchen der New Yorker Zöllner unlängst in allen Zeitungen mit Ausdrücken höchster Entrüstung erörtert wurde. –
Schließlich noch die Geschichte „vom bellenden Schaf“, die wir ebenso wie die von der „Dame mit der Eisbärenmantille“ der heiteren Ecke einer Fachzeitung für Zoll- und Steuerbeamte entnehmen.
Bekanntlich ist die Einfuhr von Hunden nach Schweden und Norwegen durch ein Gesetz seit dem Jahre 1888 aufs strengste verboten. Ein reicher Dresdener Arzt, der einige Wochen in Norwegens nördlichster Ecke auf Renntier und Bär jagen wollte, mochte sich von seinem getreuen Hektor, einem prächtigen Rassehund, nicht gerne trennen und griff auf Anraten eines Freundes zu folgender List, um Hektor in das ungastliche Land hinüberzuschmuggeln. Er ließ einen Kasten bauen, bei dem nur der obere Teil aus Lattenwerk bestand, nähte den Hund kurz vor der Überfahrt nach Trelleborg so gut es ging in ein Schaffell ein, färbte mit Kreide die Schnauze Hektors grau und steckte ihn so in den Kasten. Dieser wurde dann auf den sogenannten Lastentrajektdampfer geschafft, der zumeist nur Güter nach Schweden befördert.
Bis Trelleborg ging alles gut. Hektor, der im Frachtbrief als Schaf aufgeführt war, verhielt sich mäuschenstill. Die Zollbeamten, die in Schweden an Bord kamen, hielten bei flüchtigem Hinsehen das Tier in dem halbdunklen Käfig tatsächlich für einen harmlosen Hammel, und überglücklich ließ der Doktor den Kasten durch ein paar Leute an Land bringen, um dem Hunde sofort nach Eintreffen in dem Hotel die wahre Gestalt und die Freiheit wiederzugeben.
Doch – Unglück schläft nicht. An der Landungsbrücke trieben sich ein paar Kinder umher, in deren Gesellschaft sich ein ruppiger Köter befand. Dieser hatte bald den verkappten Artgenossen in dem Kasten gewittert und knurrte den Gefangenen schadenfroh an. Hektor verstand die Sache falsch und begann urplötzlich zum Entsetzen seines Herrn in seinem Gefängnis wütend zu kläffen. Ein Schaf, das bellt, erregte das Interesse der schwedischen Zöllner. Bald hatte sich ein Kreis Neugieriger um das Wundertier gebildet, das trotz Herrchens grimmer Ermahnung ruhig weiter seine Hundestimme erschallen ließ.
Jedoch der Doktor aus Dresden hatte schließlich Glück. Die Trelleborger Zollbeamten bewiesen, daß sie keine Unmenschen waren, indem sie ruhig das Abrollen des Käfigs mit dem merkwürdigen Hammel gestatteten. Vielleicht gab es in Deutschland bellende Schafe – wer konnte das wissen! Im Frachtbrief stand ja „Schaf“, und das blieb schließlich die Hauptsache!