Geschichte des Illuminaten-Ordens/Die Ausbreitung des Ordens

Die Ordenskasse. Geistliche als Illuminaten. Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Die Ausbreitung des Ordens
Illuminatismus und Freimaurerei


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Die Ausbreitung des Ordens.

Die Frage: Wie weit hat sich der Orden zur Zeit seiner höchsten Blüte, also bis kurz vor der bayrischen Verfolgungszeit erstreckt? ist heute nicht leicht zu beantworten. Tatsache ist, dass in ganz Deutschland Verbindungen angeknüpft worden waren, auf Grund der freimaurerischen Beziehungen, ob jedoch diese zu einer grösseren Tätigkeit sich aufwarfen, ist sehr schwer zu bestimmen. Nur wenige Dokumente existieren als Nachweis, denn es ist natürlich, dass solche in der Verfolgungszeit in Bayern vernichtet wurden, um nicht verdächtigt zu werden und [350] äussere Verbindungen ziemlich schroff abgebrochen wurden,[1] als sich die Skandalsucht erhob und dem Orden und deren Leiter alle erdenklichen Schlechtigkeiten andichtete. Im Laufe der Zeit sind dann die betreffenden Schriften von den Logen als minderwertig missachtet und beseitigt worden, so dass eine Aufklärung heute ungemein erschwert ist

Den besten Anhalt gibt immer noch die von Knigge ausgearbeitete National-Direktions-Tabelle von Deutschland, doch ist dabei zu bedenken, dass die in dieser Tabelle angegebenen Landstriche nicht alle von Illuminaten bevölkert waren, sondern dass man hoffte, durch die schon vorhandenen Beziehungen in diesen werbend mit Erfolg vorgehen zu können. Knigge war jedoch zu praktisch, um aussichtslos Einteilungen zu schaffen, es kann daher immer angenommen werden, dass in den genannten Städten aussichtsvolle Beziehungen vorhanden waren.

Das Oberhaupt des Ordens war der Geheime Areopag mit dem Ordensgeneral Weishaupt an der Spitze. Diese ernannten den National-Oberen, zu dem in letzter Zeit Graf Stollberg zu Neuwied ausersehen war. Dieser National-Direktion unterstanden nun laut Tabelle 3 Inspektionen, die sich wieder in Provinzial-Direktionen oder Präfekturen teilten. Zur ersten Inspektion gehörte Bayern, Schwaben, Franken; zur zweiten: die Kurrheinischen Kreise, die Oberrheinischen und Westfälischen; zur dritten Inspektion gehörte Ober- und Niedersachsen.

Die Provinzial-Direktionen erhielten nun wieder Schottische Direktorien, denen die Städte dieser Bezirke unterstanden. Diese Städte alle anzuführen, ist zwecklos, da sicher nicht überall Illuminaten lebten, sondern diese Städte der Zukunftsarbeit wegen genannt sind, die schottischen Direktorien dürfen jedoch wohl meistens als Bestand habend anzusehen sein. Die Tabelle gibt folgende an:

In

Bayern: München, Salzburg, Regensburg, Freysingen.
Schwaben: Augsburg, Stuttgart, Oettingen, Karlsruhe.
Franken: Eichstädt, Würzburg, Bayreuth, Meinungen.
Kurrheinischer Kreis: Mannheim oder Heidelberg, Mainz, Coblenz oder Trier, Bonn oder Cöln.
Oberrheinischer Kreis: Kassel, Wetzlar, Frankfurt, Darmstadt, Speyer.

[351]

Westfälischer Kreis: Neuwied, Münster, Paderborn, Oldenburg.
Obersachsen: Dresden oder Leipzig, Berlin, Weimar oder Gotha, Dessau.
Niedersachsen: Hannover, Braunschweig, Bremen, Strelitz.

Zieht man von diesen Schottischen Direktorien selbst die Städte, die miteinander durch »oder« verbunden sind, als zweifelhafte ab, weil aus diesem »oder« hervorgeht, dass zur Entstehung der Tabelle noch keine Klarheit herrschte, wohin das Direktorium zu verlegen sei, so bleibt dennoch ein ganz bedeutender Wirkungskreis übrig, in dem nach dem Illluminatensystem des Schottenritus gearbeitet wurde. Da jedoch unter den Andreasrittern, dem Illuminatus major, die kleineren Illuminaten und Minervale standen, aus denen letzteren Minervalkirchen (so hiessen deren Versammlungen) gebildet wurden, so ergibt sich, dass die Organisation sehr weit sich ausbreiten konnte und jedenfalls auch ausgebreitet hatte.

Der Ankläger Staack, dessen Ausführungen, wie wir später sehen werden, zwar keineswegs immer zutreffende sind, gibt im Jahre 1803 über die Ausbreitung des Ordens beachtenswerte Daten an, also zu einer Zeit, in der die Richtigkeit derselben noch nachzuprüfen möglich war, denen jedoch meines Wissens nicht widersprochen wurde. Diese Daten mögen darum hier einen Platz finden.

Er sagt Seite 316. Der Triumph der Philosophie.


»Man kann sich von der weiten Ausbreitung einen Begriff machen, wenn man aus der Ordensgeographie nur die einzige inspection Dacien aushebt, welche in vier sogenannte Präfecturen abgetheilet war. Von diesen enthielt die erste (Lydien), welche Hessenkassel, Hersfeld, Waldeck und einen Theil der Wetterau begriff, ausser Kassel (Gordium) Marburg (Lucejum), Friedberg (Myracium) und Wetzlar (Sebaste), noch 16 nicht unbeträchtliche Oerter, worin Illuminaten sich befanden, die zweyte Präfektur (Epirus), welche Frankfurt, das Fuldaische, das Hanauische, Solmsische und Ysenburgsche begriff, enthielt ausser Frankfurt, Fulda, Hanau und Offenbach noch 8 Oerter. Die dritte (Peloponnesus) die das Darmstädtsche, Homburgsche, Weilburgsche, Usingische und Saarbrücksche begriff, zählte ausser Darmstadt (Lystra), Giessen (Eudoxias), Homburg (Antium), [352] Weilburg (Bersabe) und Wiesbaden (Leucopolis) auch noch 8 Oerter. Die vierte (Apulien) begriff das Herzogthum Zweybrücken, die Bisthümer Speier und Worms, das Salmische und Leiningische, und enthielt ausser Zweybrücken (Sodom) Speier (Issus), Worms (Elis) noch 9 Städte.

Um die Zeit, als diese geographische Eintheilung gemacht wurde, befanden sich in Wetzlar allein 26 Illuminaten, zu Cassel sieben, zu Marburg sechs zu Speier neune, zu Frankfurt 22 u. s. w. und so war es verhältnismässig an andern Orten. — — —


Nach dem Auslande hat sich ausser nach Österreich der Orden kaum bedeutend ausgedehnt. Alle Andeutungen hierüber, die aus den Briefen der Originalschriften, sowie des Nachtrags hierzu hervorgehen, sind nur fromme Wünsche. Weishaupt selbst war stets der Meinung, dass der Orden erst im Inlande erstarken müsse, und stellte sich darum solchen Absichten entgegen. Auch Knigge schreibt z. B. über Frankreich in einem Bericht vom Juli 1782: »Hier rathe ich noch vorerst nichts zu unternehmen. Ehe ich nicht die Geschäfte vom Halse habe, lasse ich sogar alle Vorschläge in Elsass und Lothringen liegen.« —

Wenn auch einige Ausländer dem Orden angehörten, ob nun als Maurer oder Illuminaten, so kann daraus noch lange nicht auf eine regelrechte Ordens-Organisation im Auslande geschlossen werden, die unter dem Szepter des Spartacus stand. Knigge wäre der Mann gewesen, solche Ausbreitung zu inszenieren, die jedoch durch seinen Austritt und die bald darauf ausbrechende starke Ordensverfolgung völlig in die Brüche ging. —

Fragt man, wer gehörte alles dem Orden seiner Zeit an, so kann man mit Fug und Recht sagen, der grösste Teil der damals bekannt gewordenen, nach Aufklärung strebenden Geister. Viele fühlten sich zwar nicht befriedigt und verloren das Interesse bald, weil die Schulmanier der Ordensführung ihnen nicht behagte, andere wieder wurden durch die Angriffe abgeschreckt, ein bedeutender Teil empfing jedoch wertvolle Anregungen für die weitere Lebenslaufbahn und fand Gelegenheit, sie in den umwälzenden Ereignissen späterer Jahre zu verwerten.

Es heisst, der Orden sei von vielen Fürsten beschützt worden, die Mitglieder desselben waren. So sehr gross war die Anzahl fürstlicher Personen nicht, sie besteht aus folgenden:

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1. Herzog Ferdinand von Braunschweig, den wir noch genauer kennen lernen werden. Sein Ordensname war Aaron.
2. Herzog Ernst von Gotha (Thimeleon), der Beschützer Weishaupts.
Carl August v. Sachsen-Weimar.
(Ordensname: Aeschylus.)
3. Karl August, damals Herzog zu Sachsen-Weimar, der Freund Goethes. Ordensname Aeschylus. Das Ordensarchiv enthält zwei Bilder von ihm, in älteren Lebensjahren als Grossherzog. Da namentlich das eine, in Steindruck, selten und originell ist, ist es unsern Bildern beigefügt.

[354]

4. Prinz August zu Sachsen-Gotha (Walter).
5. Prinz Carl v. Hessen.
6. Diesen könnte allenfalls, aber nicht als erblicher Fürst, Freiherr v. Dalberg, der letzte Kurfürst von Mainz und später zur Zeit Napoleons I. Grossherzog von Frankfurt, hinzugefügt werden, damit ist die Reihe beendet.
Carl August v. Sachsen-Weimar.

Eine grosse Anzahl von Angehörigen des Adels zählte jedoch zu den Ordensmitgliedern, diese alle nach den noch vorhandenen, wenn auch nicht erschöpfenden Listen aufzuzählen, würde den Umfang dieses Werkes, ohne wesentlichen Vorteil für den Leser, bedeutend vergrössern, es kann daher davon Abstand genommen werden.

[355] Die vielumstrittene Frage, ob Goethe Mitglied des Ordens gewesen ist, kann jetzt mit Bestimmtheit bejaht werden. Dokumentarische Nachweise darüber, dass, wie Perthes behauptet, Goethes und Herders Namen auf den Illuminatenlisten standen, waren nicht bekannt. Dennoch war stets der Schluss

Freiherr v. Dalberg. (Crescenz.)

gerechtfertigt, dass bei der engen Freundschaft zwischen Goethe und Karl August und bei der bekannten Tatsache, dass letzterer Illuminat und Maurer und Goethe Freimaurer war, wohl beide dem Orden angehört haben mögen. Beweise hierfür waren jedoch nicht bekannt, trotzdem dieselben im Logenarchiv zu Gotha ruhten. Genannte Loge bewahrt in ihrem Archiv den Revers des Ordens mit Goethes Unterschrift und Siegel. Das Dokument [356] zeigt das Datum Weimar, den 11. Februar 1783 und ist dem schon mehrfach erwähnten Br. Bode ausgestellt und behändigt worden, auf dessen Veranlassung auch der Herzog von Gotha und der Prinz August von Sachsen, Goethe, sowie Herder fast zur gleichen Zeit eintraten. Dass Goethe einen lebhaften Anteil an dem Orden genommen hätte, ist nicht erwiesen und infolge der bald eintretenden Verbote auch nicht anzunehmen. Sein Interesse dürfte bald erlahmt sein und die Illuminaten-Zugehörigkeit schlief dann ein, während die der Freimaurerei bestehen blieb. Wohl aber dürfte anzunehmen sein, dass Weishaupt, als er in Gotha lebte, zumal er mit dem Weimarer Hof Beziehungen unterhielt, Goethe persönlich nicht fremd geblieben ist. Hierfür sind Beweise jedoch nicht vorhanden.

Gehörte Goethe dem Orden unter dem Namen Abaris an, so ist die Frage naheliegend, ob Schiller nicht ebenfalls Illuminat war. Es ist das nicht anzunehmen, obschon er mit Illuminaten eng befreundet war, unter anderen auch mit Bode. Schiller schreibt an Körner aus Weimar am 10. Sept. 1787, im Anschluss an das Seite 227 bereits wiedergegebene Urteil über Weishaupt: »Bode hat mich sondirt, ob ich nicht Maurer werden wollte. Hier hält man ihn für einen der wichtigsten Menschen im ganzen Orden. Was weisst du von ihm?« —

In Schillers Briefen finden sich jedoch weitere Andeutungen nicht, folglich scheinen die Bemühungen Bodes vergebliche geblieben zu sein. Die Frage, ob Schiller Illuminat war, ist daher zu verneinen, trotz der in jener Zeit manchmal auftauchenden gegenteiligen Behauptung.

Ausserhalb des Adels gehörten dem Orden viele Gelehrte und Schriftsteller, sodann Künstler und Theologen an. Aus Handwerkerkreisen finden sich gar keine Namen verzeichnet. Dieser Umstand kann auch dadurch zu erklären sein, dass die Vertreter des Handwerks damals als mindergefährliche Menschen angesehen wurden, die in Listen anzuführen von der Regierung als unnötig erachtet wurde, wenigstens finden sich in den amtlichen Listen deren Namen nicht. Ordenslisten aus jener Zeit, ausser den bei dem erschlagenen Lanz gefundenen, existieren nicht mehr.


  1. Die ersten Minerval-Grade befinden sich z. B. noch in der Freimaurer-Loge zu Emden im Originalmanuskript.


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