Eine weibliche Räuberbande
Im südlichen Theile von Ungarn ist eine weibliche Räuberbande
entdeckt worden. Einen großen Theil der Mitglieder
des scheußlichen Bundes hat man eingefangen. Die
Anführerin, eine Försterstochter Namens Josepha Bilgy,
ist mit dem gefährlichsten dieser Verbrecherinnen, von denen
die meisten jung und hübsch sind, bis jetzt noch allen Nachforschungen
glücklich entgangen. Ein paar Mal war sie
nahe daran, gefangen zu werden, aber ihre seltene Geistesgegenwart
und ihr durch nichts zu erschütternder Muth
haben sie jedesmal gerettet. – In einem Dorfe unweit
Carlsburg hatte Josepha Bilgy einen Liebhaber, Andreas,
den Sohn des dasigen Försters, und sie gab ihm öfters ein
Rendezvous im nahen Walde, oder auch in der Försterei.
[26] Man hatte dies Verhältnis halb geargwohnt und versprach
dem Liebhaber eine sehr bedeutende Belohnung, wenn er
zur Einfangung der Anführerin behülflich sei. Der Bursche
ließ sich durch das Geld blenden und versprach, seine
schöne blutige Geliebte zu verrathen. Josepha hatte dem
Buhlen versprochen, am zweiten Pfingstfeiertag, wenn Alles
in der Schenke sei, ihn zu besuchen. Davon benachrichtigt,
hatten sich sechs Jäger in dem Hause verborgen, um sie
zu überfallen und den auf ihren Kopf gesetzten Preis zu
verdienen. Als es anfieng dunkel zu werden, kam Josepha
wie gewöhnlich zu Pferde, allein, aber wohl bewaffnet.
Andreas erwartete sie wie gewöhnlich im Garten hinter
den Scheuern. Sie stieg ab, band das Pferd a die Hecke
und schritt Arm in Arm mit dem Geliebten dem Hause zu.
Bald indes fiel es ihr auf, daß er nicht so zärtlich wie
sonst war, ja, daß sich eine gewisse Ängstlichkeit in seinem
Äußern verrieth. Sie ward aufmerksam, ließ aber nichts
merken. Mit Falkenaugen hatte sie sich umgesehen, aber
alles war still und ruhig. So schritten sie ins Haus und
in des Burschen Gemach. Schon glaubte sie, unnöthigen
Befürchtungen Raum gegeben zu haben, da machte sie des
Andreas Begehren, doch ihre Waffen abzulegen, von neuem
stutzig. Indes sie zog die Pistolen aus dem Gürtel und
legte sie vor sich auf den Tisch. In diesem Augenblick
hörte man in dem anstoßenden Gemach das Knacken eines
Hahnes an einer Büchse und gleich darauf ein Geräusch,
wie wenn Schemel umgestoßen würde. Josepha sah
Andreas erbleichen und in demselben Augenblick hatte sie
in jeder Hand eine der Pistolen mit gespanntem Hahn.
Sie warf einen raschen Blick um sich; die Fenster waren
ganz klein und das Fensterkreuz hinderte ein Entkommen,
so blieb ihr nur die Thür, die auf den Hausflur führte.
Josepha hob drohend die Pistolen, Andreas stieß einen
lauten Schrei aus, er hatte alle Faßung dadurch verloren,
daß die Jäger zu zeitig durch ihre Unvorsichtigkeit ihre
Anwesenheit verrathen hatten. Durch die Thürspalte hatten
sie indes gesehen, daß der gefährliche Feind auf den
Rückzug dachte. Sie rißen die Thür auf und drangen in
das Gemach. Doch in demselben Moment schoß Josepha
eine Kugel dem verrätherischen Liebhaber durch den Kopf,
brannte ihr zweites Pistol auf die eindringenden Jäger ab
und stürzte auf den Flur. Doch hier waren beide Thüren
in Freie besetzt. Josepha sprang nun die Treppe hinan,
warf die Bodenthüre hinter sich zu und stieg durch eine
Dachluke auf ein angrenzendes Dach. Mit der Behendigkeit
einer Katze kletterte sie auf demselben fort, sprang in
einen offenen Garten hinab und verschwand bald im Gebüsch.
Man eilte ihr nach, aber vergebens war alles
Suchen, die Flüchtige war verschwunden. Nach acht Tagen
lag die Försterwohnung in Asche, nachdem sie vorher durch
die Räuberbande geplündert worden war. Nur durch
einen glücklichen Zufall entgieng der alte Förster dem Tode.
Bis jetzt sind alle Versuche vergebens gewesen, der Hauptmitglieder
der Bande habhaft zu werden. Josepha wird
sich bei ihren künftigen Liebeleien wohl noch beßer in
Acht nehmen.