Fünfundzwanzig Jahre Frauenarbeit

Textdaten
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Autor: R. v. E.
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Titel: Fünfundzwanzig Jahre Frauenarbeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 259
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[259] Fünfundzwanzig Jahre Frauenarbeit. Kürzlich hat eine der angesehensten Gesellschaften Oesterreichs, der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“, das erste Vierteljahrhundert ihres wie an Arbeit so auch an außerordentlichen Erfolgen reichen Daseins vollendet. Ihre Gründung fiel in die Zeit, in der sich auch in Oesterreich die Frauenbewegung Geltung zu schaffen begann. Sie wandte sich von vornherein an die Mädchen und Frauen der besseren Stände, deren Erwerbsfähigkeit sie zu dem Zwecke zu fördern gedachte, um ihrer Erwerbsthätigkeit neue Quellen des Verdienstes zu erschließen. Dabei sollte, allen den Adel der Arbeit leugnenden Vorurtheilen zum Trotze, der natürliche Beruf und die sociale Stellung des Weibes gewahrt und die Gefahr, statt treue Gehilfinnen entschiedene Konkurrentinnen und Gegnerinnen der Männer heranzubilden, nach Möglichkeit vermieden werden. Theils dieses allen übertriebenen Emanzipationsbestrebungen gegenüber streng umgrenzte Programm, theils die patriotische Begeisterung, welche nach den Tagen des Jahres 1866 die Frauen Oesterreichs ergriffen hatte, half dem neu gegründeten Verein über alle Schwierigkeiten des Anfangs hinweg. Zuerst wurde eine Nähstube eröffnet, bald darauf eine Handelsschule, eine gewerbliche Zeichenschule, eine höhere Arbeits- und eine höhere Bildungschule, welch letztere, mit einem dem Programm der Realgymnasien verwandten Lehrplan ausgerüstet, aus dem sich immer mehr fühlbar machenden Bedürfnisse nach erweiterter schulgerechter Bildung des weiblichen Geschlechtes hervorgegangen war.

Inzwischen hatte der Verein der Staatsdruckerei eine Anzahl von Mädchen, über welche eine eigene Kommission die Oberaufsicht führte, für die Kouvertfabrikation zur Verfügung gestellt und mit der Ausbildung von Telegraphistinnen dem weiblichen Geschlecht einen für dasselbe außerordentlich geeigneten Erwerbszweig erschlossen, dem heute Hunderte von Frauen in Oesterreich eine gesicherte Stellung zu verdanken haben. Der Wohlthätigkeitssinn der „Ersten österreichischen Sparkasse“ und der besten Gesellschaftskreise Wiens setzte den Verein schon Ende 1874 in den Besitz eines eigenen Hauses, womit das letzte Hinderniß für die großartige Entwicklung seiner Schulen gefallen war. Zur Handelsschule gesellte sich ein Uebungskomptoir, die Bildungsschule wurde um zwei Jahrgänge erweitert, und in rascher Aufeinanderfolge entstanden eine Maschinenstrickerei-, eine Kunststickerei- und Feinwäschereischule, ein Frisier- und ein Spitzenkurs, Ateliers für kunstgewerbliche Maltechniken und für Musterzeichnen, neben denen sich die älteren Lehranstalten des Vereins, die Sprachschulen, die Schneidereischule etc., dauernd behaupteten.

Sein Jubiläum hat der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“ so ernst und würdig begangen, als es seinen Bestrebungen nur immer entsprechen mag. Er veranstaltete eine Schulausstellung, welche einen vollständigen Ueberblick über seine bisherige Thätigkeit bot. Die dabei zu Tage tretenden Erfolge fanden ihre Erklärung darin, daß der „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“ stets in der Zeit für die Zeit geschaffen und niemals über der Gegenwart die Zukunft vergessen hat! R. v. E.