Etwas von den Sinnen der Ameisen

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Titel: Etwas von den Sinnen der Ameisen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 672
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[672] Etwas von den Sinnen der Ameisen. Seit uralter Zeit fesselte den Naturforscher das Leben und Treiben der Ameisen, jener geschäftigen Republikanerinnen des Thierreiches, welche, so winzig auch ihr Körperbau erscheinen mag, mit so großen Geistesgaben ausgestattet sind, daß ihnen, was die Verstandesthätigkeit betrifft, auf dieser Erde nach dem Menschen der erste Platz gebührt. Im Allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, daß dieses interessante Gebiet des Thierlebens vollständig erforscht sei und daß man nur in einem größeren Handbuch der Thierkunde nachzuschlagen brauche, um einen Blick zu gewinnen in alle Geheimnisse dieser kleinen verständigen Wesen. Diese Meinung ist aber durchaus irrtümlich. Wir kennen zwar einige Hauptzüge aus dem gesellschaftlichen Leben der Ameisenarten, fremd sind uns dagegen die seelischen Eigenschaften der einzelnen Individuen geblieben. Erst in jüngster Zeit hat ein englischer Gelehrter, L. Lubbock, sich der Mühe unterzogen, Ameisennester in seiner Wohnung zu cultiviren und in jahrelangen Beobachtungen ihre Eigenschaften genauer kennen zu lernen. Ihm verdanken wir auch einige Aufschlüsse über die Sinne der Ameisen, also die wichtigen Organe des Seelenlebens dieser Insecten.

Der geniale Forscher belehrt uns, daß die Ameisen in der Hauptsache nur auf den Geruchssinn angewiesen sind: sie haben zwar fünf Augen, die aus unzähligen Facetten zusammengesetzt sind, aber die Sehkraft derselben ist äußerst gering: denn nach sinnreichen Experimenten Lubbock’s vermögen die Ameisen nur auf wenige Centimeter die Gegenstände deutlich zu unterscheiden. Im Allgemeinen lassen sie sich nur durch den Geruchssinn leiten, und wenn die Fährte, auf welcher sie sich befunden, plötzlich aufhört, bleiben sie rathlos in unmittelbarer Nähe des gesuchten Gegenstandes stehen. Dagegen sind die Ameisen gegen Farben sehr empfindlich; in den von Lubbock teilweise aufgedeckten Nestern mieden sie beharrlich die Stellen, welche mit roten oder violetten Gläsern bedeckt wurden, während sie sich durch gelbe oder grüne Lichtstrahlen angezogen fühlten. – Die Untersuchungen des englischen Gelehrten bilden die ersten Anfänge zur Psychologie unserer nächsten Geistesverwandten: sie haben zunächst die Dürftigkeit unserer Kenntniß nach dieser Richtung hin dargetan und dadurch hoffentlich zu neuen Forschungen auf diesem dankbaren Gebiete angeregt.