Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Ignaz Wrobel
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Titel: Fußball mit Menschenköpfen
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 22, Nummer 35, Seite 335–336
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 31. August 1926
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Fußball mit Menschenköpfen von Ignaz Wrobel

Um nur ein Beispiel zu nennen:

Das Infanterie-Regiment Nummer 7 der Reichswehr, das in Schweidnitz liegt, gibt „Sportnachrichten“ heraus. Wie sieht so etwas aus –?

Außer gleichgültigen und schlecht geschriebenen Aufsätzen, neben denen, in zwei Nummern, einer über ‚Langlauftraining des Skiläufers‘ anständig und sachlich gehalten ist, ein paar verzeichnete Akte, Vereinsknatsch und ein dummer Zukunftsroman, wo Deutschland die Führung in Europa hat, weil Frankreich und England sich inzwischen zerfleischt haben – aus Deutschlands Reihen wird das Oberhaupt der Vereinigten Staaten Europas gestellt … neben diesem Hintertreppengewäsch dieses:

Wir kennen unser festgelegtes Ziel und verfolgen es unbeirrbar: Zusammenfassen aller Volksschichten zu kraftvoller Geschlossenheit auf dem Wege der körperlichen Ertüchtigung, die die geistige Wiedergeburt selbsttätig mit sich bringt. Wir gehen unsre Bahn zweckbewußt im Bestreben, die Zahl der Anhänger ständig zu mehren um der heiligen Sache willen, für die wir eintreten: Deutsche Einheit. Wir verachten die Kleinlichen, Selbstsüchtigen, Nörgler, Besserwisser und Halsstarrigen und bekämpfen um des Leides willen, das sie dem Vaterlande brachten, die Schwärmer von Weltfrieden und Weltverbrüderung.

Abgesehen davon, daß es „gebracht haben“ heißen muß: wir wußten noch gar nicht, daß Hindenburg und Ludendorff Schwärmer von Weltfrieden gewesen sind – wir wußten bisher nur, wer achtundvierzig Stunden Frist für Abschließung eines Waffenstillstands gegeben hat: die Oberste Heeres-Leitung. Aber was wird denn nun hier gespielt –?

Die Angehörigen der Reichswehr sind dafür angestellt und bezahlt, eine Wehr des Reiches zu bilden – weiter nichts. Trotz aller gegenteiligen Betätigung des Herrn Geßler: weiter nichts. Unter gar keinen Umständen hat aber Der, der da „In Gruppen rechts schwenkt – marsch!“ kommandiert, seinen Volksgenossen, und zwar genau der Hälfte, zu erzählen, wie er über Weltverbrüderung, verzeihen Sie das harte Wort: denkt. Wir wünschen nicht, uns von diesen Elementen belehren zu lassen. Dafür sind sie nicht da. Und auch nicht qualifiziert.

Auf diesen Ton einer vaterländischen Instruktionsstunde ist die Publikation gestimmt, die deutlich merken läßt, wie die Offiziere „zum Kerl heruntersteigen“ und eine Kameradschaft betätigen, die einer Mausefalle verdammt ähnlich sieht. Mit [336] welcher falschen Liebe wird da Schach gespielt, Schneesport, Rundfunkbastelei und ähnliche Betätigungen betrieben zum Wiederaufbau des durch Schikanen und Mißhandlungen in die Binsen gegangenen Mannschaftsvertrauens! Ziel der Hefte:

Förderung des Sportgedankens unter dem Gesichtspunkt der allumfassenden völkischen Sportgemeinschaft, die über den kleinlichen Parteihader als machtvolle Kundgebung hinauswächst, und so den Weg zur Einheit des Wollens weist.

Die Wahrheit sieht so aus:

Machen wir uns nichts vor! Der begeisterte Sportsmann hat nicht das Endziel, seinen Körper zu stählen. Sondern diese Stählung ist nur ein Mittel zu seinem einzigen, wahren Ziel, welches heißt: Kampf und Sieg.

Ob Die sich da etwas vormachen, weiß ich nicht. Daß wir uns aber von dieser Reichswehr nichts vormachen lassen, das ist einmal sicher. Die Ideologie, die da den Satz aufstellt: „Kämpfen dürfen ist eine Ehre“ – einen Satz, den man in allen Abdeckereien anschlagen sollte, damit das Schlachtvieh doch wenigstens weiß, woran es ist … diese Ideologie ist verwerflich, nichtsnutzig und hassenswert.

Daß die meisten Reichstagsabgeordneten ihre Pflicht nicht tun und das Parlament zu einer traurigen Bewilligungsmaschine haben herabsinken lassen, kann uns nicht abhalten, ununterbrochen – im In- und Ausland – die Wahrheit über diese Reichswehr nach Kräften zu verbreiten, ohne jede Rücksicht darauf, daß das in geselligen Kasinokreisen als „Hochverrat“ angeprangert wird, ohne Rücksicht darauf, wie verhetzte Corpsstudenten, die einmal im Jahre 1930 den Talar tragen werden, darüber denken. Die Reichswehr ist überflüssig, verdient, abgeschafft zu werden und ist in ihrer heutigen Zusammensetzung gefährlich. Wer das nicht einsieht, mag alle schätzenswerten Eigenschaften eines Vereinsvorstands haben – mit Politik sollte er sich nicht befassen.

Und wenn leider Gottes die meisten Sozialisten und viele von Denen, die sich Pazifisten nennen, Vornehmheit der Gesinnung betätigen, Takt, Taktik, Strategie, Besonnenheit, Alles, Alles – nur kein echt revolutionäres Gefühl, so glaube ich, daß mangelnde Geschichtsbildung und fehlendes Fingerspitzengefühl kein Grund sein sollte, die Bewegung des anständigen Republikanertums in Deutschland durch diese Leisetreter schänden zu lassen. Die eines Tages sehen werden, wohin die geschwellte Männerbrust führt: in die Kalkgrube.

Wir Andern aber betrachten diese Heftchen der völkischen Reichswehr als Das, was sie sind – trotz der Besserwisserei lächerlich blamierter Demokraten, die bisher auch nicht eine richtige Voraussage in der Innenpolitik gemacht haben. Gegen diese Jammerlappen mit der falschen Prätention von vorgestern ist festzustellen: Was ist diese Reichswehr –? Nun spitzt aber der Oberreichsanwalt seine langen Ohren. Laß hängen.

Sie ist die Auflösung der Reihe 7 des Kastenrätsels in einem der Heftchen. „Etwas Einzigdastehendes.“