Ein Judenfriedhof
EIN JUDENFRIEDHOF
Was ihr im Leben nicht suchtet, nicht kanntet,
Und was euch der Gott nicht gab,
An den ihr glaubtet, ihr Toten,
Das liegt nun über dem verlassenen Ort,
Die euch nie Heimat war:
Die Schönheit.
Die Totenmale stehen still wie Wandrer,
Die dem Sturme trotzten.
Doch eurem Staub erblüht
In Herbstes- und in Frühlingsblumen
Vom Sommerwind beseelt:
Die Schönheit.
Die Nelken blühn im Sonnenglanz
Geschmiegt an eure grauen Steine.
Der Erde Grund ist lieberot
Und sehnsuchtsbleich
In Schönheit.
Der helle, helle Sommerhimmel grüßt herein
Und wie in bebender Lust
Zittert die Silberpappel.
Sieht wie ein Mysterium des Schweigens
Zu euch herein:
In Schönheit.
Ihr armen Knechte der Welt, ihr Toten,
Der eure Augen und eure Herzen
Auftat und euch das
Evangelium gebracht hat,
Das Evangelium:
Was ihr im Leben nicht suchtet, nicht kanntet,
Und was euch der Gott nicht gab,
An den ihr glaubtet, ihr Toten,
Das spricht zu mir an diesem alten Ort,
Und weiter Fernen, ferner Zeiten dachte:
In Schönheit. –