Gesetz, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe

Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1899, Nr. 24, Seite 319 - 325
Fassung vom: 22. Juni 1899
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 27. Juni 1899
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(Nr. 2584.) Gesetz, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe. Vom 22. Juni 1899.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Die zum Erwerbe durch die Seefahrt bestimmten Schiffe (Kauffahrteischiffe) mit Einschluß der Lootsen-, Hochseefischerei-, Bergungs- und Schleppfahrzeuge, haben als Nationalflagge ausschließlich die Reichsflagge (Artikel 55 der Reichsverfassung) zu führen.
Die Form der Reichsflagge und die Art ihrer Führung wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.
Zur Führung der Reichsflagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigenthume von Reichsangehörigen stehen.
Den Reichsangehörigen werden gleichgeachtet offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter sämmtlich Reichsangehörige sind; andere Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und juristische Personen, wenn sie im Inland ihren Sitz haben, Kommanditgesellschaften auf Aktien jedoch nur dann, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter sämmtlich Reichsangehörige sind.
Verliert der Eigenthümer einer Schiffspart die Reichsangehörigkeit oder geht eine im Eigenthum eines Reichsangehörigen stehende Schiffspart in anderer Weise als durch Veränderung (Handelsgesetzbuch §. 503) auf einen Ausländer über, so behält das Schiff noch bis zum Ablauf eines Jahres das Recht zur Führung der Reichsflagge.
Sind seit dem im Abs. 1 bezeichneten Ereignisse sechs Monate verstrichen, so hat das Registergericht die übrigen Mitrheder auf ihren Antrag zu ermächtigen, die Schiffspart für Rechnung des Eigenthümers öffentlich versteigern zu lassen; über die Stellung des Antrags beschließen die übrigen Mitrheder nach Stimmenmehrheit; die Stimmen werden nach der Größe der Schiffsparten berechnet. Bei der Versteigerung der Schiffspart können die Antragsteller mitbieten. Der Zuschlag darf nur einem Inländer ertheilt werden.
Diese Vorschriften kommen nur zur Anwendung, wenn die Schiffsparten der übrigen Mitrheder wenigstens zwei Drittheile des Schiffes umfassen. [320]
Für die zur Führung der Reichsflagge befugten Kauffahrteischiffe sind in den an der See oder an Seeschiffahrtsstraßen belegenen Gebieten Schiffsregister zu führen.
Die Schiffsregister werden von den Amtsgerichten geführt. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen werden.
Das Schiffsregister ist öffentlich; die Einsicht desselben ist Jedem gestattet. Von den Eintragungen können gegen Erlegung der Kosten Abschriften gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen sind.
Ein Schiff kann nur in das Schiffsregister des Hafens eingetragen werden, von welchem aus, als dem Heimathshafen, die Seefahrt mit dem Schiffe betrieben werden soll.
Soll die Seefahrt von einem ausländischen Hafen oder von einem Hafen eines Schutzgebiets oder eines Konsulargerichtsbezirkes aus betrieben werden oder fehlt es an einem bestimmten Heimathshafen, so steht dem Rheder die Wahl des inländischen Registers frei. Hat der Rheder weder seinen Wohnsitz noch seine gewerbliche Niederlassung im Bezirke des Registergerichts, so ist er verpflichtet, einen im Bezirke des Registergerichts wohnhaften Vertreter zu bestellen, welcher die nach diesem Gesetze für den Rheder begründeten Rechte und Pflichten gegenüber dem Registergerichte wahrzunehmen hat. Die Verpflichtung zur Bestellung eines Vertreters fällt weg, wenn das Registergericht seinen Sitz und der Rheder seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung im Reichsgebiete hat.
Die Eintragung in das Schiffsregister hat zu enthalten:
1. den Namen und die Gattung des Schiffes sowie das Unterscheidungssignal;
2. die Ergebnisse der amtlichen Vermessung;
3. die Zeit und den Ort der Erbauung, soweit sie festzustellen sind;
4. den Heimathshafen;
5. den Namen und die nähere Bezeichnung des Rheders;
bei einer Rhederei den Namen und die nähere Bezeichnung sämmtlicher Mitrheder und des Korrespondentrheders sowie die Größe der den einzelnen Mitrhedern gehörenden Schiffsparten;
bei Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften und juristischen Personen die Firma oder den Namen und den Ort, an welchem sie ihren Sitz haben, bei offenen Handelsgesellschaften [321] außerdem den Namen und die nähere Bezeichnung sämmtlicher Gesellschafter, bei Kommanditgesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien den Namen und die nähere Bezeichnung sämmtlicher persönlich haftenden Gesellschafter;
6. die Angabe, daß in Ansehung der Reichsangehörigkeit der Betheiligten die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind;
7. den Rechtsgrund, auf welchem die Erwerbung des Schiffes oder der einzelnen Schiffsparten beruht;
8. den Tag der Eintragung;
9. die Ordnungsnummer, unter der das Schiff eingetragen ist.
Die Eintragung in das Schiffsregister darf erst geschehen, nachdem das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge sowie alle im §. 7 bezeichneten Thatsachen und Rechtsverhältnisse glaubhaft gemacht sind.
Solange die amtliche Vermessung im Inlande noch nicht hat stattfinden können, dürfen die Ergebnisse der Vermessung auf Grund der Vermessungsurkunde einer ausländischen Behörde oder eines sonstigen glaubhaften Nachweises eingetragen werden.
Ist der Rheder zugleich Angehöriger eines fremden Staates, so hat er auf Verlangen des Registergerichts glaubhaft zu machen, daß das Schiff nicht in ein Schiffsregister dieses Staates eingetragen ist. Wird festgestellt, daß eine solche Eintragung besteht, so darf das Schiff nicht in ein inländisches Schiffsregister eingetragen werden.
Ueber die Eintragung des Schiffes in das Schiffsregister wird von dem Registergericht eine mit dem Inhalte der Eintragung übereinstimmende Urkunde (Schiffs-Certifikat) ausgestellt.
Das Schiffs-Certifikat hat außerdem zu bezeugen, daß die nach §. 8 erforderlichen Nachweise geführt sind und daß das Schiff zur Führung der Reichsflagge befugt ist.
Durch das Schiffs-Certifikat wird das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge nachgewiesen.
Das Recht zur Führung der Reichsflagge darf vor der Ertheilung des Schiffs-Certifikats nicht ausgeübt werden.
Das Schiffs-Certifikat oder ein von dem Registergerichte beglaubigter Auszug aus dem Certifikat ist während der Reise stets an Bord des Schiffes mitzuführen. [322]
Erlangt ein im Auslande befindliches Schiff dadurch, daß es in das Eigenthum eines Reichsangehörigen gelangt, das Recht zur Führung der Reichsflagge, so kann das Schiffs-Certifikat durch eine Bescheinigung erseht werden, die der Konsul, in dessen Bezirke das Schiff sich zur Zeit des Eigenthumsüberganges befindet, über das Recht zur Führung der Reichsflagge ertheilt (Flaggenzeugniß). Das Flaggenzeugniß hat nur für die Dauer eines Jahres seit dem Tage der Ausstellung, darüber hinaus nur für die Dauer einer durch höhere Gewalt verlängerten Reise Gültigkeit.
Ein Flaggenzeugniß kann auch behufs der ersten Ueberführung eines neuen Schiffes in einen anderen Hafen von dem Registergerichte des deutschen Erbauungshafens ausgestellt werden. Dieses Zeugniß hat nur für die Dauer der Ueberführung Gültigkeit.
Von der Ausstellung des Flaggenzeugnisses hat die ausstellende Behörde, wenn ein deutscher Hafen zum Heimathshafen des Schiffes bestimmt ist, dem Registergerichte dieses Hafens Anzeige zu machen.
Treten in den eingetragenen Thatsachen oder Rechtsverhältnissen Veränderungen ein, so sind sie in das Schiffsregister einzutragen. Jede Eintragung ist baldthunlichst auf dem Schiffs-Certifikate zu vermerken. Die Aenderung des Namens des Schiffes bedarf der Genehmigung des Reichskanzlers.
Geht das Schiff unter oder wird es als reparaturunfähig kondemnirt oder verliert es das Recht zur Führung der Reichsflagge, so ist es in dem Schiffsregister zu löschen und das Schiffs-Certifikat von dem Registergericht unbrauchbar zu machen. Das Gleiche gilt, wenn der Rheder zugleich Angehöriger eines fremden Staates ist, und sich ergiebt, daß das Schiff in ein Schiffsregister dieses Staates eingetragen ist.
Im Falle der Verlegung des Heimathshafens aus dem Registerbezirke hat das Registergericht nach Vollziehung der Eintragung das Schiffs-Certifikat mit einer beglaubigten Abschrift des Registerinhalts dem neuen Registergerichte zur Bewirkung der Eintragung zu übersenden.
Die Thatsachen und Rechtsverhältnisse, welche gemäß §. 13 eine Eintragung oder die Löschung im Schiffsregister erforderlich machen, sind dem Registergericht anzuzeigen und glaubhaft zu machen.
Verpflichtet hierzu sind:
alle Personen, deren Namen nach §. 7 Nr. 5 in das Schiffsregister einzutragen sind,
bei juristischen Personen, eingetragenen Genossenschaften und solchen Handelsgesellschaften, welche keine persönlich haftenden Gesellschafter haben, die gesetzlichen Vertreter, [323]
in dem Falle des §. 6 Abs. 2 Satz 2 statt des Rheders dessen Vertreter,
in dem Falle eines Eigenthumswechsels, durch den das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge nicht berührt wird, auch der neue Erwerber des Schiffes oder der Schiffspart.
Die Anzeige ist von dem Verpflichteten binnen sechs Wochen nach dem Ablaufe des Tages zu bewirken, an welchem er von der einzutragenden Thatsache Kenntniß erlangt hat.
Sind mehrere Verpflichtete vorhanden, so genügt die Anzeige durch einen von ihnen.
Ist eine Eintragung oder die Löschung im Schiffsregister erforderlich, so ist das Schiffs-Certifikat, und wenn der Inhalt eines von dem Registergericht ertheilten Auszugs aus dem Schiffs-Certifikate berührt wird, auch dieser dem Gericht einzureichen. Zur Einreichung verpflichtet ist außer den im §. 14 bezeichneten Personen auch der Schiffer, sobald sich das Schiff in dem Hafen befindet, in dessen Register es eingetragen ist.
Das Gericht hat die Betheiligten zur Einreichung der Urkunden durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§. 132 bis 139 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 771) entsprechende Anwendung.
Befindet sich das Schiff im Auslande, so hat auf Antrag das Registergericht ein neues Schiffs-Certifikat auszustellen und es dem Schiffer gegen Rückgabe der nach Abs. 1 einzureichenden Urkunden durch Vermittelung einer deutschen Behörde aushändigen zu lassen.
Schiffe von nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Raumgehalt sind auch ohne Eintragung in das Schiffsregister und Ertheilung des Schiffs-Certifikats befugt, das Recht zur Führung der Reichsflagge auszuüben.
Ein in das Schiffsregister eingetragenes Schiff muß seinen Namen an jeder Seite des Bugs und seinen Namen sowie den Namen des Heimathshafens am Heck in gut sichtbaren und fest angebrachten Schriftzeichen führen.
Führt ein Schiff die Reichsflagge, ohne hierzu nach den Vorschriften der §§. 2, 3 berechtigt zu sein, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Auch kann auf Einziehung des Schiffes erkannt werden, ohne Unterschied, ob es dem Verurtheilten gehört oder nicht; der §. 42 des Strafgesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. [324]
Führt ein Schiff den Vorschriften der §§. 11, 12 zuwider die Reichsflagge, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft bestraft.
Wer die ihm nach §. 14 obliegende Verpflichtung nicht erfüllt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft bestraft.
Wer gemäß Abs. 1 verurtheilt ist und seiner Verpflichtung nicht binnen sechs Wochen nach dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheils genügt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft. Die gleiche Strafe tritt ein, wenn im Falle einer weiteren Verurtheilung die Verpflichtung nicht binnen der bezeichneten Frist erfüllt wird.
Befindet sich der Vorschrift des §. 11 Abs. 3 zuwider weder das Schiffs-Certifikat noch ein beglaubigter Auszug aus dem Certifikat an Bord des Schiffes oder ist das Schiff nicht gemäß §. 17 bezeichnet, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.
Werden die von dem Kaiser erlassenen Bestimmungen über die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe, die Flagge vor Kriegsschiffen und Küstenbefestigungen oder bei dem Einlaufen in deutsche Häfen zu zeigen, nicht beobachtet, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.
Straflos bleibt in den Fällen der §§. 18 bis 22 derjenige, bezüglich dessen festgestellt wird, daß die Handlung oder Unterlassung ohne sein Verschulden erfolgt ist.
Die in den §§. 18, 19, 21 bezeichneten Handlungen sind auch dann strafbar, wenn sie im Ausland oder auf offener See begangen werden.
Das Gleiche gilt von Zuwiderhandlungen gegen die im §. 22 vorgesehenen Bestimmungen, sofern die Zuwiderhandlung auf einem deutschen Kauffahrteischiff erfolgt.
Der Bundesrath bestimmt:
1. die Grenzen der Seefahrt im Sinne dieses Gesetzes (§. 1),
2. den Umfang, in welchem die Ergebnisse der amtlichen Vermessung in das Schiffsregister einzutragen sind (§. 7 Nr. 2), [325]
3. die Einrichtung des Schiffs-Certifikats (§. 10), des beglaubigten Auszugs aus dem Schiffs-Certifikat (§. 11) und der Flaggenzeugnisse (§. 12),
4. die Art, wie die Anbringung der Namen am Schiffe auszuführen ist (§. 17).
Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf seegehende Lustyachten und solche Seefahrzeuge, welche für Rechnung von auswärtigen Staaten oder deren Angehörigen im Inland erbaut sind. Machen solche Fahrzeuge von dem Rechte zur Führung der Reichsflagge Gebrauch, so unterliegen sie den für Kauffahrteischiffe geltenden Vorschriften.
Durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths kann bestimmt werden, daß die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf Binnenschiffe, die ausschließlich auf ausländischen Gewässern verkehren, Anwendung finden. Die Schiffsregister für solche Schiffe werden bei den durch den Reichskanzler bestimmten deutschen Konsulaten geführt.
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen die Schiffsregister von anderen Behörden als den Gerichten geführt werden.
Unberührt bleiben die Vorschriften des §. 7 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888 S. 75).
Soweit in anderen Gesetzen auf Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867 verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an deren Stelle.
Der §. 74 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 371) wird aufgehoben.
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1900 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Kiel an Bord M. Y. „Hohenzollern“, den 22. Juni 1899.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.