Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“

Textdaten
Autor: Dr. Otto Finsch
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Titel: Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 81, 83–86
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Fortsetzung in Heft 6
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Das Junggesellenhaus auf Bilibili.
Nach einer Skizze von Dr. O. Finsch gezeichnet von A. von Roeßler.

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Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“[1]

I. 0Astrolabe-Bai bis Festungs-Kap.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).


Abfahrt von Sydney. – Mioko. – Ankunft in Astrolabebai. – Erste Begegnung mit Eingebornen. – Aeußeres. – Bekleidung. – Schmuck. – Kunstfertigkeiten. – Lebensweise. – Hausthiere. – Häuser. – Bevölkerung. – Insel Bilibili. – Junggesellenhaus, ein Kunstbau der Steinzeit. – Schönes Küstenland. – Töpferei.

Topffabrikation in Bilibili.

Die nothwendigen Veränderungen und die Ausrüstung der „Samoa“ hatten viel mehr Zeit, als vorauszusehen war, erfordert, und so konnten wir erst in der ersten Hälfte des September 1884 Sydney verlassen. In Australien geht nämlich meist Alles langsam, und man scheint dort das Yankeewort „time is money“ nicht zu kennen; wenigstens ließ sich in Sydney kein Handwerker finden, um bei einem Tagelohn von 14 Mark noch 4 Mark für eine Extrastunde zu verdienen.

Wir liefen zunächst Mioko, das Hauptetablissement der Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee-Inseln zu Hamburg, in der Herzog York-Gruppe an, um unsere Vorräthe zu löschen, und gingen in den ersten Tagen des Oktober nach Neu-Guinea weiter, und zwar war Astrolabe-Bai unser nächstes Ziel. So heißt eine ausgedehnte Einbuchtung ziemlich unterm fünften Grade südlicher Breite, die in den zwanziger Jahren zuerst von dem französischen Seefahrer Dumont d’Urville mit dem Schiffe „Astrolabe“ gesichtet, seither aber erst 1871 von N. de Micluho-Maklay, einem russischen Reisenden, besucht wurde. Er brachte hier fünfzehn Monate zu, hat aber über seine Erlebnisse kaum etwas veröffentlicht.

Die Reise verlief, mit Ausnahme eines kurzen Zusammentreffens mit Eingeborenen der French-Inseln, nördlich von Neu-Britannien, die sich sehr scheu zeigten, ereignißlos. Die See war, wie so häufig in diesen Breiten, glatt wie ein Spiegel und schien wie ausgestorben, denn nur selten ließen sich Meeresvögel sehen und zwar Fregattvögel, braune Tölpel (Sula) und schwarze Meerschwalben (Anous).

Am Morgen des vierten Tages hatten wir die Küste von Neu-Guinea vor uns – ein Anblick, der Alle befriedigte und überraschte, und dampften in die weite Astrolabe-Bai hinein. Sie ist von dicht bewaldeten Bergreihen umschlossen, hinter denen wiederum höhere Gebirgsketten, nach Süden zu das über 10 000 Fuß hohe Finisterregebirge, vorragen, welche das Landschaftsbild zu einem sehr anziehenden gestalten. Längs der Küste dampfend spähten wir vergebens nach Eingeborenen oder deren Niederlassungen, nirgends war eine Spur derselben zu entdecken! Astrolabe-Bai schien todt! Da, in weiter Ferne, zeigte sich plötzlich ein heller Fleck, den unsere Seefahrer für das Segel eines Schiffes ansprachen, und schon erging man sich in Betrachtungen über das bevorstehende Zusammentreffen mit Rassegenossen. Aber das angebliche Segel blieb unverändert und erwies sich später als eine Gruppe einfarbig gelbbelaubter Bäume. Solche gelbe Bäume, die sich schon von Weitem so auffallend in der meist einfarbig

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Krieger von Bilibili.

dunkelgrünen Ufervegetation markiren, sind, wie wir später inne wurden, ein ziemlich sicheres Zeichen von dem gleichzeitigen Vorhandensein menschlicher Ansiedelungen und werden offenbar von den Eingeborenen kultivirt. Dasselbe gilt für diesen Theil Neu-Guineas, ja für die ganze Nordostküste, bezüglich der Kokospalme, die in Astrolabe übrigens sehr spärlich vorkommt.

Wir waren in der südöstlichsten Ecke der Bai, dem sogenannten Constantin-Hafen, zu Anker gegangen, aber noch immer ließen sich keine Eingeborenen sehen; nur einige Vogelstimmen machten sich bemerkbar. Und diese noch spärlich genug, denn die heiße Nachmittagssonne brannte mächtig herab, und dann schweigt die Vogelwelt meist; nur das Schäkern des nimmermüden Lederkopfes (Tropidorhynchus), die tiefe Baßstimme des Raben (Corvus orru) und kreischende Papageien und Kakadus lassen sich vernehmen. Plötzlich wird die Ruhe durch den Ruf „Kanaka! Kanaka!“ unterbrochen! Das scharfe Auge unserer Mioko-Schwarzen hat Eingeborene in dem Uferdickicht entdeckt. Und wirklich! Da hockt eine lange Reihe dunkler Gestalten, regungslos und bewegungslos wie Bildsäulen; Pfeil und Bogen oder den Wurfspeer sorglich im Arm haltend. Ich ließ sogleich das Boot klar machen und mich ans Ufer rudern. Aber unsere Schwarzen hatten keine Eile, denn sie fürchteten sich, wie stets bei solchen Gelegenheiten, und unseren weißen Matrosen ging es nicht besser. „Es ist doch nicht egal, ob man in die Brust oder in den Rücken gespeert wird!“ meinte Peter und drehte seine Vorderseite den gefürchteten „Wilden“ zu, als wir ihnen längst in Pfeilschußweite nahe waren. Und den „Wilden“ ging es ebenso, das heißt, sie fürchteten sich nicht minder! Kaum stieß das Boot auf Grund, so sprang ich ins Wasser, ging unter unsere neuen Freunde, vertheilte allerlei Kleinigkeiten, schüttelte Dem die Hand, umarmte Jenen und hatte in kurzer Zeit ihr Vertrauen so gewonnen, daß ich gleich eine ganze Bootsladung Eingeborener mit an Bord brachte.

Was die Letzteren anbetrifft, so unterscheiden sie sich in keiner Weise von Bewohnern der Südostküste Neu-Guineas oder Papuas überhaupt, zu denen alle Melanesier gehören. Wie diese sind es mehr oder minder dunkelbraune, zuweilen fast schwarze Menschen, mit kräuslichem, wolligem Haare, machen also ganz einen negerhaften, aber keineswegs abstoßenden Eindruck. Obwohl sie im Ganzen schwächlicher sind als ihre dunklen Brüder in Neu-Britannien, ist ihre Erscheinung schon deßhalb ansprechender, weil sie Alle wenigstens eine gewisse Bedeckung tragen, während jene völlig nackend einhergehen, wie wir dies zuletzt auf den French-Jnseln sahen. Die Männer schlagen ein breites Stück Tapa, das heißt Zeug aus dem Baste des Papiermaulbeerbaumes, sorgfältig um die Hüften; die Weiber, ja selbst ganz kleine Mädchen, sind mit einem langen bis über die Kniee herabfallenden Röckchen aus gespaltener Palmfaser bekleidet. Im Uebrigen kommen noch verschiedene Zierrathen, meist aus Muscheln, Hundezähnen, Fruchtkernen u. dergl. in Betracht, und außerdem bei festlichen Gelegenheiten Bemalen mit rother, schwarzer und weißer Farbe, den Urfarben des Menschengeschlechts. Ausputz von Blumen und buntgefärbten Blättern, neben Federschmuck, spielen eine Hauptrolle, und zwar wiederum vorzugsweise für das starke Geschlecht; denn die Weiber werden bei allen diesen Völkern sehr bescheiden bedacht. Sie entbehren in Astrolabe-Bai sowie fast an der ganzen Nordostküste sogar der Tätowirung, die sonst für das schöne Geschlecht eine besondere Körperverzierung bildet. Ich könnte noch gar Mancherlei über diese Eingeborenen berichten, muß mich aber leider auf Weniges beschränken. Vor Allem ist hervorzuheben, daß sie keine Menschenfresser sind, wie meist irrthümlich von allen Bewohnern Neu-Guineas geglaubt wird. Im Gegentheil, je mehr wir mit ihnen bekannt wurden, um so mehr lernten wir sie als Menschen schätzen, auf welche die landläufige Bezeichnung „Wilde“ in keiner Weise paßt, da sie bereits auf einer gewissen Kulturstufe, derjenigen der Steinzeit, stehen. Dafür sprechen nicht nur ihre socialen Einrichtungen, sondern auch ihre sorgsam gepflegten Pflanzungen und die Geschicklichkeit in Anfertigung verschiedenartiger Geräthe und Zierrathen, die zuweilen von wirklicher Kunstfertigkeit zeugen. So z. B. die geschmackvollen Muster, welche auf Bambusbehältern oder breiten Armbändern aus Schildpatt nur mit Hilfe von Muschel- und Steinwerkzeugen eingravirt werden. Auch in Holzschnitzereien sahen wir sehr beachtenswerthe Leistungen, nicht bloß in Schüsseln und anderen praktischen Geräthschaften, sondern in Erzeugnissen, die ihre Herstellung jedenfalls idealen Eingebungen verdanken. So fand ich im Dorfe Bongu eine an acht Fuß hohe menschliche Figur, einen Papua darstellend, welche sich dreist mit den bewunderten Figuren der Maoris in Neu-Seeland messen durfte. Wie bei diesen scheinen solche hier „Tselum“ genannte Holzbildhauereien Ahnenfiguren darzustellen und haben mit „Götzenbildern“, für welche sie das Laienauge so gern hält, offenbar nichts zu thun.

Wie alle Melanesier sind die Eingeborenen von Astrolabe-Bai hauptsächlich Vegetarianer, die je nach der Saison verschiedene Feldfrüchte in sorgfältig bearbeiteten und eingezäunten Plantagen ziehen. In erster Linie kommen Yams, Taro, Bananen und Zuckerrohr als Kulturgewächse in Betracht; außerdem liefern Sago- und Kokospalme reichlich Nahrungsstoff. Neben Tabak, der in Neu-Guinea ohne Zweifel einheimisch ist und in Gestalt von Cigarretten geraucht wird, ist die Betelnuß ein beliebtes Reizmittel; bei festlichen Gelegenheiten wird Kawa, hier Keu genannt, getrunken. Es finden sich also als seltene Ausnahme alle drei Anregungsmittel der Südseevölker hier vereint vertreten. Salz ist, wie fast allenthalben in der Südsee, unbekannt.

Als Hausthiere züchtet man das Schwein, und zwar Abkömmlinge des wilden, von dem Neu-Guinea zwei Species besitzt, sowie den Hund, eine kleine unansehnliche, dingoähnliche Rasse, die, wie der Papuahund allenthalben, nicht bellt, sondern nur heult. Hunde und Schweine werden übrigens nur bei Festen aufgetischt, welche die Papua sehr lieben und mit großer Beharrlichkeit, oft mehrere Tage lang, feiern. Da wird gar manchem Borstenthiere der Garaus gemacht, und die Festtheilnehmer bringen oft von weither ihren Antheil zu dem Picknick herbeigeschleppt. Wie die Abbildung (S. 85) zeigt, wird dabei mit den Schweinen nicht gerade glimpflich verfahren. Die Kannibalen Neu-Irlands transportiren ihre Kriegsgefangenen, die zum Schlachten bestimmt, in derselben empörenden Weise.

Hühner werden nicht des Fleisches und der Eier, sondern mehr der Federn wegen gehalten, da auch hier lange, namentlich weiße Hahnenfedern für Kopfputze sehr beliebt sind. Von wilden Thieren ist dem Papua wohl Alles recht, was seine Beute wird, und er ist darin wenig heikel. Außer Kängurus, Kuskus und anderen Beutelthieren, fast den einzigen Repräsentanten der Vierfüßler in Neu-Guinea, jagt man allerlei Vögel, besonderes den Kasuar, dessen hartes, zähes Fleisch beliebt ist, verschmäht aber auch Saurier, namentlich Krokodile und die großen Eidechsen (Monitor) nicht, ebenso wie große Insekten (Käfer und deren Larven), allerlei Weichthiere etc. Und daß der Fischfang eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielt, dafür sprechen die sorgfältig gestrickten Netze und allerlei Angel- und Fanggeräthe. Alle diese [85] Speisen werden nur im gekochten Zustande genossen, und zwar kocht man in Töpfen, ein weiterer Fortschritt gegen die östlichen Melanesier!

Es erübrigt noch ein Wort über die Wohnungen zu sagen. Die Häuser sind niedrige Pfahlbauten und bestehen im Wesentlichen aus einem hohen, gradfirstigen Dache, das aus einer Art Riedgras sehr sorgfältig hergestellt wird. Da die Häuser hauptsächlich als Vorrathskammern oder zum Schutze während der Nacht oder bei schlechtem Wetter dienen, so ist die innere Einrichtung sehr einfach. Längs der Wand sind Bänke aus gespaltenem Bambus errichtet, Barla genannt, die Schlafstätte der Männer; in der Mitte befindet sich die Feuerstätte; doch wird meist im Freien gekocht. Die Häuser gruppiren sich ohne besondere Ordnung zu Dörfern, die stets etwas im Urwalde auf einem freien, von Kokospalmen beschatteten Platze liegen. Sie sind meist nur klein, wie die ganze Bevölkerung von Astrolabe-Bai nicht erheblich ist; nach Maklay zählt sie nur etwa 4000 Eingeborene, die in 84 Dörfern siedeln.

Meine Geschäfte waren beendet, die Eingeborenen hatten auf meinen Wunsch noch einen großen Tanz mit Gesang, Sel-mun, zum Besten gegeben, wobei die zum Theil kunstvoll geschnitzten hölzernen, mit Monitorhaut überspannten Trommeln zur Geltung kamen, und wir rüsteten zur Abreise. Für unsere Zwecke war es zunächst von größter Wichtigkeit, einen guten Hafen zu entdecken, denn „Port Constantin“ ist kaum als guter Ankerplatz zu bezeichnen. Die Bai selbst gleicht einer weiten offenen Rhede, ist aber nicht frei von Korallriffen, auf welche die „Samoa“ nahezu gerieth, als wir vor der Insel Bilibili an- und ablagen. Die freundlichen Bewohner dieser Insel waren uns schon gleich bei unserer Ankunft in ihren großen und schönen Segelkanus entgegen geeilt, hatten uns wiederholt im anderen südlichen Ende der Bai besucht, und so konnten wir ihre Einladung nicht ausschlagen. Bilibili ist eine kleine, nahe der Küste gelegene Insel aus Korallfels und mit üppiger Baumvegetation, darunter auch ziemlich viel Kokospalmen, bedeckt. An der Westseite dehnt sich ein weißer Sandstrand aus, auf dem nicht weniger als dreizehn stattliche Kanus, bunt bewimpelt und mit allerlei Ausputz verziert, lagen. Das gab im Verein mit den idyllisch unter dem Gelaube mächtiger Bäume versteckten Häusern des Dorfes ein gar liebliches Bild. Dazu das Gewimmel fröhlicher brauner Menschen, die mit grünen Zweigen winkten und bald in Kanus ankamen und uns an Land einluden.

Transport lebenden Schlachtviehes auf Neu-Guinea.

Wir eilten, ihnen zu folgen, und Waren überrascht von der Fülle neuer und interessanter Eindrücke. Alles zeugte hier von Wohlhabenheit und Behaglichkeit, die Häuser, obwohl von ähnlicher Bauart, waren größer und stattlicher, als wir sie bisher sahen, ebenso die mit reichem Ausputze versehenen Eingeborenen selbst. Sie zeigten sich anfangs ziemlich scheu, namentlich kostete es Mühe, die schlanken braunen Mädchen heranzulocken, die in ihren bunten Grasschürzchen, reich mit Schmuck und Muscheln und Hundszähnen behangen, das Haar mit brennendrothen Hybiskusblumen geschmückt, gar niedlich aussahen. Einige kleine Geschenke machten sie bald zutraulicher, und Eine um die Andere kam zögernd heran, um ihre Gabe an Glasperlen oder rothem Zeuge in Empfang zu nehmen und dem weißen Fremdlinge schüchtern die Hand zu geben. Unter diesen Mädchen gab es übrigens viele recht hübsche Gestalten von tadellosem Körperbau und mit recht artigen Gesichtchen.

Mehr als Alles dies erregte unsere Aufmerksamkeit aber das große Versammlungshaus, von welchem die beigegebene Abbildung (S. 81) eine gute Vorstellung giebt. Wir hatten große Häuser, die als gemeinschaftlicher Versammlungsort der Männer oder zur Beherbergung fremder Gäste dienen, Buambramra genannt, schon in anderen Dörfern von Astrolabe-Bai gesehen, aber nie zuvor und, wie ich gleich hinzufügen will, auch später nie eins, welches sich mit diesem messen konnte. Wie die Abbildung zeigt, besteht es im Wesentlichen aus einem bis zum Erdboden herabreichenden Dache, das in der Vorderfront von einem 25 Fuß hohen mit durchbrochenem Schnitzwerk versehenen Mittelpfeiler getragen wird. Die Schnitzerei stellt vier männliche und zwei weibliche nackte Papuafiguren dar, die, wie die übrigen den Giebel zierenden Schnitzereien von Fischen und anderen Thieren, bunt bemalt sind, wodurch der Reiz der Originalität nur noch erhöht wird. Die seitlichen Trägerbalken dieses merkwürdigen Gebäudes sind je mit einer an 5 Fuß hohen männlichen Papuafigur verziert, die in staunenswerther Weise aus dem Balken selbst gezimmert wurden und an diesem gleich dem Gliede einer Kette hängen. In der That ein wahres Kunstwerk für Steinbeile und Muschelwerkzeuge, das den Erbauern zur hohen Ehre gereicht. Sie verstanden mein Lob sehr wohl, denn Jeder deutete mit Stolz an, daß er mitgeholfen habe. Ohne Anstand gestattete man den Eintritt in das Innere. Wie stets enthielt es nur wenige Gegenstände. So die großen aus einem an 10 Fuß langen ausgehöhlten Baumstamm gefertigten Trommeln, die mit einem Stock geschlagen weithin Signale geben und sonst bei Festlichkeiten dienen, wie die kleineren sanduhrförmigen Handtrommeln. Bemerkenswerth waren große runde, mit Schnitzerei und Malerei verzierte Kampfschilde von gewaltiger Schwere, denn einzelne wogen 10 Kilo. Zahlreiche Unterkiefer von Schweinen dienten als Erinnerung an große Festlichkeiten, wie dies alle Melanesier lieben. Den Haupttheil des Inneren bildete ein an 8 Fuß hohes Gerüst aus gespaltenem Bambu, welches als Schlafstätte dient, denn diese großen Häuser sind der Aufenthalt der unverheiratheten Männer, also eigentliche Junggesellenhäuser! Aus diesem Grunde ist dem weiblichen Geschlecht der Zutritt verwehrt, ein Verbot, das durch besondere Tabuform erhöhte Bedeutung erhält und so leicht zu mythischen und religiösen Betrachtungen verleitet.

Nachdem wir mit der Besichtigung und dem Studium des Dorfes, das noch ein zweites Versammlungshaus aufweist, fertig waren, machten wir einen Spaziergang durch die Insel, die einem malerischen Park der Tropen zu vergleichen ist. Auf den [86] gewaltigen Baumriesen, darunter vielen Brotfruchtbäumen, wimmelte es von weißen Fruchttauben (Carpophaga spilorrhoa), von denen uns bald eine Menge zur Beute fiel. Wie überall bei diesen Naturkindern hatte der erste Schuß immer dieselbe Wirkung: allgemeines Geschrei und wilde Flucht! Aber bald gewöhnte sich die reifere Jugend an den Knall und bewunderte staunend die Wirkung der ihnen unbekannten, unheimlichen Waffe. Bei einem späteren Ausfluge an der Küste bemühten sich die Eingebornen bereits, unsere Ueberlegenheit in ihrem Interesse nutzbar zu machen: wir sollten einen ihnen feindlichen Stamm bekämpfen und vernichten! Dabei hatten sich zahlreiche Krieger in vollem Waffenschmucke unserem Zuge angeschlossen, dem ich einige Skizzen verdanke, welche dem lebensvollen Bilde zu Grunde liegen.

Selbstredend beschränkten wir uns auf eine friedliche Exkursion, um die Küste kennen zu lernen, die Bilibili gegenüber aus niedrigerem Lande besteht, das von mäßigen Hügelreihen begrenzt wird, denen erst weiter im Innern höhere Gebirgszüge folgen. Wir bewunderten die sorgfältig angelegten Plantagen, welche die Insulaner hier besitzen und die beredtes Zeugniß für die außerordentliche Fruchtbarkeit des Bodens ablegen. Ja! Diese Küste ist reich, und die Bilibiliten, geschützt auf ihrer Insel, scheinen die wahren Patrizier derselben zu sein. Dazu verhilft ihnen nicht allein ihr Ackerbau, sondern auch ihre Industrie, denn die Insel ist berühmt wegen ihrer Töpferei, deren Erzeugnisse von der Flotte weithin vertrieben werden. Die Fabrikation liegt ausschließlich in den Händen der Frauen und geschieht in derselben einfachen Weise wie an der Südostküste Neu-Guineas, wo Port Moresby das Centrum der Töpferei und des Topfhandels bildet. Die Töpfe werden nur mit Hilfe eines flachen Steines und eines flachen Schlägels verfertigt, gleichsam aus dem Klumpen Lehm getrieben, was ein ganz wunderbares Augenmaß erfordert. Der Brennproceß ist ein ziemlich oberflächlicher und demzufolge das Fabrikat nicht von bemerkenswerther Haltbarkeit.

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Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“.

I. Astrolabe-Bai bis Festungs-Kap.
(Schluß.)
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).
Archipel der zufriedenen Menschen. – Insel Grager. – Friedrich Wilhelms-Hafen. – Bewohner. – Dampier-Insel. – Bismarck-Gebirge. – Küstenfahrt ostwärts. – Terrassenland. – Festungskap.

Nördlich von Bilibili erstreckt sich fast 15 Seemeilen lang der „Archipel der zufriedenen Menschen“, ein Labyrinth von Inseln und Wasserstraßen, von dessen Charakter man erst bei näherer Untersuchung Kunde erhält. Gleich hinter der ersten etwas vorspringenden Ecke, die ich später Kap Kusserow nannte, öffnet sich eine solche Wasserstraße, die uns sehr der Untersuchung werth schien. Das Whaleboot wurde daher rasch klar gemacht, und wir ruderten, vorsichtig das Loth werfend, hinein. Bald zeigte es sich, daß das rechte Ufer nicht Festland, sondern eine Insel war, Grager genannt, deren Bewohner in nicht geringe Aufregung geriethen. Die großen, Barun genannten Holztrommeln ließen bald ihren dumpfen Klang ertönen, dazwischen schmetterte die Muscheltrompete, die Krieger zum Kampfe herbeirufend, und bald nahten sich bewaffnete Canus. Obwohl hier bereits eine ganz andere Sprache gesprochen wird, als bei Port Constantin, machte ich den Leuten unsere friedlichen Zwecke bald klar, und mittelst einiger Geschenke hatte ich mir auch hier schnell neue Freunde erworben. Wir fanden an der Westseite von Grager (später von den deutschen Kriegsschiffen Fischel-Insel benannt) eine hübsche Bucht, weit besser und geschützter als Port Constantin, in welcher wir zunächst mit der „Samoa“ ankerten, um von hier dieses Inselreich weiter zu erforschen.

Orientirungsskizze der Astrolabe-Bai.

Unsere Bemühungen wurden auf das Glänzendste durch Entdeckung eines vortrefflichen Hafens belohnt, den wir Friedrich Wilhelms-Hafen benannten. Er liegt unter 5° 14 südlicher Breite, ist ganz von Land umschlossen, hat allenthalben gute Tiefe und Ankergrund, eine gute Einfahrt, die Dallmann-Passage, und ist ohne Zweifel der beste Hafen an der ganzen Nordostküste von Neu-Guinea. Durch eine schmale Bootspassage der Insel Bilia schließt sich ein zweites Hafenbassin an, welches später von den deutschen Kriegsschiffen näher aufgenommen und Prinz Heinrich-Hafen genannt wurde. Beide Häfen sind von dichtem Urwald umgeben, in welchem verschiedenartige Vogelstimmen, namentlich das Kreischen weißer Kakadus widerhallte. Sonst herrschte erhabene Ruhe in diesem majestätischen Waldhafen, dessen Ufer unbewohnt sind. Die Eingeborenen siedeln nämlich auf den Inseln, die ziemlich bewohnt zu sein scheinen, denn es wurden mir die Namen von nahezu 40 Dörfern genannt, die aber meist nur aus wenigen Häusern bestehen.

Weiter im Nordosten erhebt sich hinter dem dichten Urwaldsgürtel eine an 1500 Fuß hohe hübsche Bergreihe, deren höchste Spitze Hansemannberg genannt wurde und die eine gute Landmarke zur Einsegelung des Hafens bietet. Diese Bergkette scheint nach den vielen und ausgedehnten Kulturflecken, die wir später hier bemerkten, ebenfalls ziemlich bewohnt, wie die Umgebung des Hafens selbst schönen fruchtbaren Boden aufweist. Hier liegen auch die Plantagen der Inselbewohner, mit denen wir bald im besten Einvernehmen lebten. Ihre Canus umlagerten uns von früh bis Abends, um Tauschhandel zu treiben, und wir besuchten sie auf unseren verschiedenen Boot-Fahrten auf ihren Inseln und in ihren Dörfern. Die letzteren ähnelten bis auf geringe Abweichungen ganz denen auf Bilibili, wir sahen aber keine so großen Bauten als dort. Schnitzereien als Verzierung gewisser Häuser und Plätze waren nicht selten, meist Darstellungen von Fischen in kennbarer Naturwahrheit. Solche aus Holz geschnitzte Kolossalfische, bunt bemalt und an langen Bambu befestigt, entdeckten wir auf einem freien Platze der Insel Tiar, welchen man uns nur ungern betreten ließ. Jedenfalls stehen solche Plätze unter einem gewissen mit Fischerei verbundenen Tabu, wie diese Insulaner überhaupt geschickte Fischer sind. In Leibesgestalt, Ausputz, Waffen und Lebensweise unterschieden sich die hiesigen Eingeborenen nicht von ihren Nachbarn, z. B. den Bilibiliten, mit denen sie aber zum Theil in Unfrieden leben, denn wir wurden sehr vor diesen gewarnt. Aber das gegenseitige Anschwärzen kommt bei diesen Naturvölkern überall vor: hatten uns doch kurz vorher die Bilibiliten vor den „zufriedenen Menschen“ gewarnt.

Zum großen Leidwesen der Eingeborenen verließen wir Friedrich Wilhelms-Hafen, wohl eine unserer wichtigsten Entdeckungen, in welchem gerade einen Monat später die deutschen Kriegsschiffe (S. M. Schiff „Elisabeth“, Kommandant Kapitän z. S. Schering, und S. M. Kanonenboot „Hyäne“) die Flagge hißten und für Deutschland Besitz ergriffen.

Wir dampften zuerst nach Norden und umschifften die Dampier-Insel, bei den Eingeborenen Kar-kar genannt. Sie besteht im Wesentlichen aus einem an 5000 Fuß hohen stumpfkegeligen Berge, einem erloschenen Vulkan, der mit so dichtem Baumwuchs bedeckt ist, daß man anscheinend nur über die Wipfel auf den Gipfel gelangen kann.

Da wir keinen Ankerplatz fanden, steuerten wir wieder in südlichem Kurs nach Astrolabe-Bai hinunter, um von hier aus die Küste nach Osten abzulaufen. Noch einmal sahen wir Bilibili und die malerischen Ufer von Astrolabe-Bai, die sich diesmal viel großartiger als früher zeigte, denn die frühe Morgenstunde brachte uns die Kammlinie der Gebirge wolkenfrei. So klar ist es hier selten, und so bemerkten wir denn weit, weit im Südwesten eine gewaltige Gebirgskette, die wir vorher nicht gesehen hatten und die wahrscheinlich nur sehr Wenige gesehen haben. Sie liegt jedenfalls ziemlich tief im Innern und ist nach oberflächlicher Schätzung an 16 000 Fuß hoch, jedenfalls das höchste Gebirge an der ganzen Nordostküste, welches ich deßhalb Bismarck-Gebirge benannte. Leider lassen sich Landschaften nicht gut beschreiben, um ein einigermaßen klares Bild zu geben. So verzichte ich daher auf die imposanten Ansichten des Finisterre-Gebirges und der [112] übrigen Küstengebirge einzugehen und kann mich mit der weiteren Küstenfahrt bis Festungs-Kap (Fortification Point der englischen Karten) kurz fassen. Oestlich von Kap Rigny nimmt die Gegend einen gänzlich veränderten Charakter an: „Sanfte Buchten, mit niedrigen von Baumgürteln begrenzten Ufern, ausgedehnte Grasflächen oder sanft ansteigende Grasberge; eine Landschaft von ganz europäischem Gepräge, der nur Dörfer, Wege, Viehherden u. dergl. fehlen, um uns in Gebirgsländer unserer Heimath zu versetzen“, lauten die Aufzeichnungen in meinem Tagebuche. Und weiter hin nach Osten tritt wieder ein eigenthümlicher Charakter auf: das Terrassenland, welches sich bis nach Fortification-Spitze erstreckt. Viele Meilen weit steigt die Küste in 3 bis 4 gleichmäßigen Absätzen, gleich mächtigen Stufen, an, die auf ihrem Scheitel ausgedehnte Wiesenflächen tragen, während der Kamm des 3000 bis 4000 Fuß hohen Küstengebirges mit dichtem Urwalde bedeckt ist. Dieses Terrassenland, von zahlreichen zum Theil sehr malerischen Schluchten, in welchen Wasserläufe herabbrausen, unterbrochen, besteht, wie meine Untersuchungen zeigten, aus gehobenem Meeresboden, dichtem Korallfels. Kein Zweifel, daß sich diese ganze Küste mit ihrem guten Boden und den weiten Grasflächen trefflich für Kultur und Viehzucht eignet, denn vor Allem besitzt sie eins, was Australien so sehr mangelt: Wasserreichthum. Dagegen blieben unsere Bemühungen, einen Hafen zu finden, erfolglos: überall fällt das Meer steil vom Ufer in große Tiefen. Wir kamen übrigens nur wenige Male mit Eingeborenen in Berührung, da diese Küste nur spärlich bewohnt ist. Auf einer Strecke von nahezu 130 Seemeilen zählte ich nur 24 zum Theil sehr kleine Siedelungen. Aber namentlich gegen Fortification-Spitze sieht man ausgedehnte Kultivationen der Eingeborenen; ihre Dörfer entdeckten wir erst später; sie liegen in Schluchten versteckt.

Vergeblich hatten wir uns bemüht, Cape King William, von Dampier 1700 so benannt, auszumachen, konnten aber mit Fortification Point von Moresby nicht im Zweifel sein. Der spitze grüne Berg mit seinen horizontalen Gallerien sieht in der That einem mit Festungswerken besetzten täuschend ähnlich. Oft glaubt man in regelrecht abgelagerten Korallmauern und Felsen Wälle und Geschütze zu erkennen.

Da unser Kohlenvorrath zu Ende ging, wandten wir uns ostwärts und trafen nach einer langweiligen und nicht gefahrlosen Fahrt längs der riffreichen Südküste Neu-Britanniens in den letzten Tagen des Oktober wieder in Mioko ein. Wie armselig erschien uns die Insel mit der einförmig grünen Küste von Neu-Irland und Neu-Britannien gegen das, was wir soeben in Neu-Guinea gesehen hatten! Unser Wunsch nach mehr war daher ein berechtigter. Er sollte bald erfüllt werden.

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aus: Die Gartenlaube 1886, Heft 11, S. 192-195


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Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“.[2]

II. Vom Mitrafelsen bis Finsch-Hafen.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).
Strafexpedition der „Hyäne“. – Ankunft der „Elisabeth“. – Aufhissen der Reichsflagge im Bismarck-Archipel. – Küste von Neu-Guinea, – Luard-Inseln. – Mitrafels. – Herkules-Bai. – Spree. – Adolfs-Hafen. – Huon-Golf. – Parsi-Huk. – Haarschmuck der Eingeborenen. – Finsch-Hafen. – Eingeborene. – Flaggenhissen. – Häuser. – Ahnenfiguren. – Waffen. – Erste deutsche Ansiedelung.

Der sonst so stille Hafen Mioko zeigte bei unserer Rückkehr ein regeres Leben; zwei Schiffe lagen zu Anker; ein Hamburger Dreimastschuner und das deutsche Kanonenboot „Hyäne“ (Kommandant Kapitän-Lieutenant Langemack). Auf letzterem ging es sehr geschäftig her; es rüstete zu einem kriegerischen Unternehmen und verließ uns in aller Stille, um die Eingeborenen an der Südspitze Neu-Irlands zu strafen, die vor einigen Monaten ein deutsches Schiff, die „Mioko“, geplündert und verbrannt, die Mannschaft erschlagen hatten. Derartige Expeditionen sind in den meisten Fällen ein ziemlich oder ganz erfolgloses Unternehmen, das sich meist auf das Niederbrennen einiger Häuser, eines Dorfes, Vernichten von Plantagen und Zerschlagen von Kanus beschränkt, Handlungen, welche die Eingeborenen in der That nur sehr untergeordnet schädigen.

Mann von Parsi-Huk.

Den Eingeborenen selbst ist meist nicht beizukommen, sie fliehen in die Wälder, und es wäre, bei der Fülle tropischer Vegetation, ein nutzloses, ja zum Theil gewagtes Unternehmen, sie in ihren Schlupfwinkeln aufzusuchen. Die Strafexpedition der „Hyäne“ verlief ganz in derselben Weise. Das Kriegsschiff kam überhaupt viel schneller zurück, als erwartet, und nicht allein! Zu unserer Verwunderung zeigte sich im Kanal ein großes Schiff, das Matupi-Hafen in Blanche Bai zudampfte. Wie wir durch die „Hyäne“ erfuhren, war es S. M. gedeckte Korvette „Elisabeth“, zu deren Begrüßung wir uns eiligst nach Matupi auf den Weg machten. Große Ueberraschungen warteten unser: der lebhafteste Wunsch aller Deutschen jenes Gebietes sollte erfüllt, Neu-Britannien, Neu-Irland und die Herzog York-Gruppe oder, wie die spätere sehr passende Benennung lautet, der „Bismarck-Archipel“, unter den Schutz des deutschen Reichs gestellt werden. Am 2. November 1884 fand die feierliche Proklamation zunächst in Matupi statt. Unter Musik, Kanonendonner und einem dreimaligen Hoch auf Seine Majestät ging die Reichsflagge hoch, ein sichtbares Zeichen, daß Deutschlands Unternehmungen auch in diesem abgelegenen Winkel Erde fortan sich des so nöthigen Schutzes zu erfreuen haben. Der Kommandant der „Elisabeth“, Kapitän z. S. Schering, war in der Ausführung derartiger kaiserlicher Botschaften kein Neuling: kaum drei Monate vorher hatte er in Angra Pequena das deutsche Banner entfaltet. Ein so großes Schiff wie die „Elisabeth“, mit 450 Mann Besatzung und 19 Geschützen, war in diesen Gewässern übrigens noch nicht gesehen worden und das Erstaunen der Eingeborenen selbstverständlich ein ungeheures.

Auf Grund unserer Erfolge mit der „Samoa“ konnten die Kriegsschiffe gleich nach Neu-Guinea weiter gehen, um auch hier den deutschen Schutz zu proklamiren. Kapitän Dallmann begleitete die „Elisabeth“ als Lootse für Friedrich Wilhelms-Hafen, während die „Samoa“, vom ersten Steuermann Sechstroh, einem tüchtigen Seemanne, geführt, ebenfalls für Neu-Guinea rüstete, wo sie, der Verabredung gemäß, mit den Kriegsschiffen wieder zusammentreffen sollte.

Etwa eine Woche später konnten wir ihnen folgen, da wir einige Krankheitsfälle an Bord hatten, zu deren Hebung die Behandlung Seitens der Herren Marine-Aerzte sehr willkommen war. Denn in jenen Gegenden muß noch Jeder sein eigener Arzt sein und sich vor Krankwerden möglichst hüten. Schiffsvolk thut dies indeß selten, und so nehmen höchst unbedeutende Wunden durch Vernachlässigung oft einen sehr bösartigen Charakter an und bedürfen lange Zeit zur Heilung. Bei einem so kleinen Schiffe wie die „Samoa“ wird aber der Abgang eines einzigen Mannes schon sehr fühlbar, und wer es noch nicht wissen sollte, wird in solchen Fällen die Wichtigkeit eines Heizers würdigen lernen. – Nach dreitägiger Fahrt, meist angesichts der dichtbewaldeten bergigen, übrigens meist verschleierten Küste Neu-Britanniens, sichteten wir Neu-Guinea, das uns diesmal schon viel heimischer vorkam, war es doch deutscher Grund und Boden, den wir vor uns sahen. Wie immer beim Sichnähern von Festland zeigten sich wechselnde Bilder; erst mäßig hohe blaue Berge, in Wolken gehüllt, dann Inseln in verschwommenen Konturen, die allmählich in einander fließen und nach und nach als das eigentliche, flache dichtbewaldete Ufer zum Vorschein kommen. Noch lange, ehe wir uns demselben nähern, wurden wir durch die plötzliche grüne Meeresfärbung, die ganz der eines Riffs ähnelte, stutzig. Das Loth erreichte mit 40 Faden noch keinen Grund und wir wußten, daß wir uns in dem Auswässerungsgebiete von Flüssen befanden, die durch ihre trübe Färbung den Seemann an diesen Küsten so häufig irre führen.

Der Mitrafelsen, die natürliche Grenzmarke zwischen den deutschen und englischen Besitzungen in Neu-Guinea.

Eine kleine Gruppe bewaldeter Felseninseln, fast unmittelbar der Küste vorgelagert, zeigte, daß die Berechnungen unseres Navigateurs stimmten, es waren die Luard-Inseln im Süden von Huon-Golf. Da dieser Theil der Küste, bisher nur durch Moresby flüchtig aufgenommen, keinen Hafen verzeichnet, so war es unser Bestreben, einen solchen zu finden, und dafür schienen die Luard-Inseln ganz geeignet. Leider waren unsere Bemühungen für diesmal erfolglos; zwischen den [193] durch Korallriffe verbundenen Inseln ließ sich nicht einmal ein geschickter Ankerplatz auffinden, mit dem wir jetzt schon zufrieden gewesen wären.

Weiter nach Osten bis zu Mitre Rock erging es uns nicht besser. Der Mitrafelsen gehört zu den wenigen nicht zu verkennenden Punkten an der ganzen Nordostküste von Neu-Guinea und bildet in der That eine der besten Landmarken an derselben. Ungefähr eine Seemeile von der Küste, dem Kap Ward Hunt, isolirt aus dem Meere aufsteigend, erhebt sich eine etwa 40 Fuß hohe, oben abgestumpfte Felssäule, aus hellfarbigem Gestein mit dunklerer Schattirung, die am Fuße durch die Brandung ausgewaschen, auf dem Scheitel mit grünem Buschwerk versehen weithin sichtbar ist, die einzige von der Natur errichtete Bake an dieser ganzen Küste. Die Wichtigkeit des Mitrafelsens wurde mir schon damals klar und hat seither ihre volle Würdigung gefunden, indem derselbe als Grenzmarke zwischen dem englischen und deutschen Schutzgebiet von den beiderseitigen Mächten Anerkennung fand. Die beigegebene Skizze, übrigens bei einer anderen Gelegenheit von Süd aus aufgenommen, veranschaulicht daher einen wichtigen Grenzpfeiler des Deutschen Reichs, von dem vielleicht die meisten Leser der „Gartenlaube“ noch nicht gehört haben dürften. Mit dem Mitrafelsen, fast genau auf dem 8.° südlicher Breite, wandten wir unsern Bug wieder westwärts, hart längs der Küste von Verräther- und Herkules-Bai. Erstere erhielt ihren Namen von Moresby deßhalb, weil er hier genöthigt war, auf die kampfesmuthigen Eingeborenen zu schießen. Wir wurden von ihnen nicht belästigt und sahen trotz wiederholten Besuches jenes Gebietes keine andere Spur von ihnen als die Reste zweier verlassenen Strandsiedelungen. Sie bestanden aus elenden, an 10 bis 30 Fuß langen, kaum mannshohen Dächern von Blättern der Nipapalme, aber vergebens suchten wir nach den Bewohnern, nicht einmal Fußspuren waren zu bemerken. Und doch gedenkt Moresby zehn Jahre früher zahlreicher Dörfer an jener Küste und benannte unter anderen eine Huk „Warsong-Point“ (Kriegsgesangspitze), weil hier die ganze Nacht über die wilden Gesäage der Eingeborenen vom Ufer herüberschallten. Jetzt war es still hier; ganz Herkules-Bai wie die Natur selbst schienen ausgestorben; einzelne Fregattvögel und Seeschwalben waren Alles, was wir erblickten.

Ahnenfiguren, Grab und Haus in Ssuam (Finsch-Hafen).

Die Ufer von Herkules-Bai sind niedriger Sandstrand, zumeist von einem dichten Gürtel zum Theil verkümmerter Casuarinen begrenzt, ein Baum, der durch seine dunkle Färbung und in seinem Habitus am meisten an unsere Nadelhölzer, zumal die Lärche, erinnert und den wir bisher nicht gesehen hatten. Das Vorkommen dieses Baumes läßt meist auf sumpfiges oder mindestens wasserreiches Land schließen und in der That münden an dieser Küste mehrere Flüsse, von denen einige erst durch die „Samoa“ entdeckt wurden. Unter diesen dürfte ein ziemlich ansehnlicher Fluß in Verräther-Bai, den ich Spree benannte, vielleicht einen brauchbarem Weg, wenigstens für Forschungs-Expeditionen ins Innere, abgeben. Im Uebrigen sind diese Flüsse, durch Barren versperrt, selbst für Boote unzugänglich. Offenbar ziehen sich dieselben im östlichen Theile von Herkules-Bai und in Verräther-Bai durch ausgedehntes Flachland mit fruchtbarem Boden.

Von den Luard-Inseln, in welchen von uns der Adolf-Hafen entdeckt wurde, zieht sich bis fast nach Parsee-Point, eine Strecke von eirka 60 Seemeilen, eine Reihe kleiner, dichtbewaldeter Felseninseln parallel mit der Küste hin, deren Aufzählung hier überflüssig erscheint. Die Küste selbst wird von einer etwa 2000 Fuß hohen Bergkette, dem Kupergebirge, gebildet, das meist steil zum Meere abfällt und wie fast alle Gebirge Neu-Guineas dicht mit Wald bedeckt ist. Diese Wälder ermüden durch ihr eintöniges dunkles Grün, machen übrigens von Weitem ganz den Eindruck von Wäldern bei uns, indem die Laubbäume an unsere Linden oder Buchen erinnern. Weiter nach Westen in der Tiefe von Huon-Golf, werden die Gebirge höher, aber es breitet sich ein ausgedehnteres Vorland aus, das an manchen Stellen tiefer ins Land einschneidend, fast eine Ebene bildet, die jedoch mit dichtem Urwalde bedeckt ist. An den Bergen zeigen sich „Kulturflecke“, wie ich jene weithin sichtbaren braunen oder grünen Flecke nennen möchte, welche sich dem Auge des Kundigen als Plantagen der Eingeborenen zu erkennen geben.

Von Letzteren hatten wir, außer wenigen Segelkanus bei Saddle-Island, die uns vergeblich einzuholen versuchten, nichts wahrgenommen und trafen erst bei Parsi-Huk (Parsee-Point) wieder mit solchen und zwar in größerer Anzahl zusammen. So benannte Moresby eine vorspringende Landzunge mit dichtbewaldeter [194] Hügelkette, unter etwa 7° südlicher Breite, und zwar deshalb, weil die Eingeborenen sich durch hohe kegelförmige Mützen auszeichnen, die in der That sehr an die Kopfbedeckungen der Parsen erinnern. Diese eigenthümlichen Mützen sind aus zum Theil rothgefärbter Tapa verfertigt, die in verschiedener Weise turbanartig um den Kopf gewunden wird; wir hatten diese Tracht übrigens schon beim Festungskap gesehen. – Am auffallendsten war aber der natürliche Hauptschmuck der Eingeborenen. Eine solche Fülle von Haar hatte ich bei Papuas vorher nie gesehen und gebe deßhalb die hervorragendste dieser sonderbaren Gestalten im Bilde (S. 192) wieder. Bei diesem freundlich aussehenden Manne hing das Haar in dicht verfilzten Strähnen, wie ungezupftes Roßhaar, zu beiden Seiten des Scheitels bis zur Brustmitte herab. Eine Probe dieses Haares mußte ich selbstredend besitzen und machte dies dem Besitzer durch Zeichen verständlich. Ich wollte ihm eben eine Schere reichen, aber er kam mir zuvor: ein Schnitt mit dem Steinbeil, und ich hatte das theure Andenken!

Scheinangriff Eingeborener von Finsch-Hafen.

Leider bot der von uns zuletzt befahrene Küstenstrich keinen einigermaßen gesicherten Ankerplatz. Und wir sehnten uns so lebhaft nach einem Plätzchen, wo wir wenigstens eine Nacht ruhig liegen konnten, und nach welchem wir schon seit zehn Tagen vergeblich suchten! Wie bei unseren bisherigen Küstenfahrten fingen wir bei Anbruch des Tages an dem Punkte an, wo wir den Abend zuvor aufgehört hatten, und ließen deßhalb das Schiff in der Nacht von der Küste abhaltend treiben. Es gehörte nun zu den besonderen nicht eben angenehmen Eigenschaften der kleinen „Samoa“, daß sie nicht still liegen konnte, sie war ein lebhaftes, nervöses Ding. Selbst die geringste Dünung brachte sie in Aufregung und machte sie schlingern, zuviel selbst für einen Seemann. Ich gehöre zwar zu den seefesten Menschen, aber die „Samoa“ machte es oft zu arg, namentlich in der Nacht, wenn Dampf abgelassen und die Schraube außer Thätigkeit war. Nach diesem zehntägigen Schaukelwalzer war der Wunsch nach einer Nachtruhe ein berechtigter; aber der Mensch wird bescheiden auf solchen Argonautenfahrten.

In dem Inselwerk etwas West von Kap Cretin hatten wir eine Oeffnung, wie der Seemann sagt, ein „Loch“, in der Küste bemerkt, die uns der Untersuchung werth erschien, aber erst nach vier Tagen gelang es uns, jene Stelle wieder zu erreichen, weil schlechtes Wetter und Strömungen uns so lange aufhielten.

Es war an einem Sonntage (23. November 1884), als ich mit dem Steuermann im großen Boot erwartungsvoll in die bewußte Bucht hineinruderte, welche sich zu unserer Freude als ein brauchbarer Hafen erwies, der später von der „Hyäne“ aufgenommen und von Kapitän Schering Finsch-Hafen benannt wurde.

Derselbe, unter 6° 33,5 südlicher Breite, besteht aus einem geräumigen Außenbassin, das mit Ausnahme von heftigen Nordwestwinden auch für große Schiffe Schutz bietet, und einem sich anschließenden Innenhafen, der für Schiffe von 9 Fuß Tiefgang bei jedem Wind gesichert ist. Da die nächsten Häfen, zu Ost: Adolph-Hafen, 70 Seemeilen, zu West: Friedrich Wilhelms-Hafen, 150 Seemeilen entfernt sind, so war die Entdeckung dieses Hafens ohne Zweifel ein glückliches Ereigniß.

Die Umgebung von Finsch-Hafen ist, wie erwähnt, eine sehr liebliche: sanft ansteigende Berge mit vielem freien Lande von parkartigem Charakter und gutem Boden, wie uns die Plantagen der Eingeborenen zeigten.

Die Letzteren waren uns schon in ihren großen Segelkanus außerhalb des Hafens entgegengekommen, um Tauschhandel zu treiben, drückten sich aber schleunigst, als wir ihnen im Boote folgten. Das im Dickicht versteckte Dorf Moru auf der gleichnamigen Halbinsel, welche unser Hauptbild darstellt, war daher verlassen, als ich dort landete. Panischer Schreck schien die Leute vertrieben zu haben. Hier stand noch ein Topf mit Essen auf dem Feuer, dort hatte Einer Steinbeile und anderes Geräth liegen gelassen, ja selbst die Lieblinge der Damen, zahme Schweinchen, waren in der Eile vergessen worden. Sie quiekten uns verwundert an, gestatteten aber, daß ich sie mit bunten Bändern schmückte, wie ich an verschiedenen Stellen Kleinigkeiten niederlegte, um die Eingeborenen von unseren friedlichen Absichten zu überzeugen. Der Erfolg blieb nicht aus: bald waren wir ein Herz und eine Seele; ob dies aber immer so bleiben wird, ist freilich eine andere Frage. Zunächst brachte schon die Ankunft der „Hyäne“ neue Aufregung hervor.

Häuptling mit Tapamütze von Finsch-Hafen.

Die Zeit war herangekommen, wo wir die Kriegsschiffe von Friedrich Wilhelms-Hafen erwarten durften. Auf einer Exkursion in den Bergen machten mich die Eingeborenen auf einen kleinen dunklen Punkt in See fern im West aufmerksam, ein Blick mit dem Glase überzeugte mich, daß es ein Dampfer, eins der Kriegsschiffe sei. Selbstredend dampften wir ihm sofort entgegen. Es war die „Hyäne“, deren Kommandant Kapitän-Lieutenant Langemack sich nicht wenig freute, einen Ankerplatz zu finden, nach welchem auch er sich vergeblich längs der Küste umgesehen hatte. Die „Elisabeth“ war nach Matupi zurückgekehrt, nachdem sie in Friedrich Wilhelms-Hafen die Reichsflagge gehißt hatte. Die gleiche Feierlichkeit wurde nun von der „Hyäne“ in Finsch-Hafen vorgenommen, wozu ich die Eingeborenen eingeladen hatte. Erregten die vielen Uniformirten auch einige Furcht bei ihnen, so ging doch Alles gut, bis das Kommando gegeben wurde, die Seitengewehre aufzupflanzen; wie mit einem Schlage waren die braunen Gestalten im Dickicht verschwunden, und nur mit vieler Mühe gelang es mir, einige beherzte Burschen wieder heranzuholen.

Uebrigens herrschte bald das beste Einvernehmen, und die Eingeborenen hatten wohl noch nie eine so ereignißvolle Zeit durchlebt. Mehr als Kanonen, Horngeschmetter und dergleichen nie gesehene und gehörte Dinge überraschte sie die Wirkung eiserner Geräthschaften. Die „Hyäne“ hatte nämlich keine Kohlen mehr und mußte so viel Holz fällen, um bis Matupi dampfen zu können. Fleißige Hände arbeiteten daher mit Axt und Säge, und jeder Waldriese, der mit gewaltigem Geräusch herunterprasselte, erregte die Bewunderung der Eingeborenen aufs Neue. In der That muß bei Ansicht solcher Werkzeuge und ihrer Wirksamkeit das Erstaunen von Menschen, die nur das Steinbeil kennen, ein [195] ungeheures sein. Die braven Finsch-Hafener wußten übrigens das Letztere sehr geschickt zu handhaben. Dafür sprechen nicht allein ihre vorzüglichen an 60 Fuß langen Seekanus, sondern auch namentlich ihre Häuser. Sie waren wie das auf meiner Abbildung (S. 193) meist nur aus Brettern gebaut, aber es gab auch stattliche Häuser mit einem Stockwerk, deren Seitenwände aus Mattenwerk bestanden. So namentlich in Ssuam, dem größten Dorfe in der Umgebung des Hafens, das wir erst später entdeckten, da es, wie alle diese Siedelungen, hinter dem Uferwaldgürtel versteckt liegt.

In diesem Dorfe befindet sich ein höchst merkwürdiges und interessantes Denkmal von Holzbildnerei aus der Steinperiode, wie es meine Skizze (S.193) zeigt. Auf einem freien Platze stehen zwei an sieben Fuß hohe menschliche Figuren, je einen Papua im vollen Schmucke darstellend, dessen Rückenseite ein sehr kennbar wiedergegebenes Krokodil deckt. Diese Arbeit ist um so bewundernswerther, als die Figuren aus den noch mit den Wurzeln in der Erde befindlichen Stämmen ausgehauen sind, ein Fall, der mir bisher nirgends in Melanesien vorgekommen war. Die Figuren wurden „Abumtau Gabiang“ genannt und sind wohl keine Götzenbilder, sondern zum Andenken irgend eines berühmten Vorfahren errichtet. Neben den Bildsäulen befand sich ein Grab, ein Rahmen aus vier Balken, der mit weißem Sande ausgefüllt war. Die pietätvolle Bestattungsweise zeigte sich in noch erhöhtem Maße in Gräbern, die Miniaturhäuser darstellten, mit Einfassung von Steinen umgeben, in welcher bunte Blattpflanzen gepflanzt waren.

Die Eingeborenen von Finsch-Hafen unterscheiden sich in keiner Weise von den bisher gesehenen. Auffallend waren hohe kegelförmige Mützen aus Tapa gewisser älterer Herren, wie der auf S. 194 dargestellte, die, im Verein mit dem häufig sehr prononcirten jüdischen Typus, der Gesammterscheinung in der That einen assyrischen Ausdruck verliehen. Von Waffen hatte man schwache Bogen aus Palmholz mit einer Sehne aus gespaltenem Rottang, breite, flache Holzkeulen, hübsche Wurfspeere und Schilde, wie ich sie bisher nirgends gefunden. Sie bestehen aus einem an fünf Fuß langen, schmalen konkaven Stück Holz mit bunter Bemalung, das einen Mann wohl zu decken vermag. Wir ließen uns friedlich ihre Anwendung zeigen, wovon die beigegebene Abbildung ein lebensvolles Bild giebt.

Ob diese Schilde wohl lange in so friedlicher Weise gezeigt werden? Wer weiß es? Denn bald wird Finsch-Hafen ein anderes Bild zeigen und ist wahrscheinlich schon jetzt nicht mehr die Idylle wie auf unserm Hauptbilde. Schon hat das erste Segelschiff Finsch-Hafen nach glücklicher Fahrt erreicht; Vorräthe, Materialien, Pferde, weiße Menschen sind gelandet worden, weitere Schiffe mit fertigen Holzhäusern unterwegs. Ein regelmäßiger Dampferdienst mit Australien (Cooktown) ist eingerichtet, und bald wird, mit Hilfe malayischer Arbeiter, die erste deutsche Niederlassung in Kaiser Wilhelms-Land, wie der deutsche Theil Neu-Guineas jetzt heißt, erstehen. Finsch-Hafen ist als Centralstation der deutschen Neu-Guinea-Kompagnie ausersehen, und jeder wird mit mir diesem bescheidenen Anfange gewiß das beste Gedeihen, die glücklichste Entwickelung wünschen.


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aus: Die Gartenlaube 1886, Heft 21, S. 367-370, 375


[367]

Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“.

III.0 Englisches Gebiet in Ost-Neu-Guinea.
a. d'Entrecasteaux-Inseln, Ost-Kap bis Mitrafels.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).
Kriegsflotte im Bismarck-Archipel. – Unfall S.M. Korvette „Marie“ in Neu-Irland. – Insel Trobriand und ihre Bewohner. – Neues Riff. – Die d'Entrecasteaux-Inseln. – Weihnachtsbucht. – Unsere Weihnachtsfeier. – Eingeborene. – Allgemeiner Charakter der Inseln. – Reiche Kulturen. – Dawson-Straße. – Goulvain-Insel. – Die Bewohner wahrscheinlich Kannibalen. – Fergusson. – Göschenstraße. – Fast festgerannt. – Malerische Gebirgslandschaft in Goodenough-Bai. – Kap Vogel. – Kap Nelson. – Küste bis Mitrafels. – Station Blumenthal. – Eingeborene von Hihiaura.

Canu in der Weihnachtsbucht.

Wie Mioko mit der Handelsflotte, so paradirte der Nachbarhafen Matupi in der Blanche Bai, Neu-Britannien, mit der Kriegsmarine. Außer „Elisabeth“ und „Hyäne“ war noch die Kreuzerkorvette „Marie“ (Kommandant Kapitän z. S. Crokisius) von der Westküste Südamerikas über Samoa eingetroffen, sowie ein englisches Kanonenboot, ein Geschwader, wie es der Bismarck-Archipel nie vorher gesehen hatte und welches den Eingeborenen heilsamen Respekt einflößte. Trotz dieser großen Anzahl von Schiffen bot sich dennoch keine Gelegenheit zur Briefbeförderung via Australien nach Europa. Wollten wir daher von uns Nachricht geben, so blieb nichts Anderes übrig, als unsere Berichte selbst nach Cooktown in Queensland, dem nächsten Hafenplatze mit Post- und Telegraphenstation, zu bringen.

Wir entschieden uns daher ohne Säumen zu dieser über 1000 Seemeilen weiten Fahrt, machten die „Samoa“ seeklar und verließen in der zweiten Hälfte des December Mioko-Hafen, und zwar mit der „Marie“ zugleich. Im freien Fahrwasser des Georg-Kanals nahmen wir Abschied, Hüte und Tücher wurden geschwenkt, die Flaggen dippten dreimal zum Gruße, und die „Marie" dampfte Matupi zu, während wir unsern Kiel nach Süden wendeten. Ein herrlicher Anblick, so ein stattliches Kriegsschiff von mehr als 2000 Tons und einer Besatzung von mehr als einem Vierteltausend an Bord! Wie klein und unbedeutend erschien die „Samoa“ neben diesem Riesen! Aber auch einem so stolzen Fahrzeuge drohen die heimtückischen Bauten der Korallenthierchen mit Verderben, vielleicht jähem Untergange, wie die „Marie“ bald erfahren sollte: kaum eine Woche später saß sie auf dem Riffe an der Nordwestspitze von Neu-Irland. Das Schiff sollte Nusa besuchen, eine kleine Insel, auf welcher ein Deutscher, Friedrich Schulle, eine Handelsstation besitzt, mußte sich also in ein sehr gefährliches Fahrwasser voller Riffe begeben, das durch die hier herrschenden plötzlich aufspringenden schweren Böen noch gefährlicher wird. Eine solche war es auch, welche die „Marie" faßte, als sie beim Passiren der Insel-Durchfahrt ein wenig das Riff streifte und festkam. Die plötzlich hochaufgewühlte See brachte mit jedem Wellenschlage das Schiff weiter aufs Riff, und nur mit der größten Anstrengung gelang es nach mehr als achtundvierzigstündiger harter Arbeit, das Schiff abzubringen und vom völligen Untergange zu retten. Freilich war es arg beschädigt. Der Hintersteven, ein gewaltiges Stück von bestem Schmiede-Eisen, hing geknickt und verbogen herab, das kolossale, an 60 Centner schwere Ruder hatte sich wie ein Kartenblatt gebogen, aber das Schiff war in seinen Grundvesten unerschüttert, ein Triumph deutscher Schiffsbaukunst, welcher der Reiherstieg-Werft in Hamburg zu hohem Ruhme gereicht. Aber auch die Tüchtigkeit unserer Marine hat sich bei diesem Unfalle auf das Glänzendste bewiesen. Nach mehr als zweimonatlicher angestrengter Arbeit war die „Marie“ soweit reparirt, um unter Segeln die Reise nach Sydney antreten zu können.

Diese Leistungen unserer Marine fanden hier seitens der englischen volle Würdigung, indem Kommodore Erskine, der Chef des englischen Südseegeschwaders, mit seinem Officierkorps der „Marie“ einen Besuch im Dock abstattete und seine vollste Anerkennung aussprach, ein Lob, das damals durch die ganze australische Presse ging. Und dieses Lob verdient Weiterverbreitung und zumal bei uns in einer Zeit in Erinnerung gebracht zu werden, wo die „Marie“ nach allen Fährlichkeiten in dem heimischen Hafen erwartet wird oder, indem ich dies schreibe, vielleicht schon glücklich eingelaufen ist. Heißen wir sie daher herzlich willkommen!

Und nun nach dieser kleinen, aber hoffentlich nicht unwillkommenen Abschweifung wieder zur „Samoa“ zurück, die sich inzwischen an der Küste von Trobriand oder Kiriwai befindet.

Diese ziemlich isolirte kleine insel auf circa 8½° südlicher Breite wurde von dem französischen Seefahrer d’Entrecasteaux 1793, also vor fast 100 Jahren, entdeckt. Ihre Lage und Konfiguration ist aber noch heute nur in den vagen Linien ihres Entdeckers, der sie übrigens nur sichtete, auf den Karten verzeichnet. Sie erscheint von Weitem wie ein langer Streif dichten Laubwaldes, birgt aber im Innern schöne Flächen fruchtbaren Landes, auf dem die Eingeborenen vortrefflichen Yams zeitigen. Bekanntlich ist letzterer eine stärkemehlreiche Wurzel, die geröstet oder gebacken unserer Kartoffel entspricht und welche für verschiedene Gegenden dieses Theiles der Tropen das wichtigste Nahrungsmittel liefert. Wir selbst erhandelten Exemplare von kolossaler Größe; eine solche Yamswurzel war an 6 Fuß lang und wog 17 Pfund.

Interessanter als diese Monstra der Bodenkultur waren übrigens die Eingebornen selbst, die uns bald in ihren Canus umschwärmten, und zwar schon aus anthropologischen Gründen, da sie nicht zur melanesischen, sondern zur polynesischen Rasse gehören. Es sind also hellergefärbte, schlichthaarige Menschen, die ganz mit Marshallanern, Caroliniern, Samoaner, Maoris etc. übereinstimmen. Rings umgeben von Stämmen der schwarzen Südseerasse gewinnt Trobriand, mit Woodlark- und den Laughlan-Inseln, welche eine gleiche polynesische Bevölkerung besitzen, ein ganz besonderes Interesse, das dem Anthropologen und Ethnologen zu denken giebt. Dem erfahrenen Reisenden würde das Wort „kaikai" schon genügen, um die Eingeborenen Trobriands als Polynesier anzusprechen, denn damit wird in fast ganz Polynesien „essen“ bezeichnet.

Die Insulaner waren im Ganzen ziemlich armselige Gesellen. Ein Strick um den Leib mit einem zwischen den Beinen durchgezogenen Stück Pandanusblatt bildete ihre ganze Bekleidung, und von Schmuckgegenständen besaßen sie so gut wie gar nichts. Sie scheinen gewaltige Fischer zu sein, gewaltig, weil sie sich an den Fang der Meerungeheuer, der Haie wagen, wie die enorm großen, aus einem spitzwinkelig gekrümmten Baumast gefertigten Haken zeigten. Aber auch als Krieger scheinen die Trobriander nicht minder gewaltig, die ihre Waffen, den hölzernen Wurfspeer und kleine eigenthümlich geformte Holzschilde, geschickt zu handhaben verstehen. In einem der Letzteren, welchen ich mit heimbrachte, kann man nicht weniger als elf abgebrochene Speerspitzen zählen! Diese Schilde sind zuweilen in höchst origineller und schwungvoller Weise mit bunter Malerei verziert, in einem Muster, das ebenso eigenthümlich wie die Form der Schilde selbst ist.

Obwohl die Westküste von Trobriand einen leidlichen Ankerplatz besitzt, so fanden wir denselben nicht, da uns die Nacht überraschte. Die Ostküste ist wegen Brandung und Felsufer vollends unzugänglich, ebenso die im Süden angrenzende Insel Lagrandiere. Wir hofften südlich von derselben einen westlichen Kurs nach Neu-Guinea steuern zu konnen, sahen unseren Weg aber durch ein mächtiges Riff versperrt, das gar kein Ende nehmen [368] wollte und auf keiner Karte verzeichnet ist. In der That zieht es sich 20 bis 25 Seemeilen bis fast zur Laignel-Insel herab und bildet somit die Ostgrenze der Lusancay-Lagune, nach Findlay der größten Lagune der Welt, da sie sich über drei Längen- und einundeinviertel Breitengrade erstreckt.

Durch dieses Riff war unser Weg nach Süd vorgeschrieben; wir dampften den d’Entrecasteaux-Inseln zu, deren an 6000 bis 7000 Fuß hohe Berge wir schon von Trobriand aus bei untergehender Sonne in magischem Licht gesehen hatten. Die nach ihrem Entdecker benannte Gruppe wurde erst durch Moresby genauer bestimmt und besteht aus drei ansehnlichen Inseln: Goodenough, Fergusson und Normanby. Längs der noch wenig bekannten Nordküste dieser Insel steuernd fanden wir hier eine hübsche Bucht, die wir „Weihnachtsbucht“ benannten. War es doch bei unserer Ankunft der Tag, an welchem daheim sich Millionen anschickten das liebe Christfest zu feiern. Uns war kein Weihnachtsbaum beschert, keine Feier bereitet! Und dennoch! als die Sonne hinter den Bergen verschwand, als die eigenthümlichen grünlichen, bläulichen und röthlichen Tinten des Zodiakallichtes allmählich in das tiefe Schwarz der Nacht verflossen, da begann auch unsere heilige Nacht! Das Firmament hatte seine Millionen Lichterchen angezündet, Sterne und Sternchen flimmerten; vor Allem bemerkbar der Orion und der liebe Gefährte des südlichen Sternenhimmels, das südliche Kreuz! Kein feierlicher Glockenton rief zur Mette; nur das Zirpen der Cikaden, das Klappern eines kleinen Frosches, das rauhe Gequiek der fliegenden Hunde tönte vom Ufer herüber, bekannte Laute, die unsere Gedanken nicht abzulenken vermochten. Wo dieselben weilten, ist wohl unschwer zu errathen! Weit, weit weg vom südlichen Kreuz, von den Kokospalmen, vom Gekreisch der fliegenden Hunde, da, wo man an diesem Abende in trautem Kreise am warmen Ofen sitzt und sich des lieben Christfestes freut, während draußen die Schneeflocken herabwirbeln. Dort weilte Jeder mit seinen Gedanken still für sich – und als die letzte Pfeife verglommen war, suchte Jeder sein Lager, um auszuruhen von den Mühen und der Hitze des Tages! Das war unser Christfest in den Tropen! Für uns gab es keine Feier, kein Feiern! Aber die Mannschaft durfte sich Etwas anthun, und wohl zum ersten Male hörten die alten Kokospalmen die „Wacht am Rhein“ und andere deutsche Weisen.

Häuser in der Weihnachtsbucht, Normanby-Inseln.

Wenn auch nicht gerade Ueberraschungen, so bot die Weihnachtsbucht doch manches Neue, namentlich in ethnologischer Beziehung, denn in der That beginnt mit den d’Entrecasteaux-Inseln eine durch mehrere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete ethnologische Provinz. Zu diesen Eigenthümlichkeiten gehören hauptsächlich die besondere Form der Steinäxte, gewisser Schmucksachen, bei denen Scheibchen aus rother Spondylusmuschel zuerst wieder ein hervorragendes und werthvolles Material bilden, die sehr eigenthümlichen und schwungvollen Muster der Ornamentik in Holzschnitzereien und anderen Geräthschaften, nicht minder die besondere Bauart der Häuser und Canus. Von Beiden werden unsere Illustrationen ein besseres Bild geben als jede Beschreibung. – Charakteristisch gerade für die Weihnachtsbucht sind die kleinen, gefälligen, einsitzigen Canus, gleichsam Wasser–Einspänner, in der Bauart sehr vervollkommnete Fahrzeuge und gleichsam Miniaturausgaben der in diesem Gebiet üblichen großen Canus, mit denen die Eingeborenen beträchtlich weite Handelsreisen unternehmen. Eiserne Beile und andere europäische Erzeugnisse fanden wir reichlich bei den Eingeborenen vertreten.

Es hatten also bereits Schiffe hier verkehrt. Wie uns das anfänglich außerordentlich scheue Betragen der Eingeborenen zeigte, waren es Arbeiterschiffe gewesen, welche die erste zweifelhafte Civilisation hierher gebracht hatten, Vorläufer, die für Nachkommende oft verhängnißvoll werden können. Aber wir machten uns bald mit den Eingeborenen vertraut, kletterten mit ihnen über Berg und Thal, wobei, wie immer, die leichtfüßige Jugend unser Führer war.

Im Großen und Ganzen sind die d’Entrecasteaux gebirgige Inseln, die sich, trotz schönen und fruchtbaren Bodens, weniger für Ansiedelung von Europäern eignen dürften. Desto mehr aber für die Eingeborenen, welche echte Gebirgsbewohner zu sein scheinen und es, wie stets, lieben, sich an den steilsten Abhängen anzusiedeln. In der That haben wir, außer in der Weihnachtsbucht und längs der Ostküste von Normanby, wenig und meist nur kleine Küstendörfer gesehen, während an den Hängen der Berge, oft hoch hinauf, grüne und braune Kulturflecke, Plantagen der Eingeborenen, schon von Weitem kenntlich sind. Solche kultivirte Strecken finden sich namentlich an der Südküste der Insel Fergusson, die einen gar lieblichen Eindruck macht. Allenthalben erblickt das Auge eingezäunte Felder, zu denen Pfade führen, hier und da hübsche Häuser, und man könnte sich in einen gut bebauten Distrikt der Heimath versetzt fühlen, mahnten nicht Kokospalmenhaine, zuweilen in mehr als 1000 Fuß Höhe, daß wir uns in den [369] Tropen befinden. Wie sorgfältig und sauber die Plantagen selbst angelegt werden, lernten wir bei einem Besuche in der Dawson-Straße kennen, welche die Inseln Normanby und Fergusson trennt, aber der vielen Riffe wegen kaum für kleinere Schiffe praktikabel ist.

Ich explorirte die Dawson-Straße mit dem Boote und wurde überrascht von den landschaftlichen Schönheiten, namentlich der Küste von Normanby, denn von den hohen prächtigen Gebirgen auf Fergusson sieht man wenig, da sie meist eingehüllt sind. Aehnlich war es bezüglich der Eingeborenen, die sich fast so versteckt hielten, wie die Berge. Als wir uns der Goulvain-Insel näherten, änderte sich dies, und zahlreiche Canus mit Eingeborenen kamen uns entgegen, die unaufhörlich „man of war“ (Kriegsschiff) schrieen, das einzige Fremdwort, welches sie kannten. An der Westseite dieser Insel, die ausgedehnte Plantagen aufweist, ist ein Dorf mit einem schuppenartigen Gebäude, das zur Aufbewahrung eines gewaltigen, an 60 Fuß langen Canu dient. Das Letztere, obwohl reich mit Schnitzwerk und Bemalung verziert, interessirte mich aber weniger als die Giebelseite des Schuppens selbst. Hier waren zwar keine Schnitzereien angebracht, aber eine andere Zierat – Schädel! menschliche Schädel! die den Anthropologen wohl reizen konnten. Mit Hilfe meiner Kenntniß der Allerwelts-Zeichensprache hatte ich bald den größten Theil dieses Schatzes erworben, bis sich die Weiber energisch ins Mittel legten und den Rest vor meinen profanen Händen in Sicherheit brachten. Diese Schädel, o ihr Goulvainer! sprechen schweren Verdacht gegen Euch aus, den Verdacht der Menschenfresserei! Sie zeigen nämlich sämmtlich ein großes Loch am Hinterhaupt, was nur zu deutlich schließen läßt, daß der Inhalt, das Gehirn, als besondere Delikatesse des Kannibalen-Menus figurirte.

Catamarans.

Noch reicher und schöner waren die Dörfer, welche wir darauf in einer tiefen Bucht der Südküste von Fergusson besuchten, wo uns die Eingeborenen überall mit dem Ausdrucke großer Furcht empfingen. Wie so häufig, war nur die männliche Bevölkerung vertreten und die weibliche längst in Sicherheit gebracht worden. Und die Leute mochten, auf Grund früherer Erfahrungen, Recht darin haben. Die Häuser waren hier ähnlich wie in der Weihnachtsbucht, aber schöner und kunstvoller und an der Giebelfront mit rother und weißer Bemalung in Schachbrettform verziert. Mit diesem hübschen, fast eleganten Aeußeren der Häuser wetteiferte die Sorgfalt in der Anlage der Plantagen. Die treffliche schwarze Erde erschien so fein wie durchsiebt, die Ranken des Yams wanden sich an Stangen empor und erinnerten an Hopfen, die Stämme der Bananen waren nicht nur an Pfähle gebunden, sondern je von einem kleinen Zaune umgeben, ihre mächtigen Fruchtbüschel zum Schutze gegen Papageien und fliegende Hunde sorglich umhüllt, kurzum, es herrschte eine Sauberkeit und Pflege, wie man sie bei einem Kunstgärtner bei uns kaum besser sehen kann. Flüge kreischender Papageien und Kakadus erhoben sich, als wir jene Gefilde durchstreiften, aber ich ließ sie ungestört, denn eine andere sonderbar klingende Vogelstimme erregte meine Aufmerksamkeit. Aber es ist so schwer, in dem dichten Gelaube tropischer Bäume Vögel zu erspähen, und das geübtere Auge des Eingeborenen muß meist aushelfen. Mein schwarzer Begleiter bezeichnete mir, lebhaft gestikulirend, den Urheber der merkwürdigen Töne; endlich sah ich ihn, der Schuß knallt, und zu meinen Füßen liegt ein großer, prachtvoll stahlviolett schimmernder Vogel – Manucodia Comrii, – der prachtvollste Vertreter der Paradieskrähen, eine Beute, um die mich jeder Ornithologe beneidet haben würde. So durfte auch ich zufrieden sein und auf wirkliche Paradiesvögel verzichten, von denen die d’Entrecasteaux übrigens eine eigenthümliche Art besitzen.

Die „Fingerspitze“ in der Chads-Bai.

Mit Kap Ventenat, der Südostspitze von Normanby, gewinnt die Landschaft einen abwechselnden, lieblichen Charakter. Zahlreiche Inseln, reich mit Kokospalmen und Kulturland bedeckt, wechseln mit Sandbänken und Korallenriffs, unter denen das Gallow-Riff, an der Einfahrt zur Göschenstraße, zwischen Normanby und Ost-Kap, das größte ist. Beinahe wäre dasselbe der „Samoa" verhängnißvoll geworden, denn ihr Kiel streifte dasselbe bereits, glücklicher Weise ohne fest zu sitzen. Die soviel gepriesene und übertrieben geschilderte Schönheit der Korallbildungen reizt in solchen Momenten sehr wenig zur Bewunderung, und wir waren froh, als wir wieder dunkles, tiefes Wasser unter uns und nichts von Korallen sahen.

Ost-Kap ist der Ausläufer einer an 500 Fuß hohen Hügelkette, die nach West, bis in die Tiefe von Goodenough-Bai, in hohe Gebirge übergeht. Dieser an 80 Seemeilen lange Küstenstrich bietet daher die reichste Abwechselung von lieblichen grünen Hügeln bis zu 5000 Fuß hohen Gebirgen und gehört landschaftlich wohl zu den schönsten der ganzen Ostküste. Schon hinter Kap Ducie in Chads-Bai treten kühne Bergformen auf, wie die in der nebenstehenden Abbildung veranschaulichte „Fingerspitze“, die weiter nach West sich zu immer großartigeren Gebirgslandschaften gestalten und das Auge des Beschauers in gesteigertem Entzücken erhalten. Die charakteristischen Züge dieser Küstenlandschaft sind die fast unmittelbar zum Meere abfallenden, mit tiefen Schluchten und Spalten durchzogenen Gebirge, die nur auf der Kammlinie mit Wald, im Uebrigen mit frischem grünen Graswuchse bedeckt sind, und die auffallende Menge von Wasserfällen, von denen wir oft acht zugleich zählten, obwohl es in der trockenen Jahreszeit war. Längs dieser Küste findet sich wenig Vorland, in Folge dessen auch wenig Bevölkerung, die in den Bergen ihre Wohnsitze aufgeschlagen hat. Mit Erstaunen zeigte uns das Fernrohr noch in Höhen von über 4000 Fuß an den abschüssigsten Hängen die sorgfältig angelegten Plantagen der Eingeborenen, auf den steilsten und spitzwinkeligsten Sätteln ihre Pfade. – An der Nordseite von Goodenough-Bai sinken die Gebirge [370] wieder zu mäßigen Berg- oder Hügelreihen herab bis Kap Vogel, welches Goodenough-Insel gegenüber die Festlands-Küste begrenzt.

Von hier aus westlich dampfend verloren wir, um der riffreichen und gefährlichen Colingwood-Bai auszuweichen, die Küste wiederholt aus Sicht, bis uns die an 4000 Fuß hohen Gebirge bei Kap Nelson, mit den charakteristischen Spitzen Trafalgar und Victory, wieder als Landmarke dienten. Diese Gegend ist sehr malerisch und bietet, wie theilweise die um Kap Vogel, schönes Kulturland, welches weiter nach West mehr verschwindet und bis Mitrafels einförmigen, dichtbewaldeten Küstenketten Platz macht.

Abgesehen von den malerischen Schönheiten gewisser Strecken fanden wir diese ganze, an 260 Seemeilen lange Küste wenig versprechend für Ansiedelungen, schon deßhalb, weil sie kaum einen Hafen besitzt. Außerdem ist sie schwach bevölkert und hat wenig Kokospalmen aufzuweisen, mit Ausnahme des kurzen Striches von Ostkap bis nach Chads-Bai. Hier giebt es reiche Kokospalmen-Distrikte, außerordentlich geeignet zur Gründung einer Koprastation, aber wir untersuchten wiederholt vergeblich die Küste, ehe wir etwa acht Seemeilen westlich von Ostkap einen geeigneten Ankerplatz ausfindig machten.

Jch wußte nicht, daß England diesen Theil bereits annektirt hatte, und in dem Glauben, daß es noch unvergebenes Land sei, beschloß ich, hier eine Koprastation zu gründen. Innerhalb einer Woche bauten wir hier ein Haus nebst Schuppen, landeten unsere Kühe und Schafe, und das später so gefürchtete „German East-Cape-settlement“, das in den Kolonien so viel Staub aufwirbelte, war fertig. Ich übergab diese erste Handelsstation an der ganzen Ostküste, von mir „Blumenthal“ genannt, Karl Hunstein, einem Deutschen, der schon sieben Jahre in Neu-Guinea als Naturaliensammler lebte und trefflich verstand, mit den Eingeborenen umzugehen. Ich kannte ihn schon von meinen früheren Reisen an der Südostküste her, wo er mich in das Innere von Port Moresby begleitet und mir ausgezeichnete Dienste geleistet hatte. Diese Wahl war eine sehr glückliche, denn die anfangs scheuen, später sehr umgänglichen Eingeborenen erwiesen sich, als wir mit der „Samoa“ den Platz verlassen hatten, keineswegs als die „netten Kerle“, welche sie anfänglich schienen, und nur einem Manne mit der Erfahrung von Hunstein gelang es, friedlich mit ihnen auszukommen. Unter diesen Verhältnissen war es mir lieb, später die Station „Blumenthal“ wieder aufheben zu können, nachdem ich inzwischen erfahren hatte, daß sie sich auf englischem Gebiete befand.

Die Eingeborenen dieser Küste sind echte Papuas, zeigen aber in ihrem Aufputze wie sonst gewisse Eigentümlichkeiten. Was den ersteren betrifft, so gehören hierzu auffallend große Armbänder aus gespaltenem Rottang, besonderer Trauerschmuck, die Bekleidungsmatten der Männer aus zusammengenähten Pandanusblättern und die häufige Verwendung von Menschenhaar. Die Männer trugen dicke Stränge von solchem als Gürtel, zum Theil mit weißen Cypräamuscheln verziert, und ließen ihr eigenes Haar in Form eines dichtverfilzten Zopfes im Nacken herabhängen. Der Umstand, daß an diesem Zopfe häufig menschliche Halswirbel befestigt sind, erregt in mir den Verdacht, daß auch die biederen Bewohner von Hihiaura, wie unser Nachbardorf hieß, Kannibalen sind, einen Verdacht, den ich übrigens unter Vorbehalt ausspreche.

Hihiaura ist ein sehr hübscher Platz und hat besonders stattliche Häuser aufzuweisen. Auf unserm Hauptbilde (S. 373) sehen wir eins derselben, vom Bambusdickicht umgeben und von Kokospalmen beschattet, ebenso getreu wiedergegeben wie die Gruppe der Weiber, welche neben einer Banane ihr Mahl kochen. Eine weitere charakteristische Illustration dieses Gebietes ist die der hier üblichen Fahrzeuge, Catamarans genannt. Sie bestehen in der einfachsten Weise aus drei behauenen und an einander gebundenen Banmstämmen, eine Wasserkutsche, die große Uebung erfordert, da sie bei der geringsten Bewegung umkippt.

In unserem nächsten Aufsatze werden wir mit Milne-Bai und den Inseln östlich davor ein in vieler Hinsicht interessantes neues Gebiet kennen lernen.


[373]

Großes Haus in Kihiaura, unweit Ost-Kap.
Nach einer Skizze von Dr. O. Finsch gezeichnet von A. von Roeßler.

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aus: Die Gartenlaube 1887, Heft 18, S. 289, 293, 295-296


[289]

Baumhaus im Küstenland von Milne-Bai.0 Nach einer Skizze von Dr. O. Finsch.

[293]

Kirche und Kirchgängerinnen auf Aroani (Killerton-Inseln).
Nach einer Skizze von Dr. O. Finsch gezeichnet von A. v. Roeßler.

[295]

Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“[3]

IV. Englisches Gebiet in Ost-Neu-Guinea: Milne-Bai und Moresby-Archipel.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Milne-Bai, eine im Südosten Neu-Guinea’s gelegene, etwa 20 Seemeilen lange und 10 Meilen breite Einbuchtung, war das Ziel der nächsten Expedition der „Samoa“. Ein Kranz von Koralleninseln, den Killertons, ist der Einfahrt in diese Bucht vorgelagert, und eine derselben, Aroani, war unser erster, keineswegs besonders geschützter Ankerplatz in diesem Theil des englischen Gebietes. Außer der englischen Flagge deuteten noch andere Merkmale darauf hin, daß wir uns den äußersten Grenzen, den Anfängen der Civilisation wieder näherten. Eingeborene, die in schlechten, nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm bestehenden Canus ankamen, noch ehe der Anker gefallen war, begrüßten uns mit „Hallelujah! Jesus!“, „Me belong missionaly!“ („Ich bin Missionar!“) und verlangten nach Tabak. Kein Zweifel, wir befanden uns im Bereiche der Mission, und zwar der Gesellschaft von London, für welche Aroani den äußersten östlichen Posten an der Südostküste von Neu-Guinea bildet. Seit dem Jahre 1871 hat diese größte und reichste aller Missionsgesellschaften der Welt von Saibai an der Südküste bis hierher an 37 Stationen errichtet, von denen Port Moresby und Darnley-Insel in der östlichen Torresstraße die Centralstationen sind. Nur hier haben gebildete Weiße, Missionare in unserem Sinne, als Leiter des Ganzen ihren Sitz, während die übrigen Stationen von sogenannten Lehrern (Teachers), das heißt in der Missionsschule auf Norfolk-Insel erzogenen Farbigen aus Ost-Polynesien, geleitet werden. Und doch hat das Missionswerk diesen dunklen Sendboten des Evangeliums das Meiste zu verdanken; denn sie waren es, die gegen ein Entgelt von 20 Pfd. Sterling (400 Mark) jährlich Leben und Gesundheit im Dienste des Christenthums einsetzten. Und dieser Opfer sind gar viele! Die meisten der „Lehrer“ erlagen dem Klima; nur eine geringe Anzahl (höchstens sechs, und zwar bei dem bekannten Massacre 1882 in Kalau) fiel unter den Streichen der Eingeborenen. Die Missionsstation auf Aroani, einer früher unbewohnten Insel, besteht aus mehreren Häusern, unter denen die Kirche den hervorragendsten Bau bildet. Unsere Abbildung (S. 293) giebt eine Darstellung dieses eigenthümlichen Gebäudes.

Die Verzierung der Giebelfront stellt die Figur irgend eines Heiligen in roher Form dar und ist von Eingeborenenhand aus farbigen Blättern gearbeitet. Nach meinen Originalskizzen hat ferner unser Künstler ein lebendiges und sehr naturgetreues Bild der Eingeborenen entworfen, wie es sich an einem Sonntage vor der Kirche unseren Augen darbietet. Wie überall, so bildet auch hier das schöne Geschlecht den Haupttheil und zwar in den sonderbarsten Ausschmückungen der Mode, vom Grasröckchen der Eingeborenen bis zum Kattunjäckchen und Strohhut, auf dem Federn und künstliche Blumen paradiren. Es geht gar lebhaft her; denn ein großes Canu hat fremde Gäste gebracht, und zwar von Samárai (Dinner-Insel). Wir lernen dabei zuerst die reiche Tätowirung der dortigen Damenwelt kennen, die in Milne-Bai sonst nicht Sitte ist. Diese Tätowirung bedeckt in eigenthümlichem Grecmuster den ganzen Körper, Arme und Gesicht und dient, wie allenthalben, als eine die Kleider gewissermaßen ersetzende Verzierung des weiblichen Geschlechts, an die sich auch das Auge des Europäers bald so sehr gewöhnt, daß es sie schön findet.

Aroani ist ein armes Inselchen; das wurde mir auf meinen Jagdausflügen klar. In Begleitung des Lehrers unternahmen wir auch einen Ausflug in die Bai und zwar längs dem noch wenig bekannten nördlichen Ufer, an welchem sich noch eine zweite Missionsstation, Mieta, befindet. Je tiefer wir in die Bai gelangten, um so reicher fand sich die Kokospalme vor, die an manchen Stellen förmliche Wälder bildete. Wenn man den Berichten der Lehrer über die Ausdehnung dieses Kopragebiets Glauben schenken darf, so gehört es ohne Zweifel zu dem reichsten in ganz Neu-Guinea, obwohl es merkwürdigerweise bis jetzt noch ganz unausgebeutet blieb.

Die Häuser in dem Küstenland von Milne-Bai stehen auf sehr hohen Pfählen und unterscheiden sich in manchen Stücken, sowohl in Bauart wie Material, von den bisher gesehenen. Ueberraschend war es für mich, hier jene Art von Baumhäusern zu finden, die mir aus dem Innern von Port Moresby bereits bekannt waren. Meine Skizze (vergl. S. 289) stellt ein solches im Bau begriffenes Haus dar. Diese Bauten dienen weniger Wohnungszwecken, sondern sind mehr Warten oder Festungen, in welche sich die Eingeborenen bei einem Angriffe zurückziehen. Das einzige Geräth, welches sich daher im Inneren dieser luftigen Baumnester findet, sind Waffen, vor Allen Steine und Speere. Die Eingeborenen von Milne-Bai sind, wie Hunstein, der früher hier längere Zeit als Sammler lebte, auf das Bestimmteste versichert, Kannibalen, welches Laster sich von hier über die gesammten Inseln und die Louisiade zu erstrecken scheint; diese Gegend bildet bis jetzt das einzige sicher nachgewiesene Menschenfressergebiet in Neu-Guinea.

Nach den Killertons zurückgekehrt, dampften wir der kaum mehr als eine englische Meile breiten China-Straße zu, welche liebliche Partieen ausweist, aber die Hoffnungen eines kürzeren Seeweges nach China nicht erfüllt hat.

Bald sahen wir Samárai (Dinner-Insel) vor uns, ein ziemlich in der Mitte der Straße gelegenes Inselchen, welches als Station der Londoner Missionsgesellschaft für dieses Gebiet eine gewisse Bedeutung beanspruchen darf. Vorher unbewohnt, ist Samarai seitdem der Sammelpunkt einer kleinen Gemeinde von etlichen 30 Eingeborenen geworden, die zum Theil als Bekehrte gelten und von den benachbarten Inseln herstammen. Da gerade Sonntag war, so fand sich, als wir landeten, das ganze Völkchen am Strande versammelt; bald ging es an ein Händeschütteln, wobei Mancher neben seiner Grußformel „denani“ bereits einen leisen Wunsch nach Tabak äußerte. Man erzählte uns von einem „Dimdim“ (weißen Mann), als seltenem Gast der Insel, und bald begrüßte uns derselbe in englischer Sprache. Er hatte sich seit kurzer Zeit hier niedergelassen, um Kopra und Trepang zu machen, und nannte sich „Smith“! Als er sich aber angelegentlich nach unserer Flagge erkundigte und erfuhr, daß es die deutsche sei, da entpuppte er sich als guter Danziger, der auf einmal deutsch sprach, auch nicht „Smith“, sondern ganz anders hieß. So werden unsere braven deutschen Landsleute zuweilen unter ganz anderem Namen in der Welt umhergeschleudert und – manche haben Ursache zu solcher Neubenennung. Der Genannte, seines Zeichens ein Seemann, war früher an Bord des berüchtigten Arbeiterschiffes „Hopeful“ gewesen, das im Jahre 1884 in jenem Gebiete Gräuelthaten verübte, die wirklich einmal zur Untersuchung gelangten, welche mit einem Todesurtheil gegen den Kapitän, Steuermann und Arbeiteragenten endeten. Nebenbei bemerkt, wurde dieses Urtheil nicht vollzogen, weil die öffentliche Meinung in Queensland es nicht zu fassen vermochte, daß Weiße wegen einiger „Niggers“ die wohlverdiente Strafe erleiden sollten.

Außer der Tätowirung der Frauen, welche Sitte selbst die Mission noch nicht auszurotten vermochte, ist im Uebrigen bei den Eingeborenen alle Originalität bereits verschwunden. Doch eilten die Bewohner der Nachbarinseln herbei und brachten mir Allerlei, darunter manches Eigenthümliche, zum Kauf: große viereckige Holzschilde, Armbänder aus einem menschlichen Unterkiefer, und selbst Menschenschädel! – angeblich Trophäen erschlagener Feinde vom Festlande her, mit denen die Insulaner früher in steter Fehde lebten, sich gegenseitig überfielen und – aufaßen! War mir auch Manches neu auf Samárai, so hatte ich doch einen alten Bekannten zu begrüßen, den „Baubau“, wie dieses eigenthümliche Rauchgeräth in Port Moresby und an der Südostküste heißt. Der Baubau, hier „Kirä“ genannt, ist ein Stück Bambu mit einem kleinen Loch zur Aufnahme einer primitiven Cigarrette, mit einem Decker aus einem Baumblatt. Wie die beigegebene Abbildung (S. 296) der rauchenden Weiber zeigt, wird zunächst das Bamburohr mit Rauch gefüllt, und letzterer alsdann aus dem kleinen Loche gesogen; eine Rauchmethode, die an kraftvoller Wirkung alle anderen übertrifft. Man sieht zuweilen, daß Männer schon nach wenigen Zügen wie betäubt umfallen.

Wir beschlossen, Chas oder Teste-Insel, diesen am weitesten nach Südost vorgeschobenen Posten des Archipels, anzulaufen. Der Glockenfels (Bell-Rock), ein isolirter steiler Felsenkegel, ist der Wegweiser für die Insel, welche einem langgestreckten, grünen Hügel ähnelt, aber viel bestelltes Land aufweist. Wir ankerten an der unbewohnten Nordseite der Insel. Aber bald [296] hatten uns die Eingeborenen bemerkt und eilten an den Strand herab, um uns über den Berg nach dem Dorfe der Südseite zu geleiten, die von einem ausgedehnten Riff begrenzt wird. Schon auf dieser kurzen Tour bemerkte ich aus dem Benehmen der zum Theil englisch radebrechenden Eingeborenen, daß dieselben schon häufig mit Europäern in Verkehr gestanden, und war daher freudig überrascht, in dem Dorfe selbst noch so viele Originalität vorzufinden.

Baubauraucherinnen auf Samarai (Dinner-Insel).

Vor Allem war es die Eigenartigkeit des Baustils, welche meine Aufmerksamkeit erregte. Die Häuser (vergl. die untenstehende Abbildung) stehen auf soliden, rund behauenen Pfählen mit einer runden Scheibe, zum Schutze gegen Ratten u. dergl., und sind an der Giebelseite zum Theil mit buntbemaltem Schnitzwerk versehen. Das mit Kokospalmblättern belegte Dach besteht aus einer Art Schilf oder Gras, die Wände sehr praktisch aus verstellbarem Mattenwerk von Kokospalmblatt. Unsere Abbildung zeigt neben dem Hause noch ein Grab, in Miniaturform eines Hauses, aber außer diesem Denkmal des Todes auch ein Bild des Lebens in Gestalt einer Töpferin, die für Teste-Insel eine besondere Bedeutung erlangt. Verdankt die Insel doch der Töpferei ihren Wohlstand und ihre bevorzugte Stellung als Handelscentrum der Ostspitze Neu-Guineas. Der treffliche Thon, aus dem die Insel besteht, liefert das Material und machte die Töpferei überhaupt möglich. Bei meinem Interesse für Keramik ließ ich gleich ein paar Weiber, Meisterinnen in dieser Kunst, antreten, um die Fabrikation kennen zu lernen. Das Herz des Prähistorikers schlug heftiger, als ich eine einfache Methode noch von Lebenden gehandhabt sah, in welcher unsere werthen Vorfahren des Steinalters ihre Töpfe herstellten, Töpfe, deren Reste, als Scherben in kostbaren Schränken verwahrt, den Stolz des Forschers erregen. Hier hätte man mit Hilfe der vereinigten Weiber in kurzer Zeit ganze Museen füllen können, denn jede Insulanerin ist selbstredend auch Töpferin, das gehört zu ihrer Erziehung, und diese Kunstfertigkeit wird schon in früher Jugend ausgebildet. In der That ist die Fabrikationsweise die denkbar einfachste. Außer einer Muschelschale zum Glätten bedient sich die Töpferin nur ihrer Finger, mit denen sie den in eine lange, dünne Wurst gerollten Thon spiralig aufrollt, bis er die gewünschte Größe erreicht. Das Randmuster, in ebenso einfacher Weise mittelst gabelförmiger Stäbchen aus Bambu eingeritzt, ist hier, wie anderwärts, eine Art Handelsmarke, mit welcher die Verfertigerin ihr Fabrikat schützt.

Häuser und Grabstätte in Hausform auf Chas (Teste-Inseln).

Chas zählt gegenwärtig kaum mehr als 300 Bewohner, echte Melanesier, das heißt Papuas, die sich alle mehr oder minder zum Christentum bekennen. Wie die Eingeborenen selbst mit einem gewissen Stolz erzählten, waren sie vorher arge Kannibalen, die ihre Raubzüge namentlich nach Barsiraki (Moresby-Insel) ausführten, woher wahrscheinlich die Schädel stammen, welche ich als letzte Zeugen einer glücklicher Weise untergegangenen Bildungsstufe hier erhielt.

Wir besuchten selbstredend auch die Missionsanstalt und fanden hier in einem hübschen Wohnhause den Lehrer, einen Schwarzen von den Loyalitäts-Inseln, der früher Matrose war und uns während unseres Besuches viel von seinen Fahrten auf einem Walfischfänger erzählte. Dabei hatte er auch ziemlich gut Englisch gelernt, was bei den meisten dieser Lehrer sonst nicht der Fall ist. Die Londoner Gesellschaft lehrt den Eingeborenen überhaupt nicht Englisch, sondern bemüht sich, dieselben in der eigenen Sprache zu unterrichten, was bei der Unzahl melanesischer Sprachen und Dialekte natürlich eine äußerst schwierige Sache ist.

Der Lehrer, welcher, wie dies stets der Fall ist, über Mangel gewisser Lebensbedürfnisse klagte, da das jährliche Missionsschiff noch fällig war, gab uns zwei alte Hühner und eine Ananas als Gegengeschenk. Letztere, die erste und einzige, welche wir auf unseren bisherigen Fahrten überhaupt gesehen hatten, bestimmte ich zu einer Bowle, bei der wir auf der Reise nach Cooktown Sylvester feiern wollten. Das Meer war an jenem Abende ruhig wie ein Spiegel; der Dampfer glitt daher sanft wie ein Schwan durchs Wasser. Die Bowle war in Ermangelung von etwas Anderem im Wasserfilter angerichtet, Steuerleute und Maschinisten hatten ihren Theil bekommen, Kapitän Dallmann und ich saßen behaglich auf dem Quarterdeck, um bei dem Labetrunke all der Lieben daheim und der theuren Heimath selbst zu gedenken, es herrschte eine feierliche Stimmung! Eben wollte ich die Gläser füllen; da – eine unerwartete Schwenkung – ein Krach und unsere Bowle lag am Boden! Ja! ja! Die kleine „Samoa“ hatte so ihre Mucken und spielte uns auch diesmal einen Streich! Mit der Bowle war es also aus und mit der Sylvesterfeier ebenfalls. Was war zu thun? – nichts! – wir krochen zur Koje! Und damit „Gute Nacht“!



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aus: Die Gartenlaube 1887, Heft 28, S. 460-462


[460]

Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“

V. Längs der vorher ungekannten Nordostküste. a. Von Vulkan-Insel bis Berlinhafen.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Unsere bisherigen Reisen mit dem Dampfer „Samoa“ erstreckten sich von der Milne- bis zur Astrolabe-Bai, auf einen Küstenstrich von nahezu 600 Seemeilen. Es blieb daher innerhalb unseres deutschen Gebietes nur noch die Strecke von Kap Croissille bis zur Humboldt-Bai übrig, gegen 350 Meilen so gut als unbekannter Küste, der am meisten unbekannte Theil von Neu-Guinea überhaupt. Die besten Karten verzeichneten ausgedehnte Strecken nur punktirt und ungefähr 16 Namen; das war Alles!

Anfang Mai (1885) verließen wir Mioko-hafen mit gespannten Erwartungen. Jedenfalls sollte und mußte der Versuch, jene Küste besser kennen zu lernen, gewagt werden, um der kleinen „Samoa“, ihrer Mission entsprechend, neben gewaltigen Kriegsschiffen einen bescheidenen Platz unter den Erforschern Neu-Guineas zu sichern. Wir hatten zwar keine Kanonen und im Ganzen nur 18 Mann an Bord; aber wir kannten die Eingeborenen bereits zur Genüge, um uns ihretwegen keine Sorge zu machen.

Einen westlichen Kurs steuernd, sichteten wir in der Frühe des dritten Tages bereits die Vulkan-Insel mit dem mächtigen gegen 5000 Fuß hohen Pik, dessen in Wolken gehülltes Haupt noch nicht den thätigen Vulkan erkennen lies. Nach und nach tauchten gleich kleinen Inselchen die Baumwipfel der Küste auf, aber noch ehe dieselbe deutlicher hervortrat, wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine andere Erscheinung abgelenkt. Dies war ein der Brandung ähnlicher weißer Streif, hinter welchem das bisher tiefblaue Meer plötzlich und wie abgeschnitten grün gefärbt aussah, ganz so wie dies bei einem ausgedehnten Riff der Fall ist. Hier schien also Vorsicht nöthig! Wir dampften daher eine Zeitlang beobachtend längs diesem bedenklichen grünen Wasser dahin; aber zahlreiche Treibholzstämme, darunter ganze Bäume mit Blättern und Wurzeln, belehrten uns bald, daß die so auffallende Färbung nicht von Riffen, sondern nur von der Auswässerung von Flüssen herrühren konnte. Sorgfältig lothend wurde daher langsam in dieses grüne Wasser hineingedampft, welches, wie erwartet, sehr geringen Salzgehalt zeigte. Gegen Abend gingen wir nahe der Küste, da wo die Karten Venus-Kap verzeichnen, zu Anker. Aber ein wirkliches Kap war nicht zu finden, und schon hier überzeugten wir uns von der Unzulänglichkeit und Unrichtigkeit der Karte; wir befanden uns eben an einer unerforschten Küste; denn die Fahrten des kühnen Holländers Willem Schouten (sprich Schauten) längs derselben lassen sich leider nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Wir wissen nur, daß er am 7. Juli 1616 mit seinem Schiffe „de Eendracht“ (Eintracht) nahe dem „groote vuurbaarg“ (großen Feuerberg) ankerte. Als sich am Abend die Wolken zertheilten und die Spitze des Kraters in rothen Feuerstreifen züngelte, da konnte man sich im Geiste 250 Jahre zurückversetzt fühlen. Ja! ja! Jedenfalls war es damals bedeutend schwieriger, Entdeckungsfahrten zu machen, als heutigen Tages, und wohl Keiner verstand die Thaten des alten Seehelden besser zu würdigen und zu bewundern als wir an dieser Stelle. Das unterirdische Feuer brannte noch, vielleicht nicht so intensiv wie damals, und die Eingeborenen waren jedenfalls auch noch, unbehelligt von fremdem Einfluß, in Ursprünglichkeit und Originalität dieselben geblieben.

Mann von Venus Huk im Canu.

Solche Menschen oder vielmehr solchen Aufputz hatte ich bisher nicht in Neu-Guinea gesehen. Wie die beigegebene Abbildung (Mann von Venus Huk) zeigt, war zunächst die eigentümliche Art und Weise, das Haar in einem cylindrischen Körbchen aus feinem Flechtwerk zu tragen, am auffallendsten; eben so der lange, mit Behang von Schweinezähnen und anderen Sächelchen verzierte Kinnbart mancher Männer. Sie trugen fast alle filetgestrickte, mit Scheiben von Cymbiummuscheln behangene Beutel, wie sie auch weiter westlich vorkommen (vergl. Abbildung: Mann von Guap), um den Hals, in welchen sie ihre Kleinigkeiten: Betelnüsse, Tabak, Muschelschalen als Messer, Knochen als Brechwerkzeuge etc. verwahrten, und waren mit sehr kunstvoll verzierten Lendengürteln aus Tapu bekleidet. Als ganz neu fand ich hier zuerst statt des Bogens einen Wurfstock aus Bambu zum Werfen der Speere: eine Methode, die bisher nirgends in Neu-Guinea beobachtet wurde und eigentlich für Australien charakteristisch ist. Die Enden der aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestehenden Canus waren zum Theil mit kunstvollem Schnitzwerk versehen; es stellte meist ein Krokodil, zuweilen in Verbindung mit einem Menschengesicht dar, oder wie auf der nebenstehenden Skizze den Schwanz des Sauriers in den Kopf eines Nashornvogels (Buceros) ausgehend. Am Maste des großen Canus, die etwa [461] 18 Mann faßten, flatterte allerlei Schmuck aus Blattfasern und Federn; an dem einen war selbst die Kreuzesform vertreten.

Wie fast überall, erwiesen sich auch diese Naturkinder als sehr schneidige Händler und äußerst praktisch. Obwohl sie kein europäisches Erzeugniß, keine Glasperlen, kein Stück Eisen besaßen, wußten sie das letztere doch gleich den ersteren vorzuziehen: eine Erfahrung, die ich für die Folge überall bestätigt fand. Praktischer Weise waren sie auch gut bewaffnet und führten Unmassen von Pfeilen und Speeren mit. Als sich plötzlich die ganze Canuflottille wie auf ein gegebenes Zeichen zurückzog, glaubte ich schon, daß ein Pfeilhagel folgen würde; aber es war nur ein schrillendes Ventil der Maschine, das sie scheu gemacht hatte. Durch ein eigentümliches Friedenszeichen versuchte ein Mann, wohl ein Häuptling, das neue Freundschaftsband fester zu knüpfen. Er theilte ein Kokospalmblatt in zwei Hälften, schürzte in jede einen Knoten und gab mir die eine, während er die andere an dem Maste seines Canus befestigte. Als ich ein Gleiches that, erfüllte lautes Freudengeschrei die Luft!

Im Angesicht des brennenden Berges hielten wir betreffs der weiteren Fortsetzung der Reise Rath. Das trübgefärbte Wässer gab zu allerlei Bedenken Anlaß, und die Aussicht, bei einem Unglücksfall hier eine Robinsonade durchzumachen, war keineswegs verlockend; denn die Tundren Sibiriens bieten mehr, das Leben zu fristen, als solche Tropenstriche, in welchen selbst die Kokospalme fehlt. Die nächste Civilisationsoase lag an 500 Seemeilen weit, und diese würden wir bei den herrschenden westlichen Strömungen und dem Südost-Monsun mit unseren Booten niemals erreicht haben. Wer hätte uns auch an dieser abgelegenen Küste aufsuchen und auffinden wollen?

Aus naturwissenschaftlichen Gründen konnten in diesem brackischen Wasser kaum Korallthierchen ihre heimtückischen Bauten errichten; das durfte man als ziemlich sicher annehmen. Diese Voraussetzung sowie die Erinnerung an Willem Schouten als leuchtendes Vorbild gaben den Ausschlag, und so dampften wir in westlicher Richtung weiter. Schon der folgende Tag belohnte uns in reichem Maße, denn der längst in dieser Gegend vermuthete große Fluß, welcher das Meer so weithin trüb färbt, er wurde durch uns wirklich aufgefunden. Als den größten im Kaiser Wilhelm-Land nannte ich ihn „Kaiserin Augusta-Fluß“! Leider fehlte uns eine Dampfbarkasse und die Untersuchung mittels des Whaleboots war schwierig, da die Strömung, welche ganze Bäume und kleine Grasinseln mit sich führte, eine gewaltige ist. Vom Winde begünstigt, drangen wir aber bis in die eigentliche Mündung des Flusses vor. Sie mag eine halbe Seemeile betragen und ist, wie unsere Lothungen zeigten, durch keine Barre gesperrt; ein sehr wichtiger Umstand, denn der neue Fluß eröffnet somit Aussichten auf Schiffbarkeit und eine Wasserstraße ins Innere, die zunächst für wissenschaftliche Expeditionen bedeutungsvoll werden dürfte.[4]

Außer ein paar schlechten Hütten am linken Ufer war nichts von Menschen zu bemerken; aber als wir in die Mündung selbst einbogen, sahen wir einige größere Häuser, deren Bewohner in großen Canus eiligst und lautlos die Flucht ergriffen, so sehr ich sie auch zum Stillhalten aufforderte. Der Strom drängt mit rapider Geschwindigkeit am rechten Ufer, wo er eine mächtige Sandbank mit vielen Treibholzstämmen ablagert. Hier hatte sich nach und nach eine Menge bewaffneter Eingeborener angesammelt, aber wir konnten sie der Strömung wegen nicht erreichen. Mächtige Feuer zeigten, daß unser Erscheinen die ganze, übrigens sehr geringe Bevölkerung in Aufregung versetzt hatte. Und die Leutchen hatten allen Grund dazu; war es doch das erste Schiff und die ersten Bleichgesichter, welche sie zu sehen bekamen.

Mann von Guap.

Von hier setzt sich die Küste fast gleichmäßig in westlicher Richtung fort; die tiefe Buchtung, welche die Karten bisher punktirt verzeichneten, ist also nicht vorhanden. Ich benannte diese 65 Seemeilen lange neue Küste nach dem Geheimrath A. von Hansemann, dessen Name mit der Entdeckungsgeschichte Neu-Guineas stets verbunden bleiben wird, da er der eigentliche Urheber des Unternehmens ist, aus dem die jetzige „Neu-Guinea-Kompagnie“ hervorging.

Die Hansemann-Küste besteht aus bewaldetem Flachland mit niedrigen Hügelketten und wird voraussichtlich für Kolonisation und Anbau Bedeutung erlangen. Es fehlt ihr nicht an Flüssen, denn noch immer ging unser Kiel durch grünes oder trüb-gefärbtes Wasser und wir selbst entdeckten die Mündungen von mehreren, aber alle waren durch Barren gesperrt. Weiter nach West rückten bewaldete Hügelketten näher ans Ufer, die nach und nach höher wurden. Aber auch Kokospalmen und mit ihnen Dörfer der Eingeborenen zeigten sich und brachten in die Einförmigkeit der Uferlandschaft einige Abwechselung. Der äußerste Ausläufer dieser mit hübschen grünen Matten gefleckten Bergküste erschien wie eine Insel, und so durften wir irgend eine geschützte Buchtung hier erwarten. Dies war leider nicht der Fall, sondern die anscheinende Insel erwies sich als ein Kap, das ich nach Kapitän Dallmann benannte; es begrenzt nach Westen eine hübsche Bucht, die Krauelbucht.

Bald nachdem wir Kap Dallmann passirt hatten, öffnete sich der Blick auf eine Bai, weiter nach Ost auf eine dichtbewaldete bergige Insel, Kairu der Eingeborenen, oder d'Urville-Insel der Karten, der eine niedrigere, Muschu (Gressien) vorgelagert ist, die an der Westseite ausgedehnte grüne Grasflächen ausweist. Sie scheinen für Viehzucht wie geschaffen. Zwischen dieser Insel und dem Festlande bildet das Letztere eine hübsche Buchtung, die wir untersuchten und als guten Hafenplatz erkannten, den ich nach unserem braven Kapitän Dallmann benannte.

Schon seit geraumer Zeit hatten sich Eingeborene in Canus bemüht, uns zu erreichen, hier gelang es ihnen endlich, da wir ankerten. Auch am Ufer belebte es sich, zahlreiche Eingeborene riefen uns an und winkten mit grünen Zweigen. Als wir aber landeten, setzten sich Alle nieder und eine ehrfurchtsvolle Stille herrschte, bis sich die Leutchen von ihrem ersten Staunen erholt hatten. Bald waren sie zutraulich, und wir folgten ihnen auf gut betretenem Pfade nach ihrem Dorfe, Rabun genannt. Dasselbe zeichnete sich durch stattliche, große Häuser aus, wie das aus der beigegebenen Skizze (S. 462), in welche, wie hier sehr richtig dargestellt, die scheuen Weiber und Mädchen schleunigst verschwanden. Nur einzelne wurden nach und nach zutraulicher und nahmen zitternd, von den Männern anfgemuntert, ihre Geschenke an Glasperlen und Streifen rothen Zeuges entgegen. Den Leuten mochte mein unstätes Wesen, mit welchem ich Alles zu sehen, zu skizziren, zu messen bemüht war, nicht sonderlich gefallen; denn bei jedem Hause wurde ich zum Niedersitzen eingeladen. Wie sich später ergab, wollte man uns bewirthen – eine Art von Gastfreundschaft, die mir bisher nirgends in Melanesien vorgekommen war und der wir in dem nächsten Dorfe nicht entgingen. Hier half alles Weigern nicht, wir mußten an dem aufgetischten Mahle aus gerösteten kleinen Fischen und Sagoklößen theilnehmen oder doch davon kosten und Kokosnußmilch trinken, die bei der Hitze ganz willkommen war, obwohl sie, wenigstens bei mir, den Durst nur vergrößert. Von einer Menschenmenge, die sich fortwährend mehrte, begleitet, traten wir den Rückweg nach unserem Boote an, das die guten Eingeborenen mit Kokosnüssen fast überluden. Und das geschah Alles freiwillig. An der wirklichen

  1. Die „Samoa“ wurde im Auftrage des damaligen Komité der Neu-Guinea-Kompagnie in Sydney gekauft und ist ein hölzerner Schrauben-Dampfer von 121 Fuß (engl.) Länge, 111 Tons reg. und 35 Pferdekraft (nom.). Sie wurde 1883 in Neu-Süd-Wales gebaut und führte, ehe sie unter deutsche Flagge kam, den Namen „Sophia Ann“. Die Besatzung bestand aus 14 Mann, das Kommando führte Kapitän Eduard Dallmann aus Blumenthal, einer der erfahrensten Kapitäne unserer Handelsmarine und in weiteren Kreisen durch seine Reisen nach der Arctic und Antarctic sowie Sibirien bekannt. Leiter des ganzen Unternehmens war Dr. O. Finsch. Sämmtliche Illustrationen zu diesen Artikeln sind nach Originalskizzen und Angaben des Verfassers von A. von Roeßler gezeichnet.Anm. d. Red. 
  2. Sämmtliche Illustrationen zu diesen Artikeln sind nach Originalskizzen und Angaben des Verfassers von A. v. Roeßler gezeichnet.   D. Red.     
  3. Vergl. Jahrgang 1886 der „Gartenlaube“.
  4. Diese Vermuthungen haben sich bestätigt und der Augustafluss ist seitdem etwa 100 Meilen mit Dampfer befahren worden.
    D. Red.

[462] Gastfreundschaft war also nicht zu zweifeln. Ja, es kostete Mühe, sich derselben zu entziehen; denn obwohl wir kaum Etwas von ihrer Sprache verstanden, war der Wunsch, uns dauernd unter ihnen niederzulassen, doch unverkennbar.

Als alle Ueberredungskünste nicht halfen, wurden uns Häuser, Land, Kokospalmen, Schweine und als letztes Mittel „Mädchen“ angeboten! Noch nie in meinem Leben war es mir so leicht gemacht worden, Haus und Hof, Frauen und Familie zu erwerben, mit einem Wort „Negerfürst“ zu werden! Die Wichtigkeit meiner Mission, die Küste weiter zu erforschen, ließ mich dieses Glück von der Hand weisen, sehr zum Bedauern und Verdruß der Deputation von Notabeln, die mit ihren grunzenden Schweinen und zitternden Mädchen, den mir zugedachten Prinzessinnen, wieder abziehen mußte.

Wir thaten ein Gleiches und wandten unseren Bug westwärts, mußten aber bald wegen Regens und düstern Wetters, nahe der Küste, gegenüber der kleinen Insel Guap wieder zu Anker gehen. Dieselbe ist sehr dicht bevölkert und die Bewohner zeichnen sich durch einige Besonderheiten, namentlich den originellen Kopfputz aus, wie ihn die beigegebene Skizze (S. 461) zeigt. Diese lange Röhre aus Pandanusblatt, mittelst Nadeln aus Knochen in dem dichten Haarpelze festgehalten, repräsentirt in der That die Urform des noch krempelosen Cylinders, und so waren wir um eine wichtige Entdeckung reicher. Ja! wer hätte wohl gedacht, daß unser Cylinder oder Bibi auf die Wilden Neu-Guineas zurückzuführen ist! Unter den angebotenen Tauschartikeln nahmen kleine aus Holz geschnitzte menschliche Figuren, sogenannte „Götzen“ und sonderbar bemalte Holzmasken mit langer schnabelartiger Nase die Hauptstelle ein, aber auch trefflicher Yams wurde in Menge gebracht. So entwickelte sich ein lebhafter Handel, ein Handel, der eben so ermüdend wie angreifend war; denn es ging immer nur Stück um Stück, und für Alles und Jedes wollte man Eisen haben. Da mußten denn die alten Kistenbänder herhalten, die unser „Meister“, der Maschinist, in so kurze Stückchen zerschnitt, daß Keiner das dünne Eisen zu biegen vermochte, das war der Prüfstein für das neue geschätzte Gut. Bei der Menge von Eingeborenen, welche die „Samoa“ umlagerten, hielt ich streng darauf, daß keine Eingeborenen an Bord kamen, denn Vorsicht ist in allen Fällen, auch den scheinbar friedfertigsten Eingeborenen gegenüber, nicht außer Acht zu lassen. Da schallte es plötzlich aus einem Canu längsseit: „Doktor! Doktor!“

„Herr! Du meine Güte! Dein Weltruf ist schon bis hierher gedrungen!“ dachte ich in meiner Bescheidenheit und sah mich nach den Rufern um, die lebhaft gestikulirten, als wenn sie sagen wollten. „Na! das ist wirklich nett! Heut kennt uns der ‚Doktor‘ schon nicht mehr und gestern ließ er sich noch bei uns abfüttern!“

In der That, es waren unsere biederen Freunde von Rabun, die uns nachgefolgt waren, um einen letzten Versuch zu machen, uns zur Rückkehr und zum Bleiben zu bewegen. Aber als die Dampfpfeife ertönte und die Schraube weißen Schaum aufwühlte, da stiegen sie betrübt in ihr Canu und so lange wir uns sehen konnten, winkten wir den netten Freunden zu, wie sie uns. Wir durften uns nirgends allzulange aufhalten; bei dem geringen Kohlenvorrath, welchen die „Samoa“ mit sich führte und der nur einige zwanzig Tage reichte, war „Vorwärts“ unabweislich unsere Losung.

Haus in Dallmannhafen.

Und so müssen wir auch zum Schluß unseres Artikels nach Berlinhafen eilen, den wir durch die Babelsbergstraße erreichen, immer im Angesicht der malerischen Küste, mit dem an 3000 Fuß hohen Torricelli-Gebirge. Berlinhafen wird von den mittelst Riff verbundenen Sainson-Inseln gebildet (Faraguet und Sainson von d’Urville gesichtet), zu denen wir noch eine kleine neue „Sanssouci“ entdeckten. Da wir die Straße zwischen Dudemain- und den Sainson-Inseln, welche d’Urville mit Riffs blokirt verzeichnet, vollkommen frei fanden, so wird Berlinhafen zu einem vollkommen geschützten Ankerplatz: eine weitere Bereicherung dieser Küste, welche für die spätere Entwickelung von großer Bedeutung ist. Wünschen wir ihr und dem neuen Hafen das Beste!



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aus: Die Gartenlaube 1887, Heft 33, S. 541-543, 545


[541]

Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“

VI. Längs der vorher ungekannten Nordostküste. b. Von Berlinhafen bis Humboldt-Bai.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Im Mars der „Samoa“.

Wir dampften dem Endziel unserer Reise entgegen. Berlinhafen lag hinter uns. Das Torricelligebirge verschwand nach und nach oder rückte weiter ins Innere, und die Küste bestand nunmehr aus weitem Vorland und Hügeln, auf denen ein dichter Wald sich erhob. Kokoshaine und Menschen, wie stets fast unzertrennlich verbunden, wurden spärlicher und hörten allmählich ganz auf. Wir konnten also wenigstens eine Nacht unbehelligt von den Eingeborenen zu Anker gehen und freuten uns dieser Ruhe.

Weiter westwärts belebte sich die Küste, und mit spannender Erwartung näherten wir uns einer Buchtung, welche auf den Karten als die „Attak-Bai“ verzeichnet ist. Wir hatten kurz vorher in Massilia, einem Küstendorfe, phantastisch ausgerüstete Krieger gesehen (vgl. untenstehende Abbildung). Sie trugen als Kriegsschmuck eine Art herzförmige Schilde aus Rohr und gespaltenen Eberhauern auf der Brust; ihre Nasen verzierten runde längs durchschliffene Schweinehauer und an ihrem linken Arme staken in einem Ringe aus der Trochusmuschel Dolche aus dem Schenkelknochen des Casuars. Auf ähnliche martialische Erscheinungen in der Attak-Bai konnten wir im Voraus gefaßt sein. Kriegerisch genug lautet ja ihr Name. Sie erhielt ihn von d’Urville, der sie zuerst 1827 sichtete. Ein Anzahl stark bewaffneter Canus mit Eingeborenen ruderte nämlich der „Astrolabe“ zum Empfange entgegen und schoß einen Pfeil ab, worauf das „Kriegsschiff“ schleunigst Segel beisetzte und seewärts verschwand. Uns wurde derselbe Willkomm zu Theil; denn noch ehe der Anker fiel, hatten wir eine ganze Flotille, an 40 Canus mit schreienden und lärmenden Eingeborenen, längsseit. Wie vor 50 Jahren führten sie unzählbare Bündel von Pfeil und Bogen mit sich, um sie zunächst zum Kauf anzubieten. Ich hatte schon genug von dem Zeug auf der bisherigen Reise gesichert und freute mich, als die Leute Besseres, sogar ganz neue Dinge hervorbrachten. So Kürasse, in zierlicher Korbflechtarbeit, aus gespaltenem Rottang (vergl.Illustration S. 542), eine Art Wehr, die bisher von d’Albertis nur im Inneren des Flyflußgebietes nachgewiesen wurde. Außerdem trugen sie große, viereckige Holzschilde mit kunstvoller Schnitzarbeit in schwungvollen Mustern und den vorher erwähnten Brustschmuck. Die Leute schienen von sehr kräftigem Körperbau und stattliche, große Figuren. Der größte dieser Kämpen, den es mir unter vielen Mühen zu messen gelang – denn er zitterte wie Espenlaub und mochte denken, es gehe ihm an den Kragen – maß 1 Meter 70 Centimeter. Sie waren aber Radaumacher ersten Ranges, die bis spät in den Abend hinein mit uns handeln und feilschen wollten und erst durch den schrillen Pfiff der Dampfmaschine verscheucht werden mußten. So lag nun die „Samoa“ friedlich als „erstes Schiff“ in der Attak-Bai, und ich durfte bei einer Pfeife in aller Muße die Erlebnisse des Tages niederschreiben. Umtaufen konnte ich die Bucht nicht mehr; sie wird nach wie vor den kriegerischen Namen führen; aber zur Ehrenrettung der rohrgepanzerten Eingeborenen gab ich wenigstens dem östlichen Kap den friedlichen Namen „Concordia“.

Gleich hinter dem Angriffshafen färbte sich das Seewasser wiederum grün, was die Nähe einer Flußmündung andeutete. Wir erreichten sie bald, und ich nannte den Fluß „Sechstroh“ nach unserem ersten Officier.

Auch hier zeigten sich Eingeborene am Ufer, die durch Geschrei, Winken und Schwenken grüner Zweige unsere Aufmerksamkeit zu erregen suchten und uns an Land einluden. Aber wir sahen, daß bei der herrschenden Brandung und den Untiefen ein Landen schwierig sein würde; denn viele Eingeborene wateten weit ins Wasser und kamen kaum brusttief hinein. Damit war nichts erreicht, und so bedienten sich einige Beherzte der primitivsten Fahrzeuge und kamen auf irgend einer größeren Baumwurzel oder ein paar zusammengebundenen Stück Bambu ankutschirt (vergl. Abbildung S. 543). Canus, reichlich bemannt und bewaffnet, folgten, und bald waren wir von schreienden und lärmenden Eingeborenen umringt.

Krieger aus Massilia.

Der Sechstroh, den bisher keine Karte verzeichnete, liegt kaum drei Seemeilen von der „holländischen“ Grenze, dem 141. Meridian, und so dampften wir lustig nach der etwa sieben Meilen entfernten Humboldt-Bai, um unseren westlichen Nachbarn einen Besuch abzustatten. Freilich warnten uns die Flußbewohner, aber, wie wir meinten, nur aus Konkurrenzneid, um den Eingeborenen der nahen Bai nichts zukommen zu lassen.

Humboldt-Bai, von d’Urville 1827 zuerst gesichtet und benannt, wurde 1858 von dem holländischen Kriegsdampfer „Etna“ das erste Mal besucht und aufgenommen. Seitdem sah sie sechs weitere Schiffe, alles große Kriegsdampfer, wie den „Challenger“ (1875), aber noch nie hatte ein so kleines unter Handelsflagge hier vorgesprochen; war doch auch die „Samoa“ das erste deutsche! Alle Berichte, holländische wie englische, sprechen sich sehr ungünstig über die Bewohner aus, die sich als sehr wüst, unverschämt und diebisch gezeigt hatten. Schon auf der „Etna“ war Allerlei gestohlen worden; ja man hatte selbst auf Officiere mit Pfeil und Bogen angelegt, und es gelang nur mit vieler Mühe, der feindseligen Haltung der Eingeborenen wegen, sich in den Dörfern Einlaß zu verschaffen. Wir durften uns daher auf Allerlei gefaßt machen; doch das russische „nitschewo“ (es macht nichts) war auch hier unsere Losung. Aber was war das? Hatte Pestilenz oder Krieg die Eingeborenen vernichtet? waren sie ausgewandert? An den Ufern der Bai war keine Spur von ihnen, nicht einmal Ruinen von Hütten oder dergleichen; die Bai war todt, ausgestorben! Wo blieben die großartigen Pfahlbauten, wie sie die „Etna“- und „Challenger“-Berichte schildern? Wir sollten sie bald kennen lernen; denn weit im Westen stieg plötzlich eine Rauchsäule auf, noch eine, mehrere, und aus der Oeffnung in jenem Winkel nahten sich Canus. Wir dampften ihnen entgegen; denn dort lag die geschützte Innenbai, in der sich die Dörfer befinden mußten. Mit einer Ungenirtheit, als verkehrten hier [542] täglich Dampfer, versuchten die Eingeborenen, noch als wir in Fahrt waren, an Bord zu klettern, und als der Anker fiel, umgab uns bereits eine große Anzahl Canus, die sich fortwährend vermehrte. Die Leute machten in der That keinen guten Eindruck, schon der völligen Nacktheit wegen, und überboten an Lärm und Zudringlichkeit alle bisher gesehenen. Aus dem Bericht der „Etna-Reise“ hatte ich einige Worte gelernt und konnte die Eingeborenen gleich in ihrer Sprache anreden. "Wapimeh", Freund, ging es hin und her, aber "szigo" (Eisen) blieb das Hauptwort im Munde der Eingeborenen. Auch Canus mit Weibern, die Bananen und Yams anboten, fehlten nicht, und unter ihnen gab es ganz hübsche Gestalten. Die Mädchen gingen wie die Männer total nackend; aber die Frauen hatten ein Stück Tapa sarongartig um die Hüften geschlungen, was ihnen sehr gut stand, besonders im Verein mit der gefälligen Haarfrisur: sie trugen dünne gedrehte Stränge, welche à la pony abgeschnitten und nicht selten roth gefärbt waren, an ihren Ohren hing meist eine Unzahl dünner Schildpattringe, sonst hatten sie wenig Schmuck. Aber seit der Ostspitze Neu-Guineas sahen wir hier zuerst Tätowirung wieder, und zwar in einer neuen, durchaus originellen Form, zu welcher bei manchen Weibern als besonders hochgeschätzte Verzierung noch mächtig aufgeworfene Ziernarben, in schwungvollen Schnörkeln auf Achsel und Schultern, hinzukamen.

Krieger im Rottang-Panzer von der Attak-Bai.

Da wir von unserem Ankerplatz kaum den Eingang der Binnenbai sehen konnten, beschlossen wir einen Ausflug in dieselbe und ließen das Whaleboot klar machen, sehr zum Schrecken unserer Miokoschwarzen, die, in bunte Uniformen gesteckt, äußerst respektvoll aussahen, aber nach Gewehren verlangten; denn sie fühlten sich unter so vielen ihrer schwarzen Brüder doch ziemlich ungemüthlich.

Die eigene Landessitte mochte ihnen kein gutes Prognostilon stellen; denn nur vier Weiße und eben so viel Schwarze wären gegenüber so vielen Eingeborenen in Neu-Britannien wohl eine große Verlockung gewesen, sie zu erschlagen und wenigstens die Schwarzen – aufzufressen. Dies mochte unseren braven „Neu-Pommern“, wie sie jetzt auf einmal officiell heißen sollen, in den Sinn kommen, daher die erklärliche Entmuthigung derselben. Aber „go on! pull! pull!“ (rudert, rudert) war die Aufmunterung, und wir gelangten glücklich in die Binnenbai. Sie hat mehrere kleine Buchten, und schon in der ersten sahen wir ein Pfahldorf, so merkwürdig und originell, wie ich es bisher nirgends in Neu-Guinea angetroffen. Ich kannte vollständig im Wasser auf Pfählen erbaute Dörfer zur Genüge von der Südküste Neu-Guineas, aber was waren jene elenden Hütten in Port Moresby, Hood-Bai etc. gegen diese stattlichen Häuser, oder wenigstens gegen die hervorragendsten derselben! Doch rudern wir nach Tobadi dem größten Pfahldorfe, von welchem wir einen Theil, denn das ganze Dorf zählt 32 Häuser, hier im Bilde kennen lernen (vergl. S. 545).

Frau und Mädchen von der Humboldt-Bai.

Das größte Gebäude ist links der sogenannte „Tempel“, von dem schon die „Etna-Reise“ eine Ansicht giebt, leider total falsch. Der allgemeine Eindruck desselben ist der eines achteckigen, unten auf niedrigen senkrechten Wänden ruhenden, nach oben spitz zulaufenden, pagodenartigen Gebäudes, von 50 bis 60 Fuß Höhe, aus Ried oder Gras. Dasselbe ist am unteren Rande mit Guirlanden aus ausgeblasenen Schildkröteneiern, in seinen vier Absätzen mit kunstvoll geschnitzten Querbalken, gleich Friesen, im Uebrigen mit großen Holzschnitzereien verziert, welche bunt bemalte Thiere (Fische, Eidechsen, Vögel) darstellen und ebenso wie die dazwischen angebrachten Palmenwedel weit vom Dache herausstecken. Die Spitze selbst ist offen und mit einer runden Scheibe bedeckt, aus der eine roh geschnitzte menschliche Figur, in sitzender Stellung, über dieser ein fliegender Vogel als äußerster Schmuck thront. Ein wahrhaft bewundernswerther Bau, nur mit Hilfe von Steinwerkzeugen errichtet und jedenfalls der großartigste der Steinzeitperiode! Wir bestiegen die bereits an einer Seite eingesunkene Plattform vor dem „Tempel“, einen ungeheueren Bau auf Pfählen von 50 bis 60 Fuß Länge, und gelangten über dieselbe ins Innere. Dies war den Holländern 1858 nur nach vielen Mühen möglich geworden, während man den Challenger-Forschern nicht einmal den Eintritt in ein Haus erlaubt hatte. Freilich fragten wir nicht erst lange, und hier und da Einen zur Seite schiebend, gelangten wir in das Heiligthum.

Es herrschte ziemliche Dunkelheit in demselben, so daß wir zunächst fast nichts sehen konnten. Nach und nach orientirte man sich und konnte die kunstvolle und geschickte Ineinanderfügung des wunderbaren Dachstuhles bewundern, dessen einzelne Theile nur an einander gebunden waren. Das Innere enthielt im Ganzen wenig. Eine Anzahl mit Sand gefüllte Feuerstellen, hölzerne [543] Kopfkissen, ein paar der großen, aus einem ausgehöhlten Baumstamm gefertigten Trommeln, wie sie allenthalben in Neu-Guinea vorkommen, und die „heiligen“ Flöten. So bezeichnet sie der Bericht der Etna-Reise! Ich versuchte sogleich auf einer zu blasen, welche Profanation wegen ihres Mißerfolges viel Heiterkeit bei den Eingeborenen erregte, die uns zum Wiedersehen einluden und als echte Enthaltsamkeitsfreunde mit Wasser bewirtheten. Daß dieses Gebäude nicht religiösen Zwecken dient, also kein „Tempel“ ist, kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen. Vielmehr dient es als „Junggesellenhaus“ zum Aufenthalt der unverheiratheten jungen Männer, sowie für Versammlungen der Männer im Allgemeinen. Die Unzahl im Innern aufgehangener Schweineschädel waren die Souvenirs gehaltener Schmausereien und Festlichkeiten, bei denen auf der Plattform getanzt wird.

Ganz ähnlich dem „Tempel“ waren die großen Wohnhäuser, welche von mehreren Familien bewohnt werden und von denen Tobadi unter 32 Gebäulichkeiten im Ganzen nur 12 aufzuweisen hat. Wir fanden nirgends Anstand, in das Innere zu gelangen, das in Abtheilungen getrennt war und allerlei Hausrath, darunter wahre Magazine von Töpfen enthielt. Die Bewohner, zwar aufdringlich und keck, zeigten sich nicht unfreundlich, aber diebisch. Dem Kapitän Dallmann war gleich im ersten Hause das seidene Taschentuch eskamotirt worden; meine rothen Zeuglappen, die ich als neuguinesisches „Taschengeld“ für kleine Geschenke und Ankäufe bei mir trug, folgten nach, und als ich mit Zeichnen des Tempels beschäftigt war, versuchte mir ein Biedermann den Schuh auszuziehen. Wohl mehr aus Neugier; denn diese Humboldtianer waren ein wißbegieriges Volk, die Alles und Jedes an uns, von der Farbe der Haut bis zum Inhalt unserer Taschen kennen und, was ihnen gefiel, z. B. Fernrohr, Taschenuhr etc., haben wollten.

Es war Zeit, daß wir nach der „Samoa“ zurückkehrten; denn um sie lagen Canus in erschreckender Weise versammelt, und der erste Steuermann, mit zehn Leuten Alles in Allem, hatte vollauf zu thun, um das Deck klar zu halten. Der Dampfer glich einem Jahrmarkt zu Wasser; nicht weniger als 75 Canus, je zu vier bis acht Mann, lagen längsseit. Und diese Leute führten Unmassen von Pfeil und Bogen, fertig zum Gebrauch, mit sich, und Einzelne hatten bereits im Anlegen Probe geübt, waren aber durch ein kräftiges „Donnerslag!“ und ähnliche Kraftausdrücke in gutem Plattdeutsch abgeschreckt worden. Aber die Eingeborenen gewöhnten sich bald an dieses Idiom, wie sie bereits die Dampfpfeife kannten und es mußte zu anderen schuldlosen Hilfsmitteln gegriffen werden. Abblasen des heißen Wasserdampfes schaffte etwas Luft, aber nur für kurze Zeit; denn lachend kamen die Eingeborenen bald wieder. Dieser kleine Scherz erhöhte nur den Lärm, und wir hatten nicht Hände genug, um die Emporkletternden wieder über die Railing zurückzubefördern. Das ist ein gar anstrengendes Geschäft, und da wir hier doch nichts weiter zu thun hatten, strichen wir die Segel, das heißt machten Dampf auf und nahmen Abschied von der Humboldt-Bai.

Die „Samoa“ hatte eine Reise vollendet, welche zur Kenntniß der Nordostküste Neu-Guineas ohne Zweifel einen wesentlichen Beitrag lieferte. Außer drei netten, praktikablen Häfen und einem großen, schiffbaren Flusse hatten wir den Nachweis der sicheren Befahrung eines vorher nicht besuchten Küstenstriches von 250 Seemeilen Länge gegeben: Resultate, mit denen wir wohl zufrieden sein durften.

Auf Baumwurzeln.



[545]

Das Pfahldorf Tobadi in der Humboldt-Bai.
Nach einer Skizze von Dr. O. Finsch gezeichnet von A. v. Roeßler.