Gesetz über den Unterstützungswohnsitz

Gesetzestext
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Titel: Gesetz über den Unterstützungswohnsitz.
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Fundstelle: Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1870, Nr. 20, Seite 360 - 373
Fassung vom: 6. Juni 1870
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Bekanntmachung: 23. Juni 1870
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(Nr. 511.) Gesetz über den Unterstützungswohnsitz. Vom 6. Juni 1870.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

§. 1. Gleichberechtigung der Bundesangehörigen.

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Jeder Norddeutsche ist in jedem Bundesstaate in Bezug
a) auf die Art und das Maaß der im Falle der Hülfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen Unterstützung,
b) auf den Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes
als Inländer zu behandeln.
Die Bestimmungen in §. 7. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867. (Bundesgesetzbl. S. 55.) sind auf Norddeutsche ferner nicht anwendbar.

§. 2. Organe der öffentlichen Unterstützung Hülfsbedürftiger.

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Die öffentliche Unterstützung hilfsbedürftiger Norddeutscher wird, nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes, durch Ortsarmenverbände und durch Landarmenverbände geübt. [361]

§. 3. Ortsarmenverbände.

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Ortsarmenverbände können aus einer oder mehreren Gemeinden und, wo die Gutsbezirke außerhalb der Gemeinden stehen, aus einem oder mehreren Gutsbezirken, beziehungsweise aus Gemeinden und Gutsbezirken zusammengesetzt sein. Alle zu einem Ortsarmenverbande vereinigten Gemeinden und Gutsbezirke gelten in Ansehung der durch dieses Gesetz geregelten Verhältnisse als eine Einheit.
Wo räumlich abgegrenzte Ortsarmenverbände noch nicht bestehen, sind dieselben bis zum 1. Juli 1871. einzurichten. Bis zum gleichen Termin muß jedes Grundstück, welches noch zu keinem Ortsarmenverbande gehört, entweder einem angrenzenden Ortsarmenverbande nach Anhörung der Betheiligten durch die zuständige Behörde (§. 8.) zugeschlagen, oder selbstständig als Ortsarmenverband eingerichtet werden.

§. 5. Landarmenverbände.

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Die öffentliche Unterstützung hülfsbedürftiger Norddeutscher, welche endgültig zu tragen kein Ortsarmenverband verpflichtet ist (der Landarmen), liegt den Landarmenverbänden ob. Zur Erfüllung dieser Obliegenheit hat jeder Bundesstaat bis zum 1. Juli 1871. entweder unmittelbar die Funktionen des Landarmenverbandes zu übernehmen, oder besondere, räumlich abgegrenzte Landarmenverbände, wo solche noch nicht bestehen, einzurichten.
Dieselben umfassen der Regel nach eine Mehrheit von Ortsarmenverbänden, können sich aber ausnahmsweise auf den Bezirk eines einzigen Ortsarmenverbandes beschränken.
Armenverbände, deren Mitgliedschaft an ein bestimmtes Glaubensbekenntniß geknüpft ist, gelten nicht als Armenverbände im Sinne des Gesetzes.
Die Orts- und Landarmenverbände stehen in Bezug auf die Verfolgung ihrer Rechte einander gleich. Hat ein Bundesstaat unmittelbar die Funktionen des Landarmenverbandes übernommen (§. 5.), so steht er in allen durch dieses Gesetz geregelten Verhältnissen den Landarmenverbänden gleich.
Die Landesgesetze bestimmen über die Zusammensetzung und Einrichtung der Ortsarmenverbände und Landarmenverbände, über die Art und das Maaß der im Falle der Hülfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen Unterstützung, über die Beschaffung der erforderlichen Mittel, darüber, in welchen Fällen und in welcher Weise den Ortsarmenverbänden von den Landarmenverbänden oder von anderen Stellen eine Beihülfe zu gewähren ist, und endlich darüber, ob und inwiefern sich die Landarmenverbände der Ortsarmenverbände als ihrer Organe Behufs der öffentlichen Unterstützung Hülfsbedürftiger bedienen dürfen. [362]

§. 9. Erwerb des Unterstützungswohnsitzes.

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Der Unterstützungswohnsitz wird erworben durch
a) Aufenthalt,
b) Verehelichung,
c) Abstammung.

§. 10. durch Aufenthalt,

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Wer innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurückgelegtem vier und zwanzigsten Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt dadurch in demselben den Unterstützungswohnsitz.
Die zweijährige Frist läuft von dem Tage, an welchem der Aufenthalt begonnen ist.
Durch den Eintritt in eine Kranken-, Bewahr- oder Heilanstalt wird jedoch der Aufenthalt nicht begonnen.
Wo für ländliches oder städtisches Gesinde, Arbeitsleute, Wirthschaftsbeamte, Pächter oder andere Miethsleute der Wechsel des Wohnortes zu bestimmten, durch Gesetz oder ortsübliches Herkommen festgesetzten Terminen stattfindet, gilt der übliche Umzugstermin als Anfang des Aufenthalts, sofern nicht zwischen diesem Termine und dem Tage, an welchem der Aufenthalt wirklich beginnt, ein mehr als siebentägiger Zeitraum gelegen hat.
Wird der Aufenthalt unter Umständen begonnen, durch welche die Annahme der freien Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausgeschlossen wird, so beginnt der Lauf der zweijährigen Frist erst mit dem Tage, an welchem diese Umstände aufgehört haben.
Treten solche Umstände erst nach Beginn des Aufenthalts ein, so ruht während ihrer Dauer der Lauf der zweijährigen Frist.
Als Unterbrechung des Aufenthalts wird eine freiwillige Entfernung nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt beizubehalten.
Der Lauf der zweijährigen Frist (§. 10.) ruht während der Dauer der von einem Armenverbande gewährten öffentlichen Unterstützung.
Er wird unterbrochen durch den von einem Armenverbande auf Grund der Bestimmung im §. 5. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867. gestellten Antrag auf Anerkennung der Verpflichtung zur Uebernahme eines Hülfsbedürftigen. Die Unterbrechung erfolgt mit dem Tage, an welchem der also gestellte Antrag an den betreffenden Armenverband oder an die vorgesetzte Behörde eines der betheiligten Armenverbände abgesandt ist. [363]
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der Antrag nicht innerhalb zweier Monate weiter verfolgt oder wenn derselbe erfolglos geblieben ist.

§. 15. durch Verehelichung,

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Die Ehefrau theilt vom Zeitpunkte der Eheschließung ab den Unterstützungswohnsitz des Mannes.
Wittwen und rechtskräftig geschiedene Ehefrauen behalten den bei Auflösung der Ehe gehabten Unterstützungswohnsitz so lange, bis sie denselben nach den Vorschriften der §§. 22. Nr. 2., 23 – 27. verloren oder einen anderweitigen Unterstützungswohnsitz nach Vorschrift der §§. 9 – 14. erworben haben.
Als selbstständig in Beziehung auf den Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes gilt die Ehefrau auch während der Dauer der Ehe, wenn und so lange der Ehemann sie böslich verlassen hat, ferner wenn und so lange sie während der Dauer der Haft des Ehemannes oder in Folge ausdrücklicher Einwilligung desselben oder kraft der nach den Landesgesetzen ihr zustehenden Befugniß vom Ehemanne getrennt lebt und ohne dessen Beihülfe ihre Ernährung findet.

§. 18. durch Abstammung.

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Eheliche und den ehelichen gesetzlich gleichstehende Kinder theilen, vorbehaltlich der Bestimmung des §. 20., den Unterstützungswohnsitz des Vaters solange, bis sie denselben nach Vorschrift der §§. 22. Nr. 2., 23 – 27. verloren, oder einen anderweitigen Unterstützungswohnsitz nach Vorschrift der §§. 9 – 14. erworben haben.
Sie behalten diesen Unterstützungswohnsitz auch nach dem Tode des Vaters bis zu dem vorstehend gedachten Zeitpunkte, vorbehaltlich der Bestimmung des §. 19.
Wenn die Mutter den Vater überlebt, so theilen nach Auflösung der Ehe durch den Tod des Vaters die ehelichen und den ehelichen gesetzlich gleichstehenden Kinder den Unterstützungswohnsitz der Mutter in dem Umfange des §. 18.
Gleiches gilt im Falle des §. 17., sofern die Kinder bei der Trennung vom Hausstande des Vaters der Mutter gefolgt sind.
Bei der Scheidung der Ehe theilen die ehelichen und den ehelichen gesetzlich gleichstehenden Kinder in dem Umfange des §. 18. den Unterstützungswohnsitz der Mutter, wenn dieser die Erziehung der Kinder zusteht.
Uneheliche Kinder theilen in dem Umfange des §. 18. den Unterstützungswohnsitz der Mutter. [364]

§. 22. Verlust des Unterstützungswohnsitzes.

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Der Verlust des Unterstützungswohnsitzes tritt ein durch
1) Erwerbung eines anderweitigen Unterstützungswohnsitzes,
2) zweijährige ununterbrochene Abwesenheit nach zurückgelegtem vier und zwanzigsten Lebensjahre.
Die zweijährige Frist läuft von dem Tage, an welchen, die Abwesenheit begonnen hat.
Durch den Eintritt in eine Kranken-, Bewahr- oder Heilanstalt wird jedoch die Abwesenheit nicht begonnen.
Wo für ländliches oder städtisches Gesinde, Arbeitsleute, Wirthschaftsbeamte, Pächter oder andere Miethsleute der Wechsel des Wohnortes zu bestimmten, durch Gesetz oder ortsübliches Herkommen festgesetzten Terminen stattfindet, gilt der übliche Umzugstermin als Anfang der Abwesenheit, sofern nicht zwischen diesem Termine und dem Tag, an welchem die Abwesenheit wirklich beginnt, ein mehr als siebentägiger Zeltraum gelegen hat.
Ist die Abwesenheit durch Umstände veranlaßt, durch welche die Annahme der freien Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausgeschlossen wird, so beginnt der Lauf der zweijährigen Frist erst mit dem Tage, an welchem diese Umstände aufgehört haben.
Treten solche Umstände erst nach dem Beginn der Abwesenheit ein, so ruht während ihrer Dauer der Lauf der zweijährigen Frist.
Als Unterbrechung der Abwesenheit wird die Rückkehr nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt nicht dauernd fortzusetzen.
Die Anstellung oder Versetzung eines Geistlichen, Lehrers, öffentlichen oder Privat-Beamten, sowie einer nicht blos zur Erfüllung der Militairpflicht im Bundesheere oder in der Bundes-Kriegsmarine dienenden Militairperson gilt nicht als ein die freie Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausschließender Umstand.
Der Lauf der zweijährigen Frist (§. 22.) ruht während der Dauer der von einem Armenverbande gewährten öffentlichen Unterstützung.
Er wird unterbrochen durch den von einem Armenverbande auf Grund der Bestimmung im §. 5. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867. gestellten Antrag auf Anerkennung der Verpflichtung zur Uebernahme eines Hülfsbedürftigen. Die Unterbrechung erfolgt mit dem Tage, an welchem der also gestellte Antrag an den betreffenden Armenverband oder an die vorgesetzte Behörde eines der betheiligten Armenverbände abgesandt ist. [365]
Die Unterbrechung gilt als nicht erfolgt, wenn der Antrag nicht innerhalb zweier Monate weiter verfolgt, oder wenn derselbe erfolglos geblieben ist.

§. 28. Pflichten und Rechte der Armenverbände.

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Jeder hülfsbedürftige Norddeutsche muß vorläufig von demjenigen Ortsarmenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei dem Eintritte der Hülfsbedürftigkeit befindet. Die vorläufige Unterstützung erfolgt vorbehaltlich des Anspruches auf Erstattung der Kosten beziehungsweise auf Uebernahme des Hülfsbedürftigen gegen den hierzu verpflichteten Armenverband.
Wenn Personen, welche im Gesindedienst stehen, Gesellen, Gewerbegehülfen, Lehrlinge, an dem Orte ihres Dienstverhältnisses erkranken, so hat der Ortsarmenverband des Dienstortes die Verpflichtung, den Erkrankten die erforderliche Kur und Verpflegung zu gewähren. Ein Anspruch auf Erstattung der entstehenden Kur- und Verpflegungskosten, beziehungsweise auf Uebernahme des Hülfsbedürftigen gegen einen anderen Armenverband erwächst nur, wenn die Krankenpflege langer als sechs Wochen fortgesetzt wurde, und nur für den über diese Frist hinausgehenden Zeitraum.
Dem zur Unterstützung an sich verpflichteten Armenverbande muß spätestens sieben Tage vor Ablauf des sechswöchentlichen Zeitraums Nachricht von der Erkrankung gegeben werden, widrigenfalls die Erstattung der Kosten erst von dem, sieben Tage nach dem Eingange der Nachricht beginnenden Zeitraum an gefordert werden kann.
Schwangerschaft an sich ist nicht als eine Krankheit im Sinne der vorstehenden Bestimmung anzusehen.
Zur Erstattung der durch die Unterstützung eines hülfsbedürftigen Norddeutschen erwachsenen Kosten, soweit dieselben nicht in Gemäßheit des §. 29. dem Ortsarmenverbande des Dienstortes zur Last fallen, sind verpflichtet:
a) wenn der Unterstützte einen Unterstützungswohnsitz hat, der Ortsarmenverband seines Unterstützungswohnsitzes;
b) wenn der Unterstützte keinen Unterstützungswohnsitz hat, derjenige Landarmenverband, in dessen Bezirk er sich bei dem Eintritte der Hülfsbedürftigteit befand oder, falls er im hülfsbedürftigen Zustande aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr- oder Heilanstalt entlassen wurde, derjenige Landarmenverband, aus welchem seine Einlieferung in die Anstalt erfolgt ist.
Die Höhe der zu erstattenden Kosten richtet sich nach den am Orte der stattgehabten Unterstützung über das Maaß der öffentlichen Unterstützung Hülfsbedürftiger geltenden Grundsätzen, ohne daß dabei die allgemeinen Verwaltungskosten der Armenanstalten, sowie besondere Gebühren für die Hülfeleistung fest remunerirter Armenärzte in Ansatz gebracht werden dürfen. [366]
Für solche bei der öffentlichen Unterstützung häufiger vorkommenden Aufwendungen, deren täglicher oder wöchentlicher Betrag sich in Pauschquanten feststellen läßt (z. B. Verpflegungssätze in Kranken- oder Armenhäusern), kann in jedem Bundesstaate, entweder für das ganze Staatsgebiet gleichmäßig, oder bezirksweise verschieden, ein Tarif aufgestellt und öffentlich bekannt gemacht werden, dessen Sätze die Erstattungsforderung nicht übersteigen darf.
Der nach der Vorschrift des §. 30. zur Kostenerstattung verpflichtete Armenverband ist zur Uebernahme eines hülfsbedürftigen Norddeutschen verpflichtet, wenn die Unterstützung aus anderen Gründen als wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist (§. 5. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867., Bundesgesetzbl. S. 55.).
Der zur Uebernahme eines hülfsbedürftigen Norddeutschen verpflichtete Armenverband kann – soweit nicht auf Grund der §§. 55. und 56. etwas Anderes festgestellt worden ist – die Ueberführung desselben in seine unmittelbare Fürsorge verlangen.
Die Kosten der Ueberführung hat der verpflichtete Armenverband zu tragen.
Beantragt hiernach der zur Uebernahme eines Hülfsbedürftigen verpflichtete Armenverband dessen Ueberführung, und diese unterbleibt oder verzögert sich durch die Schuld des Armenverbandes, welcher zur vorläufigen Unterstützung derselben verpflichtet ist, so verwirkt der letztere dadurch für die Folgezeit, beziehungsweise für die Zeit der Verzögerung, den Anspruch auf Erstattung der Kosten.
Muß ein Norddeutscher, welcher keinen Unterstützungswohnsitz hat, auf Verlangen ausländischer Staatsbehörden aus dem Auslande übernommen werden, und ist bei der Uebernahme der Fall der Hülfsbedürftigkeit vorhanden, oder tritt derselbe innerhalb sieben Tagen nach erfolgter Uebernahme ein, so liegt die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten der Unterstützung, beziehungsweise zur Uebernahme des Hülfsbedürftigen, demjenigen Bundesstaate ob, innerhalb dessen der Hülfsbedürftige seinen letzten Unterstützungswohnsitz gehabt hat, mit der Maaßgabe, daß es jedem Bundesstaate überlassen bleibt, im Wege der Landesgesetzgebung diese Verpflichtung auf seine Armenverbände zu übertragen.

§. 34. Verfahren in Streitsachen der Armenverbände: Einleitung.

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Muß ein Ortsarmenverband einen hülfsbedürftigen Norddeutschen, welcher innerhalb desselben seinen Unterstützungswohnsitz nicht hat, unterstützen, so hat der Ortsarmenverband zunächst eine vollständige Vernehmung des Unterstützten über seine Heimaths-, Familien- und Aufenthaltsverhältnisse zu bewirken, und sodann den Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten beziehungsweise aufzuwendenden Kosten bei Vermeidung des Verlustes dieses Anspruchs binnen sechs Monaten nach begonnener Unterstützung bei dem vermeintlich verpflichteten Armenverbande mit der Anfrage anzumelden, ob der Anspruch anerkannt wird. [367]
Ist der verpflichtete Armenverband nicht zu ermitteln, so hat die Anmeldung Behufs Wahrung des erhobenen Erstattungsanspruchs innerhalb der oben normirten Frist von sechs Monaten bei der zuständigen vorgesetzten Behörde des betheiligten Annenverbandes zu erfolgen.
Ist nach der Ansicht des unterstützenden Ortsarmenverbandes der Fall dazu angethan, dem Unterstützten die Fortsetzung des Aufenthalts nach §. 5. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867. (Bundesgesetzbl. S. 55. ff.) zu versagen, und will der Ortsarmenverband von der bezüglichen Befugniß Gebrauch machen, so ist dies in der Benachrichtigung ausdrücklich zu bemerken.
Geht auf die erlassene Anzeige innerhalb vierzehn Tagen nach dem Empfange derselben eine zustimmende Antwort des in Anspruch genommenen Armenverbandes nicht ein, so gilt dies einer Ablehnung des Anspruchs gleich.
Jeder Armenverband ist berechtigt, seine Ansprüche gegen einen anderen Armenverband auf dem durch dieses Gesetz bezeichneten Wege selbstständig und unmittelbar vor den zur Entscheidung, sowie zur Vollstreckung derselben berufenen Behörden zu verfolgen.
Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenverbänden über die öffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger werden, wenn die streitenden Theile einem und demselben Bundesstaate angehören, auf dem durch die Landesgesetze vorgeschriebenen Wege entschieden.
Gehören die streitenden Armenverbände verschiedenen Bundesstaaten an, so finden die nachfolgenden Vorschriften der §§. 38 – 51. dieses Gesetzes Anwendung.

§. 38. Entscheidung.

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Lehnt ein Armenverband den gegen ihn erhobenen Anspruch auf Erstattung der Kosten oder auf Uebernahme eines Hülfsbedürftigen ab, so wird auf Antrag desjenigen Armenverbandes, welcher die öffentliche Unterstützung vorläufig zu gewähren genöthigt ist, über den erhobenen Anspruch im Verwaltungswege durch diejenige Spruchbehörde entschieden, welche dem in Anspruch genommenen Armenverbande vorgesetzt ist.
Die Zuständigkeit, den Instanzenzug, sowie das Verfahren regelt innerhalb jeden Bundesstaates, vorbehaltlich der Vorschriften dieses Gesetzes, die Landesgesetzgebung. [368]
Die zur Entscheidung zuständigen Landesbehörden sind befugt, Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenne Beweis in vollem Umfange zu erheben.
Die Entscheidung erfolgt durch schriftlichen, mit Gründen versehenen Beschluß; sofern dabei für den in Anspruch genommenen Armenverband eine Verpflichtung zur Uebernahme eines Hülfsbedürftigen (§. 31.) begründet ist, muß dies in dem Beschlusse ausdrücklich ausgesprochen werden.
Soweit die Organisation oder örtliche Abgrenzung der einzelnen Armenverbände Gegenstand des Streites ist, bewendet es endgültig bei der Entscheidung der höchsten landesgesetzlichen Instanz. Im Uebrigen findet gegen deren Entscheidung nur die Berufung an das Bundesamt für das Heimathswesen statt.

§. 42. Bundesamt für das Heimathwesen.

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Das Bundesamt für das Heimathswesen ist eine ständige und kollegiale Behörde, welche ihren Sitz in Berlin hat.
Es besteht aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern. Der Vorsitzende, sowie die letzteren werden auf Vorschlag des Bundesrathes vom Bundespräsidium auf Lebenszeit ernannt. Der Vorsitzende sowohl, als auch mindestens die Hälfte der Mitglieder muß die Qualifikation zum höheren Richteramte im Staate ihrer Angehörigkeit besitzen.
Bezüglich der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bundesamtes gelten bis zum Erlaß besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften die Bestimmungen der §§. 23 – 26. des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869. mit der Maaßgabe, daß
1) an Stelle des Plenum des Oberhandelsgerichts das Plenum des Bundesamtes tritt, und daß im Falle des §. 25. a. a. O. die Verrichtungen des Staatsanwalts und des Untersuchungsrichters von je einem Mitgliede des Königlich Preußischen Kammergerichts zu Berlin, welches der Bundeskanzler ernennt, wahrgenommen werden,
2) bezüglich der Höhe der Pensionen die Vorschriften in Anwendung kommen, welche darüber in demjenigen Bundesstaate gelten, aus dessen Dienste das Mitglied des Bundesamtes berufen ist.
Zur Abfassung einer gültigen Entscheidung des Bundesamtes gehört die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern, von denen mindestens Eines die im §. 42. vorgeschriebene richterliche Qualifikation haben muß. [369]
Die Zahl der Mitglieder, welche bei der Fassung eines Beschlusses eine entscheidende Stimme führen, muß in allen Fällen eine ungerade sein. Ist die Zahl der bei der Erledigung einer Sache mitwirkenden Mitglieder eine gerade, so führt dasjenige Mitglied, welches zuletzt ernannt ist, und bei gleichem Dienstalter dasjenige, welches der Geburt nach das jüngere ist, nur eine berathende Stimme.
Der Geschäftsgang bei dem Bundesamte wird durch ein Regulativ geordnet, welches das Bundesamt zu entwerfen und dem Bundesrathe zur Bestätigung einzureichen hat.
In dem Geschäftsregulative sind insbesondere auch die Befugnisse des Vorsitzenden festzustellen.
Die Berufung an das Bundesamt ist bei Verlust des Rechtsmittels binnen vierzehn Tagen, von der Behändigung der angefochtenen Entscheidung an gerechnet, bei derjenigen Behörde, gegen deren Entscheidung sie gerichtet ist, schriftlich anzumelden.
Die Angabe der Beschwerden, sowie die Rechtfertigung der Berufung kann entweder zugleich mit der Anmeldung der letzteren oder innerhalb vier Wochen nach diesem Termine derselben Behörde eingereicht werden.
Von sämmtlichen Schriftsätzen, sowie von den etwaigen Anlagen derselben sind Duplikate beizufügen.
Die eingegangenen Duplikate werden von der zuständigen Behörde der Gegenpartei zur schriftlichen, binnen vier Wochen nach der Behändigung in zwei Exemplaren einzureichenden Gegenerklärung zugefertigt.
Nach Ablauf dieser Frist legt die nämliche Behörde die sämmtlichen Verhandlungen nebst ihren Akten dem Bundesamte vor.
Erachtet das Bundesamt vor Fällung der Entscheidung noch eine Aufklärung über das Sach- und Rechtsverhältniß für nöthig, so ist dieselbe unter Vermittelung der zuständigen Landesbehörde vorzunehmen.
Die Entscheidung des Bundesamtes erfolgt gebührenfrei in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien.
Das Erkenntniß wird schriftlich, mit Gründen versehen, den Parteien durch Vermittelung derjenigen Behörde (§. 46.) zugefertigt, gegen deren Beschluß es ergangen ist.
Gegen die Entscheidung des Bundesamtes ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig. [370]
Bis zu anderweitiger, von Bundeswegen erfolgender Regelung der Kompetenz des Bundesamtes für das Heimathswesen kann durch die Landesgesetzgebung eines Bundesstaates bestimmt werden, daß die Vorschriften der §§. 38. bis 51. 56. Absatz 2. dieses Gesetzes für die Streitsachen zwischen Armenverbänden des betreffenden Bundesstaates in Wirksamkeit treten sollen.

§. 53. Exekution der Entscheidung.

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In den Streitsachen über die durch dieses Gesetz geregelte öffentliche Unterstützung Hilfsbedürftiger ist die Entscheidung der ersten Instanz, ausgenommen in dem Falle des §. 57., sofort vollstreckbar.
Im Uebrigen findet die Exekution statt:
a) auf Grund und in den Grenzen eines von dem in Anspruch genommenen Armenverbande ausgestellten Anerkenntnisses (§. 55.);
b) auf Grund der endgültigen Entscheidung.
Die Vollstreckung der Exekution liegt der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde des verpflichteten Annenverbandes ob, und ist bei derselben unter Beifügung der bezüglichen Urkunden zu beantragen.
Wird die bereits vollstreckte Entscheidung der ersten landesgesetzlichen Instanz durch endgültige Entscheidungen höherer Landesinstanzen oder in Gemäßheit der §§. 38 – 51. dieses Gesetzes wieder aufgehoben, so hat die zur Entscheidung in erster Instanz zuständige Behörde desjenigen Armenverbandes, welcher die Vollstreckung der Exekution erwirkt hatte, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, um die Exekution und deren Folgen wieder rückgängig zu machen.
Den zur vorläufigen Unterstützung (§. 28.) und beziehungsweise zur Uebernahme (§. 31.) eines Hülfsbedürftigen verpflichteten Armenverbänden ist es unbenommen, die thatsächliche Vollstreckung der Ausweisung (§. 5. des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867.) durch eine unter sich zu treffende Einigung über das Verbleiben der auszuweisenden Person oder Familie in ihrem bisherigen Aufenthaltsorte gegen Gewährung eines bestimmten Unterstützungsbetrages von Seiten des letztgedachten Annenverbandes, dauernd oder zeitweilig auszuschließen.
Die erstinstanzlichen Behörden (§§. 38. 39. 40.) sind verpflichtet auf Anrufen eines oder des anderen Betheiligten, Zwecks thunlicher Herstellung einer solchen Einigung vermittelnd einzuschreiten.
Ist die Einigung urkundlich in Form eines Anerkenntnisses festgestellt, so findet auf Grund derselben die administrative Exekution statt (§. 53.). [371]
Wenn mit der Ausweisung Gefahr für Leben oder Gesundheit des Auszuweisenden oder seiner Angehörigen verbunden sein würde, oder wenn die Ursache der Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit des Auszuweisenden durch eine im Bundeskriegsdienste oder bei Gelegenheit einer That persönlicher Selbstaufopferung erlittene Verwundung oder Krankheit herbeigeführt ist, oder endlich, wenn sonst die Wegweisung vom Aufenthaltsorte mit erheblichen Härten oder Nachtheilen für den Auszuweisenden verbunden sein sollte, kann auch bei nicht erreichter Einigung das Verbleiben der auszuweisenden Person oder Familie in dem Aufenthaltsorte, gegen Festsetzung eines von dem verpflichteten Armenverbande zu zahlenden Unterstützungsbetrages, durch die zur Entscheidung in erster Instanz zuständige Behörde des Ortsarmenverbandes des Aufenthaltsortes angeordnet werden.
Gegen diese Anordnung, welche, wenn die Voraussetzungen fortfallen, unter welchen sie erlassen ist, jederzeit zurückgenommen werden kann, steht innerhalb vierzehn Tagen nach der Zustellung beiden Theilen die Berufung zu. Dieselbe erfolgt, wenn die streitenden Annenverbände einem und demselben Bundesstaate angehören, an die nächst höchste landesgesetzliche Instanz, sofern die streitenden Theile verschiedenen Bundesstaaten angehören, an das Bundesamt für das Heimathswesen. Bei der hierauf ergehenden Entscheidung bewendet es endgültig.
Dasselbe findet statt, wenn der Antrag des verpflichteten Armenverbandes auf Erlaß einer solchen Anordnung zurückgewiesen ist.
So lange das Verfahren, betreffend den Versuch einer Einigung nach §. 55., oder betreffend den Erlaß der im §. 56. bezeichneten Anordnung, schwebt, bleibt die Vollstreckbarkeit der Entscheidung erster Instanz ausgesetzt (§. 53.).
Ist die Ausweisung durch Transport zu bewerkstelligen, so fallen die Transportkosten als ein Theil der zu erstattenden Kosten der Unterstützung des Hülfsbedürftigen dem hierzu verpflichteten Armenverbande zur Last.
Entsteht über die Nothwendigkeit des Transports oder die Art der Ausführung desselben Streit, so erfolgt die Entscheidung hierüber endgültig durch die in erster Instanz in der Hauptsache zuständige Behörde des Armenverbandes des Aufenthaltsortes (§. 38. Abs. 2.).
Ist ein Armenverband zur Zahlung der ihm endgültig auferlegten Kosten, laut Bescheinigung der ihm vorgesetzten Behörde, ganz oder theilweise außer Stande, so hat der Bundesstaat, welchem er angehört, entweder mittelbar oder unmittelbar für die Erstattung zu sorgen. [372]

§. 60. Oeffentliche Unterstützung hülfsbedürftiger Ausländer.

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Ausländer müssen vorläufig von demjenigen Ortsarmenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirke sie sich bei dem Eintritte der Hülfsbedürftigkeit befinden. Zur Erstattung der Kosten beziehungsweise zur Uebernahme des hülfsbedürftigen Ausländers ist derjenige Bundesstaat verpflichtet, welchem der Ortsarmenverband der vorläufigen Unterstützung angehört, mit der Maaßgabe, daß es jedem Bundesstaate überlassen bleibt, im Wege der Landesgesetzgebung diese Verpflichtung auf seine Armenverbände zu übertragen.

§. 61. Verhältniß der Armenverbände: zu einander,

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Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden Rechte und Verbindlichkeiten nur zwischen den zur Gewährung öffentlicher Unterstützung nach Vorschrift i, dieses Gesetzes verpflichteten Verbänden (Orts-, Landarmenverbände, Bundesstaaten) begründet.

zu anderweit Verpflichteten,

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Daher werden die auf anderen Titeln (Familien- und Dienstverhältniß, Vertrag, Genossenschaft, Stiftung u. s. w.) beruhenden Verpflichtungen, einen Hülfsbedürftigen zu unterstützen, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht betroffen.
Jeder Armenverband, welcher nach Vorschrift dieses Gesetzes einen Hülfsbedürftigen unterstützt hat, ist befugt, Ersatz derjenigen Leistungen, zu deren Gewährung ein Dritter aus anderen, als den durch dieses Gesetz begründeten Titeln verpflichtet ist, von dem Verpflichteten in demselben Maaße und unter denselben Voraussetzungen zu fordern, als dem Unterstützten auf jene Leistungen ein Recht zusteht.
Der Einwand, daß der unterstützende Armenverband den Ersatz von einem anderen Armenverbande zu fordern berechtigt sei, darf demselben hierbei nicht entgegengestellt werden.

§. 63. zu den Behörden.

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Die Verwaltungs- und Polizeibehörden sind verpflichtet, innerhalb ihres Geschäftskreises den Armenverbänden Behufs der Ermittelung der Heimaths-, Familien- und Aufenthaltsverhältnisse eines Hülfsbedürftigen auf Verlangen behülflich zu sein.
Das Eintreten der in den §§. 10. und 22. an den Ablauf einer bestimmten Frist geknüpften Wirkungen kann durch Vertrag oder Verzicht der betheiligte Behörden oder Personen nicht ausgeschlossen werden.

§. 65. Zeitpunkt der Geltung des Gesetzes.

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Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1871. in Kraft. Nach diesem Tage finden die bis dahin innerhalb des Bundesgebietes gültigen Vorschriften über die durch das gegenwärtige Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse nur insoweit noch Anwendung, als es sich um die Feststellung des Unterstützungswohnsitzes für die Zeit vor dem 1. Juli 1871. handelte.
Insbesondere kommen hierbei folgende Bestimmungen zur Anwendung:

Uebergangsbestimmungen.

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1) Diejenigen Norddeutschen, welche am 30. Juni 1871. innerhalb des Bundesgebietes ein Heimathsrecht besitzen, haben kraft desselben am 1. Juli 1871. den Unterstützungswohnsitz in demjenigen Ortsarmenverbande, welchem ihr Heimathsort angehört. [373]
2) Diejenigen Norddeutschen, welche am 30. Juni 1871. innerhalb des Bundesgebietes einen Unterstützungswohnsitz haben, besitzen denselben am 1. Juli 1871. mit den Folgen und Maaßgaben dieses Gesetzes, gleichviel ob die Voraussetzungen des Erwerbes andere waren, als die durch dieses Gesetz vorgeschriebenen.
3) Wo und insoweit bisher ein Heimathsrecht oder Unterstützungswohnsitz durch bloßen Aufenthalt nicht erworben, durch bloße Abwesenheit nicht verloren werden konnte, beginnt der Lauf der durch dieses Gesetz vorgeschriebenen zweijährigen Frist für den Erwerb beziehungsweise Verlust des Unterstützungswohnsitzes mit dem 1. Juli 1871.
4) Wo bisher für den Erwerb beziehungsweise Verlust des Unterstützungswohnsitzes die nämliche oder eine längere, als die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Frist galt, kommt bei Berechnung der letzteren die vor dem 1. Juli 1871. abgelaufene Zeitdauer in Ansatz.
5) Wo bisher für den Erwerb beziehungsweise Verlust des Unterstützungswohnsitzes eine kürzere, als die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Frist bestand, gilt, sofern die kürzere Frist vor dem 1. Juli 1871. abgelaufen war, die Wirkung des Ablaufs als eingetreten, auch wenn die Entscheidung hierüber erst nach dem 1. Juli 1871. erfolgt. War die kürzere Frist vor dem 1. Juli 1871. noch nicht abgelaufen, so bedarf es zum Eintritt der durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Wirkungen des Ablaufs der durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Frist, jedoch unter Anrechnung der vor dem 1. Juli 1871. abgelaufenen Zeitdauer.
6) Das durch dieses Gesetz für die Entscheidung der Streitsachen über die öffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger vorgeschriebene Verfahren kommt nach Maaßgabe der Vorschrift des §. 37. zur Anwendung bei denjenigen Streitsachen der Armenverbände (Armenkommunen, Armenbezrke, Heimathsbezirke), welche nach dem 30. Juni 1871. anhängig gemacht werden.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel.
Gegeben Schloß Babelsberg, den 6. Juni 1870.
(L. S.)  Wilhelm.

  Gr. v. Bismarck-Schönhausen.