Eine Unterhaltung mit einem Togo-Häuptling

Textdaten
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine Unterhaltung mit einem Togo-Häuptling
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Kölnische Zeitung
Auflage:
Entstehungsdatum: 1896
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag:
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Köln
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle:
Kurzbeschreibung: Interview mit J. C. Nayo Bruce
Eintrag in der GND: [1]
Bild
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

John Calvert Nayo Bruce (1859-1919), Sohn des Königs Amuzu Djaglidjagli Bruce, lebte bis in die Mitte der 1890er Jahre in hauptsächlich Aného an der togolesischen Atlantikküste. 1889 kam er als Völkerschau-Darsteller erstmals in das Deutsche Reich. 1896 leitete er als Impresario eine Gruppe von 26 Togolesen, die bei der Berliner Kolonialausstellung von Mai bis Oktober 1896 ausgestellt wurden, darunter er selbst, zwei seiner Ehefrauen und einige andere Familienmitglieder. Nach kurzer Rückkehr nach Togo kam Bruce im März 1898 zurück nach Europa. Dort tourte bis zu seinem Tod 1919 zusammen mit seiner Völkerschau-Truppe durch verschiedene europäische Länder. Von dieser zwei Jahrzehnte dauernden Tournee sind über 220 Aufführungsorte überliefert.

Die „Unterhaltung mit einem Togo-Häuptling“ von 1896 gilt als das einzige in einer deutschen Zeitung veröffentlichte Interview mit einem Völkerschau-Teilnehmer.




Eine Unterhaltung mit einem Togo-Häuptling

Als ich zum ersten Male die Berliner Colonial-Ausstellung besuchte, es war kurz vor der eigentlichen Eröffnung, da fiel mir unter dem vielen Neuen, Anziehenden und Fremdartigen doch eine Figur am meisten auf. Der Häuptling der Togo-Neger war es, und ich konnte den Eindruck, den der Mann auf ich gemacht hatte, nicht wieder loswerden. Alles an dieser eigentümlichen Persönlichkeit stimmte so vortrefflich zusammen. Wie der große, herkulisch gebaute Mann in dem bunten Rocke, den rot und gelb gestreiften Mantel wie eine Toga über die Schulter geschlagen, das pechschwarze und mit einer blauen Mütze geschmückte Wollhaupt mit dem scharfen, weit eher arabischen als africanischen Profil hocherhoben, die vielen fremden Menschen an- oder vielmehr übersah, wie er die Fragen der ihm bekannten Herren mit der Würde eines Königs, aber auch zugleich mit der Freundlichkeit und guten Manier eines Gentleman beantwortete, während der Ernst seiner Züge öfters durch ein merkwürdig angenehmes Lächeln gemildert wurde, das alles schuf ein Bild voll eigenartiger Harmonie. Und so oft ich auch später die Colonial-Ausstellung besuchte, immer erneuerte sich der erste Eindruck. Sei es nun, daß “Pruß” – so hatte ich seinen Namen verstanden – in der Haltung eines Herrschers mit seinen Landsleuten sprach, sei es, daß er mit einem Kinde spielte

Kölnische Zeitung, 11. Oktober 1896, Eine Unterhaltung mit einem Togo-Häuptling

oder weiße Freunde begrüßte, immer wieder setzte sich mir dasselbe Bild des Mannes zusammen: gut, klug, energisch, besonnen. Damit stimmte auch die äußere, durchaus nicht unvorteilhafte Erscheinung überein; etwas Löwenhaftes hatte der Mann sicherlich, etwas Urkräftiges, und welch ein Modell für einen Othello würde er abgeben! Ich faßte endlich den Entschluß, „Pruß“ durch eine Unterredung näher kennen zu lernen; ich war doch neugierig, zu erfahren, wie die Welt sich in diesem Kopfe male, dessen Besitzer mir in jeder Beziehung weit über der Stufe seiner Landsleute zu stehen schien. Ehe ich aber meine Absicht ausführte, zog ich hier und da Erkundigungen ein. Die Stammesgenossen des Häuptlings teilten mir mit, er sei sehr reich, ein sehr guter Mann, habe viel für das Land gethan und sei bei den Weißen beliebt. Von anderer Seite erfuhr ich, er sei seit kurzer Zeit getauft, ein glaubiger Christ, den nur die traurige Thatsache, daß er zwei Freuen besitze, in einen für ihn sehr schmerzlichen Widerstreit der Pflichten gebracht habe. Auf mein Ansuchen, mir eine kurze Unterredung zu gewähren, ging „Pruß“ bereitwillig ein. Zuerst erledigte ich einige persönliche Fragen. Er ist ein Togo-Neger, wohnt in Klein-Bovo und ist der „Chief“ der Togo-Leute. Da er nach seiner eigenen Erklärung besser englisch spricht als deutsch, wurde die Unterhaltung auf englisch geführt, welche Sprache der Häuptling fast vollständig beherrscht. Ich habe es mir in dem folgenden Bericht zur ganz besonderen Aufgabe gemacht, die Aussprüche des Häuptlings wörtlich wiederzugeben, und habe auf allen stilistischen Schmuck verzichtet.

Natürlicherweise begann ich mit dem üblichen: „Wie gefällt es Ihnen hier?“

„O, sehr gut, ich bin zufrieden und meine Leute auch.“

„Was bewog Sie, hierher zu kommen?“

„Ich hatte ohnedies die Absicht nach Europa zu reisen, da erzählte mir ein weißer Freund, der bei der Regierung angestellt ist, daß in kurzem eine ganze Truppe von uns nach der Ausstellung in Berlin solle; man bot mir an, mich anzuschließen, und so komme ich hierher.“

„Sie wären auch ohnedies nach Europa gekommen – warum?“

„Meine Tochter ist schon seit sieben Jahren hier in einer Schule, und ich wollte sie besuchen. Sie soll alles lernen, was die weißen Mädchen lernen, und ebenso civilisiert werden wie diese.“

„Wie war es mit der Seereise; fürchteten Ihre Leute sich nicht?“

„O, wir leben ja an der See, viele Schiffe kommen zu uns, meine Leute sind selbst ganz gute Schiffer, und so hatte niemand Furcht vor dem Wasser.“

„Haben die Togo-Leute nicht heftiges Heimweh?“

„Oh nein; fast niemand. Viele möchten gerne hier bleiben und das Handwerk, das sie zu Hause treiben, hier noch besser lernen. Es sind unter ihnen Schmiede, Goldarbeiter, Schneider und Tischler.“

„Behandelt man Sie gut?“

„Sehr gut; man sorgt in jeder Weise gut für uns.“

„Welchen Eindruck machte Ihnen das Land, die Regierung u.s.w.?“

„Einen sehr guten Eindruck. was mir besonders hier gefällt, das ist die Gerechtigkeit, die Gesetze, die keinen Unterschied kennen. Das haben wir aber schon in Africa gewußt, daß die Gesetzte der Deutschen gerecht sind, ebenso wie die der Engländer. Bei den Franzosen ist das anders. Wenn da zwei Leute in Streit geraten, erhält gewöhnlich derjenige Recht, der zuerst zum Richter gekommen ist, denn der französische Richter nimmt sich selten die Mühe, einen Fall genau zu untersuchen, und ist der später kommende gar ein Schwarzer, der sein Recht gegen einen Weißen sucht, so hat er seine Sacht von vornherein verloren. Die Deutschen aber gehen den Dingen auf den Grund, und haben sie das Richtige erkannt, dann gilt ihnen weiß und schwarz gleich. Dies ist aber Grund, weshalb wir gern deutsche Unterthanen sind. Mit den Franzosen mögen wir nichts zu thun haben; diese sind auch sonst ungerecht gegen uns, und es kommt ihnen gar nicht darauf an, einen Schwarzen wegen eines geringen Vergehens niederzuknallen.“

„Wie weit ist denn Dahomey von Ihrer Heimat?“

„Etwa zwei Tagesreisen. Die Deutschen hätten Dahomey auch haben können, denn der König mochte die Deutschen gern, so sehr er die Franzosen haßt, aber es lag ihnen wohl nichts an dem Lande.“

„Wie ist es mit den Togoleuten, die Soldaten geworden sind; sind sie nicht unzufrieden?“

„Durchaus nicht. Viele wollen gar nicht wieder weg. Wir haben jetzt 200 schwarze Soldaten und die Musiker sind auch schwarz.“

„Sie haben also keinerlei Klage über die Aufstände in Togo?“

„O doch, eine Klage hätte ich wohl. Sehen Sie, unsere jungen Leute möchten gern mehr lernen, und das wollen die Deutschen nicht. Sie denken, Lesen und Schreiben ist genug für die Neger, aber es ist nicht genug. Die Engländer lassen ihre schwarzen Unterthanen lernen und werden was sie wollen, aber wir werden darin gar nicht unterstützt. Den jungen Leuten, die ich hierher mitgebracht habe, genügt es ja, ein Handwerk zu lernen, aber vielen andern nicht. Viele möchten wirklich studieren: die Rechte oder Medicin. Wir wollen schwarze Advocaten und Aerzte haben.“

„Das sind aber sehr schwierige und langwierige Studien.“

„Das thut nichts; mein Neffe hat in England studiert, er ist B.A. (Bachelor of Arts) und wird als Advocat nach Togoland zurückkommen.“

„Ich möchte nun einige Fragen stellen, deren Beantwortung mich besonders interessiert. Sie haben in Africa gewiß Reisen in das Innere des Landes gemacht und auch andere schwarze Stämme kennen gelernt.“

„O ja.“

„Ist es denn wirklich notwendig den Neger zu schlagen, zu mißhandeln, wie dies so oft von den Weißen geschieht?“

(Nach langer Pause, offenbar mit dem Verlangen kämpfend, sich auszusprechen.) „Nein, über Africa kann und will ich nicht sprechen. Sehen Sie (sehr ernst), ich bin getauft – seitdem habe ich alles, was früher geschehen ist, hinter mich geworfen; ich will das Unrecht, das auch mir widerfahren ist vergessen. Aber eines will ich doch sagen: Von den weißen Jägern und Reisenden, die in den Busch gewandert sind, ist an den Negern viel Schreckliches verübt worden, Dinge, die ich hier nicht wiedererzählen kann. Wir können sie nicht dafür bestrafen, aber Gott wird sie richten!“

„Wie ist die Stimmung in Togoland? Ist dort alles ruhig und zufrieden?“

„Hm – wenn die Regierung Togoland vollständig ruhig und zufrieden sehen will, dann soll sie uns den …….. als Gouverneur hinschicken. Der weiß die Schwarzen zu behandeln und ist ein gerechter und guter Mann.“

„Nun sagen Sie mir auch noch einiges über Sie selbst; wer und was sind Sie in Africa?“

„Ich? Ich besitze viel Land. Mein Vater war Händler und Häuptling, oder, wie man bei den Weißen sagt, König von Togoland, und als er starb, folgte ich ihm auf dem Throne. Ich habe etwa 2000 Menschen unter meiner Herrschaft, und diese Leute will ich civilisieren, soweit es in meiner Macht steht. Deshalb habe ich meine Tochter hierher in eine Schule geschickt; ich will hier darum bitten, daß man sie Schullehrerin werden läßt, dann soll sie in Togoland die Kinder unterrichten und die Civilisation verbreiten. Auch meine anderen Kinder sollen eine vollständig europäische Erziehung erhalten und nicht so halbcivilisirt bleiben wie ich es bin.“

„Halten Sie denn die Civilisation für etwas so Großes?“

(Sehr begeistert.) „Ja, das thue ich. Die Civilisation ist etwas sehr Großes, und wer sie unter uns zu verbreiten sucht, wie es z.B. die Missionsgesellschaften thun, dem schulden wir den größten Dank.“

„Ich denke, der Neger ist ohne Civilisation auch glücklich.“

„Nicht alle, glauben Sie mir, nicht alle. Viele wollen klüger und besser werden, und ich will alles thun, um meinen Landsleuten vorwärts zu helfen. Aber bitte, ehe Sie gehen, geben Sie mir Ihre Adresse; hier ist – meine Karte.“

„J.C. Bruce – wie kommen Sie zu diesem Namen?“

„Das ist ein schottischer Name. Einer meiner Ahnen war ein Schotte, ein Nachkomme des schottischen König Robert Bruce. Er wanderte in Africa ein, und von ihm stamme ich ab; aber da er und seine Nachkommen immer schwarze Frauen nahmen, bin ich auch ein Schwarzer.“

„Noch eins. Ist es Ihnen nicht schrecklich, die oft so einfältigen Bemerkungen der Menschen zu hören, die uns umdrängen? Viele glauben geradezu, ein Schwarzer sei gar kein Mensch. Aergert Sie das nicht?“

„O nein, ich lasse sie reden. Ist doch Jesus Christus von unverständigen Menschen verspottet worden, und er war unser Heiland, wie sollte ich, ein sündiger Mensch, mich über solche Kleinigkeiten erzürnen. Auf baldiges Wiedersehen!“

Ich schüttelte dem merkwürdigen Menschen herzlich die Hand; diese Stunde hatte mir keine Enttäuschung bereitet.