Textdaten
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Autor: T.
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Titel: Ein Mäusezug
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 160
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[160] Ein Mäusezug. Es war vor einigen Jahren, als ich eines Tages, als Lehrer an der hiesigen Bürgerschule, den Nachmittagsunterricht um ein Uhr begann. Auf dem Lectionsplane stand Lesen. Der Unterricht mochte etwa eine halbe Stunde gedauert haben, als derselbe plötzlich durch lautes Aufschreien der in den ersten Bänken befindlichen Kinder gestört wurde. Dieselben sprangen auf ihre Sitzbänke, ja einige sogar auf die Tische und sahen alle ängstlich nach einer Stelle hin. Ich, der ich mich in der Nähe der ersten Bank befand, wandte mich um, die Ursache dieser Störung zu entdecken, und bemerkte denn auch sogleich, daß unter dem zwischen der Wand und dem Pulte befindlichen ungefähr fünf Zoll hohen Trittbrette etwa sechs oder sieben Mäuse hervorgekommen waren, die sich in einer Linie und so dicht hinter einander fort bewegten, daß die zweite den Kopf auf den Rücken der ersten, die dritte ihren Kopf auf den Rücken der zweiten gelegt hatte u. s. f.: ja es schien fast, als ob alle sechs oder sieben Mäuse auf diese Weise an einander befestigt seien. Als ich hinsah, war der Mäusezug etwa einen Fuß weit hervorgekommen und stand still, vielleicht in Folge des Geschreies der Kinder. Bald aber bewegte er sich langsam vorwärts und ließ sich auch nicht wieder stören, trotz des fortwährenden Geräusches, welches die Kinder verursachten. Der Mäusezug bewegte sich nun nahe an meinen Füßen vorbei, bis unter den Tisch, wo die ersten Kinder saßen, machte hier einen Bogen und ging zurück nach dem in der Nähe des Pultes befindlichen Ofen, unter demselben her und von hier wieder nach dem Loche, woraus er hervorgekommen war; – damit hatte das Schauspiel ein Ende.

Die Bewegung der scheinbar an einander befestigten Mäuse, welche alle ausgewachsen und von einer Größe, war, wie gesagt, immer langsam und es schien, als wenn bei ihren Bewegungen ein Wille alle beseelt hätte; unheimlich war es auch, anzusehen, daß die Mäuse von der Unruhe der Kinder durchaus keine weitere Notiz nahmen und sich in ihrer langsamen Fortbewegung nicht stören ließen.

Wie ist diese Erscheinung zu erklären? – Wer hat etwas Aehnliches erlebt? – In naturgeschichtlichen Werken, die mir zu Gebote standen, habe ich darüber nichts gefunden.

Hfd.T.