Textdaten
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Autor: M. P. E.
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Titel: Fang eines Potwals
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 598–600
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Jagd auf einen Pottwal und anschließendes Abflensen
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Fang eines Potwals.
Nach einem amerikanischen Originalbilde.

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Fang eines Potwals.

Aus meinem Tagebuche, von M. E. P.
(Mit Abbildung.)

Vor einigen Wochen hatten wir die Linie passirt und segelten jetzt nach Cap Horn und dem Stillen Ocean; das Wetter war trübe und eine scharfe Südost-Brise trieb die Wellen mit zunehmender Heftigkeit vor sich her. Die Hälfte der Mannschaft, durch unsere Wache vom Dienste abgelöst, verschlief den Nachmittag unter Deck; brummend schlenderte der Capitän umher, bald Segel und Masten mit prüfendem Auge überlaufend, bald dem Mann am Steuer ein grollendes Wort zuwerfend – da plötzlich erschallen von dem Mast herab die wohlbekannten, langgezogenen Töne: „Bläst! Er blä – – st! Bläst!“ Der Capitän springt nach vorn: „Wo hinaus?“ hallt es zum Ausguck hinauf. „Bläst! Bläst!“ antwortet ein jubelnder Chor von Deck aus; „dort sind sie!“ Und so ist es, nicht weit vom Schiff tauchen wohl ein Dutzend dunkle, glänzende Riesenleiber auf.

Ein kurzer Blick genügt dem Capitän. „Ruft alle Mann!“ kommt das Commando klar und ruhig. „Fertig zum Beidrehen!“ Wir springen nach den Brassen; ein gedehntes „Alle Mann auf! Zu den Booten!“ erweckt die Schläfer im Logis. Schon stürzen sie an Deck, Viele nur halb bekleidet nach ihren Plätzen eilend und im tollen Eifer das Nothwendigste in den Händen tragend. Eine scheinbare Verwirrung herrscht überall; die vorderen Segel schwingen zugleich herum und der Wind, sie voll von vorn treffend, bringt das Schiff zum Stillstehen. „Hißt und schwingt die Boote!“ Schon sind sie klar gemacht, kaum wird das Wort gegeben, so verschwinden sie über die Seite; Officier und Harpunier stehen im Stern und Bug derselben, die übrigen vier Mann klettern wie die Katzen an den Schiffswänden hinab und springen und fallen an ihre Plätze in den schaukelnden Fahrzeugen; wer fühlt jetzt wohl Püffe und Stöße! Ein kurzes Klappern von Rudern, ein paar kurze Worte – und im tollsten Wetteifer fliegen die Boote hinaus über die schäumenden Wellen. Während nun die Schiffshüter die Verwirrung an Deck ordnen, steigt der Capitän mit umgeschlungenem Fernrohr zur Mastspitze hinauf. –

Es ist vielleicht dienlich, eine kurze Beschreibung der zur Walfischjagd gebrauchten Boote einzuschalten. Dieselben sind ungefähr dreißig Fuß lang und sechs Fuß breit, an beiden Enden gleich scharf gebaut, vom leichtesten Cedernholz und ohne Kiel, an dessen Stelle ein bewegliches Brett tritt. Sie führen Mast und Segel zum Niederlegen eingerichtet, fünf lange Ruder an den Seiten und ein eben solches am Stern; dieses letztere, gerade nach hinten hinausragend, dient dem Officier während des Kampfes zum schnellen Herumwerfen des Bootes. Die Ausrüstung besteht aus vier bis sechs Harpunen, mehreren dünnen, bis sechs Fuß im Eisen langen Handlanzen mit kleiner blattförmiger Schneide, aus [599] einem kleinen Beil, Speckspaten, Compaß, einem Fäßchen mit Wasser und einem anderen, die Laterne und etwas Schiffsbrod enthaltend; häufig führt man auch jetzt eine sehr schwere, kanonengleiche Büchse mit eisernem Sprenggeschoß geladen.

Die Leine, ungefähr einen Zoll stark und vom besten Manila-Hanf gedreht, durchschnittlich dreihundertfünfzig Faden lang, ist mit der gewissenhaftesten Sorgfalt in zwei flache, zwischen den Ruderbänken befestigte Zuber eingerollt; von diesen aus ist sie nach hinten gelegt, schlingt sich im Stern um einen Kopf von hartem Holz und läuft von dort, zwischen der Bemannung hindurch, über die ganze Länge des Bootes nach vorn und vermittelst einer kleinen führenden Rolle im Bug hinaus in die Tiefe. An diesem Ende der Leine sind nun die beiden Harpunen befestigt, welche ein geübter Harpunier, der Sicherheit wegen, schnell hintereinander dem angegriffenen Thiere „giebt“. In jedem Boot befinden sich ein Steuermann, ein Harpunier und vier Ruderer, erlesene Leute, welche stets ihren bestimmten Platz haben, um ein erfolgreiches Zusammenwirken zu ermöglichen, und welche auf die Leistungen ihres Fahrzeugs äußerst eifersüchtig sind. –

Nun beginnt die wilde Jagd; mit ermunterndem Zuruf feuern wir uns gegenseitig an und die schweren Ruder biegen sich in langem, gleichmäßigem Zuge. Mit weitem Auge überblickt der Officier die unruhige See und mit kräftigem Schwung seines Steuerruders wirft er das Boot schnell in jede günstige Richtung. So nähern wir uns den Walen, die vereinzelt auf und nieder tauchen. Soeben ist einer derselben an die Oberfläche des Wassers gekommen, nicht weit von uns zeigt sich sein „Spant“ (Athemstrahl); wie das Boot fliegt! „Streicht, Jungen! Streicht! Der Officier spricht mehr durch Geberden als durch Worte; geräuschlos zieht der Harpunier sein Ruder ein, sich im Bug aufrichtend, prüft er nochmals vorsichtig die Leinen und, den linken Schenkel fest angestemmt, wiegt er den schweren Schaft der Harpune in den Händen. Pfeilschnell nahen wir der runden, schwarzglänzenden Masse, schon strafft sich der Arm zum tödtlichen Wurf – da versinkt der wachsame Wal und wir schießen im nächsten Augenblick über die leere, strudelnde Stelle.

Die Beute ist entkommen, athemlos und enttäuscht haben wir das Nachsehen. Zum größten Aerger wird unser Boot auch noch zum Schiff zurückgerufen, da wir, bei dem zum Abend heftiger werdenden Wind, helfen sollen, die Segel zu kürzen. Dies gethan, stehen wir verdrießlich an Deck und beobachten mit sehnsüchtigen Blicken die anderen Fahrzeuge.

Die Jagd zieht sich mehr und mehr windwärts; das eine Boot hat es möglich gemacht, den kleinen Mast aufzurichten, jetzt fliegt es unter gerefftem Segel vor dem Winde her, wie ein Raubvogel auf einen träge in den Wellen liegenden Wal zuschießend. Unsere Spannung steigt auf’s Höchste – noch eine Minute – noch eine einzige halbe Minute und sie werden in Wurfweite sein – da! – der Wal hat den nahenden Feind bemerkt, er hebt sich zum Hinabtauchen – zu spät, alter Bursche – heran braust das brave Boot, im Bug steht der Harpunier wie ein Neptun, ausholend mit mächtigem Wurf entsendet er das Eisen und mit wuchtigem Fall begräbt es sich in dem Riesenleibe des verschwindenden Thieres.

Ein Moment peinlicher Ungewißheit – der Wal ist untergetaucht, er hat nur eine Harpune bekommen – das Boot schwankt auf den quirlenden Wassern, sein kleines Segel flattert im Winde – aber jetzt! – dort geht es hin, von einer unsichtbaren Macht fortgerissen über und durch die Wellen. „Fest! fest!“ schreit und jubelt Alles, die wilde Lust kennt keine Grenzen. Die Flagge entfaltet sich an der Gaffel und die wehenden Sterne und Streifen verkünden den anderen Booten das glückliche Ereigniß und sie eilen mit Aufbietung aller Kräfte zu Hülfe. Unterdessen hat sich der harpunirte Wal dem Schiffe genähert, er taucht auf und verschwindet wieder; doch nun eilt auch das festgemachte Boot herbei, jetzt erst den eigentlichen Kampf zu beginnen; aber wo ist die Beute? – da! seht! Im Nu ist die Nußschale emporgehoben und überworfen, der ungeschlachte Kopf des Wals erscheint einen Augenblick über Wasser, und dann senden die gewaltigen Schläge des Schwanzes die Trümmer nach allen Seiten. Wassergarben werden emporgeworfen, Schaum und Gischt bezeichnen die Unglücksstätte, wo sich das bösartige Thier zwischen den Ueberresten umherwälzt, wüthend nach den Stücken beißend.

Der Capitän auf der Mastspitze tobt. „Bringt mir diesen Fisch, Jungen! Bringt mir diesen …“ Mehr hören wir nicht; nach unserm Boote stürzend sind wir schnell hinunter auf das Wasser und legen uns in die Ruder; die Anderen mögen unsere umherschwimmenden Cameraden retten, an uns ist es, sie zu rächen.

Im Fluge nehmen wir die Richtung, in welcher der Wal verschwunden ist; hoch empor heben uns die Wellen, dann wieder sinken wir hinab zwischen flüssige Berge und das Spritzwasser kühlt unsere heißen Stirnen, rastlos arbeiten die Ruder – der Wind braust, es fängt an dunkel zu werden, wir beachten es nicht, wir rudern, eifrig, entschlossen. – Auf dem Rücken einer Woge reitend, sichten wir plötzlich eine unförmliche Masse, rings von einem weißen Kranze brechenden Wassers umgeben. Das ist er, der Unheilstifter! Gemächlich schwimmend steuert er quer über unserm Curs, die lange Leine des zerschlagenen Bootes nach sich ziehend. Jetzt eine letzte Anstrengung! Wir nähern uns pfeilschnell; der Harpunier ist fertig – noch einen Ruderschlag und noch einen – und: „Gieb es ihm!“ preßt der Officier durch die zusammengebissenen Zähne. Mächtig geschwungen saust das Eisen und mit dumpfem „Tschug“ sitzt es fest, fast gleichzeitig läuft das Boot gegen den Wal, im vollen Schuß hinaufgleitend auf den breiten, schlüpfrigen Rücken und mit wüthendem Stoße wird die zweite Harpune „gesetzt“. „Stern! Stern!“ schreit Alles, das Wasser dampft und rauscht, die dünnen Bretter beben und biegen sich zwischen uns und sicherem Tode. „Stern! Um Gotteswillen, Stern!“ In wilder Aufregung schieben und rudern wir rückwärts – umsonst – die Wellen waschen in das Boot, es fängt an sich zu füllen – dem hintersten Mann wird das Ruder in den Händen zerschlagen, der Wal taucht hinab – noch ein heftiger Stoß, Wassermassen überschütten uns – und jetzt endlich sind wir frei; schwerfällig rollt und schwankt unser halbvolles Fahrzeug in der strudelnden Fluth.

„Habt Acht! Die Leine!“ Schon strafft sie sich an, schneller und schneller entrollt sich ihre geschmeidige Länge dem flachen Zuber; das Vordertheil des Fahrzeugs wird tief in das Wasser gedrückt – beinahe dreihundert Faden sind schon hinaus – da stockt die Bewegung und das Boot richtet sich auf.

Endlich Ruhe! Achtzehnhundert Fuß Leine sind beinahe im Nu abgelaufen! Wir sind allein in der Dunkelheit auf weiter See, mit einem gebrechlichen Boote, festgekettet an das Ungeheuer unter uns; tief aufathmend wechseln wir einige Worte, Freude und Muth belebt uns Alle. Das Trinkwasser geht von Hand zu Hand, wir schöpfen unser Fahrzeug aus und zünden die Laterne an, um dem Capitän und unseren Cameraden in den anderen Booten die Orientirung zu ermöglichen – und nun zum Werke, zum letzten Kampfe! Officier und Harpunier vertauschen ihre Plätze; wir prüfen die Leine, sie „steht“, der Wal liegt unter uns wie ein Stein. Die Lanzen werden handrecht gelegt; jetzt vereinen wir alle Kräfte, um die Beute heraufzuholen. „Zieht, Jungen! Zieht! Der alte Bursche kann ja da unten nicht vor Anker liegen!“ Siebenzig Faden heben wir ihn herauf mit „ho!“ und „hub!“ – „Halt! – Achtung, losgelassen!“ – Er geht wieder hinab. Von Neuem versuchen wir, das mühsam Errungene wird uns oft gewaltsam wieder entrissen, der Wal läßt nicht mit sich spielen – wir ziehen – er zieht – so geht es hin und her; einige seemännische Kraftausdrücke werden laut und plötzlich arbeiten wir spielend, Hand über Hand holen wir die Leine ein, der Wal kommt an die Oberfläche.

Blur–r–rff! Huff–f! Hört ihr ihn, seht ihr ihn, dort wo das weiße schäumende Wasser ist? Sein unförmlicher Kopf ragt wie ein Felsen hervor, doppelt groß erscheint er in den phosphorescirenden Wellen. „Leise, leise rudern!“ Jetzt sind wir an ihm, tief unten im Wasser setzt der Officier die Lanze an und kräftig nachschiebend stößt er sie tief in die zitternde Masse. „Stern! Streicht!“ Ein Glück, daß wir dem gefährlichen Schwanze nicht zu nahe sind; dort geht das Thier hin in verzweifelter Flucht, wenig Leine nur geben wir und hinter ihm her fliegt das Boot in wilder Jagd. Windab geht’s in der Richtung des Schiffes – dort sind die Lichter, die Masten – unheimlich schwankt der dunkle Rumpf durch die Nacht – unser jubelndes Hurrah verhallt im Brausen des Windes – vorbei schon – Alles ist verschwunden, um uns wieder weite, wogende See. Jetzt ändert sich der Curs, wir laufen wieder gerade in den Wind. Der Officier hält sich im Bug trotz Sturm und dem gegen ihn prasselnden Wasser, mit eiserner Faust drückt er die Leine auf die Führung nieder, damit erstere nicht bei der heftigen Bewegung herausspringe, über die [600] Seite des Bootes komme und uns dem sichern Verderben überliefere.

Endlich, plötzlich liegen wir still und vor uns rollt der Wal in den brandenden Wellen; jetzt rasch das Boot heran zum letzten Angriff! Wir halten uns dicht am Ungethüm, das ermattend bald auf der Seite, bald auf dem Rücken liegt, und nahe hinter der Finne begräbt der Mann (Moment unserer Abbildung) seine Lanze vier bis fünf Fuß tief, wieder und wieder wird sie hineingesenkt in den bebenden Riesenleib, und jetzt entsteigen dunkle Strahlen dem Blasloche: Blut. Der Wal ist zum Tode getroffen. „Stern Alle! Stern!“ Vorsichtig fliehen wir die gefährliche Nähe.

Welch furchtbare Convulsionen! Welch ungeheure Kraft! Nach und nach tobt sich der Wal aus, eine kurze Ruhe tritt ein; er versucht zu tauchen, erscheint aber gleich darauf wieder an der Oberfläche und eilt nochmals in rasender Flucht gegen Wind und Wellen davon. Vergebens! Wir folgen ihm wie das böse Verhängniß. Noch kurze Zeit und die Kräfte schwinden ihm, die Schnelligkeit läßt mehr und mehr nach; als wir endlich herankommen, rollt er auf die Seite – das Leben ist entflohen, eine tode unbehülfliche Masse liegt das gewaltige Thier in der wogenden See.

Die Aufregung der Jagd ist vorüber und wir haben Zeit uns nach dem Schiffe umzuschaun; die Dunkelheit läßt nichts erkennen. Zerrissene Wolken jagen über uns entlang und lassen einzelne Sterne niederblinken, geisterhaft leuchten die Schaumkronen der See; der Wind trifft uns arme Durchnäßte mit empfindlicher Kälte, das Rauschen der Wogen ist schaurig monoton. Mit seemännischer Leichtigkeit fügen wir uns in das Unvermeidliche, eine solche Nacht, allein und festgeankert am todten Wal, zuzubringen; wie wenig brauchen wir doch, um uns beinahe behaglich zu fühlen; wie, wenn das Boot zertrümmert worden wäre? Nach der Wetterseite zu das kleine Segel über uns ziehend, hocken wir im Stern beisammen; Hunger und Durst werden beschwichtigt, es findet sich auch noch ein wenig trockener Tabak, und nun wandert eine kärgliche Friedenspfeife als willkommenes Labsal von Hand zu Hand, von Mund zu Mund. Die Laterne erleuchtet noch unsre kleine Welt und durch den einsamen Lichtkreis flattern und huschen zahllose Vögel; wie schön, wie natürlich erscheint uns doch jetzt der Glaube, daß sie die Geister sind der Todten im Meere!

Auf und ab, auf und ab schwingt das Boot Stunde für Stunde in den steigenden, fallenden Wogen; stetig ostwärts rollt die Erde und endlich verkündet ein grauer Dämmerschein den kommenden Tag. Wie hoffnungsvoll begrüßen wir den sich immer vergrößernden Halbkreis des wiederkehrenden Lichts! Von dem herrlichen Grün der Wellen heben sich endlich blendende Schaumflocken wie duftiges Gewebe ab, goldiges Licht überfluthet Alles und jetzt trifft uns mit zauberischem Glanz die Sonne. Groß und ruhig steigt sie empor, jeden verirrten Wassertropfen belebend, Freude und Erquickung bringend zu Allem. –

Weit von uns im Lee schwankt das Schiff, Masten und Tauwerk zeichnen sich klar am Horizont ab, ehe es sich aber zu uns heraufarbeiten kann, mögen noch Stunden vergehen; doch sind wir bemerkt und einige Boote kommen zum Beistand herüber.

Mit jauchzendem Zuruf begrüßen uns unsere Cameraden, haben wir doch nun wenigstens einmal Erfolg gehabt; im wirren Durcheinander wird gefragt und erzählt; eine traurige Nachricht trübt unsere Freude: der Tod hat zwei unserer Cameraden ereilt. Der eine wurde vom Schwanz des Wals erschlagen, er liegt, eine Leiche, im Schiffe; der Andere, von den Leinen erfaßt, ist verschwunden auf Nimmerwiedersehen. Die Leute arbeiten nur scheu und schweigend, als endlich das Schiff zur Stelle ist; der Wal, an dasselbe herangezogen, wird um die Schwanzwurzel mit starker Kette und dann am Bug befestigt, so daß der ganze Leib längs der Seite des Fahrzeugs schwimmt, mit dem Kopf nach dem Stern zu liegend. So drehen wir bei, bis eine ruhigere See das Abspecken erlaubt.

Am nächsten Morgen beginnt die fröhliche Arbeit. Ein breiter Rahmen wird an der Seite des Schiffes niedergelassen und schwebt horizontal über dem Riesenleibe; die festen Planken, mit einem leichten Geländer versehen, dienen den Officieren zum Gangweg, von welchem aus sie mit kunstgerechten Stößen der langgestielten scharfen Spaten dem Lostrennen der dicken Speckumhüllung vorarbeiten. Am Hauptmaste sind zwei ungeheure Flaschenzüge befestigt und die dreizölligen, laufenden Taue derselben sind mit den Enden um die Ankerwinde gelegt. Die Hauptluke ist weit geöffnet, zum Aufnehmen der emporgewundenen Speckstreifen. Die den ganzen Leib des Potwals einhüllende Fettlage ist sechs bis zwölf Zoll dick, manchmal auch noch stärker. Einer der Flaschenzüge wird nun an der Finne befestigt und dieselbe so abgetrennt, daß ihr ein vier bis fünf Fuß breiter Streifen „Blubber“ folgt, der Zoll für Zoll zum Mast aufgewunden wird. Das Gewicht des riesigen Körpers und die Gewalt des Zuges zwingen, mit einiger Nachhülfe des Spatens, das zähe Speckband sich vom Fleische abzulösen; der Wal muß sich dabei natürlich um seine Längsachse drehen. Im günstigen Augenblick läßt sich dann ein Mann, durch eine Leine gesichert, auf den Rumpf hinab und trennt die lange schmale Unterkinnlade mittelst einer Axt los; dieselbe wird an Bord genommen, um die großen und schönen Zähne auszubrechen, da sie wie das Elfenbein verarbeitet werden. Dann wird der eigentliche ungeheure Kopf in zwei Stücke zerlegt; das eine derselben besteht aus einem schräg nach vorn zu abgelösten Fettpolster, – dasselbe Polster, welches den Wal befähigt, gleich einem Widderschiff gegen seinen Feind anzurennen, – das andere Stück ist der eigentliche Schädelknochen. Beide werden durch Taue einstweilen im Wasser gesichert.

Das vorher schon theilweise aufgewundene Speckband wird nun bis zum sogenannten Mastkorb aufgezogen, dann wird in gleicher Höhe mit dem Deck der zweite Flaschenzug daran befestigt und über diesem Punkte das Band abgeschnitten. Während nun dieses zweite Stück wieder aufgewunden wird, läßt man das am ersten Flaschenzug hängende durch die Luke in das Zwischendeck hinab, in den sogenannten „Speckraum“, in welchem die Zuschneider es in ungefähr zwei Fuß lange und sechs Zoll breite Kuchen zerlegen. Der ganze Blubber des Wals wird in einem einzigen langen Stück ungefähr so abgewunden, wie man das Deckblatt von einer Cigarre abwickelt. Der Schwanz wird nicht gebraucht, man löst die Kette und der alles Werthvollen beraubte Cadaver treibt langsam vom Schiff hinweg, ein willkommener Schmaus für die vielartigen Reinigungscommissare der See. Nach vier- bis achtstündiger Arbeit, je nachdem das Wetter günstig ist oder nicht, ist alle Arbeit gethan und das Auskochen beginnt. Dicht hinter dem Fockmast ist ein Feuerplatz, der zwei große Kessel enthält, aufgemauert; an den vorderen Ecken desselben stehen noch zwei andere Reservekessel. Auf der einen Seite steht noch ein Kühler von dünnem Kupfer, in welchem der kochende Thran erkalten muß, ehe er in die an Deck befestigten Fässer gefüllt wird; auf der andern Seite befindet sich die Schneidemaschine, durch welche die aus dem Speckraum heraufgereichten Kuchen laufen, mit scharfem Messer eingekerbt werden und dann in die Kessel wandern. Sind sie ausgekocht und schön braun gebraten, „Schraps“, so läßt man sie abtropfen und gebraucht sie sofort als Heizungsmaterial; ein Punkt von größter Wichtigkeit auf hoher See.

Die Zeit des Auskochens, je nach Quantität und Qualität des gewonnenen Speckes zwei bis vier Tage betragend, ist ein großes Fest für die „Speckjäger“, – denn im selben Maße, wie sich die Fässer mit Thran füllen, füllen sich auch bei der Abrechnung im Hafen die Taschen der Leute mit Geld – und da während solch fröhlicher Beschäftigung sich die strenge Disciplin etwas lockert, so überschreitet der Uebermuth des wilden Volkes oft alle Grenzen. Ist der Thran aber einmal unter Deck gebracht, so kommt alles wieder in die frühere Ordnung; das Schiff wird gewaschen und gescheuert, die Leute thun mit sich dasselbe, – alles mit Ausnahme der schwarzgeräucherten Segel erscheint bald wieder ziemlich schmuck und sauber. Jedoch nicht lange, neue erfolgreiche Jagden bringen auch neuen Schmutz, der sich endlich gar nicht mehr wegscheuern läßt; er wird aber gern geduldet, weil die seltsam schmierige und verwetterte Erscheinung eines nach langen Jahren zurückkehrenden Walfischfängers immer eine glückliche Kreuzfahrt verräth. –

Die ungefähren Maße des gefangenen Wals waren: Länge dreiundsechszig Fuß, Schwanzbreite neunzehn Fuß, das abgehauene Stück der unteren Kinnlade, welche allein die großen Zähne enthält, acht Fuß bei einer Breite von dreizehn Zoll; in ihr fanden wir, außer mehreren verkümmerten, fünfundvierzig gute bis sieben Zoll lange Zähne. Es war ein alter magerer Bulle, wir gewannen aus ihm ungefähr zehntausendfünfhundert Quart Thran; Ambra, die bekannte krankhafte, fettwachsartige Absonderung des Potwals, wurde nicht bei ihm gefunden.