Textdaten
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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Ermunterung
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aus: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung) S. 161–164
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
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Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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Quelle: Google und Commons
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Ermunterung.


A. So oft mir jene guten Männer in die Gedanken kommen, die unter des Papstes Tyrannei mit der emporstrebenden Wahrheit zugleich erstickt wurden, so oft erzürnt meine ganze Seele über die Welt, die keiner Besserung fähig ist.

B. Und doch ist ja im vorigen Jahrhunderte fast die ganze Welt aus dem Schlafe erwacht und zum Lichte der Religion, der Künste, der politischen Cultur zurückgekehret.

A. Man mußte ihr stark genug zurufen, man mußte sie schelten, sie überzeugen! –

B. Ich glaube nicht, daß es damals mit mehr Anstrebung geschehen sei, als vorher; sondern daß alles seine Zeit habe.

A. Die Wahrheit war aber immer dieselbe, Vernunft und Evidenz immer dieselbe. Auch die Menschen halte ich in verschiednen Zeiten nicht so verschieden von einander. Warum erlangten denn Jene gegen das Römische Joch, nicht eben das, was die Zeiten vor uns erlangten?

B. Zuerst mußt du bedenken, daß eine neue Sorge um Freiheit oder Wahrheit nicht schnell auf einmal erdacht werde; lange schleicht sie im Gemüth der Menschen umher, und wagt sodann durch ein geheimes Murmeln, durch laute und lautere Klagen einen Ausflug. Endlich läßt sie sich durch einige kühnere, drohende Worte hören.

A. Ferner.

B. Tritt nun kein gewaltsames Unrecht, keine augenscheinliche Nothwendigkeit dazu; ist keine Hoffnung eines fröhlichen, leichteren Versuchs im Anglanze; wisse, da sinkt in menschlicher Weichheit und Fahrlosigkeit auch das Beste wiederum zu Boden.

A. Traurig!

B. Es sei denn, daß ein edler, zugleich sinnreicher Geist aufstehe! Eine wunderbare Hoffnung ruft sodann auch die Schweigenden auf; und um so leichter führt sie die Rascheren zu einem lauten Bekenntniß.

A. Es ist zu glauben.

B. Und so scheint das, was lange der Wunsch Vieler war, jezt die Ueberredung eines Einzigen.

A. Dem stimme ich bei.

B. Nachher wenn die Parthei zu größerer Stärke heranwächst, treibt sie mit größerer Zuversicht das Ihrige, lehnt sich gegen das Fremde auf; die ersten gemässigten Rathschläge, das erste vorsichtige Institut geht gemeiniglich unter –

A. Nun?

B. Endlich wächst sie zu solcher Größe, daß sie ihrem Urheber selbst zur Last und zur Furcht wird.

A. Offenbar.

B. Nun wirst du urtheilen können, warum auf den ersten Zuruf Luthers die Deutschen so munter und zahlreich aufstanden. Ueberdrüßig waren sie des Römischen Joches, der Römischen Treulosigkeit viel mehr, als der verfinsterten Religion; drohend standen sie also gegen den Papst auf. Noch aber dachten sie nicht an einen Abfall von ihm, bis sie, durch größere Beleidigungen gereizt, ihre Ketten zuerst mit Zunge und Feder, sodann auch schnell mit den Händen zerbrachen. Endlich als der Haß gegen die Römer mehrere Häupter emporstreckte, empfing auch die Kirche neue Wunden. Neue Klagen wurden veranlaßt, denen vielleicht niemand abhelfen kann, als Christus –

A. So wollen wir Christum bitten, daß Er, der so oft Helden erweckt hat, durch die die christliche Welt gleichsam neu erschaffen ward, der Kirche ihren vielleicht letzten Arzt nicht versage.

B. Wünschen, hoffen, erwarten dörfen wir; vergiß aber nicht, daß nur Vieler Wünsche und Seufzer so etwas zuwege bringen können und daß diese die unter einem ausgezeichneten Urheber bestimmte Zeit allmählich selbst herbeiführen.