Gesetz gegen den Verrath militärischer Geheimnisse

Gesetzestext
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Titel: Gesetz gegen den Verrath militärischer Geheimnisse.
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1893, Nr. 27, Seite 205–208
Fassung vom: 3. Juli 1893
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 14. Juli 1893
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(Nr. 2113.) Gesetz gegen den Verrath militärischer Geheimnisse. Vom 3. Juli 1893.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.

Wer vorsätzlich Schriften, Zeichnungen oder andere Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesvertheidigung erforderlich ist, in den Besitz oder zur Kenntniß eines Anderen gelangen läßt, wird, wenn er weiß, daß dadurch die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdet wird, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark erkannt werden kann.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu zehntausend Mark erkannt werden kann.

§. 2.

Wer außer dem Falle des §. 1 vorsätzlich und rechtswidrig Gegenstände der daselbst bezeichneten Art in den Besitz oder zur Kenntniß eines Anderen gelangen läßt, wird mit Gefängniß oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft.
Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.
Der Versuch ist strafbar. [206]

§. 3.

Wer vorsätzlich den Besitz oder die Kenntniß von Gegenständen der im §. 1 bezeichneten Art in der Absicht sich verschafft, davon zu einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Mittheilung an Andere Gebrauch zu machen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu zehntausend Mark erkannt werden kann.

§. 4.

Wer ohne die vorbezeichnete Absicht vorsätzlich und rechtswidrig den Besitz oder die Kenntniß von Gegenständen der im §. 1 bezeichneten Art sich verschafft, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden.
Der Versuch ist strafbar.

§. 5.

Haben Mehrere ein Verbrechen der in den §§. 1, 3 bezeichneten Art verabredet, ohne daß es zur Ausführung oder zu einem strafbaren Versuch desselben gekommen ist, so tritt Gefängniß nicht unter drei Monaten ein.
Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.
Straflos bleibt der an einer Verabredung der vorbezeichneten Art Betheiligte, wenn er von derselben zu einer Zeit, wo die Behörde nicht schon anderweit davon unterrichtet ist, in einer Weise Anzeige macht, daß die Verhütung des Verbrechens möglich ist.

§. 6.

In den Fällen der §§. 1, 3, 5 kann neben Gefängniß auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter und der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte, neben jeder Freiheitsstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.

§. 7.

Wer aus Fahrlässigkeit Gegenstände der im §. 1 bezeichneten Art, die ihm amtlich anvertraut oder kraft seines Amtes oder eines von amtlicher Seite ertheilten Auftrages zugänglich sind, in einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Weise in den Besitz oder zur Kenntniß eines Anderen gelangen läßt, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft.
Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden. [207]

§. 8.

Wer den von der Militärbehörde erlassenen, an Ort und Stelle erkennbar gemachten Anordnungen zuwider Befestigungsanlagen, Anstalten des Heeres oder der Marine, Kriegsschiffe, Kriegsfahrzeuge oder militärische Versuchs- oder Uebungsplätze betritt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünzig Mark oder mit Haft bestraft.

§. 9.

Wer von dem Vorhaben eines der in den §§. 1 und 3 vorgesehenen Verbrechen zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängniß zu bestrafen.

§. 10.

Die Bestimmungen im §. 4 Absatz 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich finden auch auf die in den §§. 1, 3, 5 dieses Gesetzes vorgesehenen Verbrechen und Vergehen Anwendung.

§. 11.

Die §§. 89, 90 des Strafgesetzbuchs erhalten folgende Fassung:

§. 89.

Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder der Kriegsmacht des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben Nachtheil zufügt, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein.
Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.

§. 90.

Lebenslängliche Zuchthausstrafe tritt im Falle des §. 89 ein, wenn der Thäter
1. Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Vertheidigungsposten, imgleichen Theile oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht in feindliche Gewalt bringt;
2. Festungswerke, Schiffe oder Fahrzeuge der Kriegsmarine, öffentliche Gelder, Vorräthe von Waffen, Schießbedarf oder anderen [208] Kriegsbedürfnissen, sowie Brücken, Eisenbahnen, Telegraphen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vortheile des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht;
3. dem Feinde Mannschaften zuführt oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht verleitet, zum Feinde überzugehen;
4. Operationspläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde mittheilt;
5. dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand leistet, oder
6. einen Aufstand unter Angehörigen der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht erregt.
In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren erkannt werden.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.

§. 12.

Für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz in den Fällen der in den §§. 1, 3 vorgesehenen Verbrechen ist das Reichsgericht zuständig. Die Militärgerichtsbarkeit wird hierdurch nicht berührt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 3. Juli 1893.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Caprivi.