Ein Urtheil über Lassalle

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Titel: Ein Urtheil über Lassalle
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 787
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[787] Ein Urtheil über Lassalle. Ueber das Ende des vielbesprochenen Volksmannes hat sich allmählich eine ganze Litteratur gebildet. Dieselbe ist neuerdings vermehrt worden durch die Schrift: „Lassalle’s Leiden“, welche auf Grund einer verloren geglaubten Handschriftensammlung den so tragisch ausgehenden Liebesroman Lassalle’s schildert (Berlin, Paul Hennig). Die Grundzüge desselben erscheinen indeß dadurch nicht in neuem Lichte; die früheren Schilderungen werden nicht als unrichtig nachgewiesen, sondern nur ergänzt und farbenreicher kolorirt. Die Leidenschaftlichkeit Lassalle’s, die sein ganzes Herz erfüllende Neigung zu Helene von Dönniges macht sich in stürmischen Ausbrüchen Luft, und als er sich verrathen glaubt, da kennt sein Zorn und seine Verzweiflung keine Grenzen; er bewegt sich überhaupt in Ausdrücken, die man ohne Erstaunen in einem Drama der Grabbe’schen Schule, der genialübertreibenben Kraftdramatiker lesen würde.

„Du kannst mich nicht verrathen,“ schreibt er an Helenen, „einen Mann wie mich, der Dich so rasend liebt; ich bin mit Diamantketten an Dich geschmiedet. Ich leide tausendmal mehr als Prometheus am Felsen. Aber wenn Du meineidig wirst, nach so vielen Eiden und solcher Liebe gegenüber, so wäre die Menschennatur entehrt; man müßte verzweifeln an jeder Wahrheit, jeder Treue; Lüge wäre Alles, was existirt. Dies sagen Alle, welche diese blutige Geschichte kennen.“ Und an seine Freunde schrieb er: „Wenn dieses Weib von mir läßt, für das ich so namenlos märtyrere, so ist Alles geschändet, was Mensch heißt. Ein Felsenherz, das so liebt, so treu aushält wie das meinige, so zu zerreißen! Gehe ich jetzt zu Grunde, so ist es nicht mehr an der brutalen Gewalt, die ich gebrochen habe, sondern – wenn sie mir oben vor dem Notar ‚Nein‘ erklärt statt ‚Ja‘ und mit mir zu gehen – an dem grenzenlosen Verrath, an dem unerhörtesten Wankelmuth und Leichtsinn eines Weibes, das ich weit über alles Maß des Erlaubten hinaus liebe.“ Und in seinem Abschiedsbrief an Helene schreibt er fast im Stil der Schiller’schen „Räuber“: „Wenn Du mich zerbrichst durch diesen bübischen Verrath, den ich nicht überwinde, so möge mein Los auf Dich zurückfallen und ein Fluch Dich bis zum Grabe verfolgen. Es ist der Fluch des treuesten, von Dir tückisch gebrochenen Herzens, mit dem Du das schrecklichste Spiel getrieben. Er trifft sicher!“

Man wird erstaunt sein über den Sturm und Drang einer solchen Liebesromantik, welche das Herz eines Philosophen erfüllt. Wenig Ähnliches wird die Geschichte der Philosophie aufweisen. Welche Seelenruhe haben Spinoza und die anderen Denker auch im Leben bewährt! Doch Lassalle erscheint hier mehr in jener erregten Stimmung, die den leidenschaftlichen Agitator charakterisirt. Und doch war Lassalle ein großer Gelehrter, und wer sich durch Kenntniß seiner wissenschaftlichen Werke nicht selbst davon überzeugen konnte, der wird dem Urtheil eines ausgezeichneten Mannes der Wissenschaft hierin glauben müssen, eines großen Philologen, Boeckh, den Lassalle anrief, um in seiner Herzensangelegenheit bei Herrn von Dönniges, dem Vater Helenens, zu vermitteln. Er that das zwar nicht direkt, aber er stellte dem Rechtsanwalt Holthoff einen Brief zur Verfügung, in welchem er sein Urtheil über Lassalle ausspricht.

„Ich stehe mit Herrn Lassalle seit vielen Jahren in Verbindung; ich bin in diese Verbindung noch mehr hineingezogen worden durch Alexander von Humboldt, der sehr viel auf ihn hielt und ihn auch gegen Anfechtungen zu vertreten bestrebt war. Ich halte Herrn Lassalle für einen eminenten Geist von tiefen Einsichten in den verschiedensten Gebieten, von einer außerordentlichen Schärfe und Präcision des Urtheils und gleich großer Darstellungsgabe. Was seine politische Thätigkeit betrifft, so bin ich überzeugt, daß er nach bestem Wissen und Gewissen handelt, sich von Niemand als Werkzeug gebrauchen läßt, sondern mit voller Unabhängigkeit seinen Zweck verfolgt, keine Aufopferung scheut, jeder Gefahr trotzt, daß er eben gerade aus geht und weder rechts noch links schaut, können ihm die zur Last legen, die auf Klugheitsrücksichten halten. Er hat viele liebenswürdige Eigenschaften, und ich bekenne, daß ich mich durch die Lebhaftigkeit und das Geistvolle seiner Unterhaltung stets von ihm angezogen fühlte.“

Dies Letztere hat kein Geringerer bestätigt als Fürst Bismarck, der sich in ähnlicher Weise über Lassalle aussprach. †