Friedrich Carl von Savigny. Festgedicht zum hundertjährigen Jubelfest seiner Geburt am 21. Februar 1879

Textdaten
Autor: Karl Esmarch
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Titel: Friedrich Carl von Savigny. Festgedicht zum hundertjährigen Jubelfest seiner Geburt am 21. Februar 1879
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Puttkammer & Mühlbrecht
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FRIEDRICH CARL VON SAVIGNY
FESTGEDICHT
zum
Hundertjährigen Jubelfest seiner Geburt
AM 21. FEBRUAR 1879
von
Karl Esmarch.
Berlin 1879.
PUTTKAMMER & MÜHLBRECHT.
Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft.


Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin N.

Wem gilt das Fest in reichgeschmückten Hallen?
Wem flammt die Glut an Themis’ Hochaltar?
Wess’ ist der Name, dem die Hymnen schallen,
Gejubelt von gedrängter Gäste Schaar?
Gilt’s eines Königes Triumph mit Kränzen
Zu zieren? sieht am fernen Himmelsrand
Ein neues Morgenroth die Hoffnung glänzen?
Stieg mit Verkündigung von neuen Lenzen
Ein Lichtprophet ins Erdenland?

Wohl ist’s ein König, dessen Ruhm zu ehren
Sich diese Jubelschaar emporgerafft —
Ein Kronenträger in des Geistes Sphären,
Und ein Prophet im Reich der Wissenschaft; –
Der als Erobrer kam und als Befreier,
Der von des Rechts erlauchtem Götterbild
Mit kühner Rechte riss des Wahnes Schleier –
Der Heros ist es, dem die hohe Feier In dieses Tempels Hallen gilt.

Denn ein Jahrhundert heute steht vollendet,
Seit nieder sich aus hoher Geister Schaar
Ein Genius, ein strahlender, gewendet —
Ein Lichtverkünder, gross und wunderbar.
Das ist es was die Jubelklänge sagen —
Das braust in der Gesänge Melodie:
Seit hundertmal der Sonne goldner Wagen
Zu unserm Sterne diesen Tag getragen
Erschien auf Erden Savigny[1].

Der Name wie ein Glockenläuten kündet
Ein Leben voller Herrlichkeit und Macht;
An dieses Namens Flammenzug entzündet
Die Glut sich neu, die Er zuerst entfacht;
Wie ein Triumphlied brausen diese Töne
Im Reich des Rechts, wie in der Sagen Land
Der Ruhm des Mächtigsten der Nordlandssöhne,
Der aus des Zauberschlummers Bann die Schöne
In seinen Heldenarmen wand.

Denn jenes einst so blühende Gehege,
In goldner Zeit von hoher Meister Hand
Dem Priesterthum des Rechts geweiht zur Pflege,
Zur öden starren Wildniss war’s gebannt.
Statt jener Lorbeern, Myrten und Platanen,
Durchflammt von glühender Granaten Reih’n,
In deren Schatten einst die grossen Ahnen
Gewandelt waren ew’gen Ruhmes Bahnen — —
Gestrüppbewachs’ne Wüstenei’n[2].

Lebt nicht ein Held, der das Geschlecht der Drachen,
Das sich auf dieses Edens Trümmern bläht,
Verfolgt bis in die Tiefen seiner Lachen,
Und mit gewalt’ gem Schwerte niedermäht?
Er lebt, er lebt! er stürmt heran, umschlungen
Noch von der Jugend morgenrother Pracht —
Er fand den Gräuel, hat das Schwert geschwungen —
Und eh’ die Welt dem Staunen sich entrungen
War die Befreiungsthat vollbracht.

Der Lindwurm, der das Land verwüstend, hauste
War das Gespenst erlogner Wissenschaft —
Das Heldenschwert, das ihn zerschmetternd sauste,
War ein Gedankenwerk voll Geist und Kraft[3].
Auf tiefsten Wissens Quadern stand’s gegründet,
Zum Himmel ragend diamantenklar,
Die Formen marmorfest, doch weich geründet –
So hat’s der Welt den neuen Stern verkündet,
Der glorreich aufgegangen war.

Dem Jüngling huldigten als ihrem Meister
Sie, die das Volk als seine Meister pries –
Und in die Bahnen trieb der Fürst der Geister
Die Wissenschaft, die seine That ihr wies.
Da kehrten unter des Befreiers Fahne,
Die sich mit Widerwillen abgewandt
Von des Geschlechts gedankenlosem Wahne,
Die Labeone, die Papiniane
Zurück in das verjüngte Land.

Und nun begann ein frisches freudig Ringen:
Von auserwählten Geistern eine Schaar
Erhob die Flügel, sich dahinzuschwingen,
Wohin der Aar vorausgeflogen war.
In alle Welt ward sie hinausgetragen
Die Botschaft, bis von Berg und Thal sie klang;
Und wo die klassischen Ruinen ragen,
Ward glaubensvoll an jeden Fels geschlagen,
Bis der ersehnte Quell entsprang.

Da wurden Wüsten, wurden dürre Haiden
Zu grünem Wald, zu üpp’gem Wiesenland –
Da durften halberstorbne Zweige kleiden
Sich in des Lenzes rosiges Gewand;
Und unermüdlich ward geforscht, gewaltet
In kräftig vollem Ineinanderklang,
Dass kundbar werde, wie er sich gestaltet,
Im Wesen ewig — in der Zeit entfaltet, —
Des Rechts erhabner Werdegang:

„Nicht des Verstandes grübelndes Erwägen,
Nicht kluges Wählen schafft des Rechtes Grund —
Es regt sich mit des Volkes Herzensschlägen —
In kaum bewufstem Handeln thut sich’s kund.
Gleich Sprache, Sitte, Glauben ist’s gegeben
Der Nation mit ihrem ersten Seyn —
Wie sich zum Lieht empor die Triebe heben
Der Pflanze, wächst das Recht zu höher’m Leben
In der Gesittung Sonnenschein.“

„Weh’ dem, der eingreift mit entweihten Händen
In dieses Werdens stillbewegten Traum!
Doch Heil dem heat, das frei den Gang vollenden
Vom zarten Keime mag zum mächt’gen Baum!
Heil! wenn die volkbeherrschenden Gewalten
Ihr grosses Amt im rechten Sinn verstehn;
Des Rechtes Bahnen frei von Hemmnifs halten —
Nachhelfend, pflegend, fördernd, klärend schalten —
Wie’s einst im ew’gen Rom geschehn.“

„Der Ceder gleich, die sich bis an die Wolke
Erhebt auf Libanon’s geweihten Höh’n,
So wuchs das Recht empor bei’m grossen Volke
Des Capitol’s, gewaltig, hoch und schön.
Die Wurzel in die wunderbaren Tiefen
Gesenkt, wo noch in heil’ger Lenze Zeit
Die weltbesiegenden Gedanken schliefen,
Bis die Geschicke sie in’s Leben riefen
Zu nie geahnter Herrlichkeit.“

„Von Rom’s geweihten Sehern gilt’s zu lernen,
Wie man des Rechtes Marmortempel baut
Zu dieser einzigen Geschichte Fernen
Sei wie zu einem Stern des Heils geschaut!
Dort oder nirgends winkt uns das Verständniss
Der eisernen Gesetze, deren Macht
Im Rechte waltet — stumpfen Irrwahn’s Blendniss,
Sie weicht allein der leuchtenden Erkenntniss
Der tausendjähr’gen Geisterschlacht.“

Das war der Sinn der neuerstandenen Lehre:
Des Römerrechtes Weltgang zu versteh’n –
Dem lichten Sonnenkern der grossen Sphäre
Durch Finsterniss und Nebel nachzuspäh’n.
Die Eine grosse Losung hört man schallen,
Wohin es flog, des Meisters zündend Wort; —
Von Land zu Land Ein freudig Wiederhallen —
Ein dichtgedrängtes Zu den Fahnen-Wallen
Von West und Ost und Süd und Nord!

Die Jugend kam von fernen Nationen
Zu lauschen an des grossen Lehrers Fuss —
Sein Wort erklang, als spräch’ aus höhern Zonen
Herab des Rechts, der Rede Genius.
Das waren Worte, die das Herz erregten,
Gleich Harmonie’n aus rein melod’schem Mund –
Dass athmend vor den Blicken sich bewegten
Des Rechts Gestalten, und untilgbar prägten
Sich in des Geistes tiefsten Grund.

Wie hätten sie gefehlt, die Widerstreiter?
Was wär’ die Wahrheit, nicht im Kampf erprobt?
Der Fehderuf erscholl — und ruhig heiter
Zog in den Streit der Feldherr hochgelobt.
Da ward gefochten sonder Hass und Grollen[4].
Zwar mischten in der reinen Waffen Glanz
Auch Buben ihre Pfeile, giftdurchquollen —
Die Namen sind versunken und verschollen[5]
Doch ewig grünt des Siegers Kranz.

Und Eintracht herrscht und Frieden und Versöhnung
Fortan im Reich der hehren Wissenschaft –;
Die Meister zu des hohen Tempels Krönung
Sie wirkten, schafften in vereinter Kraft.
Da ward geprüft, gemessen und gewogen,
Gefügt mit kund’gen Händen Stein an Stein,
Und Säul’ an Säul’ und Bogen über Bogen —
Bis hoch im Aether, wo die Adler flogen,
Die Kuppel strahlt im Sonnenschein.

Der Heros aber stand, als wär’ er nimmer
Des Werkes Schöpfer, das die Welt entzückt.
Er stand in lichter Silberlocken Schimmer,
Dem Lärmen tobender Partei’n entrückt.
Und gab es Neider — ihr Gekrächze wagte
An des Erhabnen edles Haupt sich nicht.
Er stand so hoch, wie einst der Pharos ragte,
Von dessen Strahlenscheitel rettend tagte
Weit in die Nacht das ew’ge Licht.

Und als er heimging[6], war’s als wär’ ein Schleier
Gezogen um der Mittagssonne Pracht.
Der Tag, den Er nicht schaute, der Befreier,
Schien auch den Schauenden verhüllt in Nacht.
Der Tempel klagt’ in schwarzen Trauerflören —
Verwaist des Hohepriesters Sessel stand —
„Nie seines Gleichen wird der Welt gehören!“
So scholl’s in trauernder Verlassenen Chören
Von Volk zu Volk — von Land zu Land.

Die Flöre sind vom Tempel heut gezogen —
Wir seh’n Ihn steh’n verklärt in Seiner Welt —
Von des vollendeten Jahrhunderts Wogen
Emporgetragen bis zum Sternenzelt.
Vereint zur grossen Feier sind sie Alle,
Für die Er heimgebracht das gold’ne Vliess
Um in des Jubels, bei der Hymnen Schalle
Zu schmücken ihres Ruhmestempels Halle
Zur ew’gen Ehre Savigny’s.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Geb. zu Frankfurt a. M. 21. Febr. 1779 aus alt-lothringischem Geschlechte.
  2. Ueber die Verkommenheit der deutschen Rechtswissenschaft vor Savigny’s Auftreten. Vgl. u. A. Dr. R. Stintzing: Friedr. Karl v. Savigny — ein Beitrag zu seiner Würdigung. Berlin. G. Reimer 1862. S. 4 ff.
  3. „Das Recht des Besitzes, eine civilistische Abhandlung von Dr. Friedrich Carl von Savigny.“ Erste Auflage 1803 — bisher letzte 1864.
  4. Der Streit zwischen Savigny und Thibaut, der die berühmte Schrift des Ersteren: „Vom Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ (1814) veranlasste, ist nicht bloss in der juristischen, sondern in der ganzen gebildeten Welt zur Genüge bekannt.
  5. Ein Landshuter Professor berüchtigten Andenkens suchte Savigny und die in seinem Geiste wirkenden Rechtslehrer (die s. g. historische Schule) bei den Regierungen als staatsgefährliche Neuerer zu verdächtigen, indem er die Lehre von, der Entwicklung des Rechts aus dem Volksgeiste als einen Versuch darstellte, dem Staate das Recht der Gesetzgebung zu entwinden. Vgl. Stintzing a. a. O. p. 41 ff.
  6. Am 25. Oktober 1861.