« Vierter Aufzug Hamlet [[Hamlet/|]] »
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Erste Scene.

[444]

Ein Kirchhof. (Zwei Totengräber kommen mit Spaten u. s. w.)
Erster Totengräber. Soll die ein christlich Begräbnis erhalten, die vorsätzlich ihre eigne Seligkeit sucht?

Zweiter Totengräber. Ich sage dir, sie soll’s, mach also flugs ihr Grab. Der Totenbeschauer hat über sie gesessen, und christlich Begräbnis erkannt.

Erster Totengräber. Wie kann das sein, wenn sie sich nicht defensionsweise ertränkt hat?

Zweiter Totengräber. Nun, es ist so befunden.

Erster Totengräber. Es muß aber se offendendo geschehen, es kann nicht anders sein. Denn dies ist der Punkt: Wenn ich mich wissentlich ertränke, so beweist es eine Handlung, und eine Handlung hat drei Stücke: sie besteht in Handeln, Thun und Verrichten: Ergel hat sie sich wissentlich ertränkt.

Zweiter Totengräber. Ei, hört doch, Gevatter Schaufler.

Erster Totengräber. Erlaubt mir. Hier steht das Wasser: gut; hier steht der Mensch: gut. Wenn der Mensch zu diesem Wasser geht und sich selbst ertränkt, so bleibt’s dabei, er mag wollen oder nicht, daß er hingeht. Merkt euch das! Aber wenn das Wasser zu ihm kommt, und ihn ertränkt, so ertränkt er sich nicht selbst. Ergel, wer an seinem eignen Tode nicht schuld ist, verkürzt sein eignes Leben nicht.

Zweiter Totengräber. Ist das Rechtens?

Erster Totengräber. Ei freilich, nach dem Totenbeschauerrecht.

Zweiter Totengräber. Wollt ihr die Wahrheit wissen? Wenn’s kein Fräulein gewesen wäre, so wäre sie auch nicht auf geweihtem Boden begraben.

Erster Totengräber. Ja, da haben wir’s. Und es ist doch ein Jammer, daß die großen Leute in dieser Welt mehr Aufmunterung haben, sich zu hängen und zu ersäufen, als ihre Christenbrüder. Komm, den Spaten her! Es gibt keine so alten Edelleute als Gärtner, Grabenmacher und Totengräber: sie pflanzen Adams Profession fort.

Zweiter Totengräber. War der ein Edelmann?

Erster Totengräber. Er war der erste, der je armirt war.

Zweiter Totengräber. Ei, was wollt’ er!

Erster Totengräber. Was? bist ein Heide? Wie legst du die Schrift aus? Die Schrift sagt: Adam grub. Konnte er ohne Arme graben? Ich will dir noch eine andre Frage vorlegen: wenn du mir nicht gehörig antwortest, so bekenne –

Zweiter Totengräber. Nur zu!

Erster Totengräber. Wer baut fester als der Maurer, der Schiffsbaumeister oder der Zimmermann?

Zweiter Totengräber. Der Galgenmacher, denn sein Gebäude überlebt an die tausend Bewohner.

Erster Totengräber. Dein Witz gefällt mir, meiner Treu. Der Galgen thut gut: aber wie thut er gut? Er thut gut an denen, die übel thun. Nun thust du übel zu sagen, daß der Galgen stärker gebaut ist als die Kirche, also würde der Galgen an dir gut thun. Noch ’mal dran! frisch!

Zweiter Totengräber. Wer stärker baut als ein Maurer, ein Schiffsbaumeister oder ein Zimmermann?

Erster Totengräber. Ja, sag mir das, und du sollst Feierabend haben.

Zweiter Totengräber. Mein Seel, nun kann ich’s sagen!

Erster Totengräber. Frisch!

Zweiter Totengräber. Sapperment, ich kann’s doch nicht sagen!
     (Hamlet und Horatio treten in einiger Entfernung auf.)

Erster Totengräber. Zerbrich dir den Kopf nicht weiter darum, der dumme Esel geht doch nicht schneller, wie du ihn auch prügeln magst; und wenn dir jemand das nächste Mal die Frage thut, antworte: der Totengräber. Die Häuser, die er baut, währen bis zum Jüngsten Tage. Geh, mach dich ins Wirtshaus und hole mir einen Schoppen Branntwein.
     (Zweiter Totengräber ab.)
 (Er gräbt und singt.)
 In jungen Tagen ich lieben thät,
 Das dünkte mir so süß.
 Die Zeit zu verbringen, ach früh und spät,
 Behagte mir nichts wie dies.

Hamlet. Hat dieser Kerl kein Gefühl von seinem Geschäft? Er gräbt ein Grab und singt dazu.

[445]
Horatio. Die Gewohnheit hat es ihm zu einer leichten Sache gemacht.


Hamlet. So pflegt es zu sein; je weniger eine Hand verrichtet, desto zarter ist ihr Gefühl.

Erster Totengräber. (singt.)
 Doch Alter mit dem schleichenden Tritt
 Hat mich gepackt mit der Faust,
 Und hat mich weg aus dem Lande geschifft,
 Als hätt’ ich da nimmer gehaust.
     (Wirft einen Schädel auf.)

Hamlet. Der Schädel hatte einmal eine Zunge und konnte singen. Wie ihn der Schuft auf den Boden schleudert, als wär’ es der Kinnbacken Kains, der den ersten Mord beging! Dies mochte der Kopf eines Politikers sein, den dieser Esel nun überlistet; eines, der Gott den Herrn hintergehen wollte, nicht wahr?

Horatio. Es ist möglich.

Hamlet. Oder eines Hofmannes, der sagen konnte: „Guten Morgen, geliebtester Prinz! Wie geht’s, bester Prinz?“ Dies mochte der gnädige Herr der und der sein, der des gnädigen Herrn des und des Pferd lobte, wenn er es gern zum Geschenk gehabt hätte, nicht wahr?

Horatio. Ja, mein Prinz.

Hamlet. Ja, ja, und nun Junker Wurm; eingefallen und mit einem Totengräberspaten um die Kinnbacken geschlagen. Das ist mir eine schöne Verwandlung, wenn wir nur die Kunst besäßen, sie zu sehen. Haben diese Knochen nicht mehr zu unterhalten gekostet, als daß man Kegel mit ihnen spielt? Meine thun mir weh, wenn ich daran denke.

Erster Totengräber. (singt.)
 Ein Grabscheit und ein Spaten wohl,
 Samt einem Kittel aus Lein,
 Und o, eine Grube, gar tief und hohl,
 Für solchen Gast muß sein.
     (Wirft einen Schädel auf.)

Hamlet. Da ist wieder einer: warum könnte das nicht der Schädel eines Rechtsgelehrten sein? Wo sind nun seine Klauseln, seine Praktiken, seine Fälle und seine Kniffe? Warum leidet er nun, daß dieser grobe Flegel ihn mit einer schmutzigen Schaufel um den Hirnkasten schlägt, und droht nicht, ihn wegen Thätlichkeiten zu belangen? Hum! Dieser Geselle war vielleicht zu seiner Zeit ein großer Käufer von Ländereien, mit seinen Hypotheken, seinen Grundzinsen, seinen Kaufbriefen, seinen Gewährsmännern, seinen gerichtlichen Auflassungen. Werden ihm seine Gewährsmänner nichts mehr von seinen erkauften Gütern gewähren, als die Länge und Breite von ein paar Kontrakten? Sogar die Uebertragungsurkunden seiner Ländereien können kaum in diesem Kasten liegen; und soll der Eigentümer selbst nicht mehr Raum haben? He?

Horatio. Nicht ein Tüttelchen mehr, mein Prinz.

Hamlet. Wird nicht Pergament aus Schafsfellen gemacht?

Horatio. Ja, mein Prinz, und aus Kalbsfellen auch.

Hamlet. Schafe und Kälber sind es, die darin ihre Sicherheit suchen. Ich will diesen Burschen anreden. – Wessen Grab ist das, heda!

Erster Totengräber. Meines, Herr. (Singt.)
 Und o, eine Grube, gar tief und hohl,
 Für solchen Gast muß sein.

Hamlet. Ich glaube wahrhaftig, daß es deines ist, denn du liegst darin.

Erster Totengräber. Ihr liegt draußen, Herr, und also ist’s nicht eures; ich liege nicht darin, und doch ist es meines.

Hamlet. Du lügst darin, weil du darin bist, und sagst, daß es deines ist. Es ist aber für die Toten, nicht für die Lebendigen; also lügst du.

Erster Totengräber. ’s ist eine lebendige Lüge, Herr, sie will von mir weg, zu euch zurück.

Hamlet. Für was für einen Mann gräbst du es?

Erster Totengräber. Für keinen Mann.

Hamlet. Für was für eine Frau denn?

Erster Totengräber. Auch für keine.

Hamlet. Wer soll denn darin begraben werden?

Erster Totengräber. Eine gewesene Frau, Herr; aber – Gott hab’ sie selig! – sie ist tot.

Hamlet. Wie keck der Bursch ist! Wir müssen nach der Schnur sprechen oder er sticht uns mit Silben zu Tode. Wahrhaftig, Horatio, ich habe seit diesen drei Jahren darauf geachtet: das Zeitalter wird so spitzfindig, daß der Bauer dem Hofmann auf die Fersen tritt. – Wie lange bist du schon Totengräber?

Erster Totengräber. Von allen Tagen im Jahre kam ich just den Tag dazu, da unser voriger König Hamlet den Fortinbras überwand.

Hamlet. Wie lange ist das her?

Erster Totengräber. Wißt ihr das nicht? Das weiß jeder Narr. Es war denselben Tag, wo der junge Hamlet geboren ward, der nun toll geworden und nach England geschickt ist.

Hamlet. Ei so! Warum haben sie ihn nach England geschickt?

Erster Totengräber. Nu, weil er toll war. Er soll seinen Verstand da wieder kriegen; und wenn er ihn nicht wieder kriegt, so thut’s da nicht viel.

Hamlet. Warum?

Erster Totengräber. Man wird’s ihm da nicht viel anmerken; die Leute sind da ebenso toll, wie er.

Hamlet. Wie wurde er toll?

Erster Totengräber. Seltsam genug, sagen sie.

Hamlet. Wie, seltsam?

Erster Totengräber. Mein Seel, just dadurch, daß er den Verstand verlor.

Hamlet. Kennt ihr den Grund?

Erster Totengräber. Freilich, dänischer Grund und Boden. Ich bin hier seit dreißig Jahren Totengräber gewesen, in jungen und alten Tagen.

Hamlet. Wie lange liegt wohl einer in der Erde, eh’ er verfault?

Erster Totengräber. Mein Treu, wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist (wie wir denn heutzutage viele lustsieche Leichen haben, die kaum bis zum Hineinlegen halten), so dauert er euch ein acht bis neun Jahre aus; ein Lohgerber neun Jahre.

Hamlet. Warum der länger als ein anderer?

Erster Totengräber. Ei, Herr, sein Gewerbe gerbt ihm das Fell so, daß es eine lange Zeit das Wasser abhält, und das Wasser richtet so ’ne Blitzleiche verteufelt zu Grunde. Hier ist ein Schädel, der euch dreiundzwanzig Jahre in der Erde gelegen hat.

Hamlet. Wem gehört er?

Erster Totengräber. Einem unklugen Blitzkerl. Wer denkt ihr, daß es war?

Hamlet. Ja, ich weiß nicht.

Erster Totengräber. Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.

Hamlet. Dieser? (Nimmt den Schädel.)

Erster Totengräber. Ja, ja, eben der.

Hamlet. Ach, armer Yorick! – Ich kannte ihn, Horatio, ein Bursche von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! Mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, [446] die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke, deine Sprünge, deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eigenes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der gnädigen Frau und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so ’n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach sie damit zu lachen! – Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine.

Horatio. Und was, mein Prinz?

Hamlet. Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah?

Horatio. Gerade so.

Hamlet. Und so roch? Pah! (Wirft den Schädel hin.)

Horatio. Gerade so, mein Prinz.

Hamlet. Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?

Horatio. Die Dinge so betrachten, hieße sie allzu genau betrachten.

Hamlet. Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben, Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm: und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worin er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?
 Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,
 Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.
 O, daß die Erde, der die Welt gebebt,
 Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt.
Doch still! Doch still! Beiseit! Hier kommt der König!
     (Priester u. s. w. kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge u. s. w.)
Die Königin, der Hof: wem folgen sie?
Und mit so unvollständgen Fei’rlichkeiten?
Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen,
Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt.
Sie war von Stande; lauern wir ein weilchen
Und geben acht. (Zieht sich mit Horatio zurück.)

Laertes. Was für Gebräuche sonst?

Hamlet.  Das ist Laertes,
Ein edler junger Mann. Gebt acht!

Laertes. Was für Gebräuche sonst?
Erster Priester. Wir dehnten ihr Begräbnis aus, so weit
Die Vollmacht reicht; ihr Tod war zweifelhaft,
Und wenn kein Machtgebot die Ordnung hemmte,
So hätte sie in ungeweihtem Grund
Bis zur Gerichtsdrommete wohnen müssen.
Statt christlicher Gebete sollten Scherben
Und Kieselstein’ auf sie geworfen werden.
Hier gönnt man ihr doch ihren Mädchenkranz
Und das Bestreun mit jungfräulichen Blumen,
Geläut und Grabstätt’.

Laertes. So darf nichts mehr geschehn?

Erster Priester.  Nichts mehr geschehn.
Wir würden ja der Toten Dienst entweihn,
Wenn wir ein Requiem und Ruh ihr sängen,
Wie fromm verschiednen Seelen.

Laertes.  Legt sie in den Grund,
Und ihrer schönen, unbefleckten Hülle
Entsprießen Veilchen! – Ich sag’ dir, harter Priester,
Ein Engel am Thron wird meine Schwester sein,
Derweil du heulend liegst.

Hamlet. Was? Die schöne Ophelia?

Königin. (Blumen streuend.) Der Süßen süßes: Lebe wohl! – Ich hoffte,
Du solltest meines Hamlets Gattin sein.
Dein Brautbett, dacht’ ich, süßes Kind, zu schmücken,
Nicht zu bestreun dein Grab.

Laertes.  O dreifach Wehe
Treff’ zehnmal dreifach das verfluchte Haupt,
Dess’ Unthat deiner sinnigen Vernunft
Dich hat beraubt! – Laßt noch die Erde weg,
Bis ich sie nochmals in die Arme fasse. (Springt in das Grab.)
Nun häuft den Staub auf Lebende und Tote,
Bis ihr die Fläche habt zum Berg gemacht,
Hoch über Pelion und das blaue Haupt
Des wolkigen Olympus.

Hamlet. (hervortretend.)
Wer ist der, dess’ Gram
So voll Emphase tönt? Dess’ Spruch des Wehes
Der Sterne Lauf beschwört und macht sie stillstehn
Wie schreckbefangne Hörer? – Dies bin ich,
Hamlet der Däne. (Springt in das Grab.)

Laertes. Dem Teufel deine Seele! (Ringt mit ihm.)

Hamlet. Du betest schlecht.
Ich bitt’ dich, laß die Hand von meiner Gurgel:
Denn ob ich schon nicht jäh und heftig bin,
So ist doch was Gefährliches in mir,
Das ich zu scheun dir rate. Weg die Hand!

König. Reißt sie doch von einander.

Königin.  Hamlet! Hamlet!

Alle. Ihr Herren –

Horatio.  Bester Herr, seid ruhig!
     (Einige vom Gefolge bringen sie auseinander und sie kommen aus dem Grabe heraus.)

Hamlet. Ja, diese Sache fecht’ ich aus mit ihm,
So lang’ bis meine Augenlider sinken.

Königin. O mein Sohn! Welche Sache?

Hamlet. Ich liebt’ Ophelien; vierzigtausend Brüder
Mit ihrem ganzen Maß von Liebe hätten
Nicht meine Summ’ erreicht. – Was willst du für sie thun?

König. Er ist verrückt, Laertes.

Königin. Um Gottes willen, laßt ihn!

Hamlet. Beim Element, sag, was du thun willst!
Willst weinen? Fechten? Fasten? Dich zerreißen?
Willst Essig trinken? Krokodile essen?
Ich thu’s. Ich thu’s. – Kommst du zu winseln her?
Springst, um mir Trotz zu bieten, in ihr Grab?
Laß dich mit ihr begraben, ich will’s auch;
Und schwatzest du von Bergen, laß auf uns
Millionen Hufen werfen, bis der Boden,
Die Scheitel an der glüh’nden Zone sengend,
Den Ossa macht zur Warze. – Prahlst du groß,
Ich kann’s so gut wie du.

König.  Dies ist bloß Wahnsinn;
So tobt der Anfall eine Weil’ in ihm.

Königin. Doch gleich, geduldig wie das Taubenweibchen,
Wenn sie ihr goldnes Paar hat ausgebrütet,
Senkt seine Ruh die Flügel.

Hamlet.  Hört doch, Herr!
Was ist der Grund, daß ihr mir so begegnet?
Ich liebt’ euch immer: doch es macht nichts aus;
Laßt Herkuln selber nach Vermögen thun,
Die Katze maut, der Hund will doch nicht ruhn. (Ab.)

König. Ich bitte dich, Horatio, geh ihm nach.
     (Horatio ab.)
Laertes, unser gestriges Gespräch
Muß die Geduld euch stärken. – Gute Gertrud,
Setzt eine Wache über euren Sohn.

[447]
Dies Grab soll ein lebendig Denkmal haben.

Bald werden wir der Ruhe Stunde sehn,
So lang muß alles mit Geduld geschehn.
     (Alle ab.)

Zweite Scene.

(Ein Saal im Schlosse. (Hamlet und Horatio treten auf.)
Hamlet. Hievon genug; nun komm’ ich auf das andre.
Erinnert ihr euch jedes Umstands noch?

Horatio. Erinnern, gnäd’ger Herr?

Hamlet. In meiner Brust war eine Art von Kampf,
Der mich nicht schlafen ließ; mich dünkt’, ich läge
Noch schlimmer als im Stock die Meuter. Rasch –
Und Dank dem raschen Mute! – Laßt uns einsehn,
Daß Unbesonnenheit uns manchmal dient,
Wenn tiefe Plane scheitern, und das lehr’ uns,
Daß eine Gottheit unsre Zwecke formt,
Wie wir sie auch entwerfen.

Horatio.  Sehr gewiß.

Hamlet. Aus meinem Schlafgemach,
Den Schiffermantel um mich her geworfen,
Tappt’ ich herum nach ihnen, fand sie glücklich,
Griff ihr Paket und zog mich schließlich wieder
Zurück in die Kajüte; meine Furcht
Vergaß die Höflichkeit, und dreist erbrach
Ich ihren höchsten Auftrag. Hier, Horatio,
Fand ich ein königliches Bubenstück:
Ein streng Geheiß, gespickt mit vielen Gründen,
Betreffend Dänmarks Heil und Englands auch,
Und, heida! solch ein Spuk, wenn ich entkäme –
Daß gleich auf Sicht, ohn’ alle Zögerung,
Auch nicht so lang’, um nur das Beil zu schärfen,
Das Haupt mir abgeschlagen werden sollte.

Horatio. Ist’s möglich?

Hamlet. Hier ist der Auftrag: lies ihn nur bei Muße.
Doch willst du hören, wie ich nun verfuhr?

Horatio. Ja, ich ersuch’ euch drum.

Hamlet. So rings umstrickt mit Bübereien, fing,
Eh’ ich noch den Prolog dazu gehalten,
Mein Kopf das Spiel schon an. Ich setzte mich,
Sann einen Auftrag aus, schrieb ihn ins Reine.
Ich hielt es einst, wie unsre großen Herrn,
Für niedrig, schön zu schreiben, und bemühte
Mich sehr, es zu verlernen; aber jetzt
That es mir Ritterdienste. Willst du wissen,
Was meine Schrift enthielt?

Horatio.  Ja, bester Herr.

Hamlet. Die ernstlichste Beschwörung von dem König,
Wofern ihm England treu die Lehnspflicht hielte,
Wofern ihr Bund blühn sollte wie die Palme,
Wofern der Fried’ in seinem Aehrenkranz
Stets beider Freundschaft bindend sollte stehn,
Und manchem wichtigen Wofern der Art –
Wann er den Inhalt dieser Schrift ersehn,
Möcht’ er ohn’ alles fernere Bedenken
Die Ueberbringer schnell zum Tode fördern,
Selbst ohne Frist zum Beichten.

Horatio. Wie wurde dies versiegelt?

Hamlet. Auch darin war des Himmels Vorsicht wach.
Ich hatt’ im Beutel meines Vaters Petschaft,
Das dieses dän’schen Siegels Muster war.
Ich faltete den Brief dem andern gleich,
Dann unterschrieb ich, drückte drauf das Siegel,
Legt’ ihn an seinen Ort: der Wechselbalg
Ward nicht erkannt. Am nächsten Tage nun
War unser Seegefecht, und was dem folgte,
Das weißt du schon.

Horatio. Und Güldenstern und Rosenkranz gehn drauf.

Hamlet. Ei, Freund, sie buhlten ja um dies Geschäft,
Sie rühren mein Gewissen nicht: ihr Fall
Entspringt aus ihrer eignen Einmischung.
’s ist mißlich, wenn die schlechtere Natur
Sich zwischen die entbrannten Degenspitzen
Von mächt’gen Gegnern stellt.

Horatio.  Was für ein König!

Hamlet. Was dünkt dir, liegt’s mir jetzo nah genug?
Der meinen König totschlug, meine Mutter
Zur Hure machte; zwischen die Erwählung
Und meine Hoffnungen sich eingedrängt;
Die Angel warf nach meinem eignen Leben
Mit solcher Hinterlist: ist’s nicht vollkommen billig,
Mit diesem Arme dem den Lohn zu geben?
Und ist es nicht Verdammnis, diesen Krebs
An unserm Fleisch noch länger nagen lassen?

Horatio. Ihm muß von England bald gemeldet werden,
Wie dort der Ausgang des Geschäftes ist.

Hamlet. Bald wird’s geschehn: die Zwischenzeit ist mein;
Ein Menschenleben ist als zählt man eins.
Doch ich bin sehr bekümmert, Freund Horatio,
Daß mit Laertes ich mich selbst vergaß:
Denn in dem Bilde seiner Sache seh’ ich
Der meinen Gegenstück. Ich schätz’ ihn gern,
Doch wirklich, seines Schmerzes Prahlerei
Empörte mich zu wilder Leidenschaft.

Horatio. Still doch! Wer kommt? (Osrick kommt.)

Osrick. Willkommen Eurer Hoheit hier in Dänmark.

Hamlet. Ich dank’ euch ergebenst, Herr. – Kennst du diese Mücke?

Horatio. Nein, bester Herr.

Hamlet. Um so besser ist für dein Heil gesorgt, denn es ist ein Laster, ihn zu kennen. Er besitzt viel und fruchtbares Land; wenn ein Tier Fürst der Tiere ist, so wird seine Krippe neben des Königs Gedeck stehen. Er ist eine Elster, aber, wie ich dir sage, mit weitläufigen Besitzungen von Kot gesegnet.

Osrick. Geliebtester Prinz, wenn Eure Hoheit Muße hätte, so wünschte ich euch etwas von Seiner Majestät mitzuteilen.

Hamlet. Ich will es mit aller Aufmerksamkeit empfangen, Herr. Eure Mütze an ihre Stelle: sie ist für den Kopf.

Osrick. Ich danke Eurer Hoheit, es ist sehr heiß.

Hamlet. Nein, auf mein Wort, es ist sehr kalt; der Wind ist nördlich.

Osrick. Es ist ziemlich kalt, in der That, mein Prinz.

Hamlet. Aber doch dünkt mich, es ist ungemein schwül und heiß, oder mein Temperament –

Osrick. Außerordentlich, gnädiger Herr, es ist sehr schwül – auf gewisse Weise – ich kann nicht sagen wie. Gnädiger Herr, Seine Majestät befahl mir, euch wissen zu lassen, daß er eine große Wette auf euren Kopf angestellt hat. Die Sache ist folgende, Herr: –

Hamlet. Ich bitte euch, vergeßt nicht!
     (Hamlet nötigt ihn, den Hut aufzusetzen.)

Osrick. Erlaubt mir, wertester Prinz, zu meiner eignen Bequemlichkeit. Vor kurzem, Herr, ist Laertes hier an den Hof gekommen: auf meine Ehre, ein vollkommener Kavalier, von den vortrefflichsten Auszeichnungen, von einer sehr gefälligen Unterhaltung und glänzendem Aeußern. In der That, um mit Sinn von ihm zu sprechen, er ist die Musterkarte der feinen Lebensart, denn ihr werdet in ihm den Inbegriff aller Gaben finden, die ein Kavalier nur wünschen kann zu sehen.

Hamlet. Seine Erörterung, Herr, leidet keinen Verlust in eurem Munde, ob ich gleich weiß, daß es die Rechenkunst des Gedächtnisses irre machen würde, ein [448] vollständiges Verzeichnis seiner Eigenschaften aufzustellen. Und doch würde es nur aus dem Groben sein, in Rücksicht seines behenden Fluges. Aber im heiligsten Ernste der Lobpreisung, ich halte ihn für einen Geist von großem Umfange und seine innere Begabung so köstlich und selten, daß, um uns wahrhaft über ihn auszudrücken, nur sein Spiegel seinesgleichen ist, und wer sonst seiner Spur nachgehen will, sein Schatten, nichts weiter.

Osrick. Eure Hoheit spricht ganz untrüglich von ihm.

Hamlet. Der Betreff, Herr? Warum lassen wir den rauhen Atem unserer Rede über diesen Kavalier gehen?

Osrick. Prinz?

Hamlet. Was bedeutet die Nennung dieses Kavaliers?

Osrick. Des Laertes?

Horatio. Sein Beutel ist schon leer: alle seine goldnen Worte sind ausgegeben.

Hamlet. Ja, des nämlichen.

Osrick. Ich weiß, ihr seid nicht ununterrichtet –

Hamlet. Ich wollte, ihr wüßtet es, Herr, ob es mich gleich, bei meiner Ehre, noch nicht sehr empfehlen würde. – Nun wohl, Herr!

Osrick. Ihr seid nicht ununterrichtet, welche Vollkommenheit Laertes besitzt –

Hamlet. Ich darf mich dessen nicht rühmen, um mich nicht mit ihm an Vollkommenheit zu vergleichen! Einen andern Mann aus dem Grunde kennen, hieße sich selbst kennen.

Osrick. Ich meine, Herr, was die Führung der Waffen betrifft; nach der Beimessung, die man ihm erteilt, ist er darin ohnegleichen.

Hamlet. Was ist seine Waffe?

Osrick. Degen und Stoßklinge.

Hamlet. Das wären dann zweierlei Waffen; doch weiter.

Osrick. Der König, Herr, hat mit ihm sechs Barberhengste gewettet; wogegen er, wie ich höre, sechs französische Degen samt Zubehör, als Gürtel, Gehenke und so weiter, verpfändet hat. Drei von den Gestellen sind in der That dem Auge sehr gefällig, den Gefässen sehr angemessen, unendlich zierliche Gestelle und von sehr geschmackvoller Erfindung.

Hamlet. Was nennt ihr die Gestelle?

Horatio. Ich wußte, ihr würdet euch noch an seinen Randglossen erbauen müssen, ehe das Gespräch zu Ende wäre.

Osrick. Die Gestelle sind die Gehenke.

Hamlet. Der Ausdruck würde schicklicher für die Sache sein, wenn wir eine Kanone an der Seite führen könnten; bis dahin laßt es immer Gehenke bleiben. Aber weiter: sechs Barberhengste gegen sechs französische Degen, ihr Zubehör, und drei geschmackvoll erfundene Gestelle: Das ist eine französische Wette gegen eine dänische. Weswegen haben sie dies verpfändet, wie ihr’s nennt?

Osrick. Der König, Herr, hat gewettet, daß Laertes in zwölf Stößen von beiden Seiten nicht über drei vor euch voraushaben soll; er hat auf zwölf gegen neun gewettet; und es würde sogleich zum Versuch kommen, wenn Eure Hoheit zu der Erwiderung geneigt wäre.

Hamlet. Wenn ich nun erwidre: nein?

Osrick. Ich meine, gnädiger Herr, die Stellung eurer Person zu dem Versuche.

Hamlet. Ich will hier im Saale auf und ab gehen; wenn es Seiner Majestät gefällt, es ist jetzt bei mir die Stunde frische Luft zu schöpfen. Laßt die Rapiere bringen; hat Laertes Lust, und bleibt der König bei seinem Vorsatze, so will ich für ihn gewinnen, wenn ich kann; wo nicht, so werde ich nichts als die Schande und die überzähligen Stöße davontragen.

Osrick. Soll ich eure Meinung so erklären?

Hamlet. In diesem Sinne, Herr, mit Ausschmückungen nach eurem Geschmack.

Osrick. Ich empfehle Eurer Hoheit meine Ergebenheit. (Ab.)

Hamlet. Der Eurige. Er that wohl daran, sie selbst zu empfehlen: es möchte ihm sonst kein Mund zu Gebote stehen.

Horatio. Dieser Kibitz ist mit der halben Eierschale auf dem Kopfe aus dem Nest gelaufen.

Hamlet. Er machte Umstände mit seiner Mutter Brust, eh’ er daran sog. Auf diese Art hat er, und viele andere von demselben Schlage, in die das schale Zeitalter verliebt ist, nur den Ton der Mode und den äußerlichen Schein der Unterhaltung erhascht: eine Art von aufbrausender Mischung, die sie durch die blödesten und gesichtetsten Urteile mitten hindurch führt; aber man treibe sie nur zu näherer Prüfung, und die Blasen platzen.
     (Ein Edelmann kommt.)

Edelmann. Gnädiger Herr, Seine Majestät hat sich euch durch den jungen Osrick empfehlen lassen, der ihm meldet, daß ihr ihn im Saale erwarten wollt. Er schickt mich, um euch zu fragen: ob eure Lust, mit Laertes zu fechten, fortdauert, oder ob Ihr längern Aufschub dazu verlangt.

Hamlet. Ich bleibe meinen Vorsätzen treu, sie richten sich nach des Königs Wunsche. Wenn es ihm gelegen ist, bin ich bereit, jetzt oder zu jeder andern Zeit; vorausgesetzt, daß ich so gut im stande bin wie jetzt.

Edelmann. Der König und die Königin sind alle auf dem Wege hierher.

Hamlet. In Gottes Namen.

Edelmann. Die Königin wünscht, ihr möchtet den Laertes freundschaftlich anreden, ehe ihr anfangt zu fechten.

Hamlet. Ihr Rat ist gut. (Der Edelmann ab.)

Horatio. Ihr werdet diese Wette verlieren, mein Prinz.

Hamlet. Ich denke nicht: seit er nach Frankreich ging, bin ich in beständiger Uebung geblieben; ich werde bei der ungleichen Wette gewinnen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie übel es mir hier ums Herz ist. Doch es thut nichts.

Horatio. Nein, bester Herr –

Hamlet. Es ist nur Thorheit; aber es ist eine Art von schlimmer Ahndung, die vielleicht ein Weib ängstigen würde.

Horatio. Wenn eurem Gemüt irgend etwas widersteht, so gehorcht ihm: ich will ihrer Hierherkunft zuvorkommen, und sagen, daß ihr nicht aufgelegt seid.

Hamlet. Nicht im geringsten. Ich trotze allen Vorbedeutungen: es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles. Da kein Mensch weiß, was er verläßt, was kommt darauf an, frühzeitig zu verlassen? Mag’s sein.

(Der König, die Königin, Laertes, Herren vom Hofe, Osrick und anderes Gefolge mit Rapieren u. s. w.)

König. Kommt, Hamlet, kommt! nehmt diese Hand von mir.
     (Der König legt die Hand des Laertes in die des Hamlet.)

Hamlet. Gewährt Verzeihung, Herr; Ich that euch unrecht,
Allein verzeiht um eurer Ehre willen.
Der Kreis hier weiß, ihr hörtet’s auch gewiß,
Wie ich mit schwerem Trübsinn bin geplagt.
Was ich gethan,
Das die Natur in euch, die Ehr’ und Sitte,
Hart aufgeregt, erklär’ ich hier für Wahnsinn.

[449]
War’s Hamlet, der Laertes kränkte? Nein.

Wenn Hamlet von sich selbst geschieden ist,
Und weil er nicht er selbst, Laertes kränkt,
Dann thut es Hamlet nicht, Hamlet verleugnet’s.
Wer thut es denn? Sein Wahnsinn. Ist es so,
So ist er ja auf der gekränkten Seite:
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlets Feind.
Vor diesen Zeugen, Herr,
Laßt mein Verleugnen aller schlimmen Absicht
So weit vor eurer Großmut frei mich sprechen,
Als ich den Pfeil nur sandte übers Haus,
Und meinen Bruder traf.

Laertes. Mir ist genug geschehn für die Natur,
Die mich in diesem Fall am stärksten sollte
Zur Rache treiben. Doch nach Ehrenrechten
Halt’ ich mich fern und weiß nichts von Versöhnung,
Bis ältre Meister von geprüfter Ehre
Zum Frieden ihren Rat und Spruch verleihn,
Für meines Namens Rettung: bis dahin
Empfang’ ich eure dargebotne Liebe
Als Lieb’, und will ihr nicht zu nahe thun.

Hamlet. Gern tret’ ich bei, und will mit Zuversicht
Um diese brüderliche Wette fechten.
Gebt uns Rapiere, kommt!

Laertes.  Kommt, einen mir.

König. Gebt ihnen die Rapiere, junger Osrick.
Ihr wißt doch, Vetter Hamlet, unsre Wette?

Hamlet. Vollkommen: Eure Hoheit hat den Ausschlag
Des Preises auf die schwäch’re Hand gelegt.

König. Ich fürcht’ es nicht, ich sah euch beide sonst;
Er lernte zu, drum gibt man uns voraus.

Laertes. Das ist zu schwer, laßt einen andern sehn.

Hamlet. Das steht mir an: sind alle gleicher Länge?
     (Sie bereiten sich zum Fechten.)

Osrick. Ja, bester Herr.

König. Setzt mir die Flaschen Wein auf diesen Tisch,
Wenn Hamlet trifft zum ersten oder zweiten,
Wenn er beim dritten Tausch den Stoß erwidert,
Laßt das Geschütz von allen Zinnen feuern,
Der König trinkt auf Hamlets Wohlsein dann,
Und eine Perle wirft er in den Kelch,
Mehr wert, als die vier Kön’ge nacheinander
In Dänmarks Krone trugen. Gebt die Kelche:
Laßt die Trompete zu der Pauke sprechen,
Die Pauke zu dem Kanonier hinaus,
Zum Himmel das Geschütz, den Himmel zur Erde:
Jetzt trinkt der König Hamlet zu. – Fangt an,
Und ihr, die Richter, habt ein achtsam Aug.

Hamlet. Kommt, Herr.

Laertes. Wohlan, mein Prinz. (Sie fechten.)

Hamlet. Eins.

Laertes. Nein.

Hamlet. Richterspruch.

Osrick. Getroffen, offenbar getroffen!

Laertes. Gut, noch einmal.

König. Halt! Wein her! – Hamlet, diese Perl’ ist dein,
Hier auf dein Wohl! Gebt ihm den Kelch.
     (Trompetenstoß und Kanonenschüsse hinter der Scene.)

Hamlet. Ich fecht’ erst diesen Gang, setzt ihn beiseit.
Kommt! (Sie fechten.)
 Wiederum getroffen; was sagt ihr?

Laertes. Berührt! berührt! ich geb’ es zu.

König. Unser Sohn gewinnt.

Königin. Er ist fett und kurz von Atem.
Hier Hamlet, nimm mein Tuch, reib dir die Stirn.
Die Königin trinkt auf dein Glück, mein Hamlet.

Hamlet. Gnädige Mutter –

König. Gertrud, trink nicht.

Königin. Ich will es, mein Gemahl; ich bitt’, erlaubt mir.

König. (beiseit.)
Es ist der gift’ge Kelch; es ist zu spät.

Hamlet. Ich darf jetzt noch nicht trinken, gnäd’ge Frau:
Sogleich.

Königin. Komm, laß mich dein Gesicht abtrocknen.

Laertes. Mein Fürst, jetzt treff ich ihn.

König.  Ich glaub’ es nicht.

Laertes. (beiseit.) Und doch, beinah ist’s gegen mein Gewissen.

Hamlet. Laertes, kommt zum dritten nun: ihr tändelt.
Ich bitt’ euch, stoßt mit eurer ganzen Kraft;
Ich fürchte, daß ihr mich zum besten habt.

Laertes. Meint ihr? Wohlan! (Sie fechten.)

Osrick.  Auf beiden Seiten nichts.

Laertes. Jetzt seht euch vor.
     (Laertes verwundet den Hamlet; darauf wechseln sie in der Hitze des Gefechts die Rapiere und Hamlet verwundet den Laertes.)

König.  Trennt sie, sie sind erhitzt.

Hamlet. Nein, noch einmal! (Die Königin sinkt um.)

Osrick.  Seht nach der Königin!

Horatio. Sie bluten beiderseits. – Wie steht’s, mein Prinz?

Osrick. Wie steht’s, Laertes?

Laertes. Gefangen in der eignen Schlinge, Osrick!
Mich fällt gerechterweise mein Verrat.

Hamlet. Was ist der Königin?

König. Sie fällt in Ohnmacht, weil sie bluten sieht.

Königin. Nein, nein! Der Trank, der Trank! – O, lieber Hamlet!
Der Trank, der Trank! – Ich bin vergiftet. (Sie stirbt.)

Hamlet. O Büberei! – Ha! laßt die Thüren schließen.
Verrat! sucht, wo er steckt. (Laertes fällt.)

Laertes. Hier, Hamlet: Hamlet, du bist umgebracht.
Kein Mittel in der Welt errettet dich,
In dir ist keine halbe Stunde Leben.
Des Frevels Werkzeug ist in deiner Hand,
Unabgestumpft, vergiftet; meine Arglist
Hat sich auf mich gewendet: sieh! hier lieg’ ich,
Nie wieder aufzustehn – vergiftet deine Mutter –
Ich kann nicht mehr – des Königs Schuld, des Königs!

Hamlet. Die Spitze auch vergiftet?
So thu denn, Gift, dein Werk! (Er ersticht den König.)

Osrick. (und Herren vom Hofe). Verrat! Verrat!

König. Noch helft mir, Freunde! Ich bin nur verwundet.

Hamlet. Hier, mördrischer, blutschändrischer, verruchter Däne!
Trink diesen Trank aus! – Ist die Perle hier?
Folg meiner Mutter! (Der König stirbt.)

Laertes.  Ihm geschieht sein Recht:
Es ist ein Gift von seiner Hand gemischt.
Laß uns Vergebung wechseln; edler Hamlet!
Mein Tod und meines Vaters komm’ nicht über dich,
Noch deiner über mich! (Er stirbt.)

Hamlet.  Der Himmel mache
Dich frei davon! Ich folge dir. – Horatio,
Ich sterbe. – Arme Königin, fahr wohl!
Ihr, die erblaßt und bebt bei diesem Fall,
Und seid nur stumme Hörer dieser Handlung,
Hätt’ ich nur Zeit, – der grause Scherge Tod
Verhaftet schleunig, – o ich könnt’ euch sagen!
Doch sei es drum. – Horatio, ich bin hin;
Du lebst: erkläre mich und meine Sache
Den Unbefriedigten.

Horatio.  Nein, glaub das nicht,
Ich bin ein alter Römer, nicht ein Däne:
Hier ist noch Trank zurück.

Hamlet.  Wo du ein Mann bist,
Gib mir den Kelch! Beim Himmel, laß! ich will ihn!

[450]
O Gott! – Welch ein verletzter Name, Freund,

Bleibt alles so verhüllt, wird nach mir leben.
Wenn du mich je in deinem Herzen trugst,
Verbanne noch dich von der Seligkeit,
Und atm’ in dieser herben Welt mit Müh,
Um mein Geschick zu melden. –
     (Marsch in der Ferne, Schüsse hinter der Scene.)
Welch kriegerischer Lärm?

Osrick. Der junge Fortinbras, der siegreich eben
Zurück von Polen kehrt, gibt den Gesandten
Von England diesen kriegerischen Gruß.

Hamlet. O, ich sterbe, Horatio!
Das starke Gift bewältigt meinen Geist;
Ich kann von England nicht die Zeitung hören.
Doch prophezei’ ich, die Erwählung fällt
Auf Fortinbras: er hat mein sterbend Wort:
Das sagt ihm, samt den Fügungen des Zufalls,
Die es dahin gebracht. – Der Rest ist Schweigen.
     (Er stirbt.)

Horatio. Da bricht ein edles Herz. – Gute Nacht, mein Fürst!
Und Engelscharen singen dich zur Ruh! –
Weswegen naht die Trommel? (Marsch hinter der Scene.)
Fortinbras, die englischen Gesandten und andere kommen.)

Fortinbras. Wo ist dies Schauspiel?

Horatio. Was ist’s, das ihr zu sehn begehrt? Wenn irgend
Weh oder Wunder, laßt vom Suchen ab.

Fortinbras. Die Niederlage hier schreit Mord. – O stolzer Tod,
Welch Fest geht vor in deiner ew’gen Zelle,
Daß du auf einen Schlag so viele Fürsten
So blutig trafst?

Erster Gesandter. Der Anblick ist entsetzlich,
Und das Geschäft von England kommt zu spät.
Taub sind die Ohren, die Gehör uns sollten
Verleihen, sein Befehl sei ausgeführt,
Und Rosenkranz und Güldenstern sei’n tot.
Wo wird uns Dank zu teil?

Horatio.  Aus seinem Munde nicht,
Hätt’ er dazu die Lebensregung auch.
Er gab zu ihrem Tode nie Befehl.
Doch weil so schnell nach diesem blut’gen Schlage,
Ihr von dem Zug nach Polen, ihr aus England,
Hierhergekommen seid, so ordnet an,
Daß diese Leichen hoch auf einer Bühne
Vor aller Augen werden ausgestellt,
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt ihr hören
Von Thaten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt,
Und Planen, die verfehlt zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden.

Fortinbras.  Eilen wir zu hören,
Und ruft die Edelsten zu der Versammlung.
Was mich betrifft, mein Glück umfang’ ich traurend;
Ich habe alte Recht’ an dieses Reich,
Die anzusprechen mich mein Vorteil heißt.

Horatio. Auch hiervon werd’ ich Grund zu reden haben.
Und zwar aus dessen Mund, dess’ Stimme mehre
Wird nach sich ziehen; aber laßt uns dies
Sogleich verrichten, weil noch die Gemüter
Der Menschen wild sind, daß kein Unheil mehr
Aus Ränken und Verwirrung mög’ entstehn.

Fortinbras. Laßt vier Hauptleute Hamlet auf die Bühne
Gleich einem Krieger tragen: denn er hätte,
Wär’ er hinaufgelangt, unfehlbar sich
Höchst königlich bewährt; und bei dem Zug
Laßt Feldmusik und alle Kriegsgebräuche
Laut für ihn sprechen.
Nehmt auf die Leichen! Solch ein Blick wie der
Ziemt wohl dem Feld, doch hier entstellt er sehr.
Geht, heißt die Truppen feuern! (Ein Totenmarsch.)
     (Sie gehen ab, indem sie die Leichen wegtragen, hierauf wird eine Artilleriesalve abgefeuert.)

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