Ein Dorf-Sydow
[233] Ein Dorf-Sydow. Was der Berliner Oberkirchenrath dem Berliner Pfarrer Sydow angethan, hat Entrüstung und Theilnahme in den weitesten Kreisen erregt, und dem verfolgten Manne ist Beides zu Gute gekommen. Darf wohl ein armer Dorf-Pastor, welcher derselben kirchenräthlichen Ungnade zum Opfer gefallen, auf ähnliche Berücksichtigung Anspruch erheben? Pastor Collmann zu Uedem bei Cleve ist, nach einem langen Conflict mit den Behörden unter dem Ministerium Mühler, in welchem er die Rechte der Kirche und der Gemeinden gegen Bureaukratie und Ultramontanismus vertheidigt – allerdings nicht immer mit Sanftmuth, sondern oft mit allen Waffen der Verbitterung –, in diesen Tagen vom Oberkirchenrathe definitiv ohne Pension seines Amtes entsetzt. Sein Hauptverbrechen war sein Beitritt zu dem Protestantenvereine gleich bei der Gründung desselben und sein Kampf in der Presse seit 1863, wo er die Redaction der „Evangelischen Gemeindeblätter“ (Elberfeld, Bädeker) leitete. Collmann hatte endlich ihm lange vorenthaltene Actenstücke beigebracht, die sein Recht klar erwiesen haben würden, und die neuen Gesetzesvorlagen würden zugleich ihn vollends geschützt haben – da kam dem Allen der Oberkirchenrath zuvor und wies den längst Mißliebigen mit Weib und sieben Kindern aus der Pfarre hinaus in – wie man in der guten alten Zeit zu sagen pflegte – in das Elend.
Herr Collmann (Herausgeber des verbreiteten „Theologischen Universal-Lexikons“, Elberfeld, bei Friedrichs) besitzt kein anderes Vermögen als sein Wissen und seine Arbeitstüchtigkeit in den Jahren der höchsten Manneskraft. Es gilt nun, daß ihm Gelegenheit geboten werde, dieses Capital zu verwerthen. Der tüchtige, feder- und wortgewandte Gelehrte würde ebenso bei einer Redaction wie auf einem Lehrstuhle an seiner Stelle sein. Wir vermitteln gern Anträge an den bedrängten Mann.