Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Eine kostbare Fensterscheibe
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aus: Mein Oesterreich! Illustrierte Monatsschrift für die Jugend, 1. Jahrgang, S. 383
Herausgeber: Adolf Moßbäck
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911
Verlag:
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Erscheinungsort: Wien
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Quelle: Commons
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Eine kostbare Fensterscheibe.

Unlängst mußte der Salonwagen des Königs von Dänemark einer Reparatur unterzogen werden. Bei dieser Gelegenheit wurde mit Zustimmung des Königs aus diesem Wagen unter den größten Vorsichtsmaßregeln eine Fensterscheibe entfernt und nach Kopenhagen in das königliche Museum gebracht. Denn diese Scheibe enthält die Namen der meisten europäischen Herrscher, vieler Prinzen und Prinzessinnen und einiger bedeutender Staatsmänner. Der erste, der sein Autogramm mit einem Diamantring in das Fenster einritzte, war Kaiser Alexander III. von Rußland. Darunter findet sich der Name des jetzigen russischen Zaren, daneben der des schwedischen Königs. In der rechten Ecke steht ein kleines Verschen in deutscher Sprache:

„Glück und Glas, wie leicht bricht das!“ Es soll von der Kaiserin von Rußland eingraviert sein. Weiter sieht man auf dem Fenster die Namenszüge König Eduards VII. und seiner Gemahlin, König Haakons von Norwegen, des Königs von Griechenland und der Königin Ena von Spanien. Auch der Name des früheren Präsidenten der französischen Republik, Loubet, ist dort vertreten, ferner der des Fürsten Bülow, Lord Kitcheners und Sven Hedins. – Nebenbei bemerkt, diese Scheibe bildete bereits vor einem Jahr den Mittelpunkt eines interessanten Strafprozesses, der sich vor den Kopenhagener Gerichten abspielte. Eines Abends wurden von Bahnbeamten auf dem Kopenhagener Hauptbahnhof zwei Amerikaner festgenommen, die sich in auffälliger Weise an dem auf einem Nebengeleise stehenden königlichen Salonwagen zu schaffen gemacht hatten. Eine nähere Untersuchung ergab, daß die beiden Männer bereits den Fensterrahmen, der die mit den wertvollen Autogrammen versehene Scheibe festhielt, losgeschraubt und offenbar beabsichtigt hatten, die kostbare Glasscheibe zu stehlen. Wegen versuchten Diebstahls unter Anklage gestellt, gestanden die Amerikaner ein, daß ihnen von einem New-Yorker Raritätenhändler für das nicht ganz ungefährliche Unternehmen nicht weniger als 50.000 Dollars geboten worden seien. Die beiden skrupellosen „Raritätensammler“ wurden dann zu Gefängnis verurteilt, vom Könige aber begnadigt. Seitdem blieb der Salonwagen natürlich nicht eine Minute mehr unbewacht.

W. K.