Fastnacht (Die Gartenlaube 1894)

Textdaten
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Titel: Fastnacht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 83,84
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[73]

Nach der Redoute.
Nach einer Originalzeichnung von M. Ebersberger.

[83] Fastnacht. (Zu unserer Kunstbeilage und dem Bilde S. 73.) Die Schellenkappe aufs Haupt und die Maske vors Gesicht, damit man die Lichtungen und die grauen Fäden in deinem Haare nicht sieht und nicht merkt, wie ernst du bist, Welt! Nur einmal weg mit dem ewigen Rechnen und Sorgen und Streben und Grübeln, einmal im Jahr magst du dir’s gönnen, so recht von Herzen leichten Sinnes zu sein und dich im Strudel tollen Humors gesund und frisch zu baden! Karneval, lustiger Eintagsprinz, [84] schüttle dein Scepter, laß die Glöckchen erklingen. daß die Völker verzaubert dir folgen wie die Kinder von Hameln dem pfeifenden Rattenfänger! Bald ist Mitternacht da – und deine nächtliche Sonne neigt zum Untergange. Mit der Losung: „Demaskiert!“ klopft der nahende Aschermittwoch ans Thor, darum nütze die Stunde!

„Demaskiert!“ Erschöpft von so viel Lustigkeit und doch noch erwärmt von dem Feuer unverwüstlicher Heiterkeit. hat die anmutige Pierette, die unsere Kunstbeilage darstellt, in einer stilleren Ecke des Ballsaals auf ein Stühlchen sich niedergelassen und die Halbmaske vom Gesicht genommen Vergnügt schaut sie uns aus dunklen Schelmenaugen an, als wollte sie fragen: „Bin ich nicht hübsch so?“

Aber noch ist der Strudel des Festes nicht ganz zu Ende. Wem’s im Ballsaal zu heiß ward, der sucht sich in irgend einem Café Erholung und – Fortsetzung des karnevalistischen Ulks. Max Ebersberger führt uns mit seinem Bilde „Nach der Redoute“ in die weiten glänzenden Räume des Café Wittelsbach zu München. Dort wie in den andern großen Cafés der Isarstadt ist bis in den Morgen hinein zahlreiches Maskenvolk versammelt, um sich an einem Täßchen Kaffee oder einem stärkeren Getränke zu erlaben. Nur einzelne Herren tragen den steifen ceremoniellen schwarzen Frack, einer von ihnen, dem es passiert ist, daß er nach des Tages Last und Hitze auf seinem Stuhle in sanften Schlummer versank, muß es sich dafür auch gefallen lassen, daß sein wohlfrisiertes Haupt von einem übermütigen Harlekin mit der Clownmütze verziert wird, während der Cylinder auf das Haupt des Hanswursts wandert.

Das ist so Karnevalsrecht und Karnevalssitte, deren oberster Grundsatz, also lautet: „Es wird nichts übelgenommen!“

Und die Menschheit führe gar nicht so schlecht dabei, wenn sie von diesem Grundsatz ein bißchen mehr ins graue Leben der Alltäglichkeit hinübernähme.