Geschichte des Illuminaten-Ordens/Die Ordensbeziehungen zur österreichischen Regierung
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Bis zum Jahre 1782 hatte der Orden nur wenig Mitglieder in Wien (Rom genannt in der Ordensgeographie) und wenig Beziehungen in Österreich überhaupt.
Die zwei Berichte des Hannibal, Baron Bassus, die mit Streichungen und Auslassungen in dem Nachtrag zu den Originalschriften Seite 134—139 veröffentlicht sind, geben ziemlich gute Anhaltspunkte über die ersten österreichischen Erfolge. Hannibal träumt zwar davon den Kaiser Josef II. selbst einmal als Ordensmitglied zu sehen, doch das blieb Träumerei. Die in München im Kgl. Hausarchiv bewahrten Originale lauten in den betreffenden Stellen.[1]
d. 14. Januar 1782.
»Hier in Samos (Innsbruck) ist wirklich eine Loge von beyläufig 50 Brüdern Maurern, worunter recht viele wackere Männer sind, und man trifft in Tirol und Tridentinischen in [193] jedem angesehenen Orte Maurer. Der Fürst von Trient ist Maurer und so mehrere Cavaliere der dortigen Gegend. Hier (Innsbruck) ist der Graf Kenigel, Vicepräsident, Meister vom Stuhl.« —
Weiter heisst es:
»Der Kaiser ist bis jetzo nicht Maurer gewesen; nun aber bey Gelegenheit, dass der russische Grossfürst in Wien ist aufgenommen worden, will er auch zu dieser Gesellschaft tretten. Dieses wäre nun die herrlichste Zeit, dass der Bruder Arrian in Wien etwas sehr Grosses, ja so zu sagen, das Grösste thun könnte, es sollen dort über 400 Maurer seyn; die erfahrenen Maurer taumeln nur in allerhand Systemen herum und suchen Licht: giebt man den Würdigeren nur einen kleinen Fingerzeig, so laufen sie mit der brennendsten Begierde, und glühendem Herzen nach. Ich habe mich auch hier nach einigen würdigeren umgesehen, welche das wahre Licht zu sehen verdienen, und zu dessen kluger Verbreitung am schicklichsten beytragen können, es sind Graf von Trient, kaiserlicher Kämmerer und Regierungsrath, ein rechtschaffener Mann, der zweite ist Professor Schiuereck, künftiger Schwager des Spartacus. Der dritte Schlosshauptmann Priosser. Erster hat mir heute den Revers eingehändiget, und die andern zwey packe ich morgen.« —
Im nächsten Schreiben vom 25. Februar 1782 sagt Hannibal:
„— noch habe ich die letzte Nacht eine herrliche acquisition gemacht, den Herrn von Gasler, K. K. Archivar, ein Mann voller Wärme für die ganze Sache. Ferners habe ich erfahren, dass der Kaiser noch nicht Maurer ist, aber dass man Hoffnung gehabt, er würde sich bei Gelegenheit, da sich der Grossfürst von Russland wollte aufnehmen lassen zu Rom, er auch das gleiche thun würde. Er hatte bisher dem Orden nur die Toleranz, nicht aber die Protection versprochen. Nun ist es die grösste Zeit, dass Arrian sich in Rom an die Sach mit Muth wagen kann und soll." — — —
Letzteren Wunsch hat Arrian, auf den wir gleich zu sprechen kommen werden, erfüllt. Aber auch Knigge knüpfte Beziehungen nach Wien, die er in einem Berichte vom August 1782 folgendermassen schildert:
»Ich habe auf dem Convente in Wilhelmsbad den Deputirten Grafen von Kolowrat angeworben, und ihm den Namen [194] Numenius gegeben. Hier ist sein Revers. Er wusste nicht nur die Existenz des Ordens, sondern sagte mir auch, er habe gehört Sonnenfels sey Illuminat. Dass hat mich betroffen. Sollte denn N.— geschwätzt haben? Übrigens war er sehr übel auf S zu sprechen, und bat, man möchte ihn nicht an denselben verweisen.
Ich sagte, ich wüsste nicht, was für Mitglieder in Österreich wären« etc. —
Weishaupt versprach sich von dieser Aufnahme nicht viel und spricht sich in diesem Sinne in einem ungedruckten Brief (Nr. 131) an Zwackh offen aus. Numenius wurde auch kein hervorragendes Mitglied. Die Seele der österreichischen Beziehungen [195] war Graf Cobenzl, Domprobst zu Eichstädt, unter dem Namen Arrian im Orden bekannt, und dessen Bruder, der das Amt eines Kanzlers in Wien bekleidete; des letzteren Ordensnamen war Memerades. Zu diesen gesellte sich der Schriftsteller Geheimrat Sonnenfels (Fabius) und der Baron von Schroeckenstein (Mahomet).
Es scheint, dass diese sehr gegen den Willen Weishaupts arbeiteten und unmöglich ist es nicht, dass diese Männer politische Zwecke privatim verfolgten, für die jedoch in keinem Falle der Orden verantwortlich zu machen ist und Weishaupt erst recht nicht.
Wie letzterer über politische Umtriebe dachte, geht klar aus einer Schrift im Zwackh'schen Nachlass hervor. Es findet sich dort ein Brief von der Hand Zwackhs an Spartacus, korrigiert von Weishaupt, der folgenden Wortlaut aufweist:
»Überhaupt werden wir die Versammlungen nachdrücklich auf eins der ersten Ordensgesetze verweisen, nämlich sich in Religion und Staaten-Verfassungen gar nicht einzumischen, wir wollen zwar hierin keinem seine Freiheit zu denken benehmen, aber die Nothwendigkeit zeigen, warum man darauf mit aller Schärfe bestehen muss, dass die Mitglieder unserer Verbindung von jeder und besonders derjenigen Religion, welche in ihrem Lande die herrschende ist, nur mit Ehrfurcht und von der Regierung, unter welcher sie stehen, mit der schuldigen Achtung reden sollen, und dass bey einer weiteren Anzeige derley unvernünftige Spötter und (unleserlich) als gefährliche und untaugliche Glieder von unserem Körper wieder abgesondert werden.« —
Dieser Brief ist 1783 geschrieben, also kurz nach jener Zeit, als die Wiener Verbindungen anfingen.
Letztere gestalteten sich nicht zur Zufriedenheit Weishaupts. Seine ungedruckten Briefe im Geheimen Staats-Archiv zu München lassen darüber gar keine Zweifel. So schreibt er den 27. Nov. 1782:
»— leider ist es nur zu wahr, das seine Direction (Arrian) keinen Teufel taugt, aber in Rom, da will er keinen vorkommen lassen, er thut als wenn die ganze österreichische Monarchie zu seinen Befehlen stünde, ich habe mich erbothen, ihm alle Briefe aufzusetzen, den er sodann nur zu unterschreiben braucht, wenn er doch noch fort dirigiren will. —
[196] In einem spätern Brief ohne Datum spricht er sich gegen Zwackh ganz offen gegen Arrian aus und sagt:
Meine Ursachen warum ich um das Etablissement in Wien nicht gerne etwas leisten will und um seinen Plan mich bekümmere sind:
- Weil Arrian solches gegründet.
- Elend gegründet,
- und noch elender dirigirt.
- Weil er sich damit nothwendig machen will den Ton im O. anzugeben, nichts einführen, bessern will, ausser was ihm, Mahomet, und seinem Bruder anständig ist.
Weil er sich stellt, als ob Wien und Österreich sein Eigenthum wäre — dieses ist mein Hauptgrund, denn darauf baut er und Mahomet seine stolzen Prätensionen. Der Orden erscheint ihm Sclav von Österreich zu werden, darum will man mich nach Wien locken und dann dort nach der Seite des Hofs zu Ungarn.
Das merke ich gar wohl, wir brauchen Österreich gar nicht, unterdessen kenne ich es leider, obwohl das ein sehr unvollkommenes Etablissement dort ist und schlecht existirt, man sagt doch in Wien sind Illuminaten e tanto basta.« — —
Weishaupt rät nun, Arrian machen zu lassen was er will, denn ihm liegt nichts daran und er freut sich Ruhe zu haben.
Am 1. Oktob. 1784 (S. 222, Nachtrag z. d. Orig.-Schriften) also nach dem ersten Verbot schreibt Weishaupt:
»Weder ich, weder Philo haben nach Wien Correspondenzen unterhalten. Warum alles verfallen, liegt in dem Narren S— — —, und in A— — — fehlerhaft getroffenen Einrichtungen; gleichwie auch in des hochweisen Mahomets Provinz nichts hinter sich und vor sich geht.« —
Aus diesem Material geht hervor, dass die Ordensangelegenheiten in Wien gründlich verfahren wurden. Zwar hatte die Loge Theodor zum guten Rath, eine Tochterloge, Augusta zu den drei Kronen in Wien begründet, aber auch diese Loge hat besondere Erfolge nicht erzielt, sondern verlief im Sande. — Jedenfalls hat Weishaupt keinen Einfluss auf politische Intriguen gehabt oder solche unterstützt, dazu reichten die Verbindungen für ihn und die Münchener Illuminaten kaum aus. Es zerfällt
[197] damit aber dann die so zäh festgehaltene Behauptung von den landesverräterischen Absichten des Ordens, der die Auslieferung Bayerns an Österreich unterstützt haben sollte.
Dass auch die österreichische Regierung bemüht war, dem Kurfürsten Carl Theodor Klarheit zu geben, beweist eine Beilage, die nebst einer geheimen Instruktion von dem K. K. Hofe an die K. K. Gesandtschaft, an den Chur-Pfalz Bayrischen Hofe zu München gerichtet ist, datiert Wien, den 23. November 1784, als Antwort eines Gesandtschaftsberichtes vom 5. Nov.
Es heisst da zuerst:
Was die Illuminaten betrifft, so hat die Gesandtschaft nichts für sie, aber auch nichts gegen sie zu thun; nicht das erste, weil die Abneigung des Churfürsten zu gross ist; nicht das letzte, weil die letzhin angezeigte subjecta wegen des Einflusses, welchen sie in allen Gattungen Geschäfte haben, müssen äusserst menagirt werden.
Die Beilage ohne Namensunterschrift lautet:
Erläuterung der Geschichte und des Ursprungs der Illuminaten.
Es verhält sich mit der Freimaurerei wie gewöhnlich mit dem Ursprung aller Geschlechter und Völker; jedes sucht seinen Anfang in den entferntesten Zeiten und versteigt sich aus Stolz und Ehrsucht soweit, dass es darüber nicht selten in's Lächerliche fällt.
Fast allgemein leiten die geheimen Weisheitsschulen, wie sie sich nennen, ihren Ursprung von jenen ab, die ehemals bey den Ägyptern und Griechen bestanden. Sie behaupten, diese Schulen der Weisheit waren stets bey allen Völkern und zu allen Zeiten fortgeführt worden, was also im Alterthum die Mysterien der Isis bey den Egyptern, und jene zu Eleussis der Griechen waren, das wären nunmehr die Geheimnisse der Maurerei, nach den Umständen dieses Zeitpunktes gemodelt.
Wirklich ist diese Vermutung so ungereimt nicht, so gewiss es doch ist, dass der Name Freimaurerei ungefähr in den Zeiten der Reformation — und da sehr schwach nur erscheint. Erst in diesem Jahrhundert und Grössten teils vor der Hälfte desselben, entstand seine vollste Verbreitung. Der Zeitpunkt aber, wo man davon — wenigstens in Deutschland so gar allgemein [198] spricht, ist jener der Trennung in zwey Hauptstämme durch die Einführung der strikten Observanz aus dem Convente zu Braunschweig. Das ist der eigentliche Zeitpunkt des Misverstands und der Verfolgung der Maurer unter sich selbst, er ist auch jener des Entstehens und des Veroffenbarens so vieler Sekten gegen- und untereinander.
Seit der Einführung der ersten Loge sind noch kaum achtzehn Jahre zu zählen. Zwölf Jahre ungefähr sind es, seit der Entstehung einer zweiten, die Graf Morawizkische Loge genannt.
Ich weiss wenig oder garnichts von dem Schicksal der ersteren und ihrem wesentlichen Verband, die zweite gründete sich auf die Auswahl der besten und rechtschaffensten Glieder und hielt zu der sehr kurz vorher eingeführten stricten Observanz. Demungeachtet entspann sich bald Verwirrung und Unzufriedenheit unter einigen Gliedern von einer Dauer von nicht viel mehr als drey Jahren, man suchte zwar eine Vereinigung wieder, doch nimmermehr wurde etwas Haltbares daraus, und wenn ich nicht irre, so ging sie im dritten Jahre der neuen Regierung aus besonderer Rücksicht und Klugheit ganz auseinander.
Während des Entstehens und der Dauer dieser Loge trat noch eine auf, und diese ist die sogenannte Badenische Loge.
Sie hielt sich Anfangs zum entgegengesetzten System, bis endlich daraus die izt so viel Aufsehen erweckenden Illuminaten erwuchsen, durch folgende Veranlassung.
Weishaupt, damals Professor des geistlichen Rechtes zu Ingolstadt und Mitglied der Graf Morawizischen Loge, hatte schon, bevor er zu dieser Verbindung gekommen, grössten teils alles gelesen, was er von Freimauerei alles auftreiben konnte; sein Geist noch überdies mit den Schriften der Alten genährt, und insbesondere mit den so mannigfaltigen Systemen der Philosophie vertraut, vermochte nichts zu finden darin, was ihn befriedigen konnte.
Bey der Entdeckung, dass ihm bey dieser Verbindung nichts neues erschiene und unzufrieden, nach einem System zu arbeiten, das von auswärts betrieben, er ganz sicher Chimäre und Ungewissheit zum Grunde hat, fühlte er ganz das Vermögen in sich, selbst ein System zu erfinden, das auf metaphysische Neuheit gebaut, Aufklärung des Verstandes und Besserung der Sitten, zu seinem Hauptzweck habe. Einsam zu leben [199] gewohnt, von unerreichbarem Talent, war das nun sein einziges Denken.
Vielmals mit den Jesuiten in Streit und in Händel mit ihnen, worin er sicher öfters zu weit ging, durchlas er auch alles von ihrer Verfassung und bildete nach dieser Einrichtung sein System.
Daher die Vermuthung, besonders im Auslande, als wäre das Ganze der geheimste Jesuitische Verband. Bei dieser Gelegenheit, also vor zwey Jahren, wie ein Mann von eben so grossen Geistesgaben, als wie Rang und Geburt, gerade diese Vermuthung gegen mich äusserte, sagte ich — wenigstens der bayrischen Illuminaten Schicksal voraus. Nemlich, ich wäre so gewiss des Gegentheils eines solchen Verbandes überzeugt, das ich es vielmehr für ausgemacht halte, ein Theil breche dem anderen den Hals. Wer dieser Theil ist, ist bald zu erwarten. Meiner Vermuthung nach müssen die Illuminaten daran, weil sie ausgeartet, übermüthig und keck auf ihre Vereinsgrösse trozen, die anderen aber sich klüger und bescheidener verhalten.
Freilich, sagte ich weiter, wäre so ein Verband nach Einführung der Malteser und Übertragung der Schulen an die Klöster in Bayern leicht zu bewirken gewesen, allein dazu hatten die Vorsteher der Illuminaten weder Bescheidenheit, weder Einsicht, noch Sitten, noch Klugheit genug, daher den Vorwurf von Begünstigung des Meuchelmordes und des Giftes, wie dies schon ehemals den Jesuiten angedichtet wurde.
Sobald Weishaupt einen Theil seines Systemes festgesetzt hatte, suchte er die Ausübung davon, und wählte dazu, vermöge der schon in den Universitätsjahren gepflogenen Freundschaft und aus Vorliebe für Talent, den Herrn Professor Bader als Chef, und Politur, Klugheit und nötige Vorsicht bei Seite, konnte er nicht besser wählen. Ohne Zweifel vermuthete er, diese Mängel würden sich heben. Vielleicht traute er wohl gar der Feinheit seines Systems diese Umstürzung zu.
Wofür sich Weishaupt sorgfältig wahrte, war die Veroffenbarung, dass alles nur seine Erfindung. Er wusste zu gut, wie wenig ein Prophet in seiner Heimath gelte, und kannte zu gut die Verachtung gegen Bayern im Auslande, um zu gestehen, als wäre von da aus nur Weisheit zu holen. Alles war daher in Dunkel gehüllt; seinem System gab er Alterthumsschein und bediente sich meist nur griechischer Namen, wie diese bey den Kirchenvätern und Phylosophen und in historischen Abhandlungen, [200] haubtsächlich über die Eleusinischen Geheimnisse zu finden.
Es war daher stets von unbekannten Oberen die Rede, und der Name Illuminaten selbst als der Haubtname seines Systems war verführend weil dieser längst schon unter den Rosenkreuzern bekannt, einen besonderen Grad unter ihnen bezeichnet.
Ich zweifle daher, ob einer der Illuminaten ganz zuverlässig weiss, dass Weishaupt ihr Stifter war.
Unterdessen hatte er keineswegs die Ansicht, sich von Freymaurereien zu trennen; vielmehr verflocht er mit seinem System die drei maurischen Grade; nur suchte er sie schlackenfrei zu machen, und dachte niemalen daran, sie zu verachten. In der Rücksicht wollte er jede konstitutionsmässige Verbindung mit anderen Logen, so gar wohl einsehend, dass aber dadurch sein System gegen alle Kabale mehr gedeckt und blühender werde. Uebrigens ist dieses sein System nichts weniger als schon vollendet, vielmehr ist er grössten theils so unzufrieden damit, dass er wirklich schon vor Ausbruch dieses Gewitters an vier Abänderungen dachte, aus dem grunde, weil es unmöglich, all das Fehlerhafte daran, gleich bey seiner Entstehung zu merken, und weil es unvermeidlich für ihn war, wie dies der Fall eines jeden Stifters eines neuen Sectionssystemes ist, der es aus Eigenliebe und Stolz zu geschwind bekannt und in aufnahme gebracht wissen will; dass nicht auch andere, zumal im Auslande etwas beysetzen wollen. Er, der sich nicht für den Erfinder ausgeben wollte, konnte dies um so weniger hindern, denn jeder dachte an einer ihm fremden, nur zugetheilten Sache zu steigern, dessen ist der Priestergrad, sofern ich nicht daran irre, der stärkste Beweis, soviel Unkluges und Anstössiges findet sich darin, was Weishaupt nie gethan haben würde, wenn dieser sein Werk allein, und nicht viel mehr das Werk des Verfassers von dem Roman meines Lebens wäre — Knigge. Ich äusserte ihm auch meine vollste Unzufriedenheit darüber.
Soviel ich mich erinnere ist eben dieser Priestergrad noch überdies der lezte, den die bayrischen Illuminaten besizen. Hierin bleibt Weishaupt immer zu tadeln, er der selbst das ungereimte erkannt; allein seiner Meinung nach sollten ihn nur wenige wissen und vor des blinden Zutrauens auf die Klugheit seiner Anhänger glaubte er dadurch nichts zu wagen; wie viel er aber wagte, zeigt nun die Folge.
Eine seiner Hauptabsichten bey Errichtung seines Systemes [201] war, was man bey jenen der Jesuiten als mangelhaft schalt, zu vermeiden (diess) denn soferne es gegründet, dass sich deren Entzweck ertheilt, alle Aufklärung zu hindern, so schloss es so zum voraus den Keim der Verwesung in sich, weil die Natur, die nur zum Bessersein arbeitet, keinen Zwang verträgt, folglich muss es endlich erliegen. Kam Weishaupt diesem Mangel zuvor, so hatte sein System einen anderen, nicht weniger schädlichen Mangel, nemlich es fehlte gehörige Ordnung und Zucht, oder soferne diese enthalten darin, die Ausübung aber zu schwer war, so mangelte es wiederum an der vorsichtigsten und klügsten Auswahl der Glieder. Ordnung und Zucht waren bey den Jesuiten vortrefflich, so wirkts bis auf ihre Schulen hinab, und fanden sich daher unter ihnen wirklich einige der Glieder, die unnüz und unbrauchbar waren, so schadete das nichts, denn Ordnung und Zucht ersetzte gleich alles.
Von diesem Mangel allein kömmt alle Verwirrung, alles Unheil seines Systems. Jemehr er auf den Grundsatz gebaut hat, dass man nur Gutes zu wecken bey der Jugend anfangen müsste, indem sich die Alten zu schwer von Vorurtheil heilen, desto mehr hätte er auf Ordnung und Zucht dringen sollen, desto klüger und überdachter hätte er zu Werke gehen sollen in Auswahl der vordersten Glieder. Talent alleine reicht nicht hin, es muss unterstüzt sein von Sitte und Klugheit. Für Jugend gehört vortreffliches Beispiel, nicht bloss in Dingen die nach Aufklärung in Wissenschaft zielen, sondern hauptsächlich darin, was Feinheit des Denkens, des Ausdrucks, des Umgangs, kurz was Sitte anbelangt.
Entfernt sei all Unbehutsames gerade von Religion und von Staat, und spricht man davon, so werde mit äusserstem Anstande davon gesprochen. Auch in der Auswahl der Jugend hätte nicht minder Klugheit zum Grunde liegen sollen, allein wie konnte dass, nach der Unklugheit von Allen? Nicht minder ist es Verderbniss der Jugend, wenn sie zu früh in solche Verbindung gerät, worauf sie ihr Aufkommen stüzet. Sie wird übermütig und stolz, ausschweifend und träg, denn sie verlässt sich darauf, die Gesellschaft besorge alles für sie, beschüze und unterrichte in allem.
Dies zu vermeiden, hätte die Jugend und der grösste Theil von den Gliedern nichts mehr wissen sollen: als es fände sich eine Versammlung der aufgeklärtesten, sittlichsten Männer in der Absicht Gutes zu wirken, durch thätigen Beitrag sowohl [202] jeder nach seinem Vermögen, als durch Auszeichnung des sittlichen Lebens. Ferne sey es als wollt ich behaupten dadurch nur könne so eine Gesellschaft bestehen; vielmehr bin ich der Meinung, dass jede geheime Verbindung, ihre Anlage sey immer vortrefflich, zuletzt doch ausarten werde; daher ist wohl keine zu dulden. Und dann hätt auch noch hierin alle Vorsicht in der Auswahl vorangehen sollen, denn nicht auf die Menge sondern auf die Güte kam es an.
Es hätte sich deshalb die Gesellschaft nicht zur Proselitenmacherei herabwürdigen sollen, man hätte sie selbst suchen sollen. Allein dies Alles setzt Zucht und Ordnung voraus und die klügste Auswahl der vordersten Glieder.
Freilich enthält dies alles das System ganz vortrefflich; nach der Anlage aber erzielt sich nichts, denn jeder that nach seinem Belieben, jeder warb, jeder fand in seinem Zögling den besten, es wurden Grade auf Grade gegeben, und da, wie ein jeder einsehen konnte, es gäbe der Grade noch mehr, so war jeder an seinem Grade gesättigt und verlangte höher und höher, ja es ging so weit, dass jeder dem anderen ohne Erlaubniss und Macht, selbst Grade ertheilte, oder doch einsehen liess, oder nach selbst eigener Willkür und Einsicht erklärte. Der Unbesonnene theilte Unbesonnenen mit, und hieraus entdeckt sich der Wirrwar, das Widersprechende in Allem, der Unsinn des Ganzen, die Anschuldigungen von Irreligion, von Umsturz des Staats, von Verrätherey, von Verdrehung des Rechtes und der Tugend.
Das System enthält davon nichts, alle Nachforschung hierüber ist eitel, in der Unbesonnenheit liegt es, mit der sich so manche Glieder betrugen, in dem Unverstand derselben, in der Absicht sich höher zu schwingen, dadurch in der Einbildung sich durch gewagte Grundsätze in die Klasse höherer Geister zu setzen, sich Ansehen zu geben, Partheien zu bilden, um Leute von ihrer Verbindung zu erheben, sie mochten nun Inländer oder Ausländer sein. Hierin liegt es, denn, läg es in dem System, so müsste sich dieses vorzüglich aus dem letzten Grade erweisen, die den Illuminaten in München noch unbekannt sind.
Mein innigster Wunsch wäre, davon Besitzer zu seyn, und ich könnte sie dem Fürsten erteilen, erstaunen würde er sich über die Neuheit der Ideen, die noch niemand gedacht, noch niemand gesagt hat, ohne das geringste was anstösst, zu finden.
Unbesonnenheit also, mit Stolz und Übermut verbunden, [203] ist der Illuminaten wahres Verbrechen. Sie gaben sich dem Argwohn preis, erschufen sich Feinde dadurch — deren schonten sie nicht und dünkten sich stark genug sie zu erdrücken. Ihre Feinde erkannten ihre Schwäche, entdeckten ihre Unbesonnenheiten als begangene Laster, sezten vielleicht nach Gutbefinden dazu, um sich an ihre Stelle zu schwingen, und daraus entstand zuerst das Verbot, und weil sie sich diesem nicht pflichtmässig fügten, bekamen ihe Feinde neuen Stoff gegen sie, und nun folgte Strafe und Verweisung.
Hier haben Euer S. den wahrsten Grund von der Sache, von allem Partheigeist entfernt. Worum ich Sie bitte, ist dies, zu besorgen, dass nichts davon ins Publikum komme. Es ist ein Gesetz von mir, mich mit keinem Journal zu bewegen, denn Lüge und Wahrheit gilt ihnen gleich, sofern nur etwas zu schreiben, wenigstens was unseren Staat betrifft, von dem ihnen alles Schmähliche willkommen; denn ausserdem wäre es nicht möglich, dass ihnen das elende, partheiische meist nur Bubengeschmier nicht auffallen sollte.
Nur noch ein einziges Mal hat sich in der Verfolgungszeit des Ordens die österreichische Regierung mit diesem befasst. Der österr. Direktorial-Gesandte Freiherr von Borié in Regensburg meldete am 21 May 1785 nach Wien, dass Weishaupt sich in Regensburg aufhalte und dass die grosse Loge des Ordens daselbst errichtet werden solle. Archiv und Cassa sei unterwegs. Der Kurfürst habe auf Erlangung beider Preise gesetzt und deswegen habe er dem Gesandten v. Lehrbach nach München wie folgt Nachricht gegeben:
„Der von Ihro Kurfürstl. Drchlcht. aus dero Bayrischen Landen ausgetretene Weishaupt ist dahier, er hat den Titul eines Hofrathes zu Gotha und damit den Schutz von dieses Hofes dahiesieger Gesandschaft erlangt. Sein absehen geht dahin, um die Loge der Illuminaten dahier zu entrichten und damit Ihro Kurfürstl. Durchl. den Hohn zusprechen. Die Cassa und das sogenannte Archiv dieser Gesellschaft solle in den Salzburgischen Landen dermalen seyn und aus solcher anhero in diese Stadt in wenigen Tagen gebracht werden.
Wann der Kurpfälz. Hof die Cassa und das Archiv zu Handen nehmen will, so ist dieses möglich, weil solche nicht [204] kann anhero gebracht werden, ohne die Bayr. Lande zu passieren und mit diesen die dasige Stadt ganz umgeben ist.
Wenn auch dieser Hof der Person des Weishaupt sich versichern will, so steht es in dessen Willen, nachdem derselbe öfters ausser dem Burgfrieden dieser Stadt sich begiebt.
Mich bedünkt weiter, dass der Herr Herzog von Gotha ihm den Schutz anwiederum entziehen werde, wann höchstderselbe belanget werden sollte.
Zu Euer Excell etwa Dienstwissenschaft melde all dieses gehorsamst und beharre — —“
Lehrbach berichtete am 29. Mai 1785 nach Wien, dass er den Kurfürsten über die Absicht, Kasse und Archiv nach Regensburg zu versetzen, unterrichten und im nächsten Monat mitteilen werde.[2]
Anstalt aber eine Ermunterung hierfür aus Wien zu erhalten, erhielt er die kurze Antwort:
Der Kayser ist nicht gewohnt sich mit solchen Possen aufzuhalten.
Borrié muss sich also auch damit nicht begeben.
Wahrscheinlich ist diese Abweisung von Kaunitz im Auftrage ausgefertigt. Geschrieben ist sie auf kleinem Oktavzettel und dem Gesandtschaftsbericht beigelegt.
Die Wirkung dieses Nasenstübers spiegelt sich in einem Briefe Lehrbachs an Kaunitz vom 15. Juni 1785 wider, den Sebastian Brunner in »Der Humor in der Diplomatie und Regierungskunde des 18. Jahrhunderts« im I. Band Seite 281 veröffentlicht hat.
Es heisst dort:
»Mit ehrfurchtsvollster Danknehmigkeit verehre ich die huldreiche Belehrung, welche Euer fürstl. Gnaden mir unter 1. dieses wegen der in den hiesigen Landen seit einiger Zeit eingeführten sogenannten Illuminatengesellschaft zu ertheilen beliebt haben.[3]
[205] Der Erzherzogl. Oesterreichische Herr Directorialgesandter Freiherr v. Borrié hat mir zwar hierüber unter 19. Mai einige nähere Aufklärung ertheilt, da es mir aber in Gewissheit hochdero verehrlichen vorherigen Anweisungen ein unverbrüchliches
Gesetz ist, in keiner Angelegenheit, welche weder mittelbar noch unmittelbar unsern allerhöchsten Hof betrifft, einigen Antheil zu nehmen, so habe ich in dieser Sache bisher noch keinen Schritt gemacht, und ich werde mich auch in der Folge umsoweniger [206] in dieselbe einmischen, als Hochdero gnädige Anweisung mich hierüber von den allerhöchsten Gesinnungen unseres allerhöchsten Hofes unterrichtet.« —
Seit dieser Zeit findet sich auch trotz eifrigen Suchens keine Andeutung mehr in den Gesandtschaftsberichten über Verfolgung oder Treiben der Illuminaten.
Wem es daher in Anbetracht dieser historischen Tatsachen noch zu behaupten möglich ist, der Illuminatenorden habe intime politische Beziehungen zum Wiener Hofe gehabt, — der kann nur verleumden, aber solche Unwahrheiten nicht beweisen.
Auch der Umstand, dass Graf Riedesel unter dem Namen Ptolomäus, trotz seiner Eigenschaft als preussischer Gesandter in Wien, dem Orden angehörte, giebt keinerlei Anhaltspunkte für eine berechtigte Annahme, dass der Orden seine Mitglieder für politische Zwecke ausnutzte. Die Zugehörigkeit zu einer verdächtigten Gesellschaft ist noch lange kein Beweis dafür, dass das hochstehende Mitglied nun sofort alle seine Beziehungen gehorsamst der Gesellschaft zur Verfügung stellte. Diese Annahme wird aber von Feinden als conditio sine qua non gerne dahingestellt, trotz der handgreiflichen Lächerlichkeit derselben. Der Graf hat dem Orden keine nachweisbaren Dienste geleistet, hätte sie auch gar nicht leisten können, da die Absichten des Königs Friedrich, bezüglich des Ländertausches, denen, die dem Orden nachgesagt werden, schroff entgegengesetzt waren. Seine Ordenszugehörigkeit kann geradezu als ein Beleg angesehen werden, wie harmlos die Ordenstendenz in politischer Beziehung war.
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