Eine teure „Leiche“
[239] Eine teure „Leiche“. – Sind Druckfehler schon der Schrecken der Setzer, Korrektoren und Redakteure, obwohl sie meist nur humoristische Folgen zeitigen, so können die sogenannten „Leichen“, im Satz ausgelassene Worte, bisweilen sogar recht empfindlichen Schaden heraufbeschwören. Am schlimmsten in dieser Beziehung erging es dem Londoner Verleger Moore, der im Jahre 1702 eine neue Bibelausgabe erscheinen ließ. Kaum [240] war das Werk in den Handel gelangt, als sich eines Tages ein Polizeibeamter bei Moore einfand und ihn vor den Richter führte. Dieser schlug, als der Verleger ganz entrüstet fragte, was er denn verbrochen habe, die neue, auf dem Tisch liegende Bibel auf und zeigte dem entsetzten Moore im 5. Buche Mosis Kapitel 5 den 21. Vers. Da stand: „Du sollst begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd“ usw. Der Setzer war über eine „Leiche“ gestolpert. Das für den Sinn so überaus wichtige „nicht“ war von ihm übersehen worden, und dieser Fehler machte nun die ganze Bibelauflage nach Ansicht des Richters zu einer das Staatswohl gefährdenden, da darin ja eine direkte Aufforderung zum Diebstahl enthalten war.
Moore wurde wirklich nicht nur zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, sondern es wurde außerdem auch die neue Bibelauflage eingezogen und vernichtet. Nur ein einziges Exemplar von der verhängnisvollen Ausgabe ward dem Londoner Museum überwiesen, wo es sich noch heute befindet.