Ferenand getrü un Ferenand ungetrü (1815)

Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Ferenand getrü un Ferenand ungetrü
Untertitel:
aus: Kinder- und Haus-Märchen Band 2, Große Ausgabe.
S. 204-211
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1815
Verlag: Realschulbuchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: old.grimms.de = Commons
Kurzbeschreibung:
seit 1815: KHM 126
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Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Ferenand getrü und Ferenand ungetrü.


[204]
40.
Ferenand getrü un Ferenand ungetrü.

Et was mal en Mann un ’ne Fru west, de hadden so lange se rick wören kene Kinner, as se awerst arm woren, da kregen se en kleinen Jungen. Se kunnen awerst kenen Paen dato kregen, da segde de Mann, he wulle mal na den annern Ohre (Orte) gahn un tosehn, ob he da enen krege. Wie he so gink, begegnete ünn en armen Mann, de frog en, wo he hünne wulle? he segde, he wulle hünn un tosehn, dat he ’n Paen kriegte, he sie arm un da wulle ünn ken Minske to Gevaher stahn. „O, segde de arme Mann, gi sied arm un ik sie arm, ik will guhe (euer) Gevaher weren; ik sie awerst so arm, ik kann dem Kinne nix giwen, gahet hen und segget de Bähmoer (Wehmutter), se sulle man mit den Kinne na der Kerken kummen.“ Ase se nu tohaupe na der Kerken kummet, da is de Bettler schaun darinne, de givt dem Kinne den Namen: Ferenand getrü.

Wie he ut der Kerken gahet, da segd de Bettler: „nu gahet man na Hus, ik kann guh [205] (euch) nix giwen, un gi süllt mie ok nix giwen.“ De Bähmoer awerst gav he ’n Schlüttel un segd er, se mögt en, wenn se na Hus käme, dem Vaer giwen, de sull’n verwahren, bis dat Kind vertein Johr old wöre, dann sull et up de Heide gahn, da wöre ’n Schlott, dato paßte de Schlüttel, wat darin wöre, dat sulle em hören. Wie dat Kind nu sewen Johr alt woren un düet (tüchtig) wassen wor, gink et mal spilen mit annern Jungens, da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt, ase de annere, he awerst kunne nix seggen, und da grinde he un gink na Hus un segde tom Vaer: „hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt?“ – „O ja, segde de Vaer, du hest en Schlüttel kriegt, wenn up de Heide ’n Schlott steit, so gah man hen und schlut et up.“ Da gink he hen, awerst et was kein Schlott to hören un to sehen. Wier na sewen Jahren, ase he vertein Jahr old ist, geit he nochmals hen, da steit en Schlott darup. Wie he et upschloten het, da is der nix enne, ase’n Perd, ’n Schümmel. Da werd de Junge so vuller Früden, dat he dat Perd hadde, dat he sik darup sett un to sinen Vaer jegd (jagt). „Nu hew ik auck ’n Schümmel, nu will ik auck reisen,“ segd he.

Da treckt he weg un wie he unnerweges is, ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge, he will se eist (erst) upnümmen, da denkt he awerst wier bie sich: „o du süst se auck liggen laten, du finndst ja [206] wul, wo du hen kümmst ’ne Schriffedder, wenn du eine bruckest.“ Wie he so weggeit, da roppt et hinner üm: „Ferenand getrü, nimm se mit!“ He süt sik ümme, süt awerst keinen, da geit he wier torugge un nümmt se up. Wie he wier ’ne Wile rien (geritten) is, kümmt he bie’n Water vorbie, so ligd da en Fisk am Oewer (Ufer) un snappet un happet na Luft, so segd he: „töv, min lewe Fisk, ik will die helpen, dat du in’t Water kümmst,“ un gript’n bie’n Schwans un werpt ’n in’t Water. Da steckt de Fisk den Kopp ut den Water un segd: „nu du mie ut den Koth holpen hest, will ik die ’ne Flötepiepen giwen, wenn du in de Naud bist, so flöte derup, dann will ik die helpen; wenn du mal wat in’t Water hast fallen laten, so flöte man, so will ik et die herut reicken.“ Nu ritt he weg, da kümmt so’n Minsk to üm, de frägt ’n, wo he hen wull. „O na den neggsten Ohre[1].“ – „Wu he dann heite?“ – „Ferenand getrü.“ – „Sü, da hewe wie ja fast den sülwigen Namen, ik heite Ferenand ungetrü.“ Da trecket se beide na den neggsten Ohre[2] in dat Wertshus.

Nu was et schlimm, dat de Ferenand ungetrü allet wuste, wat ’n annerer dacht hadde un doen wulle; dat wust he döre so allerhand slimme Kunste. Et was awerst im Wertshuse so’n wacker Mäken, dat hadde ’n schier (klares) Angesicht un drog sik so hübsch; dat verleiv sik in den Ferenand [207] getrü, denn et was ’n hübschen Minschen west un frog’n, wo he hen to wulle? „O, he wulle so herümmer reisen.“ Da segd se, so sull he doch nur da bliewen, et wöre hier to Lanne ’n Künig, de neime wul geren ’n Bedeenten oder ’n Vorrüter; dabie sulle he in Diensten gahn. He antworde, he künne nig gud so to einen hingahen un been sik an. Da segde det Mäken: „o dat will ik dann schun dauen.“ Un so gink se auck stracks hen, na den Künig, un sehde ünn, se wüste ünn ’n hübschen Bedeenten. Dat was de wol tofreen un leit ’n to sik kummen un wull’n to’m Bedeenten macken. He wull awerst leewer Vorrüter sin, denn wo sin Perd wäre, da möst he auck sin: da mackt ’n de Künig to’m Vorrüter. Wie düt de Ferenand ungetrü gewahr wore, da segd he to den Mäken: „töv! helpest du den an, un mie nig?“ „O, segd dat Mäken, ik will’n auck anhelpen.“ Se dachte: „den most du die to’m Frünne wahren, denn he is nig to truen.“ Se geit alse vor’m Künig stahn un beed ’n als Bedeinten an; dat is de Künig tofreen.

Wenn he nu also det Morgens den Heren antrock, da jammerte de jümmer: „o wenn ik doch eist mine Leiweste bie mie hädde.“ De Ferenand ungetrü war awerst dem Ferenand getrü jümmer upsettsig, wie asso de Künig mal wier so jammerte, da segd he: „Sie haben ja den Vorreiter, den schicken Sie hin, der muß sie herbeischaffen [208] und wenn er es nicht thut, soll ihm der Kopf vor die Füße gelegt werden.“ Do leit de Künig den Ferenand getrü to sik kummen und sehde üm, he hädde da un da ’ne Leiweste, de sull he ünn herschappen, wenn he dat nig deie, sull he sterwen.

De Ferenand getrü gink im Stall to sinen Schümmel un grinde un jammerde. „O wat sin ik ’n unglücksch Minschenkind.“ Do röppet jeimes hinner üm: „Ferenand getreu, was weinst du?“ He süt sik um, süt awerst neimes un jammerd jümmer fort: „o min lewe Schümmelken, nu mot ik die verlaten, nu mot ik sterwen.“ Da merkt he eist, dat dat sin Schümmelken deit dat Fragen. „Döst du dat, min Schümmelken, kast du küren[3] (reden)?“ un segd wier: „ik sull da un da hen un sall de Brut halen, west du nig, wie ik dat wol anfange?“ Da antwoerd dat Schümmelken: „gah du na den Künig un segg, wenn he die giwen wulle, wat du hewen möstest, so wullest du se ünn schappen: wenn he die ’n Schipp vull Fleisk un ’n Schipp vull Brod giwen wulle, so sull et gelingen; da wören de grauten Riesen up den Water, wenn du denen ken Fleisk midde brächtest, so terreitn se die; un da wören de grauten Vüggel, de pickeden die de Ogen ut den Koppe, wenn du ken Brod vor se häddest.“ Da kett de Künig alle Slächter im Lanne slachten un alle Becker backen, dat de Schippe vull werdt. [209] Wie se vull sied, segd dat Schümmelken to’m Ferenand getrü: „nu gah man up mie sitten un treck mit mie in’t Schipp, wenn dann de Riesen kümmet, so segg:

„still, still, meine lieben Riesechen,
ich hab’ euch wohl bedacht,
ich hab’ euch was mitgebracht!“

Un wenn de Vüggel kümmet, so seggst du wier:

„still, still, meine lieben Vögelchen,
ich hab’ euch wohl bedacht,
ich hab’ euch was mitgebracht!“

dann doet sie die nix, un wenn du dann bie dat Schlott kümmst, dann helpet die de Riesen, dann gah up dat Schlott un nümm ’n Paar Riesen mit, da ligd de Prinzessin un schlöppet; du darfst se awerst nig upwecken, sonnern de Riesen mött se mit den Bedde upnümmen un in dat Schipp dregen.“ (Und da geschah nun alles, wie das Schimmelchen gesagt hatte, und die Riesen trugen die Prinzessin zum König.) Un ase se to’m Künig kümmet, segd se, se künne nig liwen, se möste ere Schrifften hewen, de wören up eren Schlotte liggen bliwen. Da werd de Ferenand getrü up Anstifften det Ferenand ungetrü roopen, un de Künig bedütt ünn, he sulle de Schrifften von den Schlotte halen, süst sull he sterwen. Da geit he wier in Stall un grind un segd: „o min lewe Schümmelken, un sull ik noch ’n mal weg, wie süll wie dat macken.“ Da segd de Schümmel, [210] se sullen dat Schipp man wier vull laen (laden). (Da geht es wieder wie das Vorigemal, und die Riesen und Vögel werden von dem Fleisch gesättigt und besänftigt.) Ase se bie dat Schlott kümmet, segd de Schümmel to ünn, he sulle man herin gahn, in den Schlapzimmer der Prinzessin, up den Diske, da lägen de Schrifften. Da geit Ferenand getrü hün un langet se. Ase se up’n Water sind, da let he sine Schriffedder in’t Water fallen, da segd de Schümmel: „nu kann ik die awerst nig helpen.“ Da fällt ’n dat bie mit de Flötepipen, he fänkt an to flöten, da kümmt de Fisk un het de Fedder im Mule un langet se ’m hen. Nu bringet he de Schrifften na den Schlotte, wo de Hochtid hallen werd.

De Künigin mogte awerst den Künig nig lien, weil he keine Nese hadde, sonnern se mogte den Ferenand getrü geren lien. Wie nu mal alle Herens vom Hove tosammen sied, da segd de Künigin, se künne auck Kunstücke macken, se künne einen den Kopp afhoggen un wier upsetten, et sull nur mant einer versöcken. Da wull awerst kener de eiste sien, da mott Ferenand getrü daran, wier up Anstifften von Ferenand ungetrü, den hogger se den Kopp af un sett’n ünn auck wier up, et is auck glick wier tan heilt, dat et ut sach ase hädde he’n roen Faen (Faden) üm’n Hals. Da segd de Künig to ehr: „mein Kind, wo hast du denn das gelernt?“ – „Ja, segd se, soll ich es an dir [211] auch einmal versuchen?“ – „O ja,“ segd he. Da hogget se an awerst den Kopp af un sett’n en nig wier upp, se doet as ob se’n nig darup kriegen künne un as ob he nig fest sitten wulle. Da ward de Künig begrawen, se awerst frigget den Ferenand getrü.

He ridde awerst jümmer sinen Schümmel un ase he mal darup sat, da segd de to em, he sulle mal up ’ne annere Heide, de he em wist, trecken, un da 3 mal mit em herummerjagen. Wie he dat dahen hadde, da geit de Schümmel up de Hinnerbeine stahn un verwannelt sik in ’n Künigssuhn.

Anhang

[XXXIV]
40.
Ferenand getrü un Ferenand ungetrü.

(Aus dem Paderbörn.) Das schöne Märchen scheint nicht vollständig, es müßte im Zusammenhang stehen, wenn der Schimmel zuletzt ein Königssohn wird. Der rothe Faden am Hals des wieder lebendig gemachten ist sagenmäßig. Ueber das Gevatterbitten vgl. den Gevatter Tod I. 44. Die Flöte, die rettet, gleicht Arions Laute, das getreue Pferd dem Bayard, Falada, dem Schemik (altdeutsch: Schimmel, Schimming, isl. Skemmingur) der böhmischen Sage und Grani der nordischen. Zu merken sind die Schriften der Königin, entweder gestickte Kleider, wie das isländ. skript und bökur (Bücher, Zeichnungen, Stickereien) oder Runenstäbe; wenigstens ist die gefundene Schreibfeder gewiß ein solcher. – Die Verse, wie gewöhnlich die Reden der Vornehmen, sind hochdeutsch, das pflegen die Erzähler fast immer so zu halten, wo sie beide Sprachen verstehen, wie dies im Paderbörn. häufig ist, und die höhere Mundart bezeichnet dann die Sprache der Vornehmen und der Poesie.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ort (Druckfehler. Siehe S. 350)
  2. Vorlage: Ort
  3. Vorlage: kuren (Druckfehler. Siehe S. 350)