Textdaten
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Autor: Carl Streckfuß
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Titel: Drittes Fragment
Untertitel:
aus: Gedichte,
S. 112-118
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1804
Verlag: J. V. Degen
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Erscheinungsort: Wien
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Originalsubtitel:
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Quelle: Google und scans auf commons
Kurzbeschreibung:
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[112]

Drittes Fragment.

„Ist doch die Dämmerung schön — von ihren Armen umschlungen,
     Zieht sich das tiefe Gemüth gern in sich selber zurück,
Gern ergießt sich das Herz, das volle, in trauten Gesprächen,
     Und es ergründet der Freund besser des Redenden Wort.

5
Was die Vergangenheit gab, der Schmerz und die Freude, sie nahn sich

     In der Dämmerung oft milder dem lauschenden Sinn,
Und sie umschlingen sich beyde vor meinen Blicken und lächeln,
     Und ich lächle gern selber den Freundlichen zu.“
Sehet, so sprach der Vater uns Worte voll Sinn und Bedeutung,

10
     Aber wir hörten nur schüchtern dem Redenden zu.

Und am Himmel empor stieg Luna nun höher, und blickte
     Hinter dem Silbergewölk her in das stille Gemach.
[113] Leise drückte mir die Hand Amanda, der Vater
     Schwieg, und blickte hinaus in das ermüdete Feld,

15
Das in erquickendem Schlummer vergaß die Lasten des Tages,

     Der mit sengendem Strahl hatte die Erde gedrückt.
Aber ich sahe nur sie, und ob mir die herrlichen Züge
     Gleich verschmolzen in Nacht, ob ich die Augen nicht sah,
Glaubt’ ich doch durch die Nacht zwey glänzende Sterne zu schauen,

20
     Und ihr freundliches Licht fiel mir ins zweifelnde Herz.

Ja, sie liebt mich! so sprach in meinem Busen die Stimme,
     Aber der Zweifel verschlang wieder das tröstende Wort.
Und da wendete sich zurücke der sinnende Vater,
     Sprach: Uns rufet hinaus, Freunde, die Kühle der Nacht.

25
[114] Komm, o Tochter, und gieb dem Freunde das Händchen und mir her,

     Einig wandeln wir so hin durch die schweigende Flur.
Und wir traten hinaus. Es glänzt’ im Dufte des Mondes
     Uns die Gegend, es schlief unten im Thale der Fluß,
Zitternd schwamm auf ihm der Luna silberne Säule,

30
     Und sie bewegte sich zitternd den Wanderern nach.

So nun wallten wir dahin auf dem Hügel, doch keiner
     Wagte mit tönendem Laut sprechend zu stören die Nacht;
Da erhob die Stimme der Vater: Es theilen die Wege
     Hier sich, sprach er, doch bald einet sich wieder der Pfad.

35
Dort wo im Birkenschatten die weiche Rasenbank grünet,

     An der Gränze des Hains ist das erfreuliche Ziel.
[115] Drey sind der Pfade, o laßt uns einsam sie wandeln,
     Bald vereinen wir uns wieder am Plätzchen der Ruh.
Träumet einsam wandelnd — im weichen Grase gelagert,

40
     Theilen wir fröhlich dann, was wir geträumet, uns mit,

Denn dem Herzen ist Noth die Einsamkeit wie die Gesellschaft.
     Sprachs, und wandelte nun hin auf dem äußersten Pfad,
Und Amanda gehorchte des Vaters Willen, und wallte
     Dahin, ich wendete dann dorthin den zögernden Schritt,

45
Aber bald hemmt’ ich ihn wieder und wandte die Blicke nach ihr hin,

     Und ich sah es, nach mir war die Geliebte gekehrt,
Aber sie wandte sich schnell, und gieng nach dem mittelsten Wege,
     Und so verschwand sie mir eilig im dichten Gebüsch.
[116] Mich auch nahmen nun auf des Laubgangs schaurige Schatten,

50
     Doch nach der Gegend hin lauschte der Blick und das Ohr,

Wo mir die Holde verschwand — Wenn Zephyr die Blätter bewegte,
     Wähnt’ ich, es sey ihr Gewand, das an den Büschen gerauscht,
Wenn ich den silbernen Strahl des Mondes irrend erblickte,
     In dem Dunkel des Hains, glaubt’ ich Amanden zu sehn.

55
Aber immer betrog mich der Wunsch, doch regte die Täuschung

     Höher die Sehnsucht auf in dem bewegten Gemüth.
Bald verließ ich den Pfad und wandte mich hin nach dem ihren,
     Aber es zauderte bald wieder der strebende Fuß.
Sorglich theilt’ ich die Büsche und langsam schritt ich dann vorwärts,

60
     Daß des Verwegenen Nahn nicht ihr das Rauschen verrieth.

[117] Sie zu erblicken wünscht’ ich mit heftig schlagendem Herzen,
     Und ich fürchtete doch, was ich so innig ersehnt.
So nun war ich gelangt zum Wege, den sie gewandelt,
     Einsam war er und leer, nirgends die Holde zu schaun,

65
Und ich grämte mich drob und freute mich zweifelnden Sinnes,

     Wandelte sicherer fort auf dem verlassenen Pfad,
Rief: Umwehet mich, Lüfte, mit ihrem Odem vermählet!
     Den ihr Fuß betrat, feßle mich, grünender Pfad!
Blätter, die ihr geküßt verstohlen die rosige Wange,

70
     Naht euch und fächelt sanft Kühlung dem Glühenden zu!

Freyer ward nun der Weg, da sah ich durch lichtere Büsche
     Sie — in Luna’s Licht schimmert’ ihr weisses Gewand.
[118] Leise wie Rieseln des Quells, wie ferne Nachtigalltöne,
     Floß mein Nahme herab ihr von dem rosigen Mund,

75
Sehnend streckte sie die Lilienarme dem Mond zu,

     Drückte die zarte Hand dann an die schwellende Brust.
Lispelt’: ich liebe dich — es tönten die himmlischen Worte
     Leis, doch deutlich, mir in das bezauberte Ohr.