Ein Brief Ludwig Richters

Rietschel und Hähnel. Zwei Briefe Ein Brief Ludwig Richters (1901) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)
Johannes Drändorff, der erste mit Namen bekannte Kreuzschüler
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[18]
Ein Brief Ludwig Richters.[1]

Dresden am 1. Ostertag 1858.     

Was werden Sie von mir denken, daß ich Ihren lieben, freundlichen Brief so spät erst beantworte! Ueberhäufte Arbeit und dabei öftere Kränklichkeit bringen mich nur zu oft in die Lage, grade die liebsten Briefe am längsten unbeantwortet liegen zu lassen, weil ich für diese eine gute Stunde abwarten will, die sich aber so selten einstellt.

Doch ich gehe gleich zur Sache!

Ihren Wunsch, den Groth’schen Quikborn mit Bildern, von mir ausgeführt, zu sehen, hegte schon vor ein paar Jahren mein kürzlich verstorbener Freund G. Wigand gemeinsam mit mehreren Freunden Groth’s. Doch kamen wir bald dazu, von dieser Idee abzusehen, weil es mir wie Unrecht erschien, mit den tüchtigen u. ehrenwerthen Specter gleichsam zu rivalisieren, dessen Illustrierter Quikborn Ihnen bekannt seyn dürfte. Es wurden mir aber bald darauf eine Sammlung Kinderlieder von Groth (vor de Göern) anvertraut, zu welchen ich Zeichnungen machen sollte. Groth kam selbst nach Dresden, u. ich hatte die Freude, den liebenswürdigen Dichter u. trefflichen Menschen über ein Jahr lang in meiner Nähe zu haben, u. mit ihm zu verkehren. – Die Zeichnungen habe ich nun in diesen Tagen beendigt, u. ein Theil derselben ist bereits in Holz geschnitten, so daß ich hoffen darf, das Buch wird Ende des Sommers erscheinen können. Groth selbst hatte unbändige Freude über die ersten Zeichnungen, welche er im vergangenen Sommer noch hier zu sehen bekam, u. ihre Zahl (es sind 30 geworden) war erst viel höher bestimmt. Allein meine Augen haben in der letzten Zeit so gelitten, daß ich nur mit großer Vorsicht diese kleinen Sachen zeichnen darf, u. öfters ganz davon ablassen muß, u. so habe ich mich denn auf diese geringere Zahl beschränkt. Und zwar um so mehr habe ich dies gethan, weil ich endlich an einen Jahrelang gehegten Plan gehe, an welchen ich gern noch alle meine Kräfte gesetzt hätte. Es ist dies eine Art Hausbuch, ein Spiegel deutschen Familienlebens in Bildern. Texte suche ich mir aus den verschiedensten Dichtern nach Bedürfniß zusammen, u. durch das Ganze geht ein bestimmter Faden. Da denke ich denn auch noch manches aus Groth’s Quikborn zu bringen, u. manches auch aus den alten lieben Wandsbeker Bothen, seinem Landsmann.

Es freut mich, auf diese Art Ihren gütig geäußerten Wunsch entgegen kommen zu können, u. danke Ihnen von ganzen Herzen für den warmen Antheil, den Sie an meinen Arbeiten genommen haben. Das macht mich oft recht glüklich, daß diese anspruchlosen Bildchen in ihren etwas hölzernen Rökchen – was oft auch etwas verschnitten ist – überall in die Häußer u. in die Familienstuben dringen, u. da manchem Auge u. manchem Gemüthe begegnen, das sich daran erbaut, erfreut u. künstlerisch angeregt fühlt.

Als besondern Gruß lege ich drei Probedruke bei zu den Kinderliedchen gehörig; die verehrten Unbekannten mögen sie als Visitenkarten betrachten. Darf ich denn dagegen 3 Blättgen mit Ihren werthen Namen – auch ohne Holzschnitt erfreulich – erwarten? Es würde mir dies wenigstens ein Zeichen seyn, daß Sie mir nicht allzusehr zürnen wegen der langsamen Antwort.

Mit hochachtungsvollen Grüßen
Ihr      ergebener 
  Ludwig Richter. 




  1. Der Brief (ohne Anrede), nach Ausweis des beiliegenden Briefumschlags an den Verlagsbuchhändler J. C. Löschke in Leipzig gerichtet, befindet sich im Stadtmuseum.