Textdaten
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Autor: E. M.
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Titel: Ein deutscher Fürst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 604–605
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein deutscher Fürst.

Von den jubelnden, aufrichtigen Glückwünschen seines Volkes begleitet, feiert Großherzog Friedrich von Baden am 9. September seinen 70. Geburtstag. Schon seit Monaten werden im Lande, das unter ihm zu einer hohen Blüte gediehen ist, Vorbereitungen getroffen, um diesen Tag gebührend festlich zu begehen und dem im besten Sinne volkstümlichen Herrscher die äußeren Zeichen der Verehrung, deren er sich bei allen Ständen und Parteien erfreut, darzubringen.

Als Landesfürst hat Großherzog Friedrich allezeit den Grundsätzen entsprechend gehandelt, die er einst in den schönen Worten aussprach: „Ich konnte nicht finden, daß ein feindlicher Gegensatz sei zwischen Fürstenrecht und Volksrecht: ich wollte nicht trennen, was zusammengehört und sich wechselseitig ergänzt – Fürst und Volk, unauflöslich vereint unter dem gemeinsamen, schützenden Banner einer in Wort und That geheiligten Verfassnng.“ Immer hat er an einer freien Staatsauffassung festgehalten, und wenn Baden in der That ein Musterstaat genannt werden kann, so ist das wesentlich mit seinem musterhaften Regenten zu danken, der in liberalem Geiste und als streng konstitutioneller Fürst nicht nach starrer Schablone, sondern in lebhaftester persönlicher Arbeit nun schon seit vierundvierzig Jahren am Steuer des ihm anvertrauten Landes steht. Aber die Wirksamkeit des Großherzogs ist keineswegs auf Baden selbst beschränkt geblieben. Der Grundzug seines ganzen politischen Wirkens bestand vielmehr von Anfang an darin, daß er unablässig Deutschlands Einigung zu fördern bemüht war und selbst unter den schwierigsten Verhältnissen das Wohl des großen deutschen Vaterlandes allem anderen voranstellte. Was dieser Fürst zunächst für die Vorbereitung und nachher für die Kräftigung und Befestigung unserer nationalen Einheit gethan hat, steht auf den Blättern der Geschichte verzeichnet und darf nimmermehr vergessen werden.

Großherzog Friedrich ist geboren am 9. September 1826 als der zweite Sohn des Großherzogs Leopold und seiner Gemahlin Sophie, einer geborenen Prinzessin von Schweden. In einer für ganz Deutschland und namentlich für Baden trüben und schweren Zeit sollte der Prinz zur Regierung berufen werden. Er hatte vorher mit seinem älteren Bruder, dem am 15. August 1824 geborenen Erbgroßherzog Ludwig, die Hochschulen in Heidelberg und Bonn besucht und sich dann dem Militärdienst gewidmet. 1848 nahm er an dem Feldzug in Schleswig-Holstein im Hauptquartier Wrangels teil.

Am 24. April 1852 schied Großherzog Leopold aus dem Leben. Der Erbgroßherzog Ludwig war schon damals so schwerem körperlichen und geistigen Siechtum verfallen, daß die Aerzte jede Hoffnung auf Wiederherstellung und persönliche Uebernahme der Regierung für ausgeschlossen erklären mußten. Als Stellvertreter seines Vaters hatte Prinz Friedrich bereits seit dem 21. Februar jenes Jahres die Staatsgeschäfte geleitet, und nach agnatischem Hausbesehluß übernahm er nun die Regierung zunächst als Prinzregent. Die Annahme der großherzoglichen Würde erfolgte am 5. September 1856, nachdem die Unheilbarkeit des Großherzogs Ludwig in aller Form festgestellt worden war. Er vermählte sich am 20. September desselben Jahres mit der Prinzessin Luise von Preußen, einzigen Tochter des damaligen Prinzen von Preußen, späteren Kaisers Wilhelm I. Am 22. Januar 1858 ward er dann durch das Ableben seines älteren Bruders alleiniger Großherzog.

Es harrten des jungen Regenten gar schwierige Aufgaben in dem Lande, in welchem sich die Nachwehen der vorhergegangenen politischen Stürme arg genug geltend machten, das aus tausend Wunden blutete, und dessen Wohlstand schwer gelitten hatte. Sein persönliches Eingreifen wurde zunächst durch kirchliche Wirren nötig gemacht, wobei seine staatsmännische Weisheit, sein scharfer Blick für die Wahl der richtigen Persönlichkeiten und sein Streben, allen berechtigten Wünschen seines Volkes entgegenzukommen, deutlich hervortraten. Die am 28. Juli 1859 mit der Kurie abgeschlossene Konvention hatte in Baden gewaltige Unzufriedenheit erregt, so daß sich der Großherzog veranlaßt sah, die Konkordatsminister von Meysenbug und von Stengel zu entlassen und aus der liberalen Opposition ein neues Ministerium zu berufen. Er erließ am 7. April 1860 eine Proklamation „Friedensworte an mein teures Volk“, welche die Absicht aussprach, sich mit der Kammer zu verständigen, [605] zugleich aber auch die entschiedene Willensmeinung des Großherzogs kundgab, „daß der Grundsatz der Selbständigkeit der katholischen Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten zur vollen Geltung gebracht werde“. Das Konkordat fiel, und an seine Stelle trat der Grundsatz gesetzlicher Regelung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, indem zugleich für alle Gebiete des öffentlichen Lebens das Prinzip freiheitlicher Entwicklung aufgestellt ward.

Was nun die äußere Politik betrifft, so war, seitdem Prinz Wilhelm von Preußen, des Großherzogs Schwiegervater, an Stelle seines erkrankten Bruders, des Königs Friedrich Wilhelm IV., in Preußen die Regierung übernommen hatte, die Idee der bundesstaatlichen Einigung Deutschlands unter preußischer Führung und mit Ausschließung Oesterreichs auf die Tagesordnung gesetzt worden, und Großherzog Friedrich ist sofort mit nachhaltigem Ernst und mit selbstverleugnender Aufopferung für diesen Gedanken, für die nationale Einigung Deutschlands eingetreten. Auf dem Fürstentage in Baden-Baden (16. bis 18. Juni 1860) sprach er sich mit Entschiedenheit für die Gründung eines deutschen Bundesstaates mit Parlament aus. Auf dem Frankfurter Fürstenkongreß von 1863 weigerte er sich, an irgend einer Neugestaltung Deutschlands ohne volle Zustimmung Preußens teilzunehmen. Trotzdem aber sah er sich 1866 als konstitutioneller Fürst genötigt, der Meinung seiner Minister und der Landesvertretung Rechnung tragend, sich mit den übrigen Staaten Süddeutschlands gegen Preußen zu erklären.

Mit dem Frieden wurde jedoch sofort das geheime Schutz- und Trutzbündnis Badens mit Preußen geschlossen, und in der Thronrede, mit welcher der Großherzog 1867 den Landtag eröffnete, sagte er: „Mein Entschluß steht fest, der nationalen Einigung mit dem Norddeutschen Bunde unausgesetzt nachzustreben, und gern werde ich und wird mit mir mein getreues Volk die Opfer bringen, die mit dem Eintritt in denselben unzertrennlich verbunden sind. Sie werden reichlich aufgewogen durch die volle Teilnahme an dem nationalen Leben und die erhöhte Sicherheit für die freudig fortschreitende innere Staatsentwicklung, deren Selbständigkeit zu wahren stets Pflicht meiner Regierung sein wird.“

1868 ernannte der Großherzog den preußischen Militärbevollmächtigten General v. Beyer zum badischen Kriegsminister; die Reorganisation der badischen Division wurde ungesäumt durchgeführt, wodurch sie befähigt wurde, die ihr während des deutsch-französischen Krieges zufallenden schwierigen Aufgaben in so ruhmvoller Weise zu lösen. Am 2. Oktober 1870 beantragte Baden seinen Eintritt in den Norddeutschen Bund, am 15. November wurde der Verfassungsvertrag mit dem Norddeutschen Bunde und am 25. November die Militärkonvention mit Preußen abgeschlossen.

Großherzog Friedrich von Baden.
Nach einer Originalphotogrphie von Oskar Suck in Karlsruhe.

Kaiser Wilhelm I. ehrte seinen Bundesgenossen und Schwiegersohn, indem er ihn 1877 zum Generalinspekteur ernannte; 1888 ward er Generaloberst der Kavallerie mit dem Range eines Generalfeldmarschalls. Am 24. April 1892 vollendete Großherzog Friedrich das vierzigste Regierungsjahr, nachdem bereits im Herbst 1881 ihm und seiner Gemahlin vergönnt gewesen war, das Fest ihrer Silbernen Hochzeit und zugleich die Vermählung ihrer Tochter, der Prinzessin Viktoria, mit dem Kronprinzen von Schweden und Norwegen zu begehen. Der Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm (geb. 9. Juli 1857) ist seit dem 20. September 1885 vermählt mit Prinzessin Hilda, Tochter des früheren Herzogs Adolf von Nassau, jetzigen Großherzogs von Luxemburg.

Ihre schönste Erfüllung haben in der Ehe des Großherzogs Friedrich jene Worte gefunden, mit denen der damalige Prinzregent am 26. November 1855 dem Landtage seine Verlobung anzeigte: „Diese Verbindung, die mir persönlich so viel Glück verheißt, wird auch, das bin ich überzeugt, meinem Volke zum Segen gereichen.“ Durch ihre unermüdliche, segensreiche Thätigkeit im Dienste der Menschenliebe hat sich die Großherzogin die Zuneigung ihres Volkes erworben, Freud’ und Leid hat sie dem Gemahl getreulich tragen helfen.

Viel Schweres ist schon über beide hingegangen, besonders im Jahre 1888, als die zum Besuche des kaum genesenen ältesten Sohnes an die Küste des Mittelmeeres gereisten Eltern plötzlich durch die Botschaft von der tödlichen Erkrankung des blühenden jüngeren Sohnes, des Prinzen Ludwig Wilhelm, nach Hause zurückgerufen wurden. Sie sollten ihn nicht lebend wiedersehen; am 23. Februar, wenige Stunden vor ihrem Eintreffen, hatte er den letzten Atemzug gethan. Nur wenige Tage später folgte ihm der bis dahin so rüstige Kaiser Wilhelm I., und kaum hatte die Großherzogin den Sohn und den Vater dahingehen sehen, als der Tod auch noch den geliebten Bruder, den Kaiser Friedrich, aus dem Leben abrief. Selbst damals aber vergaß die edle Frau nicht ihres Werkes im Dienste der leidenden Menschheit, und diese Liebesthätigkeit stählte ihre Kraft, daß der Schmerz sie nicht niederzubeugen vermochte.

So wirkt sie auch heute noch als die treueste und verständnisvollste Genossin des Großherzogs. Möge dem trefflichen Fürsten noch lange vergönnt sein, für sein eigenes Land und für das gesamte deutsche Vaterland thätig zu sein und sich der Anerkennung und des Dankes der Nation zu erfreuen! E. M.