Textdaten
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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Gute Menschen
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aus: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung) S. 145–148
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
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Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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Quelle: Google und Commons
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Gute Menschen.


A. Narren füllen die Welt.

B. Ein stolzes Wort! Es schmeckt nach einem stolzen Philosophen.

A Kannst du es läugnen?

B. Gemäßigter würde ich mit Plato sagen: „sehr gute und äußerst schlechte Menschen giebts wenig; die meisten sind von der Mittelgattung.“

A. Warum denn stürzt das Volk immer zur Thorheit hin? und stellt die größte Thorheit gemeiniglich mit dem zahlreichsten Beifall vest?

B. Weil es böse Lehrer und Führer hat, die durch ihre geschwätzige List seines einfältigen Leichtglaubens, seiner offenherzigen Bereitwilligkeit mißbrauchen.

A. Da irrest du dich. Könnte man sie führen wohin man wollte, so würden sie gewiß auch häufiger zu Tugenden und zur Frömmigkeit geführt werden, so oft ihnen gute Lehrer werden.

B. Was alles man vom Volk erlangen kann, mein Freund, das, dünkt mich, kannst du sehen, wenn du den Luxus der Höfe, den Schmuck der Kirchen, die Musse unsrer Akademieen, die Arbeiten unsrer Feldlager, die Regeln der Orden, insonderheit aber die häufigen Abgaben und Plackereien betrachtest, mit denen man es schert und schindet.

Ueberdas ist das Volk nicht sogar unweise, daß es nicht das Beßere einsehen sollte, wenn dies Beßere ihm nur gezeigt und an die Stelle des Schlechtern gesetzt wird.

A. Als wenn du nicht wüßtest, mit welcher Mühe, mit welchen Bitten das alles vom Volk errungen sei!

B. Mit Mühe? mit Bitten? Durch eine geschminkte Beredsamkeit, durch eine verstellte Heiligkeit, endlich durch vorgemahlte Gewalt, oder durch heuchlerische Tyrannei. Glaube mir, es gehört nicht viel dazu, dem armen Volk Schweiß und Blut abzubetteln, wenn man nur was Honettes vorgiebt. So gutherzig sind die Menschen!

A. Es scheint, du kennst ihre Härte und Rauhigkeit nicht.

B. Ich sehe nur auf die gegenwärtigsten Exempel. Was hat die Wiedertäufer so schnell und bald, biegsamer, in der Religion erfahrner, im Leben sittlicher gemacht, als eine beßere politische Einrichtung?

A. Ja, eine schwärmerische Religion kann das.

B. Und unsre wahrere Religion sollte es nicht können? sollte nicht soviel vermögen, daß Trunkenheit, Lästerungen, Raub, Zank, Proceße, Duelle verhindert oder gemindert würden?

A. Nun, diese wiedertäuferische Heiligkeit gehabe sich wohl!

B. Gehabe sich denn auch wohl Jedes unsrer schrecklichen Laster, mit denen wir alle bedeckt sind vom Kleinsten bis zum Größten, vom Profanen bis zum Religiosen. Denn würden wir diesen Lastern nicht mit so viel Gemächlichkeit nachsehn, indeß wir die Pfennige des Volks fleißig einsammlen und verzehren; es würde uns an Mitteln, unsre Verfassung und Kirche zu beßern nicht fehlen; da anjetzt jeder, der den Namen Andacht nur nennet oder am Staat etwas auszusetzen waget, flugs Wiedertäufer oder Ketzer heißt. So freigebig sind unsre Lehrer in Namen!

A. So wirst du auch wohl das Papstthum uns wieder zuführen wollen und eine Schätzung der Sünden?

B. Lieber das Christenthum, und eine Flucht schändlicher Laster.

A. Wenn nur Das Christenthum seyn soll, so kenne ich kaum Christen.

B. Dann muß man sie anderswo suchen. Mir scheint Christi Reich nicht so enge, daß es innerhalb unsrer Licenz zu sündigen seine Grenzen finden müßte.