Textdaten
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Autor: Johann Nepomuk von Nußbaum
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Titel: Erfrieren
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51–52, S. 892, 894, 912–914
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Erfrieren.

Von Geheimrath von Nußbaum in München.

Recht häßliche und unangenehme Zustände, ja sogar schwere Schäden mancher Art entstehen nur deßhalb nach Erfrierungen, weil viele Menschen nicht wissen, wie sie sich davor schützen können. Zarte, weiße Gesichtchen werden jährlich ein paar Mal, gewöhnlich beim ersten Schneefall und vielleicht auch im Hochsommer von einer rothen, glänzenden Nase verunstaltet; manche nette Hand weist zu diesen Zeiten blaurothe geschwollene Finger auf – Alles nur, weil man sich in frühester Jugend bei Erfrierungen recht unzweckmäßig benommen hat und Niemand bessere Rathschläge zu geben wußte. Bei falscher Behandlung werden Frostbeulen sehr unangenehm und führen zum Verlust einer oder mehrerer Zehen durch Brand, und ein solcher Vorgang kann sogar das Leben in Gefahr bringen, wie wohl mancher Jagdfreund weiß.

Wenn uns bei großer Kälte schwächende Einflüsse treffen, so können wir auch scheintodt einschlummern, um vielleicht nie mehr zu erwachen.

Kein Mensch weiß, in welche Verhältnisse er kommen kann. Die muthigen Soldaten, welche mit Napoleon I. das brennende Moskau verließen, hatten wohl, so lange sie in dem sonnigen Frankreich waren, nie daran gedacht, daß sie auf russischen Schneebänken ausruhen und in einen Schlaf verfallen würden, der nie mehr endet. Gar Mancher von ihnen hätte vielleicht sein Leben gerettet, wenn er jemals von einigen nützlichen Vorsichtsmaßregeln für solche Zufälle gehört hätte.

Viele meinen, wenn sie recht kräftige Spirituosen trinken würden, könnten sie der Kälte leichter Widerstand leisten; allein dieser Rath ist nicht sehr vertrauenerweckend. Erhöhen wir auch durch einen erhitzenden Trunk die Thätigkeit mancher Organe, so ist nicht zu vergessen, daß das Trinken der Spirituosen Blutandrang nach dem Gehirn verursacht und daß auch die Kälte das Blut von der Haut nach den inneren Organen und vorzüglich nach dem Gehirn hintreibt. Starkes Trinken muß also die Hirnkongestionen, welche in großer Kälte entstehen, erst recht begünstigen.

Gute Ernährung, eine gewisse Abhärtung, ein energischer Charakter und ein gesundes Herz sind die besten Schutzmittel gegen das Unglück des Erfrierens.

Enge anschließende Kleider, welche den Kreislauf des Blutes beeinträchtigen, und naßkaltes, windiges Wetter soll man, wenn möglich, ängstlich vermeiden.

Es existirt bei vielen Menschen und sogar bei einigen Aerzten der Glaube, daß man sich nur dann die Glieder erfriert und nur dann in Lebensgefahr kommt, wenn man zu rasch vom Kalten in die Wärme gebracht wird. Die Meisten meinen, wenn man mit dem Erwärmen recht vorsichtig und langsam zu Werke geht, ließe die Kälte nie einen bleibenden Schaden für unsern Körper zurück.

Es ist auch ganz zweifellos, daß das rasche Erwärmen recht gefährlich und daß an der richtigen Pflege der Erfrorenen sehr viel gelegen ist; denn die Erfahrung zeigt, daß die Einen ihre erfrorenen Glieder bald zur Heilung bringen und nie wieder davon geplagt werden, während Andere alle Jahre ein paar Mal daran zu leiden haben. Allein man muß doch zugeben, daß sehr große Kälte schon allein, ohne nachfolgende verderbliche rasche Erwärmung, auch genügt, um schwere Leiden hervorzurufen.

Einen großen Einfluß übt hierbei die Individualität aus. Werden grelle, rasche Uebergänge vom Warmen ins Kalte und vom Kalten ins Warme vermieden, so kann ein gesunder Mensch allerdings sehr hohe Kältegrade ohne Schaden aushalten, namentlich wenn er geistig erregt, energisch, thätig, muskelkräftig ist und einen gesunden Herzmuskel, das heißt einen regelmäßigen, kräftigen Puls, hat.

Temperaturen, bei welchen Weingeist und Quecksilber gefrieren, erträgt noch der gesunde Mensch. So ist es z. B. bekannt, daß Theilnehmer einer Nordpolexpedition 50 Grad unter Null schadlos ertrugen. Bei noch höheren Kältegraden würde aber wohl jeder Mensch Schaden erleiden.

Hingegen kommt es oft vor, daß schon bei ganz mäßiger Kälte, wenn der Thermometer nur einige Grade unter dem [894] Gefrierpunkt steht, bedeutende Uebel, sogar mit tödlichem Ausgang zu Stande kommen, wenn die Menschen blutarm, schlecht genährt, verweichlicht oder geistig niedergedrückt sind. Greise, Kinder, bleichsüchtige Mädchen, Säufer, namentlich Branntweintrinker, Leute, welche einen schlechten Herzmuskel haben, bekommen leicht Frostbeulen und erfrieren sogar sehr schnell, wenn sie bei starker Kälte müde und schläfrig werden. Es tritt alsbald ein Zustand von Betäubung ein, und sobald sie sich dann niedersetzen, um auszuruhen, schlafen sie ein und erwachen meist nicht mehr. Lange Zeit hindurch verbleiben sie in scheintodtem Zustande, athmen noch ein ganz klein wenig, und auch ihr Herz macht noch leise Anstrengungen, etwas Blut hin und her zu treiben.

Gerade diese Herzbewegung ist es auch, welche den Scheintod so lange erhält. Sie übt auf die Lungen einen leisen Druck aus und bewirkt dadurch eine Art künstliche Athmung, welche aber so gering ist, daß Laien und selbst Aerzte Erfrorene oftmals für todt halten.

Als Napoleon I. von Rußland nach Frankreich zurückgekehrt war, wurde es ihm zur Gewißheit, daß viele seiner Soldaten scheintodt begraben worden waren, und er setzte einen großen Preis aus für das sicherste Mittel, den Scheintod von dem wirklichen Tod zu unterscheiden. Den Preis erhielt Professor Andral, welcher behauptete, das Behorchen der Herztöne mit dem Stethoskop (Hörrohr) sei das sicherste Mittel, um Scheintod von wahrem Tod zu unterscheiden, weil man hiermit das Auspannen der Herzklappen noch zu einer Zeit hören könne, wo alle anderen Üntersuchungsmethoden kein Lebenszeichen mehr nachweisen würden. Napoleon’s Preis würde aber eigentlich dem deutschen Professor Middeldorpf in Breslau gebührt haben, der mit seiner Akidopeirastik (Nadeluntersuchung) noch Lebenszeichen nachwies, nachdem man mit Andral’s Stethoskop schon lange keinen Herzklappenton mehr gehört hatte.

Auch heut zu Tage ist Middeldorpf’s Akidopeirastik noch die sicherste Methode, den Scheintod zu erkennen; sicherer als der Fußsohlenschnitt und das Brennen mit Siegellack und alles Andere. Man stößt eine lange Stecknadel zwischen fünfter und sechster Rippe in das Herzfleisch, was bis zu einer gewissen Tiefe ganz ungefährlich geschehen kann. Die Nadel ist so lang, daß ungefähr die Hälfte derselben außerhalb der Brust sichtbar ist.

Die leiseste Bewegung des Herzens erzeugt ein Zittern jener Nadelhälfte, die außerhalb der Brust sichtbar ist.

Doch darf Niemand glauben, daß die scheintodt beerdigten Napoleon’schen Soldaten etwa im Grabe erwacht seien. So sicher es ist, daß man durch sorgfältige Pflege eine große Anzahl derselben hätte retten können, eben so sicher kann man behaupten, daß ihre Erstarrung, wenn keine sorgfältigen Belebungsversuche gemacht wurden, ununterbrochen in den wahren Tod überging.

Leider weiß man heute noch nicht, wie lange bei Erfrorenen dieser Scheintod dauern kann, ob fünf bis sechs Tage, wovon viele Beispiele existiren, oder ob noch viel länger.

Wir haben schon im Eingang auf den verderblichen Einfluß einer unvorsichtigen Erwärmung bei Erfrorenen hingewiesen. Wird dieselbe zu rasch bewerkstelligt, so tritt eine so heftige Reaktion ein, daß die Behandelten daran sicher zu Grunde gehen.

Gefrorenes und wieder aufgethautes Blut ist zwar noch roth, aber lackfarben. Der Blutfarbstoff hat sich von den Blutzellen getrennt. Solches aufgethaute Blut erzeugt im normalen Blute Gerinnungen, und man kann sogar ein gesundes Thier tödten, wenn man aufgethautes Blut in seine Gefäße spritzt. Anders aber gestaltet sich der Vorgang bei Erfrorenen, welche sehr langsam erwärmt und belebt werden.

Wird eine ganz kleine Menge des erfrorenen Blutes wieder aufgelöst und dem Organismus zugeschwemmt, so wird derselbe diese kleine Menge Gift überwinden.

Aus diesem Grunde darf auch, wenn man bei Erfrorenen Wiederbelebungsversuche anstellt, die Erwärmung und Flüssigmachung der Säfte nur langsam vor sich gehen. Am besten legt man Erfrorene in Schnee und reibt sie mit Schnee, nimmt sogar öfters wieder frischen Schnee, und ersetzt dann diesen durch recht kaltes Wasser. Endlich giebt man in einem ungeheizten Zimmer ein kaltes Bad, reibt Brust und Herzgrube recht mit frischem Wasser; dann erst kann man den Erfrorenen in ein kaltes Bett legen, mit kalten Decken einhüllen und ihm ein kaltes Wasserklystier geben.

Einige blasen mit einem Blasbalge frische Luft in ein Nasenloch, während sie das andere Nasenloch und den Mund gut zuhalten. Allein nach meiner Erfahrung kommt hierbei die Luft weit mehr in den Magen als in die Lungen. Will man eine künstliche Athmung einleiten, so ist es viel besser, abwechselnd des Kranken Arme fest an seine Brust hin zu drücken und dann wieder über seinen Rumpf hinauf zu heben, oder noch einfacher, mit unseren beiden Händen langsam (alle zwei bis drei Sekunden) Brust und Bauch des Erfrorenen zusammenzupressen.

Bemerkt man leise Lebenszeichen, etwa zuckende Bewegung der Augen oder Veränderung der Lippenfarbe oder einen leisen Athmungsversuch, so kitzelt man mit einer Feder die Nase, träufelt belebende Flüssigkeiten in Mund und Schlund: Wein, Kognak, Hirschhorngeist etc. Kommen deutlichere Lebenszeichen, so gießt man von den ebengenannten Belebungsmitteln ein paar Kaffeelöffel voll in den Mund und läßt auch ein Klystier mit einem Löffel Wein oder Kognak geben, während man die Haut mit Spirituosen reiben läßt und den Kranken in ein erwärmtes Bett bringt. Eine Tasse warme Suppe oder schwarzer Kaffee, auch ein gutes Glas Bier ist jetzt das Geeignetste. Sollte aber die Aufregung zu stark werden, so gebe man ein laues Bad und beruhigende Mittel, etwa ein Glas Mandelmilch oder eine kleine Dosis Morphium.

In den gewöhnlichen Verhältnissen unseres Lebens werden jedoch derartige Unglücksfälle nur selten zur Beobachtung kommen; desto zahlreicher sind aber die Klagen über erfrorene Finger und Zehen, Ohren und Nasen, über quälende Frostbeulen, auf die wir am Schluß dieses Artikels eingehen werden.

[912] Manche Leute glauben, daß die Finger und Zehen und die Nasenspitzen nur deßhalb so leicht erfrieren, weil sie so weit vom Herzen entfernt sind und darum vielleicht weniger gut mit warmem Blute versorgt werden. Obwohl ich dem nicht ganz widersprechen will, so scheint doch der Hauptgrund hierfür darin zu liegen, daß diese Theile sehr dünn und klein und der Luft recht frei ausgesetzt sind.

Werden solch kleine Theile großer Kälte preisgegeben, so ziehen sich die Adern zusammen und treiben das Blut gegen das Centrum. Die Rückflächen der Finger und Zehen erfrieren zuerst, werden blaß, gefühllos, die Glieder selbst starr und bewegungslos.

Nach einiger Dauer gefriert das Blut in den Adern zu Eis; alle Gewebsfasern werden spröde und brechen sehr leicht. Erfrorene Glieder sind aber nicht todt; langsam erwärmt, genesen sie wieder vollkommen. Werden sie aber großer Kälte ausgesetzt und dann rasch erwärmt, so giebt es eine heftige entzündliche Reaktion, gerade so, als wenn man normal warme Theile der Siedhitze aussetzen würde.

Erkältung allein kann wohl eine Erstarrung, eine Brüchigkeit und Gefühllosigkeit bewirken, aber eine entzündliche Reaktion entsteht nur nach unvorsichtiger rascher Erwärmung. Nur solch unpassendes Verhalten bringt alle die Uebel, welche wir als erfrorene Glieder, Frostschäden oder Frostbeulen bezeichnen.

Frostbeulen, wobei die Haut und das unterhäutige Zellgewebe entzündet ist und wuchert, verursachen bei warmer Witterung oft unerträgliches Jucken.

[913] Der erste Grad dieser Entzündung macht die Glieder blauroth, violett, geschwollen und glänzend gespannt.

Erfrorene Glieder sind anfangs kalt und schwer beweglich, machen stechende Schmerzen, gerade wie ein eingeschlafenes Glied, namentlich Abends bei naßkaltem Wetter. Im Frühjahr und Sommer verschwindet oft das ganze Uebel, manchmal tritt es aber auch mitten im Sommer wieder auf. Im ersten Winter sind die Schmerzen heftiger als in den folgenden.

Ein zweiter und höherer Grad der örtlichen Erfrierung entsteht, wenn höhere Kältegrade eingewirkt haben oder die Erwärmung noch ungeschickt rascher geschah.

Alle Symptome sind dann heftiger. Die Oberhaut der Finger berstet, und es entstehen schmerzhafte Risse, Blasen und Geschwüre.

Als dritten Grad bezeichnet man jene Erfrierungen, wo das erfrorne Glied entweder sofort brandig wird oder, wenn es sich vorher heftig entzündet hat, in Brand übergeht. Jedoch geht der Brand selten tief, sondern er beschränkt sich meist nur auf die Oberhaut, welche grau, schwarz und trocken wird. Unter diesem oberflächlichen Brand findet man gewöhnlich ein gutartiges heilbares Geschwür.

Thaut ein erfrorenes Glied auf und wird das gefrorene Blut wieder flüssig, so kann das Blut eine Zeit lang in die offenen Gefäße hinein, und es kommt darauf an, ob die Gefäße und Gewebe den Stoffwechsel bewerkstelligen können, oder ob, wie bereits weiter oben angedeutet wurde, das aufgethaute lackartige Blut wie Gift wirkt, Blutgerinsel und Blutstauung begünstigt und durch diesen lokalen Schaden eine mangelhafte Ernährung oder eine Art allgemeiner lebensgefährlicher Vergiftung bringt. Das ist zweifellos der Hauptgrund, warum sich eine rasche Erwärmung erfrorener Individuen wie erfrorener Glieder so gefährlich erweist.

Vor Allem dürfte der beste Rath sein, sich vor Erfrierungen zu bewahren. Wenn man das bisher Erwähnte überblickt, so ist das beste Präservativmittel ein kräftiger, gesunder, gutgenährter Körper mit einem gesunden Herzen.

Ferner wird bei großer Kälte eine vernünftige warme Kleidung zu empfehlen sein, welche nirgends enge ist und die Blutcirkulation nicht beschränkt.

Hellgefärbte Kleider sind wärmer als dunkelgefärbte.

Weiße Kleider sind bekanntlich im Winter am wärmsten und im Sommer am kühlsten; schwarze Kleider hingegen im Winter am kühlsten, im Sommer am heißesten.

Wollkleider sind natürlich wärmer als Leinen und Seide, welch’ letztere viel bessere Wärmeleiter sind.

Bei recht großer Kälte, namentlich, wenn trockner Wind geht, dürften wollene Handschuhe nicht ganz werthlos sein.

Eine gewisse Abhärtung und das Vermeiden jeder Verweichlichung ist recht zu empfehlen. Gesunde Kinder soll man bei jedem Wetter ausgehen lassen und die Haut derselben durch tägliche kalte Waschungen abhärten.

Werden Kleider und Schuhe bei naßkalter Witterung feucht, so soll man sich, sobald man nach Hause gekommen, umkleiden.

Hat man aber thatsächlich das Unglück gehabt, sich ein Glied zu erfrieren, so daß es blaß, steif, kalt, gefühl- und bewegungslos wird, so vergesse man ja den Hauptgrundsatz nicht und erwärme den erfrornen Theil nicht zu rasch; man reibe das erfrorne Glied in einem ungeheizten Zimmer mit Schnee oder Eis, bis einige Empfindung zurückkehrt; dann reibe man dasselbe mit kaltem Wasser und wickle es zuletzt in feine Leinwandläppchen, welche mit einer Mischung von fünf Theilen Goulardischem Wasser und einem Theil Kamphergeist befeuchtet sind und mit Guttaperchapapier oder Wachstaffet umwickelt und eingebunden werden.

Recht nützlich erweist sich auch, wenn einmal wieder etwas Empfindung zurückgekehrt ist, ein Handbad oder Fußbad mit Chlorkalk, wobei etwa in einem Waschbecken kalten Wassers ein gehäufter Eßlöffel Chlorkalk aufgelöst wird.

Will man die Sache recht gründlich machen, so lege man sich Abends in das Bett, hülle die erfrornen Glieder in Flanell und trinke etwas Schweißtreibendes: ein paar Tassen warmen Flieder-, Minzenthee oder Punsch.

Wird eine Hand oder ein Fuß, der Nachmittags ganz erfroren und pelzig war und bald nachher bis zur Rückkehr der Empfindung mit Schnee tüchtig gerieben wurde, Abends im Bette in Schweiß gebracht, so ist die Erfrierung meist gründlich kurirt und kaum ein Rückfall zu befürchten.

Manche Frau bereut es nach zwei und drei Jahren, wenn sie oft im Jahre ihr dicker, krebsrother Finger recht juckt, daß sie nicht gleich bei den ersten Erfrierungssymptomen recht gründlich zu Werke gegangen ist.

Das wenige hier Gesagte reicht bei sorgfältiger Anwendung aus. Es giebt aber ein ungeheures Heer von Heilverfahren und Heilmitteln, welche gegen erfrorene Glieder empfohlen sind. Diese passen aber alle erst dann, wenn durch unvorsichtige Behandlung Schäden zurückblieben, Frostbeulen und Geschwüre entstanden sind. Das häufige Vorkommen solcher Leiden beweist in der That, wie selten es ist, daß ein erfrorenes Glied sofort gut und energisch behandelt und wieder ganz gesund gemacht wird.

Selbst Aerzte giebt es, welche meinen, es sei unmöglich, Frostbeulen zu verhindern, wenn ein Glied erfroren sei. Allerdings giebt es ausgedehnte und hochgradige Erfrierungen, wo die beste Behandlung nicht mehr im Stande ist, einen Frostschaden, ja sogar das Absterben eines kleinen Theiles der erfrorenen Glieder zu hindern.

Im Allgemeinen aber kann man sagen, daß sich Frostschäden durch sorgfältige Behandlung gleich nach der Erfrierung vermeiden lassen und daß auch jene Frostschäden, welche durch zu rasches Erwärmen und unpassende Behandlung erzeugt wurden, durch eine fleißige und zweckmäßige Pflege sehr gebessert werden können.

Zur Beseitigung der rothen Flecke, welche besonders auf den Nasen sich einstellen und oft recht häßlich werden können, gebrauchte man bis jetzt heiße Wasserdämpfe und darauffolgende Waschungen mit sechsfach verdünnter Salzsäure oder Chlorkalklösung von einem gehäuften Kaffeelöffel Chlorkalk in einem halben Schoppen reinen Wassers.

In neuester Zeit lasse ich aber mit viel besserem Erfolge täglich mehrmals heiße Wasserdämpfe anwenden und Nachts eine Salbe einpinseln, in welcher 1 Theil Ichthyol auf 8 Theile Vaselin enthalten ist.

Leider hat das Ichthyol eine braune Farbe, läßt sich aber Morgens mit warmem Seifenwasser sehr leicht wegwaschen. Mag sich Jemand seiner rothen Nase wegen den Augen der Welt [914] entziehen, so kann er die Bepinselung mit Ichthyol am Morgen nach gebrauchtem Wasserdampf wiederholen, und das Heilmittel also in 24 Stunden zweimal einwirken lassen, was den guten Erfolg vergrößern und beschleunigen wird.

Von der großen Anzahl empfohlener Mittel hat doch fast jedes seine Eigenthümlichkeit; der einen Natur wird dieses, der andern jenes mehr nützen, weßhalb es recht klug ist, die Wahl jenem Arzte zu überlassen, der die Natur des Beschädigten kennt; denn alle Mittel, die kräftig und nützlich wirken, können bei unpassendem Gebrauche auch recht schaden. Leider treten aber gerade derartige Unglücksfälle oft in Situationen und an Orten auf, wo Aerzte nicht zu Gebote stehen, und deßhalb ist es vielleicht recht gut, wenn von diesen Verhältnissen auch Laien etwas wissen.