Geschichte des Illuminaten-Ordens/Weishaupts letzte Jahre und seine Familie

Das Ende des Ordens Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Weishaupts letzte Jahre und seine Familie
Beschuldigungen die dem Orden wurden


[380]
Weishaupts letzte Jahre und seine Familie.

Es ist bereits dargestellt worden, dass Weishaupt in Gotha eine bleibende Stätte der Ruhe gefunden hatte, beschützt von dem edlen Herzog Ernst. Dieser Zufluchtsort ist ihm nicht wieder zerstört worden, trotzdem die Anfeindungen seiner Person und des Ordens ihren Fortgang nahmen. Weishaupt verhielt sich äusserlich gänzlich ruhig und schlug alle Versuche, ihn zu einer Wiederbelebung des Ordens zu bewegen, grundsätzlich ab. Er wollte nur noch durch philosophische Schriften veredelnd auf die Allgemeinheit wirken, nicht mehr durch Gesellschaften, in denen, wie er ja nur zu fühlbar erfahren hatte, die eigentlichen Absichten des Stifters leicht verdreht werden und dessen Einfluss lahm gelegt werden kann. Er gehörte auch aus diesem Grunde keiner Freimaurer-Loge wieder an und hat auch die noch heute in Gotha arbeitende Loge »zum Kompass« nicht besucht. Eine dem Autor zugegangene Logen-Mitteilung aus Gotha bestätigt, dass Weishaupt niemals Mitglied der dortigen Loge war. —

In dieser Zeit der beschaulichen Ruhe sind seine Verteidigungsschriften über den Orden, dessen Einrichtungen, die er zu einem verbesserten System umarbeitete, über Welt- und Regierungskunst, sowie seine philosophischen Werke entstanden. Sein Werk »Das verbesserte System der Illuminaten« war eigentlich eine ganz nutzlose Arbeit, das nur seine bleibende Liebhaberei für den Ordensgedanken beweist, und dem er selbst einen praktischen Wert abspricht, aber das Buch ist charakteristisch für Weishaupts Überzeugung, dass geheime Gesellschaften ein Mittel zur Veredelung des Charakters sein können. Er widmet in dieser Überzeugung dieses Werk: Der Welt und dem menschlichen Geschlechte! —

Als Karl Theodor gestorben war und unter seinem Nachfolger die früheren Illuminaten ihrem Vaterlande wieder in [381] schaffensfroher Arbeit dienen konnten, wurde auch in Bayern das Gerücht von der Zurückberufung Weishaupts laut. Es ist sicher, dass diesem Gerüchte ein ernsthafter Gedanke nicht zugrunde lag, wohl aber wurde er vielfach erörtert, natürlich mit Hervorziehung aller alten Verleumdungen und Gehässigkeiten.

Weishaupt wollte daher diesem Gerede ein Ende machen. Er erliess im Kaiserlichen priviligierten Reichs-Anzeiger unter Freitag, den 26. April 1799 nachfolgende

Endliche Erklärung.

Ich habe bisher in der festen Überzeugung, als ob alle weiteren Vertheidigungen in Rücksicht meiner überflüssig seyn würde, gutmüthig dahin gelebt. Ich habe aus dieser Ursache alle, obgleich oft wiederholte und zum Theil wüthende Anfälle meiner Gegner, nur mit Stillschweigen und Verachtung erwidert. Ich werde aber durch widrige Folgen gewahr, dass ich mich in meiner Erwartung mehr als jemals getäuscht habe. Ich bin sogar genöthigt, die traurige Erfahrung zu machen, wie mein Stillschweigen das Heer meiner Feinde kühner und unternehmender gemacht hat. Ich spreche hier nicht von dem Verfasser der Eudämonia und der Wiener Zeitschrift, aber dass in Göttingen, sogar in Göttingen eine ähnliche Sprache geführt wird, dass die Verläumdung auch ausser Deutschland verpflanzt worden, und sich über England und Frankreich nach Amerika verbreitet, — dass mit jeder Messe die alten Vorwürfe in einem neuen Gewande erscheinen und die gröbsten Schmähschriften des Auslandes in Deutschland neu aufgelegt, gierig gelesen und wie sich von selbst versteht, fleissig übersetzt werden — und diess zu einer Zeit, wo die Missdeutung so leicht ist, wo Misstrauen, Furcht, Spannung der Gemüther aufs Höchste gestiegen sind; — diess sind Vorfälle und Umstände, welche von meiner Seite alle Aufmerksamkeit verdienen und wirksame Massregeln nothwendig machen.

Ich bin es deshalb müde, fernerhin in dieser zweydeutigen Gestalt zu erscheinen; denn ich glaube Etwas Besseres als Verachtung oder Mitleiden zu verdienen. Ich bin es aber auch ebenso müde, Vertheidigungen zu schreiben, denn ich habe erfahren, dass sie entweder gar nicht gelesen, oder sehr bald vergessen werden. Ich bin Vater einer zahlreichen Familie, durch mich sind viele schuldlose Menschen in widrige Umstände versetzt, [382] mehr als eine Regierung ist bey dieser Veranlassung beunruhigt und durch Furcht und Besorgnisse jeder Art zu strengen Massregeln gereizt worden. Ich bin es also der Ruhe der Staaten, dem Wohle meiner Freunde und meiner eigenen Sicherheit schuldig, diesem bösartigen Spiele schadenfroher Menschen ein Ende zu machen, die Verläumdung in ihrer Quelle zu ersticken und zu diesem Ende den Einzigen noch übrigen, aber entscheidenden Schritt zu thun. Ich verlange etwas, was keiner Parthey missfallen kann, was längst schon, kraft ihrer Pflicht von der Obrigkeit hätte gethan werden sollen, worum ich schon im Jahre 1786 in meiner Apologie der Illuminaten vergeblich obgleich gebeten habe. — Ich bitte um gerichtliche Untersuchung und Entscheidung dieser Sache.

Kann ich mehr thun oder kann noch mehr von mir verlangt werden. Nicht in anonymischen Schriften, sondern vor Gericht sollen alle und jede, welche so viel von Fortdauer einer so gefährlichen Verbindung, von ihrem geheimen Zusammenhange mit Frankreich, von geheimen Anschlägen gegen die Ruhe der Staaten, und von meinem betrügerischen Verfahren wissen, auftreten, Thatsachen anführen, und mit den nöthigen Beweisen belegen. Dann erst, wenn eine einzige dieser groben Beschuldigungen gerichtlich erwiesen werden kann, soll das Publikum ein verdientes Verdammungsurtheil gegen mich sprechen, und es werde an mir vollzogen, was ich nach Ausspruch der Richter verdiene! Ich wiederhole also meine Bitte: ich wiederhole sie nach reifer Überlegung. Ich bitte, ich flehe um obrigkeitliche, baldige Untersuchung. Ich fordere sie sogar als Gerechtigkeit, als eine der öffentlichen Ruhe und Sicherheit schuldigen Genugthuung.

Im Angesichte der Gesetze und vor den Augen eines unbefangenen Richters getraue ich mich zu beweisen, dass in der Sache nur Missverstand oder Verleumdung herrsche. Ich werde beweisen, dass ich Niemand hintergangen habe, dass diese Verbindung nicht allein nicht gefährlich, sondern von allen übrigen bey weitem die unschädlichste, dass sie sogar trotz allen widrigen Scheins, gross und erhaben war, dass keine Schule für Selbst- und Menschenkenntnis gefunden werden dürfte, welche ihr gleich käme. Hier vor Gericht werde ich den Missverstand aufdecken, das Zufällige der Form von dem Grunde der Sache, den Schein von der Realität, und meine eigenen Aufsätze von fremden Zusätzen [383] und wohlgemeinten Verunstaltungen trennen, und meine Angaben mit Thatsachen und Urkunden belegen.

Diess mag immerhin manchem, welcher wenig unterrichtet ist, ein grosses Wagstück oder eitle Grosssprecherey scheinen, aber wer anders das in dieser Sache classische Buch, welches den wahren Geist meines Systems unverkennbar darlegt, das Buch ohne welches unmöglich ein entscheidendes Urtheil, über mich so wenig, als über meine Sache gefällt werden kann — wer sage ich, meinen Pythagoras — nur den letzten Abschnitt desselben — ja! — wer nur S. 442—447 gelesen hat, — der muss, wenn er sich nicht Verdrehungen und Verläumdungen zum Gesetz gemacht, und nur einiges Gefühl für Sittlichkeit hat, sehr bald einsehen, dass ich bey diesem Schritt nur gewinnen, aber in keinem Falle verlieren kann. Er wird finden, dass hier an Umwälzungen der Staaten nie gedacht worden, dass der Plan tief und auf ganze Generationen angelegt war, dass man nichts anderes wollte, als was jede Regierung, wenn sie gut und vernünftig ist, wollen muss, dass man der Moral ein neues Interesse geben und überhaupt auf die Verbesserung der künftigen Welt durch die Erziehung und eigene Vervollkommnung wirken, und auf diesem Wege allem Missbrauche von Grund aus steuern wollte. Aber in welchem Lande und vor welchem Gerichtshofe soll diese so interessante Streitsache zur Untersuchung gebracht werden? Die Wünsche meines Herzens sind auf mein hintergangenes und aus diesem Grunde gegen mich so ungerechtes Vaterland gerichtet. Dort regiert nun seit kurzem ein Fürst, von dem ich Gerechtigkeit erwarten kann; auf ihn setze ich mit Recht das grösste Vertrauen. Ihm sollte es billig vorbehalten seyn, den Antritt seiner Regierung, dadurch auszuzeichnen, dass er ein von der bösartigsten Verläumdung erzeugtes über ganz Europa verbreitetes Schreckenbild vernichtet. Von Bayern ist die Verläumdung ausgegangen. Es ist also billig, dass sie Bayern erprobt, oder meine tief verwundete Ehre wieder hergestellt werde.

Aber vielleicht finden meine Gegner dabey Bedenken. In diesem Falle begebe ich mich meines Stimmrechtes, und überlasse ihnen ausschliessender Weise die Wahl. Ich erkläre hiermit feyerlich vor den Augen von ganz Deutschland, dass ich in Betreff meiner, so viel diese Angelegenheit betrifft, jeden Richterstuhl als competent erkenne. Vor jedem derselben werde ich beweisen, was ich hier öffentlich versprochen habe. Ich [384] werde mich aber in keinem Falle zu einer ausserordentlichen Verteidigung in Zukunft verstehen, wenn dieses Mittel ungenuzt bleiben, und die Anfälle meiner Gegner fortgesetzt werden sollten.

Gotha den 22. April 1799. A. Weishaupt.

Dieser Aufruf hatte zwar nicht die erhoffte Wirkung, jedoch erhielt Weishaupt ein anonymes Schreiben, das in bissiger und ironischer Weise seine Aufforderung zerpflückt. In demselben (Original im Geh. Staats-Archiv, München) werden auch Montgelas und Zwackh als Illuminaten verdächtigt. Es heisst da unter anderm:


»Da der Churfürst zwei so berühmte Illuminaten als Montgelas und Zwackh sind, in sein Ministerium gezogen, so hätten Sie jetzt gut unter Seinem Schutze Ihre Gegner heraus und vor sein Forum zu fordern, da obige beide sicher mehrere nach sich gezogen haben und der Fürst von Illuminaten beraten und obsediert, sicher Ihnen zu Gunsten decidieren werde.« —


Weishaupt sandte das ganze Schriftstück mit einem Begleitschreiben dem Minister Montgelas zu. Letzteres ist zur Beurteilung der Lage Weishaupts nicht unwichtig und geben wir den ganzen Wortlaut wieder, als Beweis, dass seine Rückberufung vom Kurfürsten durchaus nicht beabsichtigt wurde.


Hochwohlgeborener Freiherr
Hochzugebietender Herr Conferenz Minister

Ich habe vor einigen Tagen durch die Fahrende Frankfurter Bost beyliegenden merkwürdigen Brief erhalten. Ich nehme mir die Freyheit Solchen in originali zu überschicken, und ich Überlasse es dem gutbefinden Euer Excellenz, welchen gebrauch Sie davon machen wollen. Da dieser Brief zuverlässig einer der Vorläuffer Von andern spätern dieser Erscheinungen ist, da anbey die Partey aus deren Händen er kommt sehr unternehmend und noch weniger gewohnt ist etwas zur Hälfte zu unternehmen, So glaube ich allerdings dass dieses Saubere Product ihre vorzügliche Aufmerksamkeit verdienen werde. Der Verfasser desselben ist ohne zweifel einer von den Mitarbeitern der Eudomenia, und wenn ich mich nicht sehr betrüge Grollmann in Giessen oder v. Goeschhauser in Eisenach. Diese Herren haben aller orten, und folglich auch in München eine [385] Partey, welche ihnen anhängt, Sie versäumen auch keine gelegenheit, ehrlichen und verdienstvollen zu Schaden, wo und so gut Sie können. Mir haben Sie vergeblich das Leben sauer gemacht. Durch ihre Verläumdungen Sind alle Regierungen in Deutschland gegen mich mit Misstrauen erfüllt worden, und mit dieser Herren Huld wären wir wohl schon längst all Samt und Sonders gebraten worden: Wie sehr Euer Excellenz den Absichten dieser Schändlichen Menschen entgegen stehen, und wie allenfahls ihre Gesinnungen sind, beweist Inhalt dieses Briefes, welchen ich aus dieser Ursache Euer Excellenz nicht vorenthalten wollte. Sie werden es daher nicht als zudringlichkeit betrachten, dass ich mich geradezu an Sie gewendet. Schreiben Sie das meiner alten Liebe und unveränderter Neigung und Hochachtung zu, und erlauben mir Euer Excellenz, dass ich bey dieser gelegenheit ihnen meine Freud über Dero Beförderung ungeheuchelt bezeige. Ich hoffe auch dass Sie meiner nicht vergessen werden. Ich erwarte zwar unter den gegenwärtigen Sehr ungünstigen Umständen sehr wenig. Ich bin auch billig genug um obwaltende Schwierigkeiten einzusehen, aber So vil dächte ich, als ohne sich zu compromittiren geschehen kann, wäre ich doch berechtigt nach zu suchen und zu bitten. Wenn ich von wegen von S. Churfürst. Durchlaucht nicht als erklärter Verbrecher angesehen werde, So glaube ich wenigstens eine kleine Pension zu Verdienen, für einen so grossen Churfürsten würde dies sehr wenig, und für mich sehr Vil seyn. Ich wäre dadurch im stande gesezt etwas Sorgen freyer zu leben und für die Erziehung meiner Sieben Kinder besser zu Sorgen. Man hat mich Von Bayern aus sehr Schlecht behandelt, und Billigkeit und gerechtigkeit Scheinen es zu fordern, dass mir doch einige vergüttung gemacht werde, um Somehr als mir der Churfürst meine einzige noch übrige Hülffsquelle, den Rechtsweg abgeschlagen, und indem er allen übrigen verbannten freye Rückkehr gestattet, mich allein aber davon ausschliesst, meine Lage und Verhältnisse ansehnlich verschlimmert hat. Ich bin dadurch So zu sagen aufs äusserste getrieben und in der Achtung der Menschen noch mehr herabgesetzt worden.

Haben daher Euer Excellenz doch die Gnade diese Missstände S. Durchlaucht vorzutragen und mich auch selbst Dess gnaden zu empfehlen. Ihr forwort wird gewiss Sehr Vil Vermögen und ich schmeichle mich zum Vorhinein dass Sie nach ihren Kräften dazu beytragen werden, mich nach 14jähriger Verfolgung [386] und Verläumdungen doch einmal meine Lage etwas zu erleichtern. Ich schliesse mit der ungetheilten Versicherung einer grenzenlosen Verehrung



Gotha den 26t Junius
1799.
Euer Excellenz
Unterthänigst gehorsamster
Diener
A. Weishaupt.

Von Gotha aus war Weishaupt mit seinen früheren Freunden Montgelas und Zwackh von jetzt ab stets in Verbindung. Er sandte dem Grafen öfter Schriftstücke politischen Inhaltes zu, korrespondierte über Heeres-[1] und Münzreform und erhielt die schmeichelhaftesten Anerkennungsschreiben über seine Darlegungen, nicht nur von Montgelas, sondern auch von dem damaligen Kronprinzen Ludwig.[2] Auch der Churfürst war ihm gewogen, wenn er auch seiner Zurückberufung entgegen stand. Im Jahre 1808 wurde Weishaupt zum Mitgliede der seit 1806 bestehenden Königlichen Akademie der Wissenschaften in München ernannt. Der König wollte augenscheinlich dadurch dem Sechzigjährigen eine besondere Ehrung erweisen. Das sehr gut erhaltene Diplom, enthaltend eine merkwürdige Federzeichnung des Namens Weishaupt, befindet sich jetzt im Ordensarchiv zu Dresden.

Weishaupt konnte nun eigentlich hoffen, seinen Lebensabend in Frieden und ungestört in Gotha zu vollbringen, jedoch musste er noch einmal einen Angriff erdulden, der durch Heinrich Zschokke ausgeführt wurde im Jahre 1818. — Das Gebahren und die Verdrehungen Zschokkes, die er sich in seiner Bayrischen Geschichte geleistet hat, haben wir, soweit sie den Illuminatenorden angehen, bereits in früheren Kapiteln festgestellt, es erübrigt darauf weiter einzugehen und ist hier nur noch darauf hinzuweisen, dass er erstlich Weishaupt, im Hinblick auf die geschilderte delikate Angelegenheit mit seiner damaligen Schwägerin und spätern zweiten Frau einen geweihten Wüstling nennt und sich zweitens zu der Behauptung versteigt: »Weishaupt selbst, von seinen enttäuschten Freunden verlassen, sank in Verachtung und Dürftigkeit, und der Mann, welcher sonst den Traum der Weltbeherrschung geträumt, freuete sich dankbar [387] des Brodes, welches ihm noch die Hand grossmüthiger Feinde reichte.«

Zschokke lebte damals in Aarau, die Söhne Weishaupts, Eduard, Ernst und Karl, standen alle in bayrischen Diensten

Adam Weishaupt im späteren Lebensalter.
Originalbüste im Germanischen Museum zu Nürnberg.

als Offiziere. Man kann sich leicht denken, wie diese Männer über solche Verleumdungen ihres Vaters erregt werden mussten. — Im Ordensarchiv befindet sich ein Brief des Ernst Weishaupt an seinen Bruder, der diese Stimmung getreulich wiedergibt [388] und ein Zeugnis ist für das Verhalten Weishaupts. Gleichzeitig ergibt dieser Brief den Beweis, dass ein Nachkomme

Diplom der Ernennung Weishaupts zum Mitglied der
Königlichen Akademie der Wissenschaften in München.

Weishaupts, eben sein Sohn Ernst, der Begründer des Denkmals für die Opfer der Sendlinger Bauernschlacht ist, die ihr Leben für das angestammte Fürstenhaus hingaben, eine Tat die 1905 ihre zweihundertjährige Feier erhielt. Der Brief lautet:

[389]
München, am 10. August 1818.
Lieber Bruder!

Dein Paquet habe ich erhalten, die Briefe sämtlich besorgt, die Bundes Armee Vorschlage durchlesen, da Du mir aber keine sylbe darüber geschrieben hast so weis ich auch nicht, was ich damit machen soll.

Deine Bücher habe ich geholt sowohl den Chaiillon als auch den 2ten Band von Zschokke, welcher wohl noch länger hette ausbleiben können, gemäss dem was er über den Vater und die Illuminaten sagt, Utzschneider hat wieder einen vollkommenen Schurken gemacht, Du wirst wahrscheinlich in Frankfurt ein Exemplar zu lesen bekommen können um Dich dann zu Tode zu ärgern. Alles was uns anhängig ist, vorzüglich Flad ist darüber furchtbar indigniert. ich schicke Dir anmitt die Abschrift[3] von dem was Flad unter 7ten an Hr. Zschokke hat ergehen lassen, der Antheil den er an dieser Sache nimmt, hat mich sehr an ihn gefesselt.

Der Vater soll gegen Schlichtegroll geäussert haben, er würde über alles was man über ihn sagt nie mehr eine Feder ergreifen, ich traue übrigens dem Schleicher auch nicht, benehme Dich daher mit den Vater, schicke ihm dieses beyliegende Handschreiben und fordre ihm auf wenn er nicht mehr sagen will, so möge er uns doch facta in Händen geben um solchen schändlichen Verläumdungen mit Kraft entgegen zu Arbeiten.

Ich selbst bin von den damahligen Verhandlungen so wenig instruirt, dass ich mich durchaus blamieren würde wenn ich darum etwas in ein öffentliches Blatt einrücken lassen wollte.

Hr. v. Arretin zu Neuburg welcher Zschokke sonst vertheidigte, hat schon mit ihm gebrochen aus dieser Ursache, und wird da er die Censur der ersten Bände gehabt hat, den leichtgläubigen und schlechten wahrscheinlich durch Utzschneider bestochenen Patron die Leviten curios lesen.

Die Familien Baumgarden und Seefeld sind ebenfalls beleidigt diese haben aber Vermögen genug, um sich zu rächen, sie arbeiten also auch nach Kräften man sagt der Oberstl. Baumgarden wollte nach Arau reissen übrigens wird er mit so einem elenden Gelehrten die bekanntlich alle Hasenfüsse sind nichts gewinnen, ich behalte mir das Glück vor, dass er von ungefähr einstmals in die Hände kommen möge.

[390] Doch ich will von dieser Sache schweigen, lese selbst und Du wirst gleich mir denken.

Mit meiner Schule geht es in der Ordnung fort ich bin schon ganz eingebürgert. Ich habe wieder etwas neues angefangen, ich habe nemlich einen Aufruf an das Officiers Corps ergehen lassen, denen Bauern, die im Jahr 1705 bey Sendlingen und München geblieben sind, ein Denkmal zu sezen. Die Veranlassung ist so schon, weil jetzt der Gottesacker vergrössert und verschönert wird, so werden auch die letzten Spuren der bekannten Hügel eingeebnet, alle Officiers und Stabsofficiers haben es ergriffen und eben Subskribirt, für Dich habe ich auch mit 1 f. 21 supscribirt, das 1te Regiment hat es leidenschaftlich ergriffen, die Garde Grenadir muss der Oberst noch Zweifel haben, bey den Cürass. aber, haben der Oberst v. Lerch.[4] eine Rede entgegen gehalten mit den Ausdruck es wären ja nur Bauern gewesen. Du kannst Dir also wohl denken in wieviele fatalen Sachen ich gegenwärtig verwickelt bin.

Die Regierung sieht den ganzen Plan sehr gern, obwohl sie meinen Nahmen nicht kennt, so bin ich doch durch Flad unterrichtet.

Ich schicke Dir hiermit noch einen kleinen Nachtrag von Dimensionen, lebe wohl der Kopf ist mir ganz voll, seid einigen Tagen habe ich einen sehr starken Katharr mit Kopfwehe verbunden

Dein Bruder     
Ernst.


Die in dem Briefe erwähnte Abschrift einer Mitteilung des Professor Flad an Zschokke enthält eine sehr höfliche, aber gründliche Abfertigung, von der Zschokke in seinem Dünkel jedoch gar keine Notiz genommen hat. Er zog es vor, bei seinen offensichtlichen Verdrehungen und Lügen zu verharren, eine Tatsache, wodurch dieser sonst so ehrenwerte Charakter hässliche Flecken aufweist. Durch diese Fladsche Schrift erfahren wir, dass Weishaupt in der schweren Zeit seiner Verfolgung ausser vom Herzog Ernst noch durch Dalberg unterstützt wurde.

Später erhielt er eine Pension aus Bayern, mit deren Erlangung Utzschneider jedoch nichts zu tun haben dürfte, wie Zschokke behauptet, zumal Montgelas und Zwackh am Ruder standen, die viel mehr zu deren Bewilligung vermochten.

[391] Weishaupts Söhne wurden sämtlich vom Hofe aus protegiert und erhielten auch Stipendien. Seine vier Söhne, Ernst, Eduard, Karl und Alfred sind bis zu ihrem Lebensende in Bayern, teils in hohen Lebensstellungen, tätig gewesen.

Karl von Weishaupt.


Ernst brachte es bis zum bayr. Oberstleutnant, war Ritter hoher Orden und starb in München.

Karl wurde bayr. Generalleutnant der Artillerie, s. Z. Kriegsminister und Adjutant des Prinzen Luitpold. Er wurde geadelt, stand in hohem Ansehen und starb 1853 in München.

Eduard wurde ebenfalls geadelt und starb als bayr. General 1864 in München.

[392] Alfred, der jüngste Sohn, widmete sich den Bergwissenschaften und wurde bayr. Oberberg- und Salinenrat in Berchtesgaden. Er war Ritter des Verdienst-Ordens der bayrischen Krone und des Ordens vom St. Michael, erhielt infolgedessen ebenfalls den Adel und starb 1872.

Alfred von Weishaupt.

Es ist bereits nachgewiesen, dass Utzschneider nicht der Verräter war, als der er hingestellt und auch von Weishaupt in früheren Jahren angesehen wurde. Diese Irrtümer ergaben sich später, die Gründe der Handlungsweise Utzschneiders wurden Weishaupt klar, und dadurch entwickelte sich eine Freundschaft in späteren Jahren, die nicht wieder getrübt wurde, zumal auch Utzschneider die Verleumdungssucht erfahren und als Haupt einer späteren Verschwörung galt. —

[393] Zwei Briefe Weishaupts an Utzschneider, der eine vom Jahre 1809, der andere von 1818, unter dem Eindrucke der Zschokkeschen Angriffe geschrieben, hat der Generalmajor Eduard von Weishaupt dem bayrischen Reichsarchiv 1854 zum Geschenk gemacht. Der Inhalt beider ist zur Beurteilung des nun alten Weishaupt recht charakteristisch und der erste Brief auch sonst von geschichtlichem Interesse. Beide folgen deshalb im etwas gekürzten Wortlaut, wie sie im Schriftensaal der Staatsbibliothek zu München sich vorfinden.

I.

Nun dächte ich mein Verehrtester Freund, war für Bayern und ich hoffe auch für das übrige Deutschland der Grund zu einer dauerhaften Ruhe gelegt. Diese Krisis musste überstanden werden. Sie war unvermeidlich. So lang Österreich so mächtig blieb, konnte selbst nicht einmal an eine Ruhe gedacht werden.

Nun ist alles vorbey. Ich wünsche Ihnen und uns allen dazu Glück. Bey uns sind die aussichten nicht so gut. Sie werden vielleicht bald unerwartete Dinge aus diesen gegenden hören. Das kompacte Sachsen und besonders die sächsischen Truppen werden von einem sonderbaren Schwindelgeist geleitet, der, wenn sich alles bestätigt, sehr grosse Folgen haben muss. Man hat in Leipzig dem König bey einer Illumination die Fenster eingeworfen, Sächsische Offiziere und Soldaten haben in Erfurt die Säbel auf dem Pflaster gewetzt und in Hof waren die Bauern besonders die Schulzen als französische quartier Hunde gestempelt und gemisshandelt, auch die wenigen Sachsen, welche hier in der Stadt waren haben sich auf ähnliche Art geäussert. Dies kann und muss sehr fatale Folgen haben; und ich erwarte sobald Napoleon disponible Truppen bey der Hand hat, er solche nach denen Gegenden schickt. Denken Sie an mich, Sachsen ist der erste und nächste Staat, welchem eine grosse Veränderung bevorsteht. Auch in Hessen waren schon lebhafte Bewegungen, aber die französischen Siege haben solchen auf einmal ein Ende gemacht.

Die eine Operation jusqu'à l'Ens nicht jusqu'à Lintz, welche indessen was ich merke, nicht so verheerend werden kann, sind ganz so, wie ich sie erwarte. Nur möchte ich diessmal, dass wenigstens das allerley hier noch Niemand gesagt würde. Hier giebt es für Sie und ihre Bekannten Gelegenheit zu einer acquisition. Ich rathe Ihnen Ihr Interesse nicht zu [394] vergessen. Ich empfehle Ihnen Armenmehl und St. Florian, auch in Salzburg sind einige nicht unbedeutende aquisitionen zu machen.

Dass die Privilegirten Stände auf einen neuen Messias selbst in Bayern gerechnet, kommt mir nicht unerwartet. Auch hier giebt es Leute in Menge, welche ihre Interessen verkennen, die vornehmsten zeichnen sich vor andern aus, aber sie hangen seit 8 Tagen die Köpfe gewaltig und holen sich von Zeit zu Zeit mit Apotheker Nachrichten aus, aber keine Reue kann die Klage erwecken, aber ich erhebe meine Stimme dagegen von Zeit zu Zeit sehr laut. Sonst lebt man hier zur Stunde erträglich, und die Gegend um die Stadt herum besonders bey dem ehemaligen Schloss verwandelt sich so sehr, dass Sie, wenn Sie wieder kommen sollten sich mit Mühe zurecht finden werden. —


Der Schluss ist unerheblich. Als Datum ist angegeben: Gotha, den 2ten May 1809.

II.
Mein verehrungswürdiger Freund.

Sie werden noch im Ablauf dieses Monats mit dem Postwagen einige Fragen von der Fortsetzung meiner Schrift in Manuscript erhalten. Wenn Sie es gut finden, so lassen Sie davon eine Abschrift nehmen und senden Sie mir so bald ich es verlange mein Exemplar wieder zurück, denn meine Tochter, welche immer kränklich ist, kann nicht so viele Abschriften machen. Sie sehen daraus, dass ich ungeachtet der ganzen Aufwendung oder verlierenden Zeit, und verschiedenste Abhaltungen und Verunglimpfungen doch noch immer arbeite und für Bayern thätig bin.

Dazu gehört wahrlich eine grosse Vaterlandsliebe und Uneigennützigkeit, welche Herr Zschokke einem geweihten Wüstling sicherlich nicht zutraut. Er hat mir nicht geschrieben, welches mir sehr lieb ist, denn ich werde ihm bittere Brocken zu verschlucken geben.

Es wird um so nöthiger seyn, dass Sie meine Schrift, wenn Sie Ihren Beyfall finden sollte, abschreiben sollten, denn an Druck ist nicht zu denken, obgleich der Inhalt einzig seiner Art ist. Ich habe mich dessentwegen bey verschiedenen Buchhändlern angefragt, aber keiner will es in Verlag nehmen, selbst ohne alles Honorar. Dies macht wahrlich meiner Aufklärung [395] keine Ehre. Es bleibt mir nichts anderes übrig als mich an den König zu wenden und dieser schlägt es mir vielleicht ebenfalls ab. Gerechter Himmel! Wer das beste Schauspiel schreibt, erhält 100 Ducaten Belohnung, der Schriftsteller welcher ein Thema behandelt, welches ein jeder kennt, besonders in diesen Zeiten von noch besonderem Werth, muss Geld borgen ums selbst verlegen und sodann noch drucken zu können, und erhält hierfür nicht einmal einen Dank. Wenn dies nicht zu den schlimmsten Anzeichen gehört und im hohen Grade entlahmend ist — so sagen Sie wo ist Verstand? — Wo ist ein Staat, welchem solche Dinge so gleichgültig sind? was wird aus der Aufklärung meiner Zeiten, welche Sie schon erleben werden? Sie können sich darauf verlassen, lieber Freund, mein Untergang ist beschlossen und wird unvermeidlich erfolgen, alle Zeichen sind schon vorhanden und deuten darauf hin und doch bin ich thöricht genug um ein neues Werk zu schreiben. Aber ich denke mir dies wird nicht ewig dauern.

Es wird und muss noch ein Menschengeschlecht kommen, welches vernünftiger ist, die werden mich lesen und Herr Zschokke mag gegen mich schreiben, was er will, er wird mich (? unleserlich) und jeden nach seinem (Verdienst?) beurtheilen.

Meine Pension habe ich nach vielen Schreiben und praessiren endlich erhalten.

Leben Sie wohl, ich bin wie immer

Gotha, d. 3ten Nov. 1818. Ihr ganz eigener
A. Weishaupt.

Soeben hat mich Graf Luxburg besucht, ich habe von ihm wieder Aufklärung erhalten. Ich habe ihm dagegen mehrere bedeutende Nachrichten mitgetheilt in betreff des heutigen Unwesens, welches mit jedem Tag ärger wird. — —


Aus diesem Briefwechsel leuchtet einesteils die Freundschaft der früheren Feinde deutlich hervor, andernteils die Anteilnahme Weishaupts an allen Geschehnissen und dass sein immer reger Geist nach allen Seiten Verbindungen unterhielt, die nicht unwichtig gewesen sein können. Diese Verbindungen zu untersuchen ist nicht die Aufgabe dieses Werkes, denn es ist sicher, dass es sich dabei nicht etwa um eine Wiederbelebung des Illuminatenordens handelte, es waren politische Nachrichten, die Weishaupt erhielt und weitergab und in Bayern jedenfalls ein Echo fanden.

[396] Mehr und mehr wurde im Laufe der Jahre Weishaupt in der weiteren Öffentlichkeit vergessen, seine Schriften, die durchgängig an einer Weitschweifigkeit des Ausdruckes und Aufbaues leiden, konnten im Publikum nicht Gefallen finden, weil der knappere Stil und die kurze Ausdrucksweise immer moderner wurden, heute jedoch würde seine Schreibart unsern nervösen Lesern oft geradezu unerträglich erscheinen. Seine Hoffnung, ein späteres Menschengeschlecht werde seine Schriften lesen, kann nur in Erfüllung gehen, wenn sich ein berufener Bearbeiter seiner Werke fände, der die oft vortrefflichen Gedanken, die vorzüglichen gebotenen Lehren von dem unnötigen Ballast entkleidet, und beides in einem modernen Gewande darbietet. —

Weishaupt, der als Verächter der Religion und namentlich als Feind der positiven Religion verschrieen war, protestiert gegen diese Verleumdungen in seinen Werken sehr energisch, ja er wurde sogar Kirchenerbauer. Da er als Katholik in einem protestantischen Land wohnte, empfand er es unangenehm, dass Gotha keine katholische Kultusstätte besass, denn die Seelsorge katholischer Christen wurde damals von Erfurt aus gepflegt. Seinen Bemühungen gelang es, dass ein Fond zum Bau der jetzigen katholischen Kirche in Gotha gesammelt wurde. Er regte sich eifrig für dieses Werk und veranlasste auch den König von Bayern zu einer bedeutenderen Geldspende. Sein Name ist daher mit diesem Kirchenbau auf das engste verbunden.

Am 18. Nov. 1830 nachmittags ½5 Uhr starb Weishaupt nach längerer Krankheit an Entkräftung.

Er wurde neben seinem Sohne Wilhelm am 21. Nov. begraben. Sein Denkstein zeigt weder Geburts- noch Todestag, trägt aber die, vielleicht von ihm selbst verfasste, vielsagende Inschrift:

Heic jacet
Weishaupt Vir Ingenio Animo Doctrina
Primarius Civium Libertatis
Vindex Acerrimus
Exsul Obiit Octogenarius.

Einige nicht unwichtige Daten aus Weishaupts Leben hat sein Sohn Karl in einigen Briefen an den Hofrat K. A. Böttiger zu Dresden hinterlassen. Letzterer hat eine ganz bedeutende

[397]
Totenmaske Adam Weishaupts,
Original im Besitz des Illuminatenordens zu Dresden.

[398] Anzahl Briefe von angesehenen Personen gesammelt, auch alle an ihn direkt gerichteten Schreiben sorgsam aufbewahrt. Diese gesamte Briefsammlung hat die Königl. öffentliche Bibliothek zu Dresden erhalten und kann daselbst von jedermann eingesehen werden.

Nach dem Tode seines Vaters wandte sich der damalige bayrische Major Karl Weishaupt, unter dem Datum des 28. Nov. 1830 von München aus brieflich an den wegen seiner vielfach verfassten Nekrologe bekannter Männer gerühmten Böttiger mit der Bitte, auch seinem Vater in einer gelesenen Zeitung einen Nachruf zu widmen. Böttiger sagte zu, und Karl Weishaupt gab nun eine Anzahl von Mitteilungen, denen wir das Nachfolgende entnehmen. Zu dem beabsichtigten Nekrologe ist es jedoch nicht gekommen.


»Der Vater pflog damals (zu seiner Lebzeit in Gotha) allerdings noch Correspondenz mit vielen seiner Anhänger, Schüler, Freunde und Gönner, doch widerstand er dem dringenden Verlangen mehrerer derselben, die zerrissenen Fäden des gesprengten Ordens wieder aufzufassen, um nach etwas veränderten Grundsätzen neuerdings in der alten Laufbahn aufzutreten. Umgang mit seinen neuen Freunden in Gotha, sowie mit Freunden, die ihn häufig besuchten, dann die Herausgabe verschiedener philosophischer Werke waren seine Hauptbeschäftigung. — —

Im ganzen aber wird sein literarischer Nachlass nicht sehr bedeutend sein, indem manches von meinem Vater schon selbst vernichtet zu sein scheint und ich mich zu entsinnen glaube von ihm die Äusserung vernommen zu haben, dass in seinem Nachlasse wenig vorhanden sei; soviel aber ist ganz gewiss, dass sich in seinen Papieren über seine früheren Verbindungen, respective über den Illuminatenorden nichts mehr vorfindet. Dieses hatte mir mein Vater, als ich ihn ungefähr sechs Monate vor seinem Ableben in Anregung des Hrn. Perthes des älteren zu Gotha einstens befragte, mit dem Bemerken bestimmt geäussert, dass er nichts mehr darüber besitze, dass er aber vermuthe, in Schweden und Dänemark werde sich ein bedeutender Theil meistens unbekannter Schriften über diesen Orden vorfinden.

Mein Vater bezog ungefähr seit dem Jahre 1808 regelmässig eine anständige Unterstützung aus Bayern. Der König Maximilian zeigte jederzeit grossmüthige und wohlwollende Gesinnungen

[399]
Weishaupts Grab in Gotha an seinem 70. Todestage.

[400] gegen ihn. Später erhielt mein Vater noch eigene jährliche Zulage, um Verluste zu decken, die sich anderwärts aufgethan hatten; auch Sr. Majestät der jetzige König hatten ihm alle diese Bezüge gelassen und bei einigen Veranlassungen sehr wohlwollende Gesinnungen bezüglich seiner geäussert. Seine Verbindungen mit Bayern, die indessen eine andere Richtung angenommen hatten, aber immer das Gepräge eines für sein Vaterland innig eingenommenen Mannes trugen, sind nie erloschen. Vielfache Beweise der Achtung und Gewogenheit sind uns vier Brüder, die wir alle in Bayern angestellt sind, wegen unseres Vaters in Bayern zu theil geworden, und sein Name hat uns vielfach zur Empfehlung gedient. Unser ältester Bruder starb zum grössten Schmerze der Ältern im Januar 1802, als er eben in Bayern Anstellung erhalten hatte noch in Gotha. Hierauf liessen der damalige Churfürst Maximilian meinen Bruder und mich durch Verwendung des Obersten v. Zech in Altdorf studieren, und im Jahre 1804 nahm uns der Churfürst in die Armee als Offiziere auf. Diesem folgte ein jüngerer Bruder, der anno 1807 in die Armee eintrat, worauf der König auch noch meinen jüngsten Bruder in Erlangen und Freyburg studieren liess und ihn sodann beim Salinen- und Bergwesen anstellte. So sind wir vier Brüder durch die Gnade des Königs in Bayern theils im Militair, theils im Civildienst ehrenvoll angestellt.

Meine Mutter mit zwei Schwestern lebt dermal noch zu Gotha, gedenkt aber mit nächstem Frühjahr nach Bayern zurückzukehren.

Dieses möchten ungefähr die Hauptzüge der inneren und äusseren Verhältnisse sein, in denen sich mein Vater befand, seitdem er Bayern verlassen musste und in Gotha lange Jahre schützenden und sehr ehrenvollen Aufenthalt, so wie überhaupt im ganzen Sachsen, Thüringen, sowie am Rhein allseitige Gastfreundschaft und hohe Theilnahme an seinem Schicksal gefunden. Seine Hauptgönner waren vorzüglich, wie Ew. Hochwohlgeboren nicht unbekannnt sein wird, der Herzog Ernst v. Gotha, die Herzogin Amalie v. Gotha, der Herzog v. Weimar, der Herzog von Holstein-Augustenburg, der Kurerzkanzler Dalberg.


Bezüglich etwaiger Papiere, die noch einigen Aufschluss über den Orden geben könnten, wiederholt Karl Weishaupt in einem zweiten Brief an Böttiger, dass sein Vater nichts mehr davon [401] besitze, wie er selbst ihm gesagt habe, dass seines Wissens diese Papiere in Dänemark oder in Schweden und in München Kanonikus Hertel wahrscheinlich einen grossen Theil habe. »Dieser Hertel ist inzwischen gestorben, und was aus den Papieren geworden, ist unbekannt. Er soll auch die Liste der sämtlichen Illuminaten gehabt haben, die sich über 2400 Köpfe belaufen. Als ich im Winter 1828—29 in Stockholm auf einer militärischen Missionsreise war, sagte mir der alte Graf de la Gardie, mit dem ich gerade damals beim Kronprinzen zusammentraf, und der meinen Vater wohl gekannt zu haben scheint, es wäre in Schweden ein ansehnlicher Theil der Correspondenz, und ich glaube nicht zu irren, dass er mir damals sagte, der Vorfahr des jetzigen Königs sei ebenfalls Illuminat gewesen und in seinem Nachlass habe er die Papiere gesehen. Ich habe die Ehre, Ihnen dieses nur deswegen zu bemerken, weil es Ihnen vielleicht interessant sein könnte, dies zu erfahren.« — —


Diese letzte Nachricht veranlasste mich, in Stockholm persönlich nachzuforschen, ob sich daselbst noch Spuren aus jener Zeit vorfinden und alte Schriften irgendwo verborgen im Archive liegen. Es ist mir nicht gelungen, nur das geringste aufzufinden und bezweifle ich, dass andere Forscher glücklicher sein würden. — Jener ansehnliche Teil der Korrespondenz ist wohl, wie sicher angenommen werden kann, diejenige Dokumentensammlung, die jetzt im Archive der Freimaurerloge »zum Kompass« in Gotha bewahrt wird. Die Sache verhält sich so: Die Unterschrift Goethes, von der bereits Seite 356 berichtet ist, blieb in den Händen Bodes bis zu seinem Tode. Bodes Nachlass mit allen Illuminatenurkunden kam in den Besitz des Herzogs Ernst, des Beschützers Weishaupts. Als der Herzog 1804 starb, wanderte dessen illuminatischer und freimaurerischer Nachlass nach Schweden und wurde sieben Jahrzehnte daselbst im Archiv der Grossen Landesloge bewahrt. Weishaupts Aussage wird demnach sich auf diese Papiere beziehen, die nun wieder auf Veranlassung des letzten Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, gestorben 1893, nach Gotha zurückwanderten, wo sie im Logenarchiv ruhen.

Aus einem Briefe der Tochter Weishaupts, namens Charlotte, erfahren wir noch, dass Weishaupt aus erster Ehe fünf Töchter hatte, die jedoch sämtlich frühzeitig starben. Weiterhin, dass seine Freunde bemüht waren, ihn zum Professor an den Universitäten [402] zu Wien und Jena zu machen; wir haben bereits seine Reise nach Wien erwähnt, jedoch wurde eine Anstellung durch Feinde vereitelt. Diese Angaben befinden sich ebenfalls in einem Schreiben der Briefsammlung und wurden Böttiger auf Veranlassung ihres Bruders durch Charlotte Weishaupt gegeben. —

Die Frau Hofrätin Weishaupt starb im Jahre 1843 am 28. Nov. im 86. Lebensjahre in Gotha an Altersschwäche und liegt mit ihren beiden Töchtern Nanette und Charlotte unweit der Grabstätte ihres Gatten auf demselben alten Friedhofe Gothas begraben. Ihr zur Linken liegt Franz Heinr. Sola, der Bräutigam von Charlotte, der tragischerweise kurz vor dem Hochzeitstage starb. Diese vier Gräber werden ebenso wie die Weishaupts und seines Sohnes durch den jetzigen Illuminatenorden erhalten und vor Verfall geschützt.

Die Grabschriften lauten:

1. Nanette Weishaupt, geb. d. 14. Juli 1790,
gest. d. 27. April 1853.
2. Charlotte Weishaupt, geb. d. 29. Febr. 1792,
gest. d. 16. Octob. 1867.
3. Grabstätte unserer geliebten Anna Maria Weishaupt.
geb. zu Eichstädt, gest. allhier im
86. Lebensjahr, Friede ihrer Asche.
4. Franz Heinr. Sola.
Ein edler Mann
vom Vaterlande Belgien durch feindliches Geschick
als Kind vertrieben, in Gotha sein
II. Vaterland, Gemahlin und edle Freunde findend,
ruhet hier im langen tiefen Schlafe.

Die Familie Weishaupt ist im Mannesstamme heute erloschen. Die letzte Enkelin Weishaupts, die jüngste Tochter Alfred v. Weishaupts, starb 1905 im November in München. Nachkommen einer älteren Tochter von Alfred v. Weishaupt leben noch heute in Gotha.


[403]
Grabstätte der zweiten Frau und zweier Töchter Weishaupts.
  1. Originalschriften dieser Art befinden sich aus dem Nachlass Weishaupts im Archiv des Ordens zu Dresden.
  2. Beide Schreiben im Original ebenfalls im Ordensarchiv.
  3. Befindet sich im Ordensarchiv.
  4. Lerchenfeld.


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