Erinnerungen aus meinem Leben/In Böhmens Hauptstadt

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aus: Erinnerungen aus meinem Leben
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von: Willibrord Benzler
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In Böhmens Hauptstadt
(1880–1883)

Wenn wir auch bei den Patres Serviten und den braven Tirolern wohl geborgen waren, so war es doch selbstverständlich der Wunsch der Obern, wieder eine eigene klösterliche Heimstätte zu gewinnen. Wir wandten uns an den heiligen Joseph und empfahlen das große Anliegen seiner mächtigen Fürbitte. Jahrelang hielten wir jeden Mittwoch ein feierliches Votivamt zu Ehren des heiligen Nährvaters.

Endlich sollte unser Gebet Erhörung finden. Kardinal Schwarzenberg, Fürsterzbischof von Prag († 27. März 1885), der eine Niederlassung der Beuroner Benediktiner in seiner Diözese zu haben wünschte, wandte sich an Kaiser Franz Josef I. und erwirkte uns die in der böhmischen Hauptstadt gelegene königliche Abtei Emaus[1].

Fürwahr; der heilige Joseph hatte gut gesorgt. Das Kloster Emaus war von Kaiser Karl IV. im Jahre 1347 für slavische Benediktiner ge­stiftet worden. Die große gotische Hallenkirche erhielt im Jahre 1372 am Ostermontag die kirchliche Weihe. Vom Evangelium dieses Tages stammt der Name des Klosters, Emaus. Von 1419–1589 war das Abteigebäude von den Husiten besetzt. Ferdinand III. übergab es im Jahre 1636 den Benediktinern der strengen Observanz von Montserrat. Infolge der von Josef II. dem Kloster aufgebürdeten Lasten ging es in seinem Bestande mehr und mehr zurück. Im Jahre 1880 hatte Emaus keinen Abt mehr, ein Administrator verwaltete das Kloster, dessen Konventualen meist hochbetagt waren.

Beuron sollte neues Leben bringen. Im Januar 1880 gingen die ersten Patres nach Prag ab, um die nötigen Adaptierungsarbeiten in Angriff zu nehmen. Noch im selben Monate folgte ich ihnen mit einigen Laienbrüdern. Am 2. Februar fand die rechtliche Übertragung der Abtei Emaus an die Beuroner Kongregation von seiten der weltlichen und geistlichen Behörde statt. Die bisherigen Konventualen [42] freuten sich über die Neubelebung ihres geliebten Klosters und erhielten angemessene Pensionen bis zu ihrem Lebensende.

Für uns begannen nun recht mühsame, opfervolle Wochen. Doch auch sie gingen vorüber. Zum Feste des heiligen Joseph traf die Klosterfamilie ein, und mit großer Freude begannen wir an diesem Tage das liturgische Chorgebet in unserem neuen Gotteshause.

Bald darauf begingen wir in feierlicher Weise das vierzehnhundertjährige Gedächtnis der Geburt unseres heiligen Ordensvaters Benedikt. Abt Maurus war durch Krankheit in Tirol zurück­gehalten; statt seiner hielt bei diesem außergewöhnlichen Anlasse der infulierte Abt des Prämonstratenserstiftes Strahow das Pontifikalamt. Einige Wochen später konnten wir unseren Abt feierlich empfangen. Doch blieb er nicht lange, da er an den großen Festen teilnehmen mußte, die in Monte Cassino zur Feier des vierzehnten Centenars der Geburt des heiligen Benedikt im Monat Mai stattfinden sollten.

Die Beuroner Kongregation hatte zu diesem Jubelfeste des Ordens zwei gewichtige Beiträge geliefert. Der erste bestand in einem großen Werke des Abtes Maurus Wolter: Præcipua ordinis monastici Elementa (Bruges, Desclée 1880), in dem er in klassischer Sprache die Grundprinzipien des Mönchtums darlegt und durch viele Zeugnisse aus der heiligen Regel, den Konstitutionen der verschiedenen Kongregationen des Ordens, den Entscheidungen der Konzilien und Aussprüchen der heiligen Väter und Lehrer erläutert.

Die zweite Weihegabe war eine künstlerische, die malerische Ausschmückung der Turmgemächer auf Monte Cassino, die einstens dem heiligen Benedikt und seinen ersten Schülern als Wohnung gedient haben sollen. Die erste Anregung zu diesem großartigen Unternehmen ging vom damaligen Prior von Monte Cassino, dem geistreichen P. Bonifaz Krug[2], aus. Der geniale Erfinder des gesamten Planes war P. Desiderius Lenz, dem als ausführende Kräfte [43] die hervorragenden Maler P. Gabriel Wüger und P. Lukas Steiner zur Seite standen. So wurde das großartige Werk geschaffen, das eine Verherrlichung des heiligen Benedikt und seines Ordens darstellt und mit Recht die Aufmerksamkeit aller Kunstfreunde auf sich zieht.

Wir im Kloster nahmen innigen Anteil an dem Entstehen und Werden dieses Werkes. Berichte belehrten uns über den Fortgang der Arbeiten; Skizzen und photographische Wiedergaben ermöglichten es, uns ein ungefähres Bild von dem Geschaffenen zu machen.

Diese Beschäftigung mit der Kunst hatte für uns etwas sehr Bildendes und Befruchtendes, wie denn überhaupt die Mission der Kunst für die Anfänge der Beuroner Kongregation nicht zu verkennen ist. Die herrlichen Schöpfungen der Künstler im Mutterkloster, in der Kirche, im Kreuzgang, im alten Refektorium und besonders in der einzig schönen St. Mauruskapelle verfehlten nicht, auf das Gemüt einen tiefen Eindruck zu machen. Die edlen Gestalten von überirdischer Schönheit zogen von selber den Sinn vom Irdischen zum Höheren, Geistigen empor. Diese Bemühungen der Künstler standen in voller Harmonie mit dem liturgischen und monastischen Leben und förderten wirksam das ideale Streben, das Abt Maurus seiner Kongregation als kostbarstes Erbe hinterlassen hat[3].

Das klösterliche Leben nahm seinen ruhigen Verlauf, im hunderttürmigen Prag nicht anders als im stillen Alpenkloster. Unsere theologischen Studien fanden einen gewissen Abschluß in dem Cura-Examen, das ich mit mehreren meiner Mitbrüder vor dem fürsterzbischöflichen Delegaten zu bestehen hatte. Prälat E. Tersch, Kanonikus des Metropolitankapitels bei St. Veit, verstand es, die Prüfung formell zu einer Glanzleistung zu machen. In natürlicher Gedankenfolge entrollte er vor uns einen großen Teil der praktischen Theologie und bot uns dabei durch Fragen reichlich Gelegenheit, unser Wissen zu zeigen. Da unsere Antworten befriedigten, so [44] erhielten wir die Jurisdiktion für den Beichtstuhl bis zum Widerruf. Zur Verwendung kam die so erworbene Fakultät zunächst bei den Beichten von Schulkindern und Zöglingen höherer Lehranstalten.

Was wir in Prag nicht wenig vermißten, das war die Einsamkeit und die Naturschönheit des Tiroler Landes. Wir waren in der großen Stadt wohl in einer gewissen Abgeschlossenheit infolge der günstigen Lage des Klosters auf einem Hügel über der Moldau; aber die erfrischenden Spaziergänge in der freien Natur waren fast unmöglich gemacht. Häufig pilgerten wir den nahen Vyscherad hinauf zu der ehrwürdigen Kollegiatkirche und dem Reiterstandbild des heiligen Wenzel. Auch zur interessanten Kirche des Karlshofes, einem spätgotischen Kuppelbau von mächtiger Spannung – die Kirche ist dem Andenken Kaiser Karls des Großen geweiht – lenkten wir unsere Schritte.

Der liebste Gang war indessen zu dem etwa dreiviertel Stunden entfernten St. Veit’s Dom auf dem Hradschin. Der Weg führt über die denkwürdige Karlsbrücke, die, mit Standbildern von Heiligen geschmückt, in sechzehn Steinbogen die Moldau überspannt. Von hier war im Jahre 1393 der heilige Johann von Nepomuk in den Strom gestürzt worden. Am Radetzki-Denkmal und an der mächtigen, ehedem den Jesuiten gehörigen St. Nikolauskirche vorbei steigen wir den Hradschin hinan, von dessen Höhe man eine entzückende Aussicht auf das »goldene« Prag genießt, das zu beiden Seiten des Flusses auf fünf Erhöhungen majestätisch gelagert ist. Der Hradschin selber gewährt von unten gesehen einen imposanten Anblick; mächtige Bauten krönen ihn: adelige Höfe, fürstliche Paläste und die ausgedehnten Gebäude der Hofburg; nicht mit Unrecht heißt er der »königliche«.

Der Dom liegt dicht hinter der Hofburg. Er war ein Torso geblieben. Im Jahre 1344 begonnen, ward der dreischiffige Chor mit einem Kapellenkranz in reicher Gotik vollendet. Der mächtige Turm zur Seite erhielt später eine Barockspitze. Der Ausbau des fünfschiffigen [45] Langhauses wurde erst nach der Zeit meines Prager Aufenthaltes von Kardinal Schönborn kräftiger in die Hand genommen.

Der Dom birgt große Schätze. Da ist vor allem das ganz in Silber getriebene Grabmonument des heiligen Johann von Nepomuk, sodann das Grab des heiligen Königs Wenzel in der prächtigen nach ihm benannten Kapelle, ferner sind zu nennen die Überreste der heiligen Ludmilla, der Arm des heiligen Vitus und in einem Altare eine ganze Sammlung kostbarer Reliquien. Vor diesen Heiligtümern verrichteten wir gerne unser Gebet.

Außer dem Dome galt noch zwei anderen Kirchen auf dem Hradschin unser Interesse: die damals ziemlich verlassene St. Georgskirche, die älteste Kirche Prags, mit den Erinnerungen an die selige Mlada, die erste Abtissin des ehemaligen Benediktinerinnenklosters daselbst, und die Loretokirche des Kapuzinerklosters mit dem reichsten Kirchenschatze Böhmens, worunter eine dem Fürsten Lobkowitz gehörige Monstranz mit 6580 Diamanten. Von den übrigen Kirchen Prags besuchten wir von Zeit zu Zeit die Kirche Maria Viktoria mit dem berühmten und viel verehrten Bilde des göttlichen Kindes, dem sogenannten Prager Jesulein. Die kostbaren Kleider, die dem Bilde angelegt werden, stammen zum Teil von der Kaiserin Maria Theresia.

Das kirchliche Leben schien in Prag wenig lebendig zu sein. Allerdings war der Gottesdienst in der Emauskirche gut besucht, besonders an den Sonn- und Festtagen. Das Volk nahm offenbar regen Anteil an der liturgischen Feier. Auch der Gesang der Gläubigen in böhmischer Sprache war sehr schön und hat mich tief ergriffen, obwohl ich die Worte nicht verstand; es dürfte kaum einen eindrucksvolleren Volksgesang geben. Der Sakramentenempfang ließ im allgemeinen sehr zu wünschen übrig. Nur am Emaustage, Ostermontag, wenn Kardinal Fürst Schwarzenberg um acht Uhr in unserer Kirche die heilige Messe zelebrierte und die heilige Kommunion austeilte, war der Zudrang ein großer.

Die Art und Weise, wie die Seelsorge damals betrieben wurde, [46] war freilich der Erneuerung des christlichen Geistes wenig günstig. Die Pfarrer gingen fast ganz in den Kanzleiarbeiten auf. Die Katechese war von der Pfarrseelsorge losgelöst und nach Schulen eigenen Katecheten überwiesen, die auch den Gottesdienst für ihre Kinder abzuhalten hatten an dem Orte und zu der Zeit, die ihnen gut schienen. Unsere Patres mußten da bald aushelfen und in verschiedenen Schulen die Katechese übernehmen.

Daß eine gewisse Vorliebe für den Natiohalhelden Johannes Hus noch nicht ganz geschwunden war, zeigte uns schön der Umstand, daß der zur Vorstadt Ziskow führende Bürgersteig im Pflaster Zeichnungen von Kelchen, den Emblemen der Utraquisten, aufwies.

Doch trat der katholische Sinn bei manchen Gelegenheiten in erbaulicher Weise in die Erscheinung. So war es ein erhebender Anblick zu sehen, wie das Volk in Prozession, mit dem greisen Fürsterzbischof Kardinal Schwarzenberg an der Spitze, betend von einer Kirche zur anderen zog, um einen päpstlichen Jubelablaß zu gewinnen.

Für Emaus war das größte Fest der zweite Ostertag. Da erfüllte von Morgens bis Abends eine gewaltige Volksmenge die Kirche und strömte durch den an diesem Tage geöffneten Kreuzgang, wo die bis zur Unkenntlichkeit verblaßten biblischen Freskobilder immer wieder aufs neue angestaunt wurden.

Doch kehren wir zum klösterlichen Leben zurück. Die belgische Abtei Maredsous war mehr und mehr herangewachsen und hatte uns die ersten jungen Professen gesandt, damit sie in Emaus ihre theologischen Studien absolvierten. Jetzt schien es nötig, das Scholastikat oder, wie wir es nannten, das Klerikat vom Noviziate zu trennen. Die Obern betrauten mich mit der Leitung des Klerikates. Inmitten dieser lieben, strebsamen Fratres erlebte ich angenehme und lehrreiche Jahre.

Aber nicht nur die geistliche Leitung des Klerikates wurde mir übertragen; P. Prior Benedikt hatte mich zu seinem Supplenten gemacht und nach einiger Zeit ruhte der ganze dogmatische Unterricht [47] in meiner Hand. Das war für mich ein neuer Sporn zu eifrigem Studium, das hinwiederum für mich zur Quelle reichen Segens und edelsten Genusses wurde.

Wie dankbar bin ich Gott dafür, daß er mir so Gelegenheit gab, mich eingehender mit den Wahrheiten unseres Glaubens zu befassen, tiefer einzudringen in ihr Verständnis und ihre übernatürliche Schönheit. Noch erinnere ich mich der lebhaften Freude, die ich empfand, als ich beim Studium der Lehre von der Erbsünde aus dem Dunkel dieses Geheimnisses die Güte Gottes so hell hervorleuchten sah. Kann es überhaupt etwas Edleres geben, als an der Hand des Glaubens, soviel die menschliche Schwäche es gestattet, die Gedanken Gottes nachzudenken und in ihrem Lichte sich zu erfreuen? Das dogmatische Handbuch von Scheeben wurde für mich die reichste Fundgrube; aus seiner tiefsinnigen, warmherzigen Auffassung des katholischen Dogmas schöpfte ich die besten Anregungen für mich und meinen Unterricht.

Dreieinhalb Jahre blieb ich in der böhmischen Hauptstadt. Das Leben floß in Gebet und Arbeit friedlich dahin. Noch ist es mir in Erinnerung, wie mich der Gedanke erfreute, daß ich nie die Bürde eines Obern werde zu tragen haben, daß man mich dazu durchaus nicht gebrauchen könne. Leider hatte ich mich geirrt. Die Enttäuschung sollte nicht lange auf sich warten lassen.

Doch ich muß hier noch einer besonderen Gnade Erwähnung tun, die Gottes Güte wohl zur Stärkung für den weiteren, rauheren Lebensweg in Bereitschaft hielt. Bisher war ich mit den kleinen Prüfungen, die der Herr mir schickte, vielfach recht schlecht fertig geworden. Ich verstand noch nicht das Wort des Herrn an Saulus: »Es ist dir hart, gegen den Stachel auszuschlagen« (Apg. 9, 5). Wenn ein Kreuz, zumal ein etwas peinliches, mich heimsuchte, dann sträubte ich mich innerlich und trachtete, ihm zu entgehen. Dieses Widerstreben verwundete aber die Seele nur noch mehr, machte das Kreuz schmerzhafter und störte den inneren Frieden.

Da drang einmal während der Exerzitien ein schlichtes Wort in [48] meine Seele und gab ihr ein ganz neues Licht. »Was liegt daran«, so sagte etwa der Leiter der geistlichen Übungen, »ob wir durch Angenehmes oder Unangenehmes, durch Freud oder Leid, durch Trost oder Traurigkeit, durch Hoffnung oder Furcht zu Gott gehen«. Dieses Wort »was liegt daran«, verstärkt durch das Beispiel des Sprechers, war für mich wie eine Offenbarung; es lehrte mich, mehr auf das Ziel zu schauen, als auf die Beschaffenheit des Weges. Jedes Widerstreben gegen Kreuz und Leid hörte von jetzt an auf; ich schlug nicht mehr wider den Stachel aus, sondern nahm ihn auf und ließ ihn eindringen, so tief er wollte. Das schmerzte, aber es machte nicht mißmutig oder verstimmt, im Gegenteil die Seele befand sich wohl dabei und befestigte sich in Gott und seinem heiligen Frieden.

Hierin erscheint mir in der Tat das Geheimnis des wahren Glückes auf Erden zu liegen. Das Kreuz begegnet uns überall, wir können ihm nicht ausweichen. Wer es ohne Widerstreben aufnimmt, der fühlt es wohl, aber der Gedanke an Gott, der durch das Leiden in uns und an uns arbeitet, ist lindernder Balsam für das verwundete Herz. So habe ich es an mir selber erfahren. Mehr denn dreißig Jahre sind seitdem vergangen, aber noch immer zehre ich von jener Gnade. Nur selten, und dann nur auf kurze Zeit, ist es einer Schwierigkeit gelungen, mich aus dem seelischen Gleichgewichte zu bringen. Gewiß, ich habe bei den Widerwärtigkeiten nicht immer Gottes Absichten erkannt oder erkennen wollen, so daß ich nicht immer auf sie einging, aber innerlich unglücklich konnten mich auch die schwersten Prüfungen nicht machen, weil ich ihnen keinen Widerstand entgegensetzte. Je aufrichtiger die Ergebung ist in Gottes Fügung umso gesicherter ist auch der wahre Herzensfriede.

So war ich denn gerüstet für die Mission, die meiner wartete. ich verhehlte mir nicht, daß Schwierigkeiten kommen werden, sie traten mir vielmehr recht lebhaft mit den Worten des heiligen Paulus vor die Seele: »Quoniam tribulationes me manent« (Trübsale warten auf mich) Apg. 20, 23.

[49] Um diese Zeit wurde an Abt Maurus das Ansuchen gestellt, das ehemalige Augustiner-Chorherrnstift Seckau in Steiermark durch die Gründung einer Ordensniederlassung wieder zu beleben.

Der hauptsächlichste Vertreter und Förderer dieses Planes war Prälat Alois Karlon, Domkapitular in Graz. Er bot alles auf zur Ver­wirklichung seines Herzenswunsches, in Seckau, der Wiege der Diözese, neues klösterliches Leben erblühen zu sehen. Der Diözesanbischof Dr. Johannes Zwerger († 14. August 1893) stand dem Plane wohlwollend gegenüber, und so wurde, nachdem eine Besichtigung an Ort und Stelle ein günstiges Resultat ergeben hatte, die Gründung in Seckau beschlossen.

In demselben Jahre, Sommer 1883, mußte ich in Abwesenheit der Obern für einige Wochen die Leitung der Klosterfamilie in Emaus übernehmen, gleichsam als Probe für die mir zugedachte Mission. Da der Versuch dank des ausgezeichneten Geistes der Kommunität nicht zu schlecht ausfiel, so wurde ich als Prior für die Neugründung in Seckau ausersehen.

Meiner Neigung hätte es weit mehr entsprochen, in untergeordneter Stellung zu bleiben; denn das Befehlen sagte mir wenig zu, während ich im Gehorsam mich sehr glücklich fühlte. Allein, weil der Gehorsam mir die neue Bürde auferlegte, so nahm ich sie als etwas Selbstverständliches an, entschlossen, sie zu tragen, so gut es mir möglich war.

Wir wollten Prag nicht verlassen, ohne den Segen unseres Oberhirten erbeten zu haben. Kardinal Schwarzenberg empfing uns mit herablassender Güte; er kannte Seckau, weil er daselbst einmal das Sakrament der Firmung gespendet hatte; er sprach zu uns von der herrlichen Natur daselbst, die zwar von den Ordensleuten nicht gesucht werde, aber doch geeignet sei, Geist und Herz zu Gott zu erheben. Er entließ uns mit seinem Segen. Nachdem wir auch den Segen unseres Abtes in feierlicher Weise empfangen hatten, traten wir die Reise nach Steiermark an und trafen anfangs September in Seckau ein.


  1. Helmling, Emaus 1903. Ders., Die Urkunden des Königlichen Stiftes Emaus, 2 Teile 1904, 1914.
  2. Geboren zu Hünfeld bei Fulda am 9. September 1838, in Amerika erzogen, trat er in Monte Cassino ein, wurde 1897 Abt und starb am 4. Juni 1909. Er war ein Mann von feiner Bildung und hervorragendem Kunstverständnis.
  3. Über die Beuroner Kunst vgl. J. Kreitmaier, Beuroner Kunst. Eine Ausdrucksform der christlichen Mystik. 3. Aufl., Freiburg 1921. Vergl. darin S. XVII f. die wichtigste sonstige Literatur.