Frauengeheimbünde bei den Naturvölkern
[107] Frauengeheimbünde bei den Naturvölkern.
Die Geheimbünde der Frauen bei den Naturvölkern bilden den Vereinigungen der Männer gegenüber ein soziales Gegengewicht, sollen aber gleichzeitig den Mitgliedern des Frauenbundes [108] eine bevorrechtete Stellung den anderen Frauen des Stammes gegenüber sichern. Diese Frauenbünde ähneln in ihrem Aufbau ganz den Geheimbünden der Männer. Ihre Ziele suchen sie auf die verschiedenartigste Weise zu erreichen. Auf den Banksinseln in Melanesien entspricht dem Suqe genannten Klub der Männer ein ebensolcher Suqe der Frauen, der wie jener in Grade geteilt ist und dessen Aufnahmezeremonien noch strenger als bei dem Männersuqe sind. Die zur Aufnahme gemeldeten Kandidatinnen müssen zunächst eine Mutprobe ablegen, die zumeist in dem Töten eines gefährlichen Reptils besteht. Sodann haben sie an den Geheimbund ein Eintrittsgeld zu zahlen, welches je nach der Wohlhabenheit angesetzt wird. Als Zahlmittel gelten bunte Stoffe, Perlenschmuck und seltene Muscheln. Das Aufrücken in einen höheren Grad ist im Gegensatz zu dem Suqe der Männer, wo dies von der Zahlung einer bestimmten Summe abhängig gemacht wird, nur durch besondere Tüchtigkeit zu erlangen. In den Versammlungen, die an versteckten Orten abgehalten werden, gibt regelmäßig der höchste Grad, der nur aus wenigen Frauen besteht, sozusagen das Programm für die nächste Zeit heraus. Sind die Frauen mit dem Verhalten ihrer Männer unzufrieden oder wünschen sie sonst irgendwelche Zugeständnisse von ihnen zu erreichen, so wird stets gemeinsam vorgegangen. Häufig kommt es vor, daß Männer, die ihre Weiber mißhandelt haben, nachts von besonders dazu ausersehenen maskierten Mitgliedern des Frauensuqe überfallen, geknebelt und windelweich geprügelt werden. Sollen dagegen sämtliche Männer eines Dorfes gestraft werden, so verläßt der ganze Frauenbund einmütig für längere Zeit die Hütten und siedelt sich irgendwo in der Nähe an. Und erst nach langen Unterhandlungen pflegen die Weiber zurückzukehren, wobei sie stets ihre Absichten durchsetzen.
Ähnlich sind alle Frauenbünde bei den Naturvölkern organisiert, besonders bei den Igerroten auf den Philippinen, den Nagas in Nordbirma, bei den Bewohnern fast sämtlicher Inselgruppen der heißen Zone und den Kwatiutl im Nordwesten [109] Nordamerikas. Besondere Bedeutung haben die Geheimbünde der Frauen jedoch in Afrika erlangt. Auch hier ist ihr Hauptzweck die Eindämmung der Übermacht der Männer. Die meisten afrikanischen Frauenbünde besitzen eine Geheimsprache und sind straff organisiert. Einfluß auf die Männer des Stammes gewinnen sie hauptsächlich durch eine geschickte Ausnutzung des Aberglaubens, für den der männliche Neger weit empfänglicher ist. So gibt es im Gebiete des Ogoweflusses den Bund der Njembe, dessen Mitglieder im Rufe gefährlicher Zauberinnen stehen. Angeblich können sie Diebe entdecken, Geheimnisse enthüllen und durch „Besprechen“ Krankheiten, ja selbst den Tod hervorrufen. Besonders der Glaube an die Fähigkeit, mißliebige Männer in kurzer Zeit hinsterben zu lassen, sichert dem Njembebund eine große Macht. Afrikaforscher haben festgestellt, daß dieser Geheimbund sich nicht scheut, von Zeit zu Zeit heimlich einen Mann zu vergiften, um die übrigen Männer zu schrecken. Sicherlich ist dies bei dem Dschengubund im nördlichen Kamerun der Fall. Diese Vereinigung umfaßt nur verheiratete Frauen, während der oben erwähnte Njembe auch Mädchen im Alter von zehn Jahren aufnimmt. Bei vielen Frauenbünden Afrikas finden wir ebenfalls religiöse Zwecke neben dem Hauptzweck der Männerbeeinflussung. So widmet sich der Dschengubund dem Kultus einer Wassernixe, die als höchstes Wesen verehrt wird. Für den Forscher ist es fast unmöglich, tiefer in die Geheimnisse dieser Frauenvereinigungen einzudringen, da die Mitglieder sich durch keinerlei Mittel zum Ausplaudern der Sitten und Gebräuche des Bundes bewegen lassen. Verräterinnen werden nämlich unbarmherzig mit dem Tode bestraft, indem sie in der Versammlung ein schnell wirkendes Pflanzengift trinken müssen.