Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse. Vom 3. Juni 1914

Gesetzestext
unkorrigiert
Titel: Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse. Vom 3. Juni 1914.
Abkürzung:
Art: Gesetz
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie: Strafrecht
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1914, Nr. 32, Seite 195–199
Fassung vom: 3. Juni 1914
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 8. Juni 1914
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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Quelle: Scans auf Commons
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(Nr. 4389.) Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse. Vom 3. Juni 1914.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Wer vorsätzlich Schriften, Zeichnungen oder andere Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter einem Jahre bestraft.
Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich Nachrichten, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, an eine ausländische Regierung oder an eine Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, gelangen läßt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet.
Hat der Verrat einen schweren Schaden für die Sicherheit des Reichs zur Folge gehabt, so kann, wenn der Täter dies vorausgesehen und gegen Entgelt gehandelt hat, auf lebenslanges Zuchthaus erkannt werden.
Wer ohne den Vorsatz, die Sicherheit des Reichs zu gefährden, vorsätzlich und rechtswidrig Gegenstände der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt, wird mit Gefängnis oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft.
Der Versuch ist strafbar. [196]
Wer sich den Besitz oder die Kenntnis von Gegenständen der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art in der Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung zu gebrauchen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.
Ebenso wird bestraft, wer sich Nachrichten der im § 1 Abs. 2 bezeichneten Art in der Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung an eine ausländische Regierung oder an eine im Interesse einer ausländischen Regierung tätige Person zu gebrauchen.
Waren die Gegenstände oder Nachrichten dem Täter in seiner Eigenschaft als deutscher Beamter oder deutsche Militärperson zugänglich, so kann auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren erkannt werden.
Wer sich vorsätzlich und rechtswidrig den Besitz oder die Kenntnis von Gegenständen der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art ohne die Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung zu gebrauchen, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu drei Jahren bestraft. Bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.
Der Versuch ist strafbar.
Wer ein Verbrechen der in den §§ 1, 3 bezeichneten Art mit einem anderen verabredet, wird, wenn es nicht zur Vollendung oder zu einem strafbaren Versuche des Verbrechens gekommen ist, mit Gefängnis nicht unter einem Jahre, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
Der an einer Verabredung Beteiligte wird nicht bestraft, wenn er zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des verabredeten Verbrechens noch möglich ist, freiwillig Anzeige bei der Behörde erstattet. Dies gilt nicht für den Beteiligten, der den anderen zu der Verabredung vorsätzlich bestimmt hat.
Wer vorsätzlich mit einer Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 1 Abs. 1, 2 bezeichneten Art zum Gegenstande haben, wird mit Gefängnis bestraft.
Ebenso wird bestraft eine Person, die im Interesse einer ausländischen Regierung tätig ist, wenn sie vorsätzlich mit einem anderen Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 1 Abs. 1, 2 bezeichneten Art zum Gegenstande haben. [197]
Wer vorsätzlich in einer Festung, einem Reichskriegshafen oder einer militärischen Anlage, auf einem Schiffe der Kaiserlichen Marine oder innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer gegenüber einer Behörde, einem Beamten oder einer Militärperson über seinen Namen, seinen Stand, seinen Beruf, sein Gewerbe, seinen Wohnort oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert, wird, wenn nach den Umständen anzunehmen ist, daß der Aufenthalt an dem Orte oder die unrichtige Angabe oder Verweigerung der Angabe mit Zwecken der in den §§ 1, 3 bezeichneten Art zusammenhängt, mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft.
Einer Festung, einem Reichskriegshafen oder einer militärischen Anlage stehen gleich deren amtlich bekanntgemachte Sicherungsbereiche sowie gewerbliche Anlagen, in denen Gegenstände für die Bedürfnisse der inländischen Kriegsmacht hergestellt, ausgebessert oder aufbewahrt werden.
Die Tat ist nur strafbar, wenn die Behörde, der Beamte oder die Militärperson zuständig war.
Wer fahrlässig Gegenstände der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die ihm Kraft seines Amtes oder eines von amtlicher Seite erteilten Auftrags zugänglich waren, in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft.
Wer von dem Vorhaben eines der in den §§ 1, 3 bezeichneten Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntnis erhält und es vorsätzlich unterläßt, hiervon der Behörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen ist, mit Gefängnis bestraft.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Anzeige gegen einen Angehörigen oder von einem Geistlichen in Ansehung dessen, was ihm in Ausübung der Seelsorge anvertraut worden ist, hätte erstattet werden müssen.
Wer vorsätzlich während eines Krieges gegen das Reich oder bei drohendem Kriege Nachrichten über Truppen- oder Schiffsbewegungen oder über ihre Verteidigungsmittel einem vom Reichskanzler erlassenen Verbote zuwider veröffentlicht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft. [198]
Wer vorsätzlich über schwebende amtliche Ermittlungen wegen eines Verbrechens oder Vergehens gegen dieses Gesetz ohne Erlaubnis der die Ermittlungen leitenden Behörde Mitteilungen an die Öffentlichkeit bringt, wird mit Gefängnis oder mit Festungshaft bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft.
Diese Vorschrift findet auf die Veröffentlichung von Mitteilungen, die nach der Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens, im militärgerichtlichen Verfahren nach Verfügung der Anklage erfolgt, keine Anwendung.
Mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark wird bestraft,
1. wer einem an Ort und Stelle erkennbar gemachten Verbote der Militärbehörde zuwider eine militärische Anlage oder ein Schiff der Kaiserlichen Marine betritt;
2. wer in einer Festung, einem Reichskriegshafen oder in deren amtlich bekanntgemachten Sicherungsbereichen die Vorschriften über Aufenthaltsmeldung übertritt;
3. wer von einem Festungswerk, einem Gebäude der Kaiserlichen Marine, in welchem Munition oder Minen gelagert werden, einer militärischen Luftfahrzeughalle oder einer militärischen Anlage für drahtlose Telegraphie ohne Erlaubnis der zuständigen Militärbehörde Aufnahmen macht oder veröffentlicht. Die Aufnahmen und Veröffentlichungen können eingezogen werden ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.
In den Fällen der §§ 1, 3 kann neben der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu fünfzigtausend Mark, bei mildernden Umständen bis zu fünfundzwanzigtausend Mark erkannt werden.
In den Fällen der §§ 2, 4, 5, 6, 8 kann neben der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.
In den Fällen der §§ 1, 3, 5, 6 kann neben Gefängnis auf Verlust der öffentlichen Ämter und der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte, neben jeder Freiheitsstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.
Ein Ausländer, der wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens gegen dieses Gesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, kann nach Verbüßung der Strafe von der Landespolizeibehörde aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden.

[199]

Hat der Täter für die Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gegen dieses Gesetz Entgelt empfangen, so ist das Empfangene oder dessen Wert in dem Urteil für dem Staate verfallen zu erklären.
Auf die Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 1, 3, 5, 6, 8 findet die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs Anwendung.
Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften verwiesen ist, die durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzt sind, treten an deren Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes.
Bei Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 1, 3 ist das Reichsgericht für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz ausschließlich zuständig. Die Militärgerichtsbarkeit wird hierdurch nicht berührt.
Die Geschäfte, die im § 72 Abs 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Strafkammer des Landgerichts zugewiesen sind, erledigt der erste Strafsenat des Reichsgerichts. Das Hauptverfahren findet vor dem zweiten Strafsenate statt.
Der § 360 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs, der § 15 des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 (Reichs-Gesetzbl. S. 65) und das Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1893 (Reichs-Gesetzbl. S. 205) mit Ausnahme des § 11 treten außer Kraft. In dem Abs. 2 des § 360 des Strafgesetzbuchs kommen die Zahl „1,“ und die Worte „der Risse von Festungen und Festungswerken,“ in der Nr. 1 des § 18 des Gesetzes über die Presse die Zahl „15,“ in Wegfall.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 3. Juni 1914.
(L. S.)  Wilhelm.
 von Bethmann Hollweg.