Ein festlicher Tag
[20] Ein festlicher Tag. (Zu unserer Kunstbeilage.) Der große Augenblick ist da: die junge Frau Herzogin hat sich auf dem bereit gestellten Lehnstuhl im Festsaal der höheren Töchterschule, deren „Protektorin“ sie ist, niedergelassen, um die Ansprache aus Kindermund entgegenzunehmen. Die achtjährige Lili, die geweckteste und beherzteste der „Kleinen“, steht vor ihr, das prachtvolle Rosenbouquet in Händen. Hundertmal hat sie der Klasse beteuert, daß sie sich nicht fürchte, auch kein kleines bißchen! ... Aber nun, wo diese gar nicht fürchterliche Herzogin in Person dasitzt und alle die vielen Damen und Herren ihre Blicke auf Lili richten: der Herr vom Hofe daneben mit dem glänzenden Stern auf der Brust und da hinten die Lehrer, der Herr Direktor mit dem strengen Gesicht und der Klassenlehrer, der schon anfängt, das kleine Fräulein bedenklich anzusehen, die alle sind schuld, daß Lilis flinkes Züngelchen zu stocken beginnt. Die Klasse fühlt mit ihr: besorgt und teilnahmsvoll richten sich die Blicke der Kleinen nach der Schwerbedrängten. Die hintere Reihe der angehenden Backfische steht der Kalamität schon kühler gegenüber mit dem spöttischen Ueberlegenheitslächeln ihres reizenden Alters. Sie ahnen nicht, die selbstbewußten „Großen“, wie herrlich sich die für Humor empfängliche Dame über diese Ansprache amüsiert und wie gut ihr die unschuldig besorgten Gesichtchen ringsum gefallen, die in ihrem Kamerädchen die Hauptperson der ganzen Festfeier sehen! Bn.