Textdaten
Autor: anonym
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Titel: Ein schöns Mayenlied
Untertitel: Wie der Menschenschnitter der Todt die Blumen ohne vnderschid gehling abmehet.
aus: Flugblatt von 1638
Herausgeber:
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1638
Verlag:
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Erscheinungsort: Regensburg
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Quelle: Scan auf Commons = liederlexikon.de
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[1]

Ein schöns Mayenlied /

Wie der Menschenschnitter
der Todt die Blumen ohne
vnderschid gehling ab=
mehet.

Jederman Jung vnnd Alt sehr
nutzlich zu singen vnd zu=
betrachten.

Gedruckt im Jahr 1638.

[3]
1.
Es ist ein Schnitter heißt der Tod

Hat gwalt vom großen GOtt
Heut wetzt er das Messer
Es geht schon vil besser[1]
Bald wirdt er drein schneiden
Wir müssens nur leiden
Hiet dich schöns Blümelein.

2.
Was jetzt noch grün vnd frisch da steht

Wirdt morgens wegk gemeht
Rodt Rosen weiß Gilgen[2]
Beyd pflegt er außtilgen
Vnd Ihr Kayser Cronen[3]
Man wirdt eur nit schonen
Hiet dich etc.

3.
Vil Tausendt ist das ohngezehlt

Da vnder die Sichel hinfelt
Die Edle Narcissel
Die Englische Schlissel[4]
Die schöne Hiacinth
Die Türckische Bindt[5]
Hiet dich etc.

4.
Auß Seiden ist der Fingerhuet[6]

Auß Samet das Wohlgemuet[7]

[4]
Noch ist er so blind

Nimbt was er nur findt
Kein Samet kein Seiden
Mag jhne vermeiden
Hiet dich etc.

5.
Das Himmelfarbe Ehrenpreiß

Die Dulipan gelb vnd weiß[8]
Die silberne Gloggen
Die guldine Flocken[9]
Sinckt alles zur Erden
Was wirdt nur drauß werden
Hiet dich etc.

6.
So vil Maßlieb[10] vnd Rosenmarin

Schwelckt[11] vnder der Sichel dahin
Vergisse mein nit[12]
Du must auch nur mit
Vnd du Tausendt schön[13]
Man laßt dich nit stehn
Hiet dich etc.

7.
Ihr gspreggite[14] Morgen Röselein[15]

Ihr Papplen[16] groß und klein
Ihr stolze Schwerdt Lilgen[17]
Ihr krause Basilgen[18]
Ihr zarte Violen[19]
Man wird euch baldt holen
Hiet dich etc.

[5]
8.
Der bluetroth Türckisch Wassertost[20]

Der schneeweiß Augentrost[21]
Der Hertzenbetrieber
Je länger je lieber[22]
Nur auch mit hinunder
Man machts da keim bsonder.
Hiet dich etc.

9.
Der ausserlesne Mayerrahn[23]

Das Zornige rühr mich nit an[24]
Laßt euch nit verführen
Ja wol nit anrühren
Es gilt da kein bochen
Heut werdt jhr abbrochen
Hiet dich etc.

10.
Du Nägelein[25] mein Edler Schatz

Findst auch beym Schnitter kein blatz
Ich gnieß dein nit mehr
Jetzt kompt er daher
Bald wirstu verblaichen
All Schöne muß weichen
Hiet dich etc.

11.
Du Himmelblawes Bittersies[26]

Vnd jhr Tollhanenfieß[27]
Ihr hüpsche Lavendel
Ihr auffgerechte Händel[28]

[6]
Es hilfft da kein bitten

Heut werdt jhr abgschnitten
Hiet dich etc.

12.
Vnd du O schnödes Tag vnd Nacht[29]

Der Namen ist nit wol erdacht
Man laßt dich nit stehn
Biß dSternen auffgehn
Ehe der Tag verschlüssen
Wirstu außgerissen
Hiet dich etc.

13.
Man schetzt dich nit O Sonnen Taw[30]

Man förcht dich nit O Beeren Klaw[31]
Ihr frembde Gichtrosen[32]
Ihr gfülte Zeitlosen[33]
Ihr Sternagleien[34]
Muß alles an Reyen
Hiet dich etc.

14.
Er macht so gar kein Vnderschid

Geht alles her in einem Schnitt
Der Stolzritter Sporen[35]
Vnd Bluemen von Koren[36]
Da ligens beysamen
Man waißt kaum den Namen
Hiet dich etc.

[7]
15.
Vnd wann sie nun seynd gschnitten ab

So haissen sie alle schab ab[37]
Ach wie sie da ligen
Als wären sie in Zügen
Sie müssen verschmachten
Man thut jhr nit achten
Hiet dich etc.

16.
Trutz Todt komm her ich förcht dich nit

Trutz komm / vnd thue ein Schnitt
Wann er mich weckfretzet
So wirdt ich versetzet
Ich will es erwarten
Im Himmlischen Garten
Frew dich schöns Blümelein.


E N D E.

  1. 1.4 In nahezu allen späteren Fassungen geändert in: "Es schneidt schon viel besser"
  2. 2.3 "weiß Gilgen" = Weiße Lilie (Lilium candidum)
  3. 2.5 "Kayser Cronen" = Kaiserkrone (Fritillaria imperialis)
  4. 3.2 "Englische Schlissel" = Stängellose Schlüsselblume [en.: primrose] (Primula vulgaris syn. Primula acaulis (L.) Hill)
  5. 3.4 "Türckische Bindt" = Türkenbund(-Lilie) (Lilium martagon L.)
  6. 4.1 mdal. "Fingerhuet": "Fingerhut", wahrsch. einer dreier Vertreter folgender heimischer F.-Arten (Gattung "Digitalis"): Gelber F. (D. lutea L.), Roter F. (D. purpurea L.), Großblättriger F. (D. grandiflora L.)
  7. 4.2 mdal. "Wohlgemuet": "Wohlgemut", früher für Echter Dost / Wilder Majoran [it.: Oregano] (Origanum vulgare L.)
  8. 5.2 "Dulipan" = Garten-Tulpe (Tulipa gesneriana L.) (Genaue Farbangaben [gelb/weiß] sind hinweisgebend auf diese in vier Blütenfarben vorkommende Art)
  9. 5.2 "guldine Flocken": Nicht sicher zu deuten. Handelt sich möglicherweise um das als eines der wenigen der Gattung Centaurea (Flockenblumen) goldgelb blühende Benediktenkraut (C. benedicta L.). Eine weitere ab dem 18. Jh. kultivierte Art blüht ebenfalls goldgelb, konnte jedoch damals noch nicht bekannt sein.
  10. 6.1 "Maßlieb" = Gänseblümchen (Bellis perennis L.)
  11. 6.2 mdal. "schwelckt": "schwel(c)ken" = welken
  12. 6.3 "Vergisse mein nit" = (Sumpf-)Vergissmeinnicht (Myosotis scorpioides L. syn. Myosotis palustris) (Hier quasi eindeutig bestimmbar)
  13. 6.5 "Tausendt schön" = "Tausendschön", landsch. für Garten-Fuchsschwanz (Amaranthus caudatus L.)
  14. 7.1 mdal. "gspreggit(e)" = (adj.) gesprenkelt(e)
  15. 7.1 "Morgen Röselein" = "Morgenröslein"; sehr alter Name sowohl der Gewöhnlichen Pechnelke (Lychnis viscaria L.) als auch der Roten Pechnelke (Lychnis dioica L.)
  16. 7.2 "Papplen" = "Pappel", mdal. für Kleinblütige Malve (Malva pusilla Sm.)
  17. 7.3 "Schwerdt Lilgen": Schwertlilie, Iris; epochal bedingt dürfte wiederum eine sehr alte Art gemeint sein, wie z. B. die seit Mitte des 16. Jh. kultivierte Gras-S. (I. graminea var. pseudocyp. (Schur) Beck) oder aber eine ebenso alte Hybride wie die Deutsche S. (I. × germanica nvar. germanica / nvar. florentina Dykes)
  18. 7.4 "krause Basilgen" = Basilikum, Königskraut (Ocimum basilicum subsp. basilicum L.)
  19. 7.5 "zarte Violen" = (Duft-)Veilchen (Viola odorata L.)
  20. 8.1 "bluetroth Türckisch Wassertost" = Gewöhnlicher Wasserdost (Kunigundenkraut, Wasserhanf) (Eupatorium cannabinum L.)
  21. 8.2 "schneeweiß Augentrost" = Wiesen-Augentrost (Euphrasia officinalis L.)
  22. 8.4 "Je länger je lieber" : Trivialname für eine unüberschaubare Reihe verschiedenster Blumenarten.
    Einfachste Deutung: das Wilde Vergissmeinnicht (Gamander-Ehrenpreis, Männertreu) (Veronica chamaedrys L.)
    Ferner auch deutbar als der Bittersüße Nachtschatten (Solanum dulcamara L.) oder gar eine best. Art aus der Familie der Geißblattgewächse wie z. B. das Wohlriechende G. (Lonicera caprifolium L.) oder das Wald-G. (Lonicera periclymenum L.)
  23. 9.1 "Mayerrahn": landsch. für Majoran (Origanum majorana L.)
  24. 9.2 "Das Zornige rühr mich nit an" = Echtes Springkraut (Impatiens noli-tangere L.)
  25. 10.1 "Nägelein": landsch. für Garten-, Land-Nelke (Dianthus caryophyllus L.)
  26. 11.1 "Himmelblawes Bittersies" = Stängelloser Enzian (Gentiana acaulis L.) (Das Farbadjektiv "himmelblaw" weist hier recht eindeutig auf diesen hin, was den rosa oder violett blühenden Bittersüßen Nachtschatten [s. 8.4.] aussondert!)
  27. 11.2 "Tollhanenfieß": "Hahnenfuß" ; wobei das Präfix "Toll-" hier eine Deutung für eine wildwachsende Art wie die beiden gelb blühenden Scharfer H. (Ranunculus acris L.) und Kriechender H. (Ranunculus repens L.) zulässt
  28. 11.4 "auffgerechte Händel": landsch. für aufrecht wachsende Händel[wurz]; Namensherkunft wg. der handförmigen Knollen; hat zylindrischen, lotrecht in die Höhe wachsenden Blütenstand. Möglicherweise eine früher der Gattung Orchis angehörende Orchideenart bezeichnend, genauer eine Art der Gattung Dactylorhiza (z. B. das Breitblättrige Knabenkraut (D. majalis ehem. Orchis latifolia L. [nom. ambig.]); wurde je nach Blütezeit im Volksmund "Teufelsfinger" bzw. "Marienfinger" genannt)
  29. 12.1 "Tag und Nacht" = Wildes Stiefmütterchen (Viola tricolor L.)
  30. 13.1 "Sonnen Taw" = (Rundblättriger) Sonnentau (Drosera rotundifolia L.).(Die beiden anderen in Europa heimischen Drosera-Arten waren im 17. Jh. noch unbekannt.)
  31. 13.2 "Beeren Klaw" = "Bärenklau" (hist.: Bärentapen [16. Jh.]): lässt nur zwei Deutungen zu: beschreibt entweder den Wahren Bärenklau (Fam.: Doldenblütler) (Acanthus mollis L.) oder den botanisch nicht verwandten Wiesen-Bärenklau (Fam.: Akanthusgewächse) (Heracleum sphondylium L.)
  32. 13.3 "frembde Gichtrosen" = Echte Pfingstrose (Paeonia officinalis subsp. officinalis L.)
  33. 13.4 "gfülte Zeitlosen" = Herbstzeitlose (Colchicum autumnale L.)
  34. 13.5 "Sternaglei(en)" = "(Stern-)Akelei" = Gewöhnliche Akelei (Aquilegia vulgaris subsp. vulgaris L.) (Hier trivial benannt nach ihrer sternförmigen Blütenform. Da botanisch bis dato keine "Sternakelei" genannte Art beschrieben wurde, kann hier nur die bereits seit dem sehr frühen MA verwendete Gew. A. (ahd.: aglaia, agleya; mhd. ag(e)ley, ag(e)leykraut, agleyblum(e)[1]) gemeint sein.
  35. 14.3 "Stolzritter Sporen" = Garten-Feldrittersporn (Consolida ajacis L. Schur) (Die Epoche lässt hier praktisch keine andere Deutung zu.)
  36. 14.4 mdal. "Bluemen von Koren" = Kornblume, Zyane (Centaurea cyanus L.)
  37. 15.2 "schab ab" : Wortspiel in Analogie zu "abschaben" ; daneben kann "Schabab" jedoch regional mindestens vier Pflanzen bezeichnen: die Schafgarbe (Achillea millefolium L.)(bes. im Mhd.); das Herbst-Adonisröschen (Adonis autumnalis L.); den Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis subsp. arvensis L.) sowie die Jungfer im Grünen (Nigella damascena L.).