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Titel: Fürst Metternich
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843, S. 65–66
Herausgeber: Johann Jacob Weber
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Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
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Fürst Metternich.

Der Mittel und Wege zur Größe sind so verschiedene, als das verschieden ist, was man gemeiniglich unter Größe versteht. Viele müssen das hohe Ziel unter Anstrengungen und Beschwerden erringen, während es Andere leicht und spielend erreichen; die Einen betrachten jedes Mittel als gut, die Andern wählen nur das gute Mittel zum Zwecke. Glück und Verdienst geleiten abwechselnd auf den Gipfel menschlicher Würden und Wirksamkeit, je nachdem es der Strebende versteht, sein Verdienst mit dem Glück, sein Glück durch sein Verdienst auszusöhnen und seiner Größe dadurch die Weihe der allgemeinen Anerkennung zu verschaffen. Das Erbe eines berühmten Namens, mit der Erinnerung an Leben und Thaten ausgezeichneter Vorfahren, treffliche Aeltern, welche durch Lehre und Beispiel von Jugend auf alle Fähigkeiten und Kräfte auf ein glänzendes und erhabenes Ziel richten; sorgfältige Erziehung, das richtige Maß des Unterrichts bei reichen Naturanlagen sind Gaben des Glücks und mächtige Hebel zur Größe. Sie alle, in reichster Fülle, brachte Metternich mit in den Staatsdienst, wo die Weisheit und das Verdienst seines hochgestellten Vaters die künftige Carrière des Sohns umsichtig und sicher angebahnt hatte. Als nun das Vertrauen eines mächtigen Monarchen ihn selbstthätig in die Weltbegebenheiten einer wechsel- und verhängnißvollen Zeit einzugreifen berief, konnte der junge 28jährige Diplomat sogleich fest und imposant auftreten auf einem so gewaltigen Postamente, wie seine Geburtsgaben, seine, bei solchen Geburtsgaben seltene, geistige Errungenschaft, und außerdem die Macht des vollendeten Systems der altgeprüften Habsburgischen Politik es ihm beim Antritt seines schwierigen Amtes unterlegten.

Im Leben hervorragender öffentlicher Charaktere läßt sich häufig eine vorwaltende und leitende Bestimmung, wie eine solche im Privatleben, nur weniger auffallend, sichtbar wird, nicht verkennen. Scheinbare Zufälligkeiten erhalten, in Zusammenhang mit dem Verlauf des ganzen Lebens gebracht, einen tiefen Sinn der Vorausbestimmung, Vorsehung, oder wie wir es nennen wollen. So auch bei Metternich. Die Legende, welche uns von der Entstehung seines Namens berichtet, hat schon einen für die wesentlich staatsmännische Tendenz der späteren Generationen dieser Familie bedeutungsvollen Inhalt. – Metter, Hauptmann der Leibwache Kaiser Heinrich des Heiligen, soll ihr Stammvater sein. Aus einem vornehmen Jülichschen Geschlechte, ausgezeichnet an Tapferkeit und Edelmuth, war er des Herrschers Liebling, heiß beneidet von den Würdenträgern und Höflingen, die sich zu seinem Sturze verschworen. Ein künstliches Gewebe von Lüge und Verleumdung klagte ihn beim Kaiser des Hochverrathes an. Der aber wies alle Verdächtigungen mit dem einfachen Gegengrund zurück: „Metter nicht!“ Als ehrwürdiges Wahrzeichen dieses Kaiservertrauens und der Abkunst von dem Edlen, der es genossen, legten sich seine Nachkommen den Namen Metternicht bei, von welchem im Laufe der Zeiten das t wegfiel, bei welchem aber das Vertrauen der Kaiser blieb bis auf diese Stunde. Die Freiherren von Metternich, welche später in zwölf Linien oder Häusern am Rhein hausten, standen den höchsten Würden und Aemtern des Reiches vor: Zwei erhielten sogar den Churhut von Mainz, Einer den von Trier. Lothar von Metternich, Churfürst von Trier, erwarb, nach Aussterben der älteren Linien, der jüngeren, von welcher der jetzt lebende Fürst stammt, die Reichsgrafschaft Winneburg und Beilstein am Rhein, und mit ihr seiner Familie die reichsgräfliche Würde. Er war Einer der ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit, unter andern auch Stifter der für den Gang und Ausgang des 30jährigen Krieges so bedeutungsvollen katholischen „Ligue.“ – Franz Georg Reichsgraf, dann Reichsfürst von Metternich erwarb diese Würde 1803. Für die ausgezeichneten Dienste, welche er als Gesandter an mehren Höfen, als Wahlbotschafter Churböhmens, bei der Wahl und Krönung Kaiser Leopold II., als dirigirender Minister in den Niederlanden und auf dem Reichsfriedencongresse zu Rastadt als Principalcommissarius geleistet, und nachdem er 1801 seine Besitzungen am Rhein an Frankreich hatte abtreten müssen, wurde er durch die Reichsabtei Ochsenhausen, welche in ein reichsunmittelbares „Fürstenthum Winneburg“ verwandelt ward, entschädigt. Fürst Franz Georg war seit 1774 in kaiserlichen Diensten und seit 1771 vermählt mit Gräfin Beatrix Aloisia von Kagenegg, aus einem Breisgauischen uralten Dynastengeschlechte, welche ihm am 15. Mai 1773 zu Coblenz den ersten – und später einzig lebenden – Sohn geboren hatte, welcher zu Ehren seines ersten Taufpathen, des Prinzen Clemens Wenzeslaus von Polen u. Litthauen, Herzogs zu Sachsen, und seines großen Vorfahren, des Churfürsten von Trier, in der Taufe die Namen Clemens, Wenzeslaus, Nepomuk, Lothar erhielt. Dieser, der jetztlebende Fürst und Staatskanzler, zeigte als Knabe schon frühzeitige Entwickelung ungewöhnlicher Naturanlagen, welche die Aeltern den vorzüglichsten Meistern zur Pflege übergaben und selbst durch die sorgfältigste Erziehung zu bilden und zu veredeln strebten. In seinem 15. Jahre bezog Graf Clemens schon die Universität Straßburg – 1788 –, sich der Philosophie zu widmen. Im Jahre 1790 begleitete er seinen Vater zur Kaiserwahl und fungirte als Ceremonienmeister des westphälischen Grafencollegiums. Die nächsten 4 Jahre brachte er abwechselnd auf Bildungsreisen und auf der hohen Schule zu Mainz zu, folgte 1794 seinem aus den Niederlanden durch die Zeitereignisse verdrängten Vater nach Wien und vermählte sich hier mit der einzigen Tochter des Fürsten Ernst von Kaunitz-Rittberg, Marie Eleonora, welche, bedeutungsvoll für die Zukunft Metternich’s, die Enkelin des berühmten östreichischen Haus-, Hof- und Staatskanzlers Fürsten Kaunitz, ihm als Mitgift auch die bald darauf in Oestreichs Geschichte durch jene weltbekannte Schlacht verhängnißvoll gewordene Herrschaft Austerlitz zubrachte. Seine Ernennung zum Gesandten im Haag hatte, wegen der Eroberung Hollands durch die Franzosen keine Folge. Wäre Fürst Franz Georg in den Niederlanden geblieben, oder hätte Graf Metternich diesen Gesandtschaftsposten angetreten, so würde wahrscheinlich seine Laufbahn, zwar immer die höchsten Sphären des öffentlichen Lebens streifend, eine andere und dann wahrscheinlich auch der Lauf der politischen Ereignisse ein von dem später eingeleiteten, verschiedener geworden sein. So begann aber der eigentliche Anfang von Graf Metternich’s [66] diplomatischer Wirksamkeit mit dem Antritt des Gesandtschaftspostens zu Dresden – 1801 –, mit welchem, bei der damaligen Lage der Dinge, der Grund zur Sendung des 28jährigen Grafen nach Berlin und mit dieser der Grund zu der einflußreichen und merkwürdigen Stellung gelegt war, welche er seit dem Jahre 1803–4 den Zeitereignissen und dem mächtig auf sie einwirkenden kühnen Geiste Napoleon’s gegenüber einnahm.

Die ungemein schwierige und fast hoffnungslose Aufgabe des Grafen in Berlin war die Aufrechthaltung des Lüneviller Friedens, die Friedensvermittlung zwischen Rußland und Frankreich, und, wenn dies scheitern sollte, die Gewinnung Preußens für die bewaffnete Coalition. Er löste sie glänzend. Doch gleich bei seinem ersten Geschäfte sollte er die Früchte seiner diplomatischen Bemühungen durch den Unverstand der Feldherrn vereitelt sehen. Das Jahr 1806 forderte einen dem Dictator Europas gewachsenen Bevollmächtigten zu Paris. Oestreich sandte den Grafen Metternich, welcher am 10. October 1807 den Vertrag von Fontainebleau abschloß. Es ist hier hervorzuheben, daß die ganze entschiedene aber maßhaltende und geräuschlose Art, welche das politische Verfahren Oestreichs seit 40 Jahren ausgezeichnet hat, schon damals von dem Grafen angenommen und bis auf diese Stunde ohne die geringste Abweichung davon beibehalten wurde. Es spricht dies deutlich dafür, daß von vorn herein seine Staatshandlungen mit seinem Charakter in Harmonie standen und das ganze System seiner auswärtigen Politik, wie er es in den schwierigsten und verschiedensten Lagen vor den Augen der Welt aufgerollt, aus der lautern Quelle seiner innersten Ueberzeugung floß. Es charakterisirt den Grafen Metternich eben so treffend als seinen großen Gegner Napoleon, daß dieser, obgleich der östreichische Botschafter schriftlich und mündlich mit der kühnsten Entschlossenheit gegen ihn auftrat, doch vorzugsweise gern mit diesem vollwiegenden und entschlossenen Geiste zu thun haben wollte und selbst nach jener merkwürdigen Unterredung, wobei der Kriegsfürst in höchster Aufregung dem Botschafter Oestreichs Rüstungen – 1808 – vorwarf und dieser mit nicht minder starken Vorwürfen antwortete, dem Grafen Metternich fortwährend den Vorzug gab, wenn es nicht Entscheidungen durch das Schwert galt. Während des Feldzuges 1809 blieb Metternich als Gefangener in Paris, um nach der unglücklichen Schlacht von Wagram auf der Vorpostenlinie vor Komorn in Ungarn gegen die gefangenen Mitglieder der französischen Botschaft ausgewechselt zu werden. Napoleon bedurfte seiner, denn er dachte schon längst an Unterhandlungen. Dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Grafen Stadion war er abhold und hatte auf seine Entfernung gedrungen. Graf Stadion selbst war der Last der Geschäfte müde, der Kaiser aber schätzte den liebenswürdigen Mann, dessen geistiger Kraft jedoch die schwere Zeit überlegen war.

In diesem entscheidenen Augenblick war Graf Metternich allen Betheiligten eine Nothwendigkeit. Fürst Schwarzenberg mußte ihn zu Paris ersetzen und ihm selbst wurde, mit dem einstweiligen Titel eines k.k. Staatsministers, die provisorische Leitung des Auswärtigen übertragen. Graf Stadion, der sein Portefeuille nicht wieder sehen sollte, verfügte sich zu dem Erzherzog Karl, der, ebenfalls den Ereignissen weichend, den Oberbefehl an Fürst Lichtenstein abgegeben hatte. Graf Metternich ging in das Hauptquartier seines Kaisers und sogleich eröffnete Napoleon die Friedensanträge. Nach weniger als vier Wochen – 17. August – kam eine Uebereinkunft zu Stande, welche am 14. October 1809 endlich die beiderseitige Sanction erhielt, nachdem am 8. d. M. Graf Metternich definitiv zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden war. Es konnte nicht anders kommen. Graf Metternich hatte vor allen Andern, welche zu diesem damals verhängnißvollen Posten außer ihm sich geeignet hätten, die unschätzbaren Vorzüge eines durch vielseitige akademische Studien gebildeten, von Jugend auf in der ernsten Betrachtung der Weltereignisse geübten Geistes voraus und jenen psychologischen Scharfblick, der immer sicher die Natur der Dinge und die in ihr vorwaltenden Persönlichkeiten erkennt und eine Gabe der Vorsehung ist, für welche in Stellungen, wie diese, sonst kein Ersatz sich findet. Von des Grafen Metternich Eintritt als Chef der auswärtigen Geschäfte an beginnt auch wieder Oestreichs Geschichte aufwärts zu steigen.

Als Kaiser Franz I. das Opfer gebracht hatte, seine Tochter dem Ehrgeize des Franzosenkaisers hinzugeben, ging Graf Metternich als außerordentlicher Botschafter nach Paris, nachdem er die Leitung des Auswärtigen den Händen seines Vaters, Fürst Franz Georg’s, vertraut hatte, der während seiner Abwesenheit das Portefeuille interimistisch verwaltete. Gewiß, ein interessanter Umstand, daß in einer so wichtigen Angelegenheit der Vater den Sohn, der Meister den Schüler, der ihn überholt hat, ersetzt. Als 1812 der nicht zu verhindernde Krieg zwischen Frankreich und Rußland ausbrach, überkam Metternich noch einmal die Aufgabe, für Oestreich Zeit und eine weder zu passive noch jetzt schon entschiedene Stellung zu gewinnen. Die Politik, welche das Hülfscorps von 30,000 Mann stellte, diesem die klugen Manövre vorzeichnete, unterdeß sich für das als unvermeidlich Erkannte rüstete und im entscheidenden Augenblick den Ausschlag gab, ist bekannt genug, um hier nicht erörtert werden zu müssen. Mit dem Jahre 1812 schließt sich die erste Periode von Metternich’s öffentlicher Wirksamkeit ab. Diese war bisher dahin gerichtet, Oestreich um den angemessenen Preis Frieden, Unabhängigkeit und sein Besitzthum zu erhalten und Zeit zu gewinnen, um es den Anmaßungen Frankreichs gegenüber wieder zu seinem alten Ansehen erheben zu können.

Diese Zeit schien 1813 gekommen. Was dieses und das folgende Jahr für Oestreich, für Deutschland und überhaupt für Europa gebracht hat, wäre hier unnöthig zu wiederholen. Die ungemeine Thätigkeit und Staatsklugheit, welche Graf Metternich in dieser Periode entwickelte, ist das höchste Erstaunen erregend. Man kann überdies eben nicht sagen, daß er bei seiner unermeßlichen Arbeit von den andern Staatsmännern besonders unterstützt worden wäre; denn allermeist sah er seine Pläne gekreuzt, gehemmt, oft mißverstanden. So auf den Cabinetsversammlungen zu Reichenbach, Teplitz, Frankfurt, Freiburg, Basel, Langres, Chaumont, wo Genz sein rüstiger Helfer war, der Graf aber doch des Nachts selbst die Feder führte, nachdem er die Stunden der langen Tage mit Conferenzen zugebracht. Noch einmal sollte er zu Fontainebleau mit Napoleon eine Uebereinkunft, freilich ganz anderer Art als jene im Jahre 1806, abschließen, worauf am 30. Mai 1814 der erste Pariser Frieden erfolgte. Schon am Abende des dritten Tages der Leipziger Schlacht von seinem Kaiser für sich und seine Nachkommen in den östreichischen Fürstenstand erhoben, sah er sich jetzt von Ehrenbezeigungen überströmt. Bei seiner Anwesenheit in England erhielt er mit Wellington und Blücher die Doctorwürde von der Universität Oxford; bei Eröffnung des Wiener Congresses von den versammelten Ministern einstimmig den Vorsitz. Auch hier hatte nicht Alles das von ihm beabsichtigte Resultat; der Zeitstrom war zu hoch über seine Ufer getreten, hatte sich manches zu tiefe Bett neu gegraben, als daß Menschemacht Alles nach Wünschen in die richtigen Geleise hätte zurückführen können, namentlich bei den Störungen und Gefahren, welche unerwartet das Jahr 1815 brachte. Aber das wird kein Unbefangener ableugnen, daß des Fürsten Bemühungen wenigstens das Mögliche möglich machten und die Dinge so gestalten halfen, daß sie die Keime der Besserung in sich selbst bewahren konnten. Besonders sollte es niemals vergessen werden, daß damals Metternich der standhafteste Vertheidiger Sachsens und Polens und der Wortredner einer festern Vereinigung und bestimmteren Rechtsüberwachung der deutschen Völker war. Den Vertrag mit Bayern schloß er zu Mailand 1815; mit dem heiligen Stuhle das Concordat 1817; das folgende Jahr vertrat er Oestreichs Ansicht und Interessen auf dem Congresse zu Aachen.

Hier schließt sich eine zweite Periode in seinem öffentlichen Leben, um ihn eine dritte, lange und meist unerfreuliche auf seiner Laufbahn betreten zu lassen. Diese begann mit dem Auftauchen des revolutionären Geistes im J. 1819, dessen Congreß zu Karlsbad dem Fürsten Metternich, der zwar nie um Volksgunst gebuhlt hatte, dessen Humanität sie jedoch nicht gleichgültig sein konnte, einen großen Theil seiner Popularität kostete. Er aber that und mußte das Nothwendige thun und allein die Ueberzeugung, nur das Unvermeidliche und seine Pflicht erfüllt zu haben, konnte den Mann trösten, der niemals falschen Voraussetzungen, trocknen Theorieen oder den leidenschaftlichen Eingebungen des Augenblicks sich hingegeben, und dessen Umsicht und Voraussicht sich bisher in den verwickeltsten Lagen noch stets bewährt hatte. Nur durch die Verhältnisse der Jahre 1819 und 1820 und unter den Eindrücken dessen, was diese für die nächste Zukunft androhten, erhielt die auf den Congressen zu Troppau und Laibach bewirkte Vervollständigung der Bundesacte die oft beklagte Gestalt, welche ihr ursprünglich keineswegs zugedacht war. Im Jahre 1821 zum Haus-, Hof- und Staatskanzler ernannt, besuchte Fürst Metternich den Congreß zu Verona. Sein kräftiges Einschreiten in die Wirren Italiens haben ihm den einstimmigen Ruhm der raschen That erworben, den ihm selbst die Widersacher nicht absprechen. Ueberhaupt tritt in dieser Periode Metternich’s Ansicht von der Nothwendigkeit des Princips der Intervention, um das noch wogende Gleichgewicht der europäischen Staatenwelt vor gewaltigen Stürmen und Ueberfluthungen zu sichern, entscheidend hervor. Mit dem Jahre 1830, welches seinen Voraussetzungen die Kraft des schlagenden Beweises verschaffte und seine, mitunter selbst in befreundeten Cabinetten beanstandete Politik wieder rechtfertigte, beginnt der bis auf die Gegenwart laufende Abschnitt seines öffentlichen Wirkens. In dieser Periode neigte sich des Staatskanzlers Geist dem Princip der „vollendeten Thatsachen“ zu. Das neue Staatensystem ist in den Hauptpunkten befestigt, und es hat sich deutlich herausgestellt, was haltbar ist, was nicht. Möglichste Bewahrung des Friedens ist der leitende Grundsatz, der vor allem Andern Oestreichs innere Ruhe und Blüthe angeht. Diesem Zwecke nun soll geopfert werden, was aufgegeben werden kann, ohne die Hauptumrisse des Systems, die Consequenz des herrschenden Legitimitätsprincips, namentlich was Deutschland, Italien und den Osten betrifft, zu verletzen. Man müßte blind sein bei sehenden Augen, wenn man sich nicht eingestehen wollte, daß wir den seit 1830 genossenen Frieden und die dadurch bedingte Culturentwickelung zum großen Theile der Staatsklugheit des Fürsten zu verdanken haben. Es ist dies die Frucht des Systems der Mäßigung, welches wesentlich durch ihn in die europäische Welt eingeführt wurde, ein System, welches allerdings auch auf der andern Seite den Fortschritt gehemmt, aber doch diese Zucht der Verhältnisse aufgegeben hat, sobald sie in der Hauptsache zur Erhaltung der Ruhe, von welcher der Fortschritt auch abhängt, nicht mehr unbedingt nöthig war.

Blicken wir endlich noch auf die Ereignisse des Jahres 1840 und ihre Wirkungen, so trägt der Julivertrag und die Motive, welche seinen Abschluß bestimmen, so ganz den Stempel der Metternich’schen Politik, daß wir an dem Urheber nicht zweifeln können. Die Thatsache dieses Vertrages hat bereits für sich selbst gesprochen.

Clemens Wenzeslaus Nepomuk Lothar, Fürst von Metternich, Herzog von Portella, östreichischer Haus-, Hof- und Staatskanzler, und seit 1826 auch Conferenzminister bei den Staatsrathsversammlungen für innere Angelegenheiten, Ritter des goldenen Vließes und Inhaber fast aller hohen und höchsten Orden, das englische Knieband ausgenommen, dessen sonstige zahllose Titel und Würden wir hier füglich übergehen können, trat am 15. Mai d. J. in sein siebzigstes Lebensjahr und in das zweiundvierzigste seines staatsmännischen Wirkens. Sein Vater, Fürst Franz Georg, starb 1818 zu Wien in stiller Zurückgezogenheit, nachdem er den Sohn und Zögling den Gipfel der Ehren und des Ruhmes hatte einnehmen sehen. Zum Herzog von Portella war er 1816 von dem Könige beider Sicilien ernannt, und dieses Geschenk mit einer Dotation von 60,000 Neap. Ducati Grundgütern begleitet worden. Die 1806 mediatisirte Standesherrschaft Winneburg fiel an Württemberg und 1826 verkaufte sie der Fürst an den König von Württemberg, zu dessen unmittelbaren Domainen sie seitdem gehört. Dagegen erwarb Fürst Metternich durch seine erste Gemahlin die Kaunitz’schen Allodialgüter in Mähren, durch die Schenkungsurkunde vom 1. August 1816 vom Kaiser Franz I. Schloß und Gut Johannisberg im Rheingau; ferner besitzt der Fürst die Herrschaften Königswart, Plaß, Ammon, Markusgrün und Miltigau in Böhmen; Kozetein in Mähren; die Güter Gramme, Bronbach, Oberehe und Reinhardsstein am Rhein. – Seine erste Gemahlin, Marie Eleonore von Kaunitz-Rittberg, starb den 19. März 1819; worauf er acht Jahre Wittwer, sich 1827 mit der Freiin von Leykam vermählte, welche jedoch schon nach kaum zweijähriger Ehe starb. Zum dritten Male vermählte er sich 1831 mit der Gräfin Melanie Zichy-Ferraris, – geb. 1805. – Zwei Töchter aus der ersten, ein Sohn aus der zweiten und ein Sohn und eine Tochter aus der dritten Ehe machen die Familie des Fürsten aus. Der Aelteste der beiden Söhne hat das 15. Jahr erreicht und des Vaters Geist vermag noch auf ihn einzuwirken, obgleich man den Wunsch nicht unterdrücken kann, des Fürsten erste Ehe wäre schon mit Söhnen gesegnet gewesen, damit der für das östreichische Kaiserhaus so schätzbaren Familie eine ununterbrochene Reihe großer Staatsmänner mehr gesichert wäre. Metternich’s Ministerium bezeichnet die höchste Machtvergrößerung Oestreichs und hat diese auf den dauerndsten Grundlagen dargestellt. Mögen die Tadler auch besorgte Blicke auf den Osten werfen und über des Fürsten Politik in Bezug auf den Orient die Köpfe schütteln: nur die Zukunft kann uns lehren, ob er hier gerade geirrt, ob er nicht auch hier die eigentliche und innerste Natur der Dinge und ihre dereinstige Entfaltung richtig erkannt und vorausgesehen und vorgesorgt hat, daß sein Nachfolger, wenn sich dort einst die Sonne der Umbildungen aufthut, die zweckdienlichen Schritte im wahren Interesse Oestreichs und des ihm nahverwandten Deutschlands nicht verfehlen kann.