Fortsetzung der Merckwürdigen Nachricht aus Ost-Indien/Der Neunte Brieff
← Der achte Brieff | Fortsetzung der Merckwürdigen Nachricht aus Ost-Indien (1708) von Bartholomäus Ziegenbalg und Heinrich Plütscho |
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AUs einliegenden Brieffen wird er nebst den andern lieben Freunden daselbsten eine kürtzliche Nachricht ersehen können, wie es mit uns allhier unter den Heyden stehet, und was für Seegen GOtt zu unserm Amte gegeben hat. In währender Zeit, als ich selbigen geschrieben habe, sind noch einige andere zu unser Gemeine getreten, also daß sie nunmehro in 40. Persohnen bestehet, und wir hoffen, daß sie sich noch immer nach und nach vermehren werde. Ich überschicke demselben hiemit die Evangelia ins Malabarische übersetzet, welche ich wohl durchgegangen und richtig befunden habe. Dem Herrn N. überschicke ich einen Malabarischen Catechismum, so ich selbst translatiret habe. Herrn N. sende ich 2. Malabarische Predigten, die ich allhier gehalten. Denen Herrn Professoribus in Halle bitte ich die mitfolgenden 8. Predigten in Malabarischer Sprache zu überschicken, so alle alhier in unser neu gebauten Kirche sind gehalten worden. Die andern habe ich wegen Kürtze der Zeit nicht können abschreiben lassen. Hiebey kömt auch ein kleines mit Fleiß und deutlichen Buchstaben geschriebenes Malabarisches Buch, worinnen die Evangelia von Papisten übersetzet enthalten sind, und der Naturalien-Cammer des Hällischen Wäysen-Hauses gesand wird. Mein lieber Collega hat die Grund-Legung der Theologie des Herrn Freylinghausens nebst den darinnen enthaltenen Sprüchen zu übersetzen angefangen. Diese schwere Sprache wird mir, wegen der täglichen Ubung, fast eben so geläufftig werden, als meine Mutter-Sprache, darinnen ich anitzo weit weniger zu reden habe. Wenn ich ein wenig ins Land gehe, so habe ich stets viel 100. Malabaren umb mich, denen ich predigen kan. Sie lieben mich ihrer Sprache wegen sehr, und mögen gar gerne mit mir disputiren. Es wurde uns ohnlängst von den zu Christo sich bekehrten Heyden ein güldenes Götzen-Bild, welches sie vordem in ihrer Pagode oder Götzen-Tempel angebetet, verehret, so wir mit an Sr. Königl. Maj. in Dennemarck gesand haben. Es ist alhier mitten in der Stadt ein überaus grossen Hauß, darinnen ein Malabarischer [11] Fürst seine Residence gehabt; solte uns selbiges zur Wohnung übergeben werden, so könnte immer nach und nach zu einer algemeinen Schule Anstalt gemacht werden. Jedoch sind wir anitzo von allen Mitteln dermassen entblösset, daß wir mit grossen Verlangen auff die Ankunfft der andern Europæischen Schiffe warten. Ich bitte, man wolle uns von dannen die besten Autores von allen Philosophischen Disciplinen übersenden, sonderlich was die Mathesin anlanget, darinnen diese Heyden, wie wir nach und nach anmercken, zum theil wohl geübet sind. Man wird zwar solchen Leuten nicht eben die unnützen Grillen der gemeinen Philosophie suchen bekand zu machen, sondern selbige Disciplinen nur uns eine Gelegenheit seyn lassen, daß wir etwann nachmahls auff eine erbauliche weise dasjenige, was da einigen Nutzen hat, ihnen beybringen könnten, umb zu versuchen, ob nicht solcher gestalt denen neugierigen Heyden zugleich die Principia Religionis Christianæ könnten beygebracht werden: Wie denn die Theologie bey solchen Anstalten unsere meiste Handlung seyn würde. Gewiß solte man es so weit bringen, so würde es in der gantzen Malabarischen Heydenschafft alhier eine Regung machen, wie denn dergleichen anitzo schon beginnet anzufangen. Ich bitte, daß man uns auch gute Bücher von der Kirchen-Historie, von aller Welt Religionen, sonderlich von Mahometanern, mit welchen wir viel zu thun haben, desgleichen auch von dem Leben der Wiedergebohrnen, und andere vom Wahren-Christenthum handlende Bücher überschicken wolle. Da sich denn schon einige Gottliebende Freunde finden werden, die etwas dazu contribuiren. Die Erndte alhier ist groß, aber der treuen Arbeiter wenig: dahero bitten wir alle gläubige Kinder GOttes ihres Orts, daß sie uns mit bitten und flehen täglich helffen möchten arbeiten. An Ihro Königl. Majestät zu Dennemarck habe ich ein Buch geschicket und dediciret, darinnen die Erlernung der Malabarischen Sprache Grammatice gantz deutlich gezeiget worden. Könnte dieses in Copenhagen abgeschrieben und vermittelst des Herren D. Lütckens den lieben Freunden zugeschicket werden, so würde es mir sehr lieb seyn, sintemahl es von mir nicht geschehen können; Wie ich denn nicht einmahl ein Exemplar davon behalten habe, sondern bey Ermangelung der Zeit zum Abschreiben, so wie es geschrieben, überschicken müssen. Es findet sich dabey auch ein Vocabularium [12] von den nöthigsten Malabarischen Wörtern; Also daß der Grund der Sprachen daraus leicht zu fassen ist. Alles, was an uns von dannen möchte geschicket und geschrieben werden, das bitte im September- oder October-Monath nach Copenhagen zu übersenden. Seine Frau Liebste und lieben Kinder werden von mir und meinen lieben Mitt-Bruder in dem HErren sehr vielfältig gegrüsset. Wir wünschen offt, daß sie uns durch ein Perspectiv unter den Heyden in unser Kirche predigen sehen möchten. An den Herren B. von C. und an den Herrn D. N. gedachte ich zu schreiben, aber die Zeit ist mir zu kurtz geworden. Indessen werden sie von mir dienstlich gegrüsset, nebst allen andern lieben Gönnern und Freunden daselbst. Mein lieber Collega grüsset hertzlich. Das Band der Brüderlichen Liebe, womit uns GOtt verknüpffet hat, ist sehr groß, und hat nicht ein geringes zur gesegneten Beforderung unsers Amts geholffen. Ein mehrers zu schreiben, lassen meine Amts-Geschäffte nicht zu. GOTT wolle sich in diesen letzten Zeiten der gantzen Welt erbarmen, und allenthalben treue Arbeiter in dieselbe aus senden, die da vor ihrem Untergange das Evangelium, nach Christi Verheissung, in der gantzen Welt predigen möchten zu einem Zeugniß über alle Völcker! Solches geschehe Amen! Ich verbleibe
Meines in dem HErrn sehr Werthgeschätzten Freundes
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Zu Gebeth und Liebe Verbundener |
Bartholomæus Ziegenbalg,
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Geschrieben in Ost-Indien auff der Küste Coromandel, zu Tranquebar den 7. October Anno 1707. |