Etwas über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung (1805)

Textdaten
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Titel: Etwas über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung.
Untertitel:
aus: Journal des Luxus und der Moden
Herausgeber: F. J. Bertuch und G. M. Kraus
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1805
Verlag: Landes-Industrie-Comptoir
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Erscheinungsort: Weimar
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Katalog der Ausstellung siehe Verzeichniß der am Friedrichstage im Jahre 1805 in der Churfürstl. Sächsischen Akademie der Künste öffentlich ausgestellten Kunstwerke
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Etwas über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung.

Unsere diesjährige Kunstausstellung, die wie gewöhnlich in den ersten Tagen des Märzes eröffnet wurde, und erst in der Woche vor den Osterfeiertagen geschlossen werden wird, bietet auch diesmal dem Kenner sowohl als dem Liebhaber viel Interessantes dar. Ohne uns auf das Mittelmäßige oder gar auf dasjenige einzulassen, wodurch Selbstsucht und getäuschte Eigenliebe den Blick auf sich zu ziehen gesucht haben, wollen wir hier nur das Vorzüglichere und Beste herausheben.

Gleich im Eintrittszimmer oder der mittelsten Abtheilung des Saals, finden wir fünf Landschaften in Oel, vom Hrn. Kaaz, der nicht längst erst aus Italien zurückgekommen, und uns schon vorher als denkender Künstler bekannt gewesen ist. In ihnen hat er dem Publikum gleichsam die Früchte seines neuern Studiums vor Augen gelegt. Die größte, eine Italienische Landschaft hat unstreitig den mehresten Anspruch auf Bewunderung und Beifall. Ein älterer Hirte lehrt auf derselben einem jüngern die Flöte blasen. Beide Figuren befinden sich im Mittelgrunde sitzend auf einer Anhöhe, die sich rechts in einen Thalweg hinabzieht, auf welchem man einiges Vieh mit seinem Treiber erblickt. Im Vordergrunde stillt ein Wandrer seinen Durst aus einem hier entspringenden Quell. Der liebliche Himmel, die vortrefflich gehaltenen Fernen und vorzüglich der schöne Baumschlag, wovon besonders die majestätische Eiche zur linken Hand zeugt, gewähren einen erfreulichen und genußvollen [292] Anblick. Weniger haben uns die beiden andern Landschaften, der Morgen und Abend, wegen des etwas kalten Tons, der darinn herrscht, gefallen. Die erste zeigt uns einen Trupp Landleute, die mit Musik zur Feldarbeit ausziehen. Auf der zweiten reiten zwei geharnischte Ritter, einer im Mittelgrunde befindlichen alten Burg zu. Ein See, der ihnen zur rechten Hand liegt, ist mit einigen wilden Enten besetzt, die aber gegen die Hauptfiguren im auffallenden Mißverhältniße stehen, indem sie viel zu groß gezeichnet sind. Ein gleiches Mißverhältniß in der Zeichnung dürfte an der vierten kleinern Landschaft zu tadeln seyn, die einige Hirten in den Apeninen mit ihrem Vieh und ihren Geräthschaften darstellt. Die fünfte, mit der zuletzt erwähnten von einerlei Größe, ist schön gedacht, und eben so ausgeführt. Im Vordergrunde rechter Hand sieht man ein Hirtenmädchen auf einer lachenden Wiese Blumen pflücken. In der Mitte ist eine Heerde Vieh, unter schönen Baumgruppen vertheilt, und linker Hand bildet ein von einer fernen Villa sich herziehender Bach verschiedene Wasserfälle.

Ziemlich dem Eingange gegenüber hängt ein großes Oelgemälde des Herrn Matthäi, eines ehemaligen Zöglings der hiesigen Akademie, der jetzt Mitglied und Professor honorarius der Akademie zu Florenz ist. Es fesselt beim ersten Anblicke das Auge des Beschauers, und wird ihn so bald nicht wieder loslassen. Der Künstler hat nach Geßners schönem Gedichte „Ein Gemälde aus der Sündfluth“ uns den Augenblick gegeben, wo Semin und Semira schon von den Fluthen umspühlt, der gewissen Annäherung des Todes entgegen sehen. Der noch aufrecht stehende, starr in die empörte Natur hinausblickende Semin, hält mit der linken das vom Sturmwinde über sein Haupt empor gehobene Gewand; die rechte reicht er der [293] links neben ihm knieenden Semira, die, an ihn geschmiegt ihre Hände betend zum Himmel ausstreckt, der schwarz und düster die Liebenden mit seinen Blitzen umleuchtet. Stellung und Zeichnung sind meisterhaft, die Muskelkraft des Jünglings, so wie die Zartheit des Mädchens gleich anziehend. Nur das Kolorit athmet zu wenig Leben, besonders scheint der weibliche Körper schon völlig entseelt. Die Gewänder und übrigen Umgebungen hat der Künstler sehr fleißig ausgeführt, vorzüglich ist das die Liebenden umströmende Wasser mit Täuschung dargestellt. Die Abendzeitung (im 24sten Stück des jetzigen Jahrgangs) rügt an diesem Bilde, daß der Künstler nicht den interessantesten Augenblick der Dichtung gewählt habe, sondern vielmehr statt des vorübergehenden Moments der Verzweifelung, den bleibenden der vollkommenen Ergebung in das unvermeidliche Schicksal, zum Gegenstande seines Gemäldes hätte machen sollen. Wir ehren die Gründe, die der Verfasser für seine Behauptung aufstellt, aber zur Entschuldigung des Herrn Matthäi sey es uns erlaubt, ihnen Folgendes entgegen setzen zu dürfen. Um die Situation, in welche uns der Künstler versetzt hat, ganz richtig zu bestimmen, wollen wir zuerst einen Blick auf das Gedicht selbst werfen. Die Fluthen haben bereits den Gipfel des Berges, auf den Semin seine Semira rettete, erreicht. Des nahen Todes gewiß, steht sprachlos der großherzige Jüngling, und schaut in die Verwüstung, nur das schwächere Mädchen bricht noch in lauten Klagen aus. In diesem Seelenzustande, den man eigentlich wohl nicht Verzweiflung nennen kann, führt uns der Dichter die Liebenden vor Augen, und eben so hat der Maler sie uns auch wieder gegeben. Wer kann wohl läugnen, daß diese Situation ihn nicht ergreife? Freilich ist der unmittelbar darauf folgende Moment der gänzlichen Ergebung ungleich erhabener. Aber wie zeichnet ihn der [294] Dichter? Von Semins Lippen ertönt das Lob des ewig Gerechten, in inniger Umarmung mit Semira, deren Gesicht der Muth und die Freude verschönert haben, trifft beide der Tod. Konnte der Mahler hier dem Dichter wohl folgen, ohne sich wenigstens in den Augen derer, die das Gedicht nicht genau kennen, der Uebertreibung schuldig zu machen, und ist es Herrn Matthäi nicht zu verzeihen, daß er, um sich nicht dem schiefen Urtheile der Menge bloß zu stellen, den minder erhabenen, aber doch nicht weniger kräftig auf das Gefühl wirkenden Moment vorzog. Im Namen aller derer, die sein Meisterwerk mit theilnehmender Rührung erfüllte, sey ihm dafür Dank gesagt.

An der nämlichen Wand bemerken wir noch drei Oelgemälde von Moritz Retzsch, einem Schüler des Herrn Professor Graßi. Ajax Oileus, der eine Schlange, die er sich, als er den Umgang mit Menschen flohe, erzog, aus einer Schaale füttert: Eine Diana auf der Jagd, und einen Christuskopf nach A. Caracci. Der letztere ist eine wohlgerathene Kopie; das zuerst genannte Gemälde aber, wegen des nicht hinlänglich bekannten Gegenstandes, und einiger Mängel in der Komposition, nicht interessant genug, obschon Zeichnung und Kolorit den angehenden Künstler verkünden. Ungleich lieblicher aber spricht uns das zweite, die jagende Diana an. Jugend und Schönheit stralen aus dem Antlitze der Göttin, und Herr Retzsch hat sowohl durch dieses Bild, als durch einen im vorigen Jahre ausgestellten Johanneskopf bewiesen, daß er sich die schöne Karnation, welche die Meisterwerke seines großen Lehrers belebt, bald zu eigen machen werde. Auch in dem Fleiße, womit er die Umgebungen behandelt, ahmt er dessen Beispiel nach.

An der rechten Wand neben dem Fenster, treten zwei [295] über einander hängende Landschaften in Oel von La Rive Godefroy aus Genf hervor, die beide, nur in verschiedenen Ansichten den Montblanc darstellen. In der obern macht dieser merkwürdige Berg den Hauptgegenstand aus. Wir erblicken ihn hier in nicht zu weit entferntem Hintergrunde aus einem von seinen Gefährten eingeschlossenen Thale. Mag aber immerhin diese Landschaft der Natur treu abgenommen seyn, einen dem Auge wohlthätigen Effekt, gewährt das Grelle und Abstechende des vom Sonnenstral beleuchteten Berges gegen seinen dunkler gehaltenen Bruder keinesweges. Wir erklären ihn daher in dieser Perspektive für keinen eigentlichen, wenigstens nur für einen undankbaren Gegenstand der Kunst. Weit angenehmer ist die Wirkung, welche er auf der untern Landschaft, einer Gegend um Presinge, dem zwei Stunden von Genf entfernten Wohnort des Künstlers, wo wir ihn in weiter Ferne erblicken, hervorbringt. Beide Landschaften bewähren indessen das Kunsttalent ihres Verfertigers.

Noch verdienen in diesem Zimmer rühmliche Auszeichnung:

a) ein Oelgemälde der Blumenmalerin Dem. Therese Richter, worauf sich ein Blumentopf mit einem Geranium, und einigen darneben liegenden schönen Blumen, nebst einem Körbchen mit Kirschen befinden. Nur wünschten wir, daß das letztere sich nicht an eine versiegelte Gelddüte lehnen möchte. Dieser Kontrast wirkt widrig auf das Gefühl, und stört unwillkührlich den Genuß dieser reizenden Darstellung.

b) Zwei Pflanzenzeichnungen in Wasserfarben von eben dieser Künstlerin, wovon die eine eine blühende Perlaloe, die andere einen Zweig des Silberbaums vorstellt. [296]

c) Ein Glas mit Blumen in Oel von J. C. B. Friedrich, einem Schüler, der in dieser Art Malerei berühmten Dem. Friedrich.

d) Ein Viehstück in P. Potters Manier vom Herrn von Watzdorf in Oel.

e) Zwei Kopien, ebenfalls in Oel, von Fräulein Therese aus dem Winkel, die heilige Katharina nach Correggio und Chodowiecky’s Portrait, nach dem Originale unsers braven Grafs.

f) Ein Korb mit Blumen, erfunden und gestickt von Madame Geißler, geborne Ludwig, und endlich

g) Sechs und dreißig Abdrücke von geschnittenen Steinen und Siegeln, von dem als Graveur rühmlichst bekannten Herrn Höckner, worunter einige wegen der Menge der darauf befindlichen schön gezeichneten und ausgeführten Figuren insbesondere zwei Opfer nach Antiken, Aufmerksamkeit und Beifall verdienen. Das zweite Zimmer linker Hand, oder die erste Abtheilung des Saals, nehmen größtentheils die Produkte von den Schülern der Meißnischen Zeichenschule und der Leipziger Akademie, ingleichen der Maler der Kurfürstl. Porzellain-Manufaktur zu Meißen, so wie einige Kunstwerke der letztern ein.

Wir finden hier zwei Körbchen mit Rosen in Wasserfarben von dem berühmten Blumenmaler Arnold. Man muß etwas von diesem Künstler gesehen haben, um sich einen Begriff von der Zartheit zu machen, mit welcher er seine Schöpfungen auf das Papier haucht. Freilich sind die Wasserfarben der Blumenmalerei am angemessensten, aber ihre [297] Behandlung ist dann auch mit Schwierigkeiten verknüpft, die jedoch Herr Arnold ganz zu überwinden gelernt hat. Möchte er doch seine schönen Blumen weniger mit todten Zimmerverzierungen, die ihm nie recht gelingen wollen, in Verbindung setzen.

Unter den architektonischen Zeichnungen, welche sich in diesem Zimmer befinden, heben wir eine perspektivische Ansicht des Innern des Pantheons, von einem gewissen Hilse, der sich der Baukunst widmet, als vorzüglich heraus. Auch hat der bekannte Feuerbrunst-Maler Herr Oldendorp, der diesen schwierigen Gegenstand der Maierei zu seinem ausschließlichen Studium wählte, und ihm allein mit dem lobenswürdigsten Eifer und Fleiß obliegt, hier drei Oelgemälde ausgehängt, wovon das eine, wo das Feuer hinter einer alten Bastei aufgeht, in der Ausführung und Wirkung die übrigen übertrifft. Nur scheint uns der von demselben erleuchtete Baum mit einem etwas zu hellen Grün angethan. Gleich unter diesem zuletzt erwähnten Gemälde, befindet sich eine von einem vormaligen Schüler des Herrn Veith, Namens Hammer, erfundene und in Sepia gezeichnete Gebirgsgegend, deren wir zur Aufmunterung dieses talentvollen Schülers hier rühmliche Erwähnung thun wollen. Die Kurfürstl. Porzellain-Manufaktur hat in diesem Zimmer außer verschiedenen zum Theil nach Antiken geformten Figuren, in Biscuit, ein Dejeûner ausgestellt, welches auf einem blau mit Golde verzierten Grunde die Liebesgöttinnen des Guido Reni, Titian, Viviani und Albano, die Danae des van Dyck und zwei Engelsköpfe von Raphael in schon ausgeführten Kopien en miniature dem Auge des Beschauers Preiß giebt. Unmittelbar daneben steht auf der einen Seite eine Büste von Kühne in Gips, weiche von dem Leichnam des unlängst in der Blüte seiner [298] Jahre verstorbenen Herrn Amtshauptmann von der Lochau abgenommen und sprechend ähnlich ist. Auf der andern Seite hat ein gewisser C. W. Kummer ein Glas voll natürlicher Blumen ausgestellt, die mit einem von ihm selbst erfundenen Lack, der die Farbe erhalten, und das Verwelken verhindern soll, überzogen sind. Als erster Versuch verdient dieses Produkt allerdings einige Aufmerksamkeit, doch zweifeln wir, daß diese Erfindung sich auf jede saftvolle Blume und Pflanze erstrecken werde. [383]

Wir betreten nunmehr die dritte Abtheilung des Saals, am Eingange rechter Hand, welche man nur Vorzugsweise das Professor- oder Meisterzimmer zu benennen pflegt. Hätte es den letzten Namen auch nie mit Recht geführt, so muß man ihm doch denselben während der diesjährigen Ausstellung ohne Widerrede einräumen. Mehr als ein Meisterwerk fesselt hier unsern Blick, und gewährt dem bloßeen Anschauer so wie dem prüfenden Beurtheiler den entzückendsten und herrlichsten Genuß. Zuerst ziehen drei Landschaften in Oel von dem verdienstvollen Klengel, um dessen Besitz uns das Ausland beneidet, unser Auge unwiderstehlich auf sich. Die erste giebt uns das Bild eines Sturms. Wir sehen die ganze Natur in Aufruhr. Von einem zersplitterten Baume sind die Aeste weit über den Weg hin weggeschleudert. Im Mittelgrunde kämpft ein Wanderer dem Winde entgegen, andere im Vordergrunde werden unaufhaltsam von ihm fortgetrieben. Dunkles Gewölk strömt im Hintergrunde Fluthen von Regen aus, die der Sturm über einen Fluß hinwegpeitscht, dessen Wellen in sichtbarer Bewegung [384] sind. Vergebens suchen die aufgescheuchten Bewohner der Lüfte einen Ruhepunkt. Durch einander geworfen sieht man sie auf- und niederfliegen. Doch bald wild das Toben vorüber seyn, denn jenseits des düstern Gewölkes blickt der azurne Himmel schon wieder lieblich hervor. Nimmt sich etwas auf diesem schönen Gemälde nicht gut aus, so sind es die nach der Windseite so eintönig gerundeten Formen der Bäume und des Gebüsches, aber freilich jene Naturbegebenheit erzeugt diese Formen, und es ist die Frage, ob der Künstler zur Erhöhung des Effekts sich hier eine kleine Abweichung erlauben durfte?

Die zweite Landschaft zeigt uns einen überaus schön gedachten Abend kurz vor Sonnenuntergang. Hinter einer mit Bäumen besetzten Anhöhe des Mittelgrundes erblicken wir einen Theil der Scheibe des majestätischen Gestirns, das vor seinem völligen Verschwinden uns noch einzelne Strahlen durch das Laub zuwirft. Die Beleuchtung des letztern und der bergigten Fernen des Hintergrundes linker Hand ist vortrefflich und macht mit dem bereits in Schatten gehüllten Vordergrunde, wo eine Heerde Vieh um den neben seinem Hunde gelagerten Hirten noch ruhig weidet, einen herrlichen Kontrast. Vor dieser schönen Landschaft weilt gewiß der Beschauer am längsten. Die dritte endlich, eine Mondscheinnacht über einer Italienischen Gegend, ist nicht weniger anziehend. Sie zeigt uns im Vordergrunde ein altes Denkmal von schönen Baumgruppen umgeben; im Hintergrunde das Meer, über welchem der Vollmond prangt, und die Säume seiner Wogen versilbert. Der Himmel ist unübertrefflich schön gehalten, und die Ruhe, welche das Ganze athmet, wirkt wohlthätig auf Auge und Herz.

An derselben Wand hängen zwei Oelgemälde von Pochmann, [385] eine Sapho, der ein Liebesgott ihre Gesänge, die sie niederzuschreiben im Begriff stehet, einhaucht, und das Porträt der hiesigen Schauspielerin Demoiselle Christ.

Die gefällige Manier dieses Künstlers ist bekannt; auch in diesen Bildern hat er sie zu behaupten gewußt. Nur vermissen wir in dem übrigens schönen Gesicht der Sapho den Ausdruck der Begeisterung, den der gewählte Moment nothwendig erheischt. Auch dürfte an der Zeichnung verschiedenes auszusetzen seyn, und die in Dinte getauchte Schreibefeder uns ein wenig zu stark an die poetische Licenz des Malers erinnern. Das Porträt der Dem. Christ ist ein wohlgetroffenes Bild, von einem vielleicht zu sehr erhöheten, sonst aber sehr schönen Kolorit. Die junge Künstlerin ist sitzend auf einem Stuhle vorgestellt, über dessen Lehne ihr rechter Arm herabhängt, während die im Schooße ruhende linke Hand eine Rolle hält, die sie einzustudieren im Begriff ist. Ihr einfaches weißes Gewand wird durch einen grünen Schawl, der in schönem Faltenwurf ihre Schultern leicht umgiebt, sehr gut gehoben. Bis zum Gürtel ist die Zeichnung vollkommen richtig, aber bei den untern Partien scheint der Maler den Zeichner ganz vergessen zu haben.

Unser würdiger Porträtmaler Graf, dessen Augenlicht zum innigen Leidwesen für seine Verehrer und Freunde, und zum großen Nachtheil für die Kunst, immer mehr leidet, hat auch diesmal wieder mehrere wohlgetroffene Porträts geliefert, unter denen sich das Bildniß des regierenden Fürsten Reuß zu Graiz in ganzer Figur und in Kaiserl. Königl. Uniform, als das Kleinod der ganzen diesjährigen Sammlung auszeichnet. In der entblößten Rechten trägt er das herunter genommene Casquet, während die mit dem [386] Handschuh bedeckte Linke auf dem Degen ruht. Von dem sprechenden Gesicht des schon bejahrten Fürsten, das nach dem Zeugniß eines jeden, der ihn kennt, bis zur Täuschung ähnlich seyn soll, macht sich der Blick nur schwer los, um noch ein Weilchen auf die vortrefflich dargestellten Hände, und auf die mit dem rühmlichsten Fleiß ausgeführten Umgebungen zu weilen. Die übrigen von diesem berühmten Künstler ausgestellten Gemälde, ein junger Mann, ebenfalls in ganzer Figur, und das Brustbild eines fremden Offiziers machen gleichen Anspruch auf allgemeine Bewunderung.

Wir kommen nunmehr zu vier andern Porträts, welche Herr Professor Grassi, ein würdiger Rival des vorgenannten Künstlers, dem Kenner und Liebhaber zum herrlichsten Genuß aufgestellt hat. Mag man immerhin dem Porträtmaler den niedrigsten Rang unter seinen Kunstbrüdern anweisen; wer mit so viel Geist als Graf und Grassi malt, erhebt sich selbst, und vor den Meisterwerken seines Pinsels verstummt der eigensinnigste Krittler. Das Brustbild der Prinzessin von Rohan, ist unter diesen Gemälden dasjenige, welches die mehreste Aufmerksamkeit erregt und verdient. Sie ist in ganz weißer Altteutscher Tracht, mit ungeschmücktem Haupt, das Haar in natürlichen Locken, dargestellt. Ein hinter ihr aufgehängter Purpurmantel hebt die Zartheit des reizenden Gesichts und die blendende Schönheit des Halses und der Brust trefflich heraus. Schmuck und Gewand hat der Künstler mit Fleiß und Wahrheit wiedergegeben. Nur die Perlen um den Hals und in den Ohren scheinen etwas zu gläsern gehalten zu seyn, doch vergißt man diesen kleinen Mißgriff über dem Glanz des Atlasses und dem Schimmer, der aus der diamantenen Brustschleife uns entgegenstrahlt. Unmittelbar über diesem Porträt [387] hängt das Bildniß einer Russischen Gräfin in schöner malerischer Stellung. Das dem Anschauer ganz zugewandte interessante Gesicht, von dunklen natürlichen Locken umschattet, athmet Leben und Wahrheit. Der rechte Arm ist fast ganz entblößt, indem das blaßgelbe mit einem rothen Gürtel gefesselte Gewand nur durch einen einzigen Smaragd auf der Achsel zusammengehalten wird. Den linken bedeckt ein veilchenblauer Schawl. Die schöne Karnation des Herrn Grassi ist an diesem Gemälde vorzüglich sichtbar. Das Bild des Fürsten Troubetzkoi in Lebensgröße, gleich darneben, der sich in ganz schwarzer Kleidung, den Hut in der Rechten, an eine Säule lehnt, beweist uns, daß Herr Grassi keiner in die Augen fallenden Nebendinge bedarf, um seinen Schöpfungen Interesse zu geben. Wer diesen Fürsten je sahe, erkennt ihn in diesem Bilde sogleich wieder. Das vierte und letzte Grassische Gemälde, ist ein kleines Mädchen, als Psyche. Es soll, wie man sagt, Porträtfigur seyn, und eine junge Prinzessin von Gotha vorstellen. Die Kleine hat das Tauben-Paar der Venus eingehascht; eine davon drückt sie mit beiden Aermchen an die zarte Brust, die andere sucht vom Bande zurückgehalten, vergebens die Freiheit. Die vortreffliche Karnation und das Aetherische des angedichteten Flügelpaars sowohl als des Gewandes, verfehlen ihre Wirkung auf den Beschauer nicht, und höchst ungern trennt man sich von diesem anziehenden Bilde.

Von Dem. Friedrich sehen wir in diesem Zimmer ein Gefäß mit herrlichen Blumen. Vor ihm hat die Künstlerin ein verschlossenes Glas mit einem Laubfrosch so täuschend hingezaubert, daß wir jeden Augenblick dem vergeblichen Sprunge entgegen sehen, den das aufmerksame Thier nach der an der Außenseite des Glases herumkriechenden [388] Fliege zu thun im Begriff steht. Es ist eine schöne Wahrheit in den Darstellungen dieser Künstlerin.

Herr Vogel, längst berühmt, durch die von ihm gemalten Kinder, hat diesmal zwei Gemälde, einen sein Exercitium ausarbeitenden an einem Tische sitzenden Knaben, und zwei kleinere Kinder, in einer lieblichen Gruppirung, sämmtlich Porträts, ausgestellt. Die Zartheit der beiden letztern, so wie die Emsigkeit und Anstrengung des erstern, sind mit reiner Wahrheit gegeben, und die dem Herrn Vogel ausschließlich eigene weiche und liebliche Manier, womit er auch diese Gemälde behandelt hat, erregt in beiden Geschlechtern ein herzliches Wohlwollen gegen den Künstler und seine Schöpfungen. Von einem auswärtigen Künstler, Herrn Rath Guttenborn, Mitglied der Akademie der Künste zu Petersburg und Florenz, sind zwei kleine Oelgemälde eingeschickt worden, wovon das eine das Porträt der Russischen Großfürstin Anna, das andere einen sitzenden Virtuosen, der auf der Guitarre spielt, darstellt. Jenes ist mit zu viel Steifheit und Härte, dieses aber so schön gearbeitet, daß wir darüber gern die Fehler des erstern übersehen.

Noch ziehen in diesem Zimmer unsern Blick einige Ausstellungen des rühmlich bekannt gewordenen Hofbildhauers Pettrich auf sich. Eine schlafende Unschuld, eine Artemisia, und zwei Basreliefs in Gyps modellirt, nebst einem dritten aus Kararischem Marmor, welches eine Anzahl Kinder, die in geschlossenem Kreise um einen Kandelaber tanzen, vorstellt. Zwei getuschte Landschaften nach der Natur, vom Herrn Professor Zingg, das alte Schloß Greiffenberg in Schlesien und der Giebichenstein bei Halle, nebst einigen Kupferstichen nach Antiken, von den Herren [389] Stölzel und Krüger zeichnen sich von selbst aus, und werden nicht übersehen werden.

Auch hat Herr Professor Schenau unter mehreren Bildern ein großes Oelgemälde, den liebesiechen Antiochus, vor dem sein Vater, der König Seleucus alle Damen des Hofes vorübergehen läßt, während der Arzt den Puls des Kranken untersucht, und die Entdeckung macht, daß die schöne Stratonice sein Herz gefesselt hat, in seiner eignen Farbenreichen Manier hier ausgehangen. Wir bezweifeln, daß die Nacktheit des kranken Jünglings, welcher den bis zum Gürtel völlig entblößten Körper dem Anblick dieser sämmtlichen Damen Preis giebt, der Sittsamkeit des damaligen Zeitalters angemessen sey; eben so würden wir es durchaus für unmöglich halten, daß der ganz nahe am Haupte des Krankenbettes, noch hinter dem beobachtenden Arzte postirte königliche Vater, mit seiner Linken den rechten Arm der so eben am FußEnde desselben Bettes vorübergehenden Stratonice zu erfassen vermöchte, wenn nicht das bekannte Diktum An nescis Regibus longas esse manus, uns hierüber hinlänglich belehrte.

Wir können diesen Aufsatz nicht schließen, ohne einen Wunsch laut werden zu lassen, der sich aus dem Innersten unsers Herzens empordrängt. In unserm Dresden, das gewiß mit Recht unter die ersten hohen Schulen der Malerei zu zählen ist, lebt, leider, so mancher Künstler und so manche Künstlerin, die ihre Meisterwerke für immer der öffentlichen Ausstellung entziehen, und höchstens nur ihren Freunden und nähern Bekannten den Anblick derselben verstatten. Sey es Bescheidenheit, Selbstgefühl, beleidigter Künstlerstolz, oder was es nur immer wolle, was sie dazu veranlaßt, durch nichts kann diese Zurückhaltung entschuldiget [390] werden. Uns gebietet die Moral, dem Durstenden, der den Quell nicht zu finden weiß, den Labetrunk selbst darzubringen, und die Kunst, die in schöner Verschwisterung mit jener Hand in Hand gehen soll, will das didicisse sideliter axtes etc. so ganz vergessen, und allein grausam gegen ihre innigen Verehrer seyn? O möchten doch diese wenigen Worte, aus dem Herzen gesprochen, die Herzen derer ergreifen, die sie angehen, und unsere nächste Ausstellung dadurch einen neuen Zuwachs von Meisterwerken erhalten!

Wir wollen niemanden nennen, aber einen jener Künstler, dessen Namen die Kunstwelt mit Bewunderung ausspricht, und dem wir mit Achtung und inniger Verehrung zugethan sind, geht unser Aufruf vor allen andern an. Könnte dieser junge talentvolle Mann wohl hart genug seyn, unserer im Namen des Publikums ihm vorgelegten Bitte zu widerstehen?

      Dresden, am 3. April 1805.

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