Fehler, die nicht vorkommen sollten

Textdaten
Autor: Walther Kabel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Fehler, die nicht vorkommen sollten
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 238–240
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[238] Fehler, die nicht vorkommen sollten. – Kolumbus betrat bekanntlich den Boden der Neuen Welt am Morgen des 12. X. 1492. Als nun in Mexiko das berühmte Kolumbusdenkmal von Cordier enthüllt werden sollte, bemerkte man erst im letzten Augenblick, daß durch irgend ein Versehen auf dem Denkmalssockel das Datum 10. XII. 1924 eingemeißelt worden war. Da die mit der Enthüllung verbundenen Festlichkeiten nicht mehr abgesagt werden konnten, blieb die falsche Zahl fast zwei Wochen lang stehen, ohne daß jemand den Unsinn entdeckte, ein Beweis dafür, wie flüchtig die große Masse des Publikums über derartige Daten hinwegliest. Dann erst wurden die verstellten Zahlen in aller Stille geändert.

Als Napoleon III. Kaiser der Franzosen geworden war, [239] ließ er sehr bald neue Banknoten für größere Beträge drucken, die sein Bild in vollem Schmucke der kaiserlichen Insignien zeigten. Diese Banknoten sollten auch eine Strafandrohung gegen die Fälscher enthalten. Der Kupferstecher, der die Platte für die Hundertfrankenbanknoten herstellen sollte, schmuggelte nun in den Hermelinbesatz des Kaisermantels ganz unauffällig die Worte ein: „L’empereur est mort, vive la république! – Der Kaiser ist tot, es lebe die Republik!“ Diese Worte waren so geschickt zwischen Strichen und Pünktchen der Zeichnung verborgen, daß die Prüfungskommission sie übersah, ebenso wie das „non!“, das der Kupferstecher der Strafandrohung hinzugefügt hatte, wodurch der Sinn der Sätze in das gerade Gegenteil verwandelt wurde.

Nachdem die erste Serie dieser Scheine längst ausgegeben worden war, entdeckte ein Beamter der Bank de Lyon in Paris zuerst diese Verhunzungen, als er mit einer Lupe die Banknote aus Fachinteresse genau besichtigte. Sofort begann eine heimliche Jagd nach den Scheinen, deren Aufdruck so staatsgefährliche Zusätze enthielt. Die ganze Polizei wurde aufgeboten, um die einzelnen Stücke wieder in Besitz der französischen Staatsdruckerei zu bringen. Napoleon selbst, dem man von dem frechen Streich des Kupferstechers Nachricht gegeben hatte, soll außer sich gewesen sein.

Die sofort eingeleitete Untersuchung ergab, daß der betreffende Kupferstecher ein begeisterter Republikaner war und auf diese Weise das Kaisertum zu verhöhnen versucht hatte. Doch der Schuldige konnte nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, da er längst nach England geflüchtet war.

Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, sämtliche Banknoten jener Serie zurückzuerhalten. Zweiunddreißig Exemplare blieben verschwunden. Sie befinden sich heute im Besitze von Sammlern, und ihr Idealwert ist durch ihre Seltenheit fast unschätzbar.

Die fortan unter Napoleons III. Regierung ausgegebenen Scheine zeigten natürlich einen völlig anderen Entwurf als die in Sammlerkreisen mit „Non-Scheinen“ bezeichneten.

[240] Auch den Engländern ist jüngst ein Versehen passiert, das ebenfalls nicht hätte vorkommen dürfen. Die Inschrift auf dem Prunksarge König Eduards VII. besagt nämlich, daß der König im neunten Jahre seiner Regierung gestorben ist. Dies ist falsch. Eduard VII. kam am 22. Januar 1901 auf den Thron, so daß er am Tage seines Ablebens bereits im zehnten Regierungsjahre stand.

W. K.