Gustav Fritzsche, Leipzig, Königlich Sächsische Hofbuchbinderei

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Titel: Gustav Fritzsche, Leipzig, Königlich Sächsische Hofbuchbinderei
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Gustav Fritzsche, Leipzig.
Königlich Sächsische Hofbuchbinderei.


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Gustav Fritzsche, Leipzig.
Königlich Sächsische Hofbuchbinderei.

Im Jahre 1856 wanderte gesenkten Hauptes und trübseligen Sinnes ein junger Handwerksbursche aus den Thoren Leipzig’s und wieder zurück nach seiner Vaterstadt Bitterfeld. Ganze acht Tage war er in der Fremde gewesen. Er hatte sich beim Goldschnitteschaben die Hände wund gearbeitet, und als es auch mit einigen anderen Arbeiten nicht recht gehen wollte, wurde er „wegen Unbrauchbarkeit“ entlassen. Der mißglückte Anfang, die Sticheleien der Bekannten über die schnelle Heimkehr und kurze Wanderschaft, endlich die Erinnerung an das wenig ermutigende Wort: „Aus dir wird nichts!“, das der schwächliche Knabe als Lehrling mehr denn einmal zu hören bekommen hatte, ließen in ihm den Entschluß reifen, die Buchbinderei gänzlich an den Nagel zu hängen. Nur der Großvater, der an ihm Vaterstelle vertrat, widersetzte sich diesem Entschluß und sorgte dafür, daß er nicht zur Ausführung kam. Dieser junge Buchbindergeselle war einige dreißig Jahre später der Besitzer eines Etablissements, das 300 Arbeiter und 118 Hilfsmaschinen, sowie eine Dampfmaschine mit 20 Pferdekräften beschäftigt, das jährlich ca. 2 Millionen Einbände und Einbanddecken herstellt, von welch’ ersteren der billigste 3½ Pfennig kostet, der kostbarste – der Einband der vom König von Sachsen dem Papst Leo XIII. geschenkten Biblia Pauperum – mit 20 000 Mk. bezahlt wurde, und das die ganze civilisierte Welt als Absatzgebiet besitzt. Mit einem Worte: jener junge Geselle war Gustav Fritzsche, der spätere Begründer der Fritzscheschen Hofbuchbinderei in Leipzig.

Dem mächtigen Geschäftshaus auf der Kurzen Straße, das sich bei 1000 □m Grundfläche 6 Stock hoch aufbaut, sieht man es nicht an, daß der Begründer der Firma einst die Flinte beinah ins Korn geworfen hätte, auch nicht, daß die heutige weit über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmte Anstalt aus den kleinsten Anfängen hervorgegangen und herausgewachsen ist. Der nachmalige Buchbindermeister Fritzsche, der schließlich doch wieder nach der Buchhändlerstadt Leipzig zurückgekehrt und dort für schweres Geld Meister und Bürger geworden war, begann am 4. März 1864 sein Geschäft mit einem einzigen Gesellen und hatte lange Zeit mit schweren Sorgen zu kämpfen, da ihm jedes nennenswerte Betriebskapital fehlte. In der prächtigen, von ihm selbst anläßlich des 25jährigen Geschäftsjubiläums verfaßten Schrift sind die Nöte des jungen Handwerksmeisters auf seinem Wege bis zum Großindustriellen sehr anschaulich geschildert, und man wird es mit ebensoviel Hochachtung wie Mitgefühl lesen, daß für den vierköpfigen Haushalt wöchentlich ganze 2½ Thaler ausgeworfen waren und daß in schweren Zeiten auch gelegentlich einmal ein besseres Stück des Hausrates ins Leihhaus wanderte, nur um den Gesellen nicht am erforderlichen Lohn mangeln zu lassen. Diese Notlage, so schreibt G. Fritzsche in der erwähnten Festschrift selbst, dauerte bis 1867. In diesem Jahre erhielt er von Volkmars Barsortiment nennenswerte Aufträge, die nicht kreditiert zu werden brauchten, und von da ab wuchs das Geschäft derart, daß im Jahre 1870 bereits 30–40 Arbeiter beschäftigt werden konnten.

Nach dem deutsch-französischen Kriege nahm das Etablissement einen noch größeren Aufschwung, sodaß ein eigenes Gebäude angekauft werden mußte, das ca. 70 Arbeitern Raum bot. Vier Jahre später (1875) errang die Firma die erste öffentliche Anerkennung, die zweite Preismedaille, auf der Dresdener Gewerbeausstellung. Sie begann damit in Wettbewerb mit der übrigen buchgewerblichen Großindustrie zu treten. Dieser ersten Medaille folgten mit der Zeit eine Reihe höchster Auszeichnungen: 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia („für gute und billige Arbeit“), 1876 in München, 1877 in Amsterdam, 1879 in Leipzig und 1880 in Wien. Am 2. Juli 1880 beehrte König Albert das Etablissement mit seinem Besuch. Hierauf erfolgte Verleihung des Prädikats: Hofbuchbinder. Der Reuleauxsche Ausspruch „billig und schlecht“ hatte auch in dem Buchhändlergewerbe große Aufregung hervorgerufen und die Firma Gustav [Ξ] Fritzsche war die erste, welche die Stillosigkeit in der Dekoration der Einbände erkannte, auf gute alte Vorbilder zurükgriff und wirkliche Künstler für das Buchgewerbe zu interessieren suchte. Gustav Fritzsche hat das Verdienst, die Kunst der fabrikmäßigen Herstellung dienstbar gemacht zu haben. Aber nicht zufrieden damit, selbstschaffend thätig zu sein, war er auch bestrebt, für das gesamte Buchgewerbe anregend zu wirken. Und so entstand nachmals sein verdienstvolles Fachwerk: „Moderne Bucheinbände, Sammlung künstlerischer Originalentwürfe“, zu welchem eine große Anzahl hervorragender Künstler Zeichnungen lieferten.

Erwarb sich einerseits die Firma Gustav Fritzsche besondere Verdienste um die Buchbinderei als Kunstgewerbe, so schuf sie sich andererseits eine Spezialität in der fabrikmäßigen Herstellung von „Masseneinbänden“ für den Buchhandel. Die Erfolge des nunmehr rasch aufblühenden Geschäftes verlangten eine fortwährende Vergrößerung des Arbeiterpersonals und sehr bald die Erbauung eines eigenen großen Fabrikgebäudes. Dasselbe wurde im Jahre 1878 auf der Kurzen Straße errichtet und bildet in seiner jetzigen Gestalt ein musterhaft gegliedertes Ganzes. Im ersten Stock befindet sich der Pressersaal, in welchem die Decken und Rücken ihren Schmuck durch Gold- und Farbendruck erhalten. Das zweite Stockwerk dient als Lagerraum für die Materialien und für fertige Bücher. Im dritten Stockwerk sieht man fast nur Arbeiterinnen, welche mit den zur Herstellung der Bücher nötigen Vorarbeiten, vom Falzen der Bogen ab bis mit dem Heften derselben beschäftigt sind. Acht Brehmersche Draht- und Fadenheftmaschinen, mit welchen in einem Arbeitstage 150 000 Bogen geheftet werden können, besorgen das letztere. Die gehefteten Bücher gelangen nunmehr nach dem vierten Stockwerk. Hier werden dieselben geleimt, beschnitten, gerundet und die Schnitte nach Erfordernis marmoriert, gefärbt oder mit Goldschnitt versehen. Daselbst befinden sich auch die Ateliers für Zeichnungen und altdeutsche Lederarbeiten. Aus diesem Saale wandern die Bücher zurück nach dem Parterre, wo sie fertig gemacht und durchgesehen werden. Im Souterrain endlich befinden sich die Pappenbearbeitungsmaschinen und die Lagerräume für mehrere hundert Centner Pappen. Hinter dem Hauptgebäude befindet sich endlich das Kessel- und Maschinenhaus. Es dürfte von Interesse sein, die Zahlen zu erfahren, welche den Materialverbrauch und die Arbeitslöhne des letzten Geschäftsjahres kennzeichnen. Es wurden 1891 ausgezahlt: an Arbeitslöhnen 214 000 Mk., für Calico 47 000 Mk., für echtes Blattgold 48 000 Mk., für Leder 29 000 Mk., für Papier 32 000 Mk., für Pappen 36 000 Mk., für Farben 16 000 Mk., für Leim 5000 Mk. etc. Besonders ehrenvoll für die Firma ist die große Anzahl langjähriger Mitarbeiter und Gehilfen, die sie besitzt und unter denen sich Personen befinden, die schon seit länger denn 25 Jahre dem Geschäfte angehören.

Der jetzige Inhaber der Firma ist Herr Hugo Fritzsche, der 1889 am Jubiläumstage als Teilhaber eintrat und dem kurz darauf ebenfalls der Titel „Königlich Sächsischer Hofbuchbinder“ verliehen wurde. Im Gegensatze zu den Söhnen anderer Großindustrieller, die keinen Geschmack an dem Gewerbe finden, das die Grundlage des väterlichen Wohlstandes wurde, hat derselbe als Lehrling regelrecht die Buchbinderei erlernt, wurde zum Gesellen gesprochen und arbeitete zu seiner Ausbildung in Altenburg, Wien, Karlsruhe und Hamburg, in welch’ letzterem Orte er sich mit der altdeutschen Lederplastik vertraut machte, die er später als Spezialität dem väterlichen Geschäfte einfügte. Nachdem er noch dem Vaterlande als Einjährig-Freiwilliger gedient, widmete er seine ganze Kraft der alten hochrenommierten Firma, deren einziger Inhaber er jetzt ist, denn im Jahre 1890 begab sich der verdienstvolle Begründer, den das Vertrauen seiner Mitbürger zum sächsischen Landtagsabgeordneten wählte, in den Ruhestand. Es ist ein günstiger Beweis für die Tüchtigkeit des Sohnes, daß er das Werk des Vaters unter stetiger Fortentwickelung und Vergrößerung einer glänzenden Zukunft entgegenführt. Vielleicht interessiert es den Leser noch, zu erfahren, daß der geschmackvolle Einband des vorliegenden Werkes ebenfalls in der Hofbuchbinderei von Gustav Fritzsche hergestellt worden ist.