Ein Mutterlied
EIN MUTTERLIED
Wir dachten einst, was in uns lebt,
Kommt uns erhöht noch in den Kindern wieder
Gleich einem Rausch, der nimmer stirbt –
Wir dachten einst, die Welle, die uns hebt,
Mit denen uns die Liebe wirbt.
Uns trug die Welle einer Leidenschaft,
Uns trug der Freiheit und des Willens Kraft,
Wir wollten voll Inbrunst und frohem Schrecken
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Mein kleiner Niels, der freit die reiche Braut –
Mein kleiner Frank ist Pfründenhüter worden –
Und aus den Augen meiner Tochter schaut
Die Selbstsucht, die gewinnt an allen Orten –
Einst meine ersten Witwentränen flossen,
Ist eine Tänzerin und tanzt vor dem Parkett
Beethovens Trauermarsch, den Leidgenossen,
Denselben, den sie an dem Tage spielten,
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Oh alle sind sie „gut“
Und alle tragen Ehre
An ihrem Namen –
Sind mein Blut
Aus Todesschwere
Meine Seele wollt’ ich ihnen verschenken,
Meine Seele und dein Angedenken
Du Freund –
Unsre Herzen sollten in ihnen schlagen,
Wenn die Grabeserde sich über uns bräunt.
Ja – sie sind alle recht und gut,
Sie, die wurden aus unserem Blut,
Doch als wir beide zusammen kamen,
Da glaubten wir, Erlöser zu zeugen,
Oder doch solche, die unter sich beugen
Alles was klein und niedrig ist.
Keiner trägt einen Ritterorden
Und keiner den Alltag vergißt –
Von denen, welchen das Leben ich gab.
Wenn ich zu ihnen gehe,
Ist mir, als stünd’ ich vor unserem Grab.