Ersch-Gruber:PERPETUUM MOBILE

Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste
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Section 3, Theil 17 (1842), ab S. 212. (Quelle)
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PERPETUUM MOBILE. Im Allgemeinen versteht man unter einem perpetuum mobile eine Vorrichtung, welche sich stets bewegt; es lassen sich aber diese Vorrichtungen in zwei Classen theilen: 1) in solche, welche man ein perpetuum mobile physicum, und 2) in solche, welche man ein perpetuum mobile mechanicum nennen könnte. Die ersten sind diejenigen, bei denen eine in der Natur vorhandene und sich ändernde (bald wachsende, bald abnehmende, oder ihre Richtung ändernde) Kraft fortwährende Bewegungen erzeugt. In diesem Sinne gehört dann das Barometer, dessen Schwankungen durch den Einfluß der Wärme und der dadurch erzeugten Luftströmungen nie aufhören, und die Magnetnadel, welche durch uns noch unbekannte Veränderungen bald mehr nach Osten, bald mehr nach Westen vom Meridian abweicht, und in fortwährender Schwingung sich befindet, zu den perpetuis mobilibus. — Gewöhnlich versteht man indessen, wenn man von einem perpetuum mobile redet, nur die zweite Classe, diejenigen Vorrichtungen nämlich, welche ihre Bewegungen immer beibehalten und stets erneuern, ohne daß eine äußere Kraft zur Hilfe kommt, oder bei welchen ein gleicher Grad von Bewegung von einem Theile zum folgenden im Kreise herum (oder in einer andern in sich zurückkehrenden krummen Linie) so übertragen wird, daß dieselbe Bewegung zum ersten Theile zurückkehrt, ohne eine Verminderung in ihrer Stärke erlitten zu haben.

Die erste Veranlassung zur Idee eines perpetuum mobile in diesem letzten Sinne gab wol die Bemühung, die oft so theuren bewegenden Kräfte durch eine einfache und keine Unterhaltkosten erfordernde Vorrichtung zu ersetzen. Die Beschäftigung mit dieser Aufgabe ist keineswegs neu, schon seit den ältesten Zeiten versuchte man ihre Lösung; und je schwieriger diese sich zeigte, desto mehr wurde der menschliche Scharfsinn angetrieben, die entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden. Nicht blos Gelehrte, welche mit den Gesetzen der Natur und der Bewegung wohl vertraut waren, richteten ihre Bestrebungen auf dieses Ziel, sondern hauptsächlich solche, welche bei beschränkter Kenntniß dieser Gesetze die eigentlichen Schwierigkeiten der Aufgabe nicht einsahen, glaubten sich zu ihrer Lösung berufen, und wurden oft, indem sie mehr Zeit und Kosten, als ihren äußern Verhältnissen angemessen war, auf eine Reihe von erfolglosen Versuchen und Constructionen verwandten, arm und unglücklich. Während in den früheren Zeiten die Meisten die Erfindung eines solchen perpetuum mobile für möglich hielten, fehlte es jedoch auch nicht an Andern, welche diejenigen verspotteten, die sich damit beschäftigten. — Kaspar Schottus theilt verschiedene Vorschläge zu solchen Maschinen mit Technica curiosa lib. X. Part. I. p. 732. (Lips. 1664); noch mehr findet man bei Franziskus de Lanis in seinem magisterium naturae et artis Tom I. lib. 8. c. 2 und 3; in dem Journ. des Savans 1678 p. 165; 1686. p. 9. 29. 95. 104; 1700 p. 245; 1726 p. 590; 1745 p. 29 werden ebenfalls Vorschläge zu Maschinen mitgetheilt, welche sich selbst in Bewegung setzen und erhalten sollen. Papinus scheint die Möglichkeit eines perpetuum mobile nicht zu bezweifeln (Phil. Trans. XV. 1240; XVI. 138. 267; Acta Emd. 1688. p. 335; 1689 p. 322), und ebenso wenig Desaguliers (Phil. Trans. XXXI. 234). Aber C. L. Sturm (in Math. Part. II. p. 366), Bojantus Lorini (vom Festungsbau lib. V. c. 19), Simon Stevinus (in Element. Static. lib. I. prop. 19), Parent (in Mém. de l’Acad. Par. 1700. p. 159), und besonders La Hire in (Mém. [213] de l’Acad. X, 426) erklärten sich bestimmt dagegen, was auch schon früher in Beziehung auf die angebliche Erfindung des Corn. Drebbel von Peiresc in den Briefen an seinen Freund Cambden (G. Cambdeni epistolae. Londini 1691. p. 333 und 387), und von Kepler (epistol. 1718. p. 393) geschehen war. Chr. Wolff leugnet in seinem Math. Lexic. Leipzig 1716, S. 1041 die Möglichkeit eines perpetuum mobile nicht, ja er hat selbst ein Zeugniß über das von Orffyreus construirte (s. nachher) mit unterschrieben. Diez bewies in einer Dissertation 1722 die Unrichtigkeit und Unausführbarkeit der früher gemachten Vorschläge (Perpetui Mobilis mechanici impossibilitas methodo mathematica demonstrata). — Die Akademie zu Paris beschloß im Jahre 1775 gar keinen Vorschlag zur Construction einer solchen Maschine mehr anzunehmen, und erklärte sich hiermit gegen die Möglichkeit derselben. Dasselbe geschah in den letzten Zeiten unter andern auch von Carnot (Principes fondamentaux de l’équilibre et due mouvement. Par. 1803. §. 281), von Zach im Reichsanzeiger 1796 vom 6. Juni und 17. Nov.) und von Thomas Young (Lectures on nat. Phil. T. I. p. 91). — Wenn auch unter denjenigen, welche hinlängliche Kenntnisse in der Mechanik besitzen, längst jeder Gedanke an die Möglichkeit des perpetuum mobile verschwunden ist, so finden sich doch selbst in unsern Tagen unter den halbgebildeten Leuten, namentlich wenn sie eine gewisse Geschicklichkeit in Metallarbeiten besitzen, immer noch viele, die, getrieben von der Hoffnung auf großen Gewinn, den Gedanken an die Herstellung eines solchen zu lieb gewonnen haben, als daß sie ihm nicht in der Stille einen Theil ihrer Zeit widmen sollten.

Am meisten Aufsehen erregte im Jahre 1712 ein gewisser Orffyreus (eigentlich Beßler) in Sachsen (zu Gera), welcher vorgab, nach zehnjährigem Bemühen endlich ein perpetuum mobile zu Stande gebracht zu haben. Er zeigte es öffentlich öffentlich, und ließ sich ein Attestat darüber ausstellen. Die Maschine hob einige Pfunde. Er zog dann nach Draschwitz (einem Dorfe bei Weißenfels), und verfertigte im Jahre 1713 eine größere Maschine, welche sich binnen einer Minute 50 Mal umdrehte und eine Last von 40 Pfund einige Klafter hoch hob. Später begab er sich nach Merseburg und stellte dort (im grünen Hofe vor dem Sixtthore) eine noch größere Maschine auf; sie bestand aus einem Rade, sechs leipziger Ellen hoch und 1 Schuh dick, das sich an einer Welle befand, deren Zapfen in Bretern aufgehängt waren. Die Axe verlängerte sich auf beiden Seiten in zwei Kurbeln, welche mit einem Perpendikel auf jeder Seite verbunden waren, um einen gleichmäßigen Gang zu erzeugen. An der Welle befanden sich auf der einen Seite des Rades acht Arme, um vier Stampfen bei jedem Umlaufe zwei Mal zu heben, und auf der andern Seite ein Seil, das zum Fenster hinausgeleitet war, und eine Last trug. Die Maschine konnte nach dem Zeugniß einer Commission (zu der als fürstlich sächsischer Commissarius Jul. Bernh. von Rohr gesandt war, zu der aber unter andern auch der sächsische Geheimrath Leidenfrost, der Hofrath und Professor Wolff aus Halle, Fr. Hoffmann u. m. A. gehörten), durch zwei Finger ohne die geringste Kraft in Bewegung gesetzt werden; sobald nur ein einziges von den im Kunstrade verborgenen Gewichten zu fallen anfing, bewegte sie sich gleichmäßig fort, konnte nur mit großer Kraft aufgehalten werden, hob eine Last von 70 Pfd. mehrere Male vom Hofe bis ans Dach u. s. w. Gegen die Erfindung des Orffyreus sprachen besonders der Mechanikus Gärtner in Dresden und Borlach, und erklärten sie für Betrug. — Der Landgraf Karl von Hessen-Cassel rief jedoch den berühmten Künstler nach seiner Residenz, und derselbe baute auf dem Schlosse Weißenstein ein neues perpetuum mobile. Der Landgraf ließ zur Prüfung das Zimmer, nachdem die Maschine in Gang gesetzt war, verschließen und versiegeln, und mit Wachen umstellen; bei einer Besichtigung nach acht Wochen fand er die Maschine noch in demselben Gange, und stellte dem Orffyreus hierüber ein Zeugniß aus. (Die angeführten Zeugnisse sammt Zeichnungen der Maschine in: Triumphans perpetuum mobile Orffyreanum u. s. w. von Orffyresu Cassel 1719). — Der Mechanikus Gärtner in Dresden verfertigte dann im Auftrage des Königs August II. von Polen ähnliche Maschinen mit verstecktem Mechanismus; bei zweien derselben schienen Kugeln ein Rad zu bewegen und dann durch dasselbe auf einer gewundenen geneigten Ebene wieder gehoben zu werden. Das eigentliche Triebwerk war in dem Kasten verborgen, auf dem die Maschine stand, und wurde durch ein verstecktes Schlüsselloch aufgezogen. — Bekannt ist noch besonders geworden das von dem Uhrmacher Geiser aus Chaux de Fond verfertigte Rad, das durch Umlegen gegenseitig balancirter Cylinder sich selbst zu drehen und noch eine Uhr in Bewegung zu setzen schien; es war außerordentlich künstlich gearbeitet, und die treibenden Federn und Räder waren in dünnen Stangen verborgen; erst nach Wegnahme des Sekundenzeigers konnte das Räderwerk aufgezogen werden. Die Täuschung war um so stärker, da die Maschine sehr lange im Gange blieb. — Die durch zwei trockene Zambonische Säulen bewegten Pendel sind keine perpetua mobilia, da nach allen darüber angestellten Versuchen die Säulen nach mehren Monaten ihre Kraft verlieren und das Pendel zur Ruhe kommt (s. unter Säule, elektrische, trockene).

Keiner von denjenigen, welche sich mit der Erfindung eines perpetuum mobile beschäftigten, scheint es sich zur Aufgabe gestellt zu haben, eine Maschine herzustellen, die ohne alle äußere Kraft ihre Bewegung anfinge, was nach dem Gesetze der Trägheit auch nicht möglich gewesen wäre, indem die Materie die Ursache zur Ruhe und zur Bewegung nicht in sich selbst hat; sondern jeder nahm eine anfängliche, wenn auch geringe Kraft von Außen an, um die Maschine in Bewegung zu setzen. Bleiben wir bei diesem letztern stehen, so ist allerdings ein perpetuum mobile in der Theorie möglich, wenn wir nämlich alle Reibung, allen Widerstand eines Mittels, worin die Körper sich bewegen, gänzlich hinweg denken; dann ist ein Rad, das durch einen kleinen Stoß in Umdrehung versetzt wird, oder ein Wegebalken, oder ein Pendel, die in [214] Schwingung gebracht sind, ein perpetuum mobile; die Bewegung dieser Körper kann nach dem Gesetze der Trägheit nicht aufhören. In der Wirklichkeit aber kommen alle diese Vorrichtungen durch die Reibung und den Widerstand des Mittels in längerer oder kürzerer Zeit zur Ruhe.

Auf so eine Weise versuchte man aber auch gar nicht, ein perpetuum mobile herzustellen, vielmehr von der Zusammenstellung einer Menge von Theilen hoffte man den glücklichsten Erfolg. Was die Menschen dabei täuschte, war nichts anderes als Misverständnis der Gesetze des Hebels und der schiefen Ebene, auf welche alle übrigen, ncoh so kunstreichen Combinationen zurückkommen. Ein kleineres Gewicht vermag, an einem längeren Hebelsarm wirkend, allerdings ein größeres Gewicht zu heben, wenn nämlich letzteres an einem kürzern Hebelarm wirkt; aber wahrer Gewinn ist nicht dabei; denn das kleinere Gewicht muß einen viel größern Raum zurücklegen, als der ist, um welchen das größere gehoben wird. Ein größeres Gewicht kann freilcih von einem kleinern freifallenden auf einer geneigten Ebene aufwärts gezogen werden, aber wenn letzteres um die ganze Höhe der schiefen Ebene gesunken ist, hat das erstere nur ein ebenso großes Stück, noch nicht aber die ganze schiefe Ebene durchlaufen. Läßt man nun ein Gewicht auf einen Hebelarm wirken, oder freifallen, so ist die dadurch erzeugte Kraft allerdings hinreichend, um einen Widerstand zu überwinden und doch ncoh ein ebenso großes zweites Gewicht an einem kürzern Hebelarm oder auf einer schiefen Ebene zu bewegen. Aber dies zweite Gewicht kann dann nicht um ebenso viel gehoben werden, als das erste gefallen ist; ein drittes Gewicht, das duch den Fall des zweiten in Bewegung gesetzt wird, und nebenbei noch einen Widerstand (und sei es auch nur die Reibung) zu überwinden hat, wird wieder weniger gehoben werden u. s. w. Haben auf diese Weise die verschiedenen Gewichte gewirkt, so kann das letzte das erste nicht wieder zur ursprünglichen Höhe heben; die Kraft wird immer fort abnehmen, und zuletzt ganz aufhören. Gewöhnlich glaubte man zum Ziele zu gelangen, indem man an der Peripherie eines Rades Gewichte anbrachte, um diese durch Drehung von Armen, an denen sie hingen, bald dem Mittelpunkte des Rades näher, bald vom Mittelpunkte entfernter wirken ließ. Sind auf der einen Seite des vertical stehenden Rades alle oder auch nur eins der Gewichte entfernter vom Mittelpunkte, als auf der andern, so muß freilich diese Seite des Rades mit einer bestimmten Kraft sinken; aber diese Kraft ist auch grade wieder nöthig, um die dem Mittelpunkte näheren Gewichte wieder in die weitere Entfernung zu heben, sodaß also zur Bewegung anderer Lasten nichts übrig bleibt; die Reibung und der Widerstand des Mittels, welche als zu überwindende Last stets entgegenstreben, werden immerfort Abnahme der Bewegung und zuletzt Stillstand erzeugen. Zeichnungen solcher Maschinen finden sich z. B. in der schon erwähnten Dissertation von Diez; ebenso auch ein Plan zur Erfindung derjenigen Maschine, welche in der Mechanik das perpetuum mobile genannt wird, von Neumann (Lübeck 1767). — Die meisten der durch Zeichnungen bekannt gewordenen Vorschläge zu diesen Maschinen sind wol nie ausgeführt; viele ausgeführte Vorrichtungen aber, eben weil sie nciht das Gehoffte leisteten, nie bekannt geworden. (Hankel.)