1. Unbewußt wird er geboren, des Katheders künftger Hort,
martert nachts die Elternohren, noch gehorcht ihm nicht das Wort.
Seht, da liegt er in der Windel, den der Frack einst zieren soll:
|: Jeder Zoll ein Wickelkindel, einst Professor jeder Zoll. :|
2. Wackres Schreien stärkt die Lunge, und so brüllt er tapfer zu;
bald zerreißt der stramme Junge dutzendweis die Kinderschuh. Bald
auch lernt er studienselig Ein=mal=eins und Abc, reift zur Sexta auf
allmählich, stürzt sich in das klass’sche Weh.
3. Auf der Schulbank hartem Holze prüft er seinen Wissensdrang,
schwelgend im Primanerstolze singt er Oden bogenlang, leicht durchbricht
sein frohes Alter euren Wall, Examina, und, entpuppt zum bunten
Falter, steht ein flotter Studio da.
4. Schwärme nur, du Sohn der Musen, sorgenarm und thaten=
stark, eine Welt im warmen Busen und im Beutel eine Mark!
Schwärme, liebe, trink und scherze, künftiges Professorlein; spät noch
glüh dein altes Herze von der Jugend Wiederschein!
5. Zehn Semester sind verflossen — eine Thräne sei geweiht dir
und deiner Lust Genossen, alte Burschenherrlichkeit! „Sehe jeder, wie
er’s treibe!“ ruft das Schicksal donnernd drein, „denke, rede, lies und
schreibe, künftiges Professorlein!“
6. Treulich geht er nun ans Denken, bis die Welt ihn Doktor
nennt; bald vor staubbedeckten Bänken redet der Privatdozent. Treulich
liest er lange Jahre und erringt die Professur, schreibt sich weiß die
grauen Haare, wird Geheimrat, wird Komtur. ...
7. Aber wir im Burschenkreise freuen uns des wackern Herrn,
denn im Chore summt er leise — und er summt’s von Herzen gern: —
Schwärme, liebe, trink und scherze, künftiges Professorlein; spät noch
glüh dein altes Herze von der Jugend Wiederschein!
Edwin Bormann.