Ein Spaß
[164] Ein Spaß. Ein junger Student in L. ging vor einigen Tagen mit dem Professor spatzieren, der wegen seiner persönlichen Fürsorge für die jungen Herren überall der Studentenfreund heißt. Als sie auf das Feld kamen, entdeckte der Student ein Paar alte Schuhe am Wege, die einem armen Manne, der auf dem Acker arbeitete, gehören mochten. „Wir wollen dem Manne mal einen Streich spielen und seine Schuhe verstecken,“ sagte der Student zum Professor. „Wenn wir uns hinter die Bäume dort verstecken, können wir sehen, wie er sich haben wird.“ „Lieber Freund, man sollte sich doch wohl niemals einen Spaß auf Kosten der Armen machen,“ entgegnete der Studentenfreund; „doch ich will auf Ihren Vorschlag eingehen: spielen wir dem Manne einen Streich. Sie sind reich; stecken Sie in jeden Schuh einen harten Thaler und dann wollen wir hinter den Bäumen abwarten, wie er sich haben wird.“
Der Student ging darauf ein, versteckte in jeden Schuh einen harten Thaler und dann mit dem Professor sich selbst. Da es schon Abend war, brauchten die Herren nicht lange auf die Wirkung ihres Schabernacks zu warten. Der arme Mann kam bald heran, zog seinen Rock an und schlüpfte zu gleicher Zeit in den einen Schuh. Da er etwas hartes darin fühlte, bückte er sich und fand bald das Stück Geld. Erstaunen und Wunder spiegelten sich auf seinem faltigen Gesichte; er starrte den Thaler an, schlug auf einen Stein, um die Aechtheit des Geldes zu prüfen, drehte sich um und wieder um, sah sich dann nach allen Seiten um, und da er Niemanden sah, steckte er endlich das Geld in die Tasche. Jetzt zog er den andern Schuh an. Sein Erstaunen, als er den andern Thaler fand, war lächerlich erhaben. Er stürzte auf seine Kniee, betete gen Himmel mit nassen, dankbaren Augen und dankte dem wunderbaren Gotte im Himmel so laut und inbrünstig, daß die Versteckten jedes Wort vernahmen. Er sprach von seinem kranken, hilflosen Weibe und den kleinen Kindern, die nun der Himmel nicht verlassen werde. –
Der junge Mann stand erschüttert und konnte sich der Thränen nicht erwehren. „Gefällt Ihnen mein Schabernack nicht besser, als der Ihrige?“ fragte der Professor.
Kein Wort hat der junge Mann gesagt, aber die Hände des „Studentenfreundes“ hat er geküßt unter Thränen [165] der Freude und der Beschämung und ein Gefühl ist in ihm rege geworden, das er bisher noch niemals gekannt. Irren wir nicht, so wird der Spatziergang vielen Armen Segen bringen.