Eine Cabinetsordre Friedrich Wilhelm des Dritten
[833] Eine Cabinetsordre Friedrich Wilhelm des Dritten. Der bekannte Abgeordnete Wantrup hat jüngst im preußischen Landtag die Aeußerung gethan, er halte es für undenkbar, daß ein Jude Officier sein könne, und er vermöge nicht, sich einen Juden in Uniform vorzustellen, der trotz der eisernen Disciplin, die ihn stütze, sich werde halten können. Herr Wantrup scheint nicht zu wissen, daß schon vor langer Zeit ein jüdischer Officier in der preußischen Armee mit Ehren gedient hat, und es interessirt vielleicht die Leser der Gartenlaube, eine charakteristische Cabinetsordre kennen zu lernen, welche Friedrich Wilhelm der Dritte in dieser Angelegenheit erlassen hat. Meno Burg, geboren am 9. October 1789 zu Berlin und seinem Stande nach Feldmesser, trat am 9. Februar 1813 als Freiwilliger in die Armee, zunächst beim Garde-Normal-Bataillon (dem jetzigen zweiten Garde-Regiment zu Fuß), dann, weil bei der Garde kein Jude dienen durfte, bei der Artillerie ein, wo er vom Generalinspector, dem Prinzen August, sofort zum Bombardier ernannt wurde. Bald zum Unterofficier befördert und als Lehrer der Mathematik verwandt, legte er die Officiersprüfung ab und wurde durch Cabinetsordre vom 18. August 1815 zum Secondelieutenant befördert. Auch als solcher war er fortwährend lehrend thätig, namentlich da die neue Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin eingerichtet wurde, und veröffentlichte in der Folge ein größeres Werk unter dem Titel: „Die geometrische Zeichenkunst etc. Berlin 1822“ (zwei Theile). Dasselbe fand vielen Beifall und ist später auch in’s Französische übersetzt worden. Prinz August von Preußen hatte dem jungen Manne seine volle Zuneigung geschenkt und war seinerseits eifrig bemüht, ihn zu befördern. Bei den bekannten Grundsätzen des Königs hatte das indeß seine besonderen Schwierigkeiten. Lieutenant Burg war seiner Anciennetät nach daran, zum Hauptmann befördert zu werden. Statt des Patents erhielt er am 6. Januar 1830 folgendes Schreiben:
„Ew. Wohlgeborn vorgerückte Stellung in der ersten Artillerie-Brigade hat mich veranlaßt, bei dem königlichen Kriegs-Ministerio anzufragen, in wie fern künftig, mit Rücksicht auf das Gesetz vom 11. März 1812, Ihre Beförderung zum Hauptmann nachgesucht werden könne, wobei ich nicht unerwähnt gelassen habe, durch welche nützliche Dienste Sie sich in Ihrem zeitherigen Verhältniß ausgezeichnet haben. Das königliche Kriegsministerium hat mich hierauf benachrichtigt, daß Se. Majestät der König allerhöchst Sich nicht bewogen gefunden haben, in der Sache eine besondere Entscheidung zu ertheilen, und zwar in der Voraussetzung, daß Sie durch Ihre Bildung, Stellung und religiöse Ueberzeugung wohl bereits diejenige Annäherung zum Christenthum in sich fühlen, welche Sie dazu bewegen würde, durch förmlichen Uebertritt zur christlichen Religion zugleich jeden Anstoß zu Ihrer ferneren Beförderung aus dem Wege zu räumen.
Ich setze Sie von vorstehender Aeußerung mit dem Anheimstellen in Kenntniß, Mir zu seiner Zeit von dem Ergebniß Ihrer hierauf bezughabenden Entschließung Mittheilung machen zu wollen.
Berlin, 6. Januar 1830 gez.: August.“
Der ihm gegebene Wink war deutlich, Burg zögerte aber keinen Augenblick, der Lockung zu widerstehen. Er lehnte es ab, seinen Glauben zu wechseln. Bald darauf ließ er dem oben genannten Werke ein weiteres folgen: „Das architektonische Zeichnen“ (Berlin, 1830), das sich gleichfalls der besonderen Theilnahme des Prinzen August und des Königs zu erfreuen hatte. Der König fragte an, ob es angezeigt sei, dem Verfasser eine Gratification zu bewilligen. Als Prinz August hierauf wiederholt Gelegenheit nahm, Burg zur Beförderung zum Hauptmann zu empfehlen, erging folgende charakteristische Cabinets-Ordre:
„Ich kann aus Euer Königlichen Hoheit Bericht vom 1. d. M. den bei der Artillerie- und Ingenieur-Schule als Lehrer stehenden Premier- Lieutenant Burg von der ersten Artillerie-Brigade nicht zum Hauptmann von der Armee ernennen, und verspreche mir von seiner geistigen Ausbildung, er werde noch zur Erkenntniß der Wahrheit und des Heils des christlichen Glaubens gelangen. Seinen nützlichen Diensten lasse ich gern Gerechtigkeit widerfahren und für die Bearbeitung seiner Lehrbücher mögen Eure Königliche Hoheit ihm die beiliegenden fünfzig Thaler in Gold als Gratification zustellen lassen.
Berlin, 6. December 1830. gez. Friedrich Wilhelm.“
Erst nach zwei Jahren, im November 1832, erfolgte auf erneute Verwendung
des Prinzen die Ernennung und ein schwerer Stein war damit
von Burg’s Herzen genommen, da die fernere Zurücksetzung ihn gezwungen
hätte, seinen Abschied zu nehmen. Nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit
erhielt er das goldene Dienstauszeichnungskreuz, bald nach dem Regierungsantritt
Friedrich Wilhelm des Vierten, im Jahre 1841, den Rothen
Adler-Orden, wurde im März 1847 zum Major befördert und hat dann
noch bis zum Jahre 1853 segensvoll und eifrig in seinem Berufe gewirkt.
Am 26. August 1853 starb er, eines der ersten Opfer der eben ausbrechenden
Cholera, und wurde auf dem jüdischen Kirchhofe in Berlin
unter zahlreicher Theilnahme der Bevölkerung, speciell seiner Cameraden
und Vorgesetzten, beerdigt. H.