Dresdner Kunstausstellung 1806

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Titel: Dresdner Kunstausstellung 1806.
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aus: Journal des Luxus und der Moden
Herausgeber: F. J. Bertuch und G. M. Kraus
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1806
Verlag: Landes-Industrie-Comptoir
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Erscheinungsort: Weimar
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Kurzbeschreibung: Katalog der Ausstellung siehe Verzeichniß der am Friedrichstage im Jahre 1806 in der Churfürstl. Sächsischen Akademie der Künste öffentlich ausgestellten Kunstwerke
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Dresdner Kunstausstellung 1806.
Dresden den 16. März 1806.     

Ich eile, Ihnen die versprochene kritische Schilderung der diesjährigen Kunstausstellung zu senden, und werde mich dabei nach der Ordnung der einzelnen Zimmer richten. [210]

In dem mittelsten, oder der eigentlich zweiten Abtheilung des Saals, welches, wie Sie wissen, zuerst betreten werden muß, ziehen zwei große Landschaften von Mechau,[1] die eine an der linken, die andere an der rechten Wand, gewiß zuerst das Auge des Kenners und Liebhabers auf sich. Herr Mechau, der nicht bloß ein braver Landschafter im eigentlichen Sinne des Worts, sondern auch ein richtiger und guter Figuren-Zeichner ist, verbindet mit diesen, so selten vereinigten Talenten, die Gabe einer vortrefflichen Gruppirung, wovon er vorzüglich in dem Gemälde linker Hand, einen überzeugenden Beweis abgelegt hat. Die Scene, wie Albius die vor den Galliern flüchtenden Vestalinnen, auf den zur Rettung der Seinigen bestimmten Wagen aufnimmt, ist der Gegenstand desselben. Zum Schauplatz hat der Künstler eine Gegend bei Castel Gandolfo am Lago d’Albano, wo diese Begebenheit sich zugetragen haben soll, gewählt, und sie mit allen ihren Partien meisterhaft ausgeführt. In der schön gehaltenen Ferne erblickt man links eine sich fortziehende Bergkette. Rechts durch den Wald schimmern die Spitzen von den Thürmen des Castells. Der See selbst macht einen Theil des Mittelgrundes aus, und um denselben zieht sich im Vordergrunde von der Linken zur Rechten hinauf die Heerstraße, auf welcher man in ziemlicher Entfernung mehrere, auf der [211] Flucht begriffene, Personen erblickt. In der Mitte der Straße hält der mit Ochsen bespannte Wagen des Albinus. Eine der Vestalinnen hat denselben bereits bestiegen, um die vor dem Feinde in Sicherheit gebrachten heiligen Gefäße darauf zu verbergen, indem Albinus selbst im Begriff ist, andere die noch auf der Erde liegen, aufzuheben. Die anmuthige Stellung jenes reitzenden Geschöpfs, ist dem Künstler vorzüglich gelungen. Hinter dem Wagen nach dem Beschauer zu, befinden sich mehrere dieser Priesterinnen, wovon einige ebenfalls Gefäße in den Händen tragen, zwei von ihnen aber, die der auf ihren geretteten Habseligkeiten sitzenden Gattin des Albinus, einen holden Säugling vom Schooß genommen haben, und mit ihm tändelnd, sich an seinem Anblicke ergötzen. Die ganze Gruppe ist mit ergreifender Wärme aus der Phantasie des Künstlers hervorgegangen, und hat sich der Leinwand in Farben mitgetheilt. Wäre etwas an dieser Landschaft zu tadeln, so möchte es die Gleichheit der Tinten an einigen Bäumen und Felsen, so wie die nicht gut geglückte Stellung des Albinus seyn. Auch sind die Ochsen an seinem Wagen etwas zu corpulent und steif. Die andere Landschaft von gleicher Größe, die dieser gegenüber an der rechten Wand hängt, ist ebenfalls von entschiedenem Werthe, doch wird sie weniger das Gefühl, als die Anforderungen der Kunst befriedigen. Man findet sich hier in einer Gegend an der Tiber, ohnweit Rom versetzt, wo der Sage nach, Cincinnatus seinen Landsitz gehabt haben soll. Ueber dem vertieften Hintergrunde, den die Tiber durchströmt, haben sich Gewitterwolken aufgethürmt, die zum Theil in Regen niederfließen. Der erhabenere Vordergrund bildet rechts eine mit Bäumen und Vieh besetzte Anhöhe, hinter welcher eine Villa, wahrscheinlich der Landsitz des Cincinnatus hervorragt. [212] Aus dem Mittelgrunde erhebt sich von der Linken her, nach der Mitte des Vordergrundes zu, die Straße von Rom, auf welcher man in der Ferne einen Theil des Senats und Volks erblickt, abgesandt, um dem Cincinnatus die Dictatorwürde anzutragen. Vor ihnen sprengt ein Reuter; der wahrscheinliche Verkündiger dieser Gesandschaft. Auf dem durch die Straße abgeschnittenen Hügel des Vordergrundes links, sieht man den Cincinnatus selbst am Pfluge, den er mit der rechten Hand anhält, während er mit der, über den Augen erhobenen linken, nach dem schon ziemlich nahen Reuter umzublicken scheint. Ich sage scheint, denn hier hat der Künstler wohl nicht die ganz richtige Stellung gewählt, indem Cincinnatus, wenn sein Blick wirklich auf den Reuter gericht seyn sollte, uns wegen der verticalen Richtung der Straße kaum das rechte Ohr zeigen könnte, da er uns doch, so wie er da steht, sein ganzes rechtes Profil bloß giebt. Sie sehen indessen aus dieser genauen Beschreibung, wie schön gedacht auch der Gang dieser Begebenheit ist, und der gerügte kleine Fehler thut dem Ganzen weiter keinen Abbruch. Mehr schadet ihm der durch das Regenwetter verfinsterte Himmel, wodurch die Landschaft einen etwas trüben Ton erhält, da doch im Gegentheil ein heiterer, dem Gegenstande ungleich angemessener gewesen seyn würde. Vielleicht aber wird der Künstler dadurch gerechtfertigt, daß bei der benutzten Begebenheit, deren ich mich nicht mit allen ihren Details genau mehr erinnere, sich jener Umstand wirklich zutrug. Von Oel-Landschaften findet sich in diesen Zimmern außer einigen eigenen Erfindungen und Copien von August Retzsch, die vorzüglich um deswillen Erwähnung verdienen, weil dieser junge angehende Künstler mit unermüdetem Fleiße seiner Ausbildung nachstrebt, und daher einst sehr brav werden kann, weiter nichts vorzügliches, [213] weil la Rive, der uns im vorigen Jahre mit einigen schönen Schweitzergegenden beschenkte, diesmal nichts von seiner Arbeit geliefert hat. Unter den Retzischen Gemälden wovon die beiden größten, eine Seeaussicht mit Acis und Galathee nach Claude Lorrain, und eine italienische Landschaft in der Abendbeleuchtung darstellen, macht jene wegen des ziemlich matten Tons, und der nicht vorzüglichen Composition, zwei Fehler, die dem Künstler hätten abhalten sollen, das Original zu copiren, nicht den besten Effect: Diese hingegen, wahrscheinlich von Retzschen’s eigener Erfindung, ist ein wenig überladen, sonst aber nicht übel behandelt. Eigentlich hat mir eine kleine Landschaft nach der Natur, von eben diesem Künstler, die gleich neben einem Thierstück desselben hängt, worauf sich einige recht gut dargestellte Hirsche befinden, von seinen diesjährigen Arbeiten am vorzüglichsten gefallen. Sie zeigt eine Waldparthie die durch einen gekrümmten Weg getheilt wird, auf dessen rechter Seite sich das Gebüsch aufwärts zieht, während man links in ein Defilé hinabsieht. Da sie ohne alle Staffage ist, und dennoch eine recht liebliche Wirkung hervorbringt, so bürgt dies sowohl für die gute Auswahl des Gegenstandes, als für die richtige und treue Ausführung desselben. Außer den vorbeschriebenen Landschaften, muß ich noch mit dankbarer Erinnerung wegen des Genusses den sie mir gewährte, einer von Friedrich nach der Natur getuschten Ansicht der Insel Rügen beim Untergange der Sonne, die sich so eben ins Meer taucht, erwähnen. Man sollte kaum glauben, daß es möglich sey, einem bloß einfarbigen Gegenstand einen so hohen Grad von Wahrheit und Leben, als in diesem Prospecte herrscht, mitzutheilen. Etwas mehr über Hrn. Friedrichs Manier behalte ich mir vor, weiter unten bei der Betrachtung der, in der ersten Abtheilung [214] des Saals befindlichen Gemälde, zu sagen, wo wir noch eine ähnliche Landschaft desselben Künstlers antreffen werden.

Ich komme nunmehr zu den historischen Stücken, und muß hier von zwei Oelgemälden des Hrn. Moritz Retzsch, des Ihnen schon bekannten talentvollen Schülers des Professors Graßi, und eines Bruders des vorhergenannten Landschafters, billig zuerst reden. Das erste zeigt uns einen schlafenden Bachus. Am Fuße einer von Weinreben umschlungenen Urne unter herabhängenden Trauben, ruhet in lieblicher Stellung, der junge ganz unbekleidete Gott, auf seinem treuen Begleiter, dem gefleckten Leoparden, der in tiefem Schlafe versunken liegt. Das holde Gesicht des schlummernden Knaben, dessen mit Epheu bekränzte Stirn ein leichter Rausch ein wenig umwölkt, contrastirt trefflich mit den ernsten Zügen des fest schlafende Thieres, und die über das ganze verbreitete Ruhe, wirkt wohlthätig auf Jeden, der das Bild lange betrachtet. Auf dem zweiten Gemälde erblickt man den Erfinder des Saitenspiels, eine schöne, fast nackte männliche Figur, hingestreckt auf einer Felsenbank unter dicht belaubten Ahornbäumen. Nur ein leichtes blaßgelbes Gewand, auf dem er zum Theil ruhet, umschlingt seine Hüften. In der linken Hand hat er das mit Saiten bezogene, so eben erst aus Weidenstäben geschnitzte Instrument. Ein krummes Messer, dessen er sich dazu bediente, und der abgespannte Bogen, dem er die Veranlassung zu seiner Erfindung dankt, liegen vor ihm auf der Erde. Mit der Rechten greift er in die Saiten, und der gespannte Blick zeigt die Aufmerksamkeit, womit sein Ohr die ersten Töne aufnimmt. Die Composition, so wie die Ausführung beider Gemälde, verdient gewiß alles Lob; damit Sie aber nicht [215] glauben, daß ich zu partheyisch für den jungen Künstler eingenommen sey, so will ich Ihnen auch unverholen sagen, was ich diesmal an seinen Bildern auszusetzen finde:

Alle seine zeitherigen Gemälde ließen erwarten, daß er vor den übrigen Schülern seines großen Meisters sich dessen schöne Carnation und lebendiges Colorit zu eigen machen werde. Nur in den beiden Gemälden, wovon hier die Rede ist, hat er angefangen seinem Fleische einen etwas ins Bräuliche spielenden Ton zu geben, wodurch er genöthiget ward, die Schatten hin und wieder zu stark aufzutragen Dies, und der zum Theil davon herrührende scharfe Abschnit der Conturen, läßt besonders in der Figur des Saitenspielers manche Partien ein wenig hölzern und eckig erscheinen. Ich bin aber überzeugt, daß Hr. Retzsch davon selbst zurückkommen, und diesen Fehler künftig gewiß verbessern wird. An der nämlichen Wand hängt noch ein, von einem andern Schüler des Professor’s Graßi, dem jüngern Näcke, einem Sohne des hiesigen Oberamtmannes, erfundenes und in Oel gemaltes Bild, das eine nähere Beschreibung verdient. Es ist Amor, der dem Adler des Jupiters den Dolch zu entreißen strebt. Die Scene trägt sich natürlich in den Wolken zu. Der Götterknabe, der aber hier fast als Jüngling erscheint, sucht in knieender Stellung sich mit der Rechten des Donnerkeils zu bemächtigen, den der erzürnte Adler mit halbgeöffnetem Schnabel und ausgespreizter Kralle zu vertheidigen, sich anschickt. Die linke Hand hält hoch empor gehoben, den goldenen Pfeil, der den Widerstrebenden durchbohren soll; um Hüfte und Schulter des Knaben, schmiegt sich ein Lillagewand, das einen weiten Bogen in den Lüften bildet. Zeichnung und Carnation des jungen Gottes, dessen Haar aber zu flachsartig erscheint, sind recht brav, nur ist das Ganze zu ängstlich [216] und etwas steif gehalten. Besonders hat Hr. Näcke auf die Ausführung des Adlers zu viel Fleiß und zu grelle Farben verwendet. Dadurch tritt dieser Vogel zu sehr hervor, und schadet der Figur seines Amors. Eine von Albert erfundene, und in Oel gemahlte Danae, gleich neben dem Näckschen Gemälde, verdient wegen des wahrhaft schönen Fleisches der ganz nackten Hauptfigur, deren rechter Arm aber etwas verzeichnet ist, allgemeinen Beifall. Dem Anscheine nach, hat Hr. Albert bei dieser Composition die Danae des van Dyck im Gedächtniß gehabt, nur daß statt der dort, wenn ich mich nicht irre, sich dem Ruhebette der Königstochter nähernden Alten, hier ein Liebesgott hervortritt, den man aber seiner feisten Gestalt und Carnation nach, für einen derben Bauerknaben zu halten verleitet wird. Die folgende Abtheilung, wo noch einige Gemälde vom Hrn. Albert ausgehangen sind, wird mir Gelegenheit geben, etwas mehr von diesem Künstler zu sagen. Noch finden sich in dem gegenwärtigen Zimmer drei Pastellgemälde der bekannten Künstlerin Dem. Stock, die nach einer im vorigen Jahre gemachten Pause, uns wieder durch den Anblick ihrer schönen Kunstwerke erfreut. Es sind die Portraits der Fürstin Troubetzkoy, ehemalige Prinzessin Rohan und des Hrn. Capellmeisters Paer, nebst einer Copie der Madonna, mit dem Kinde aus dem Heiligen Sebastian des Correggio. Die letzte ist so schön gerathen, daß man ihr billig vor jenen beiden Portraits, wovon das erste wegen zu jugendlicher Costümirung, und einer eigenen, über das Ganze verbreiteten Kälte, ohnehin nicht genug Anziehendes, das zweite aber nur das Verdienst einer sprechenden Aehnlichkeit hat, den Vorzug einräumen muß.

Dem. Therese Richter, hat nebst einigen Blütenzweigen in Wasserfarben, wovon die Kirsch- und Aepfelblüten [217] sich ungleich besser ausnehmem würden, wenn sie nicht auf weißem, sondern gleich den Birnenblüten, auf blauem Papiere gemahlt wären, einen schön ausgeführten Korb voll Melonen, Gurken, Blumenkohl, Baumfrüchten und Blumen in Oel geliefert. Diesen sämmtlichen Früchten dient eine damastne Serviette zur Unterlage, wovon sich zwei Zipfel aus dem Korbe herausschlagen, die aber, ob sie gleich ziemlich leicht behandelt sind, dem Ganzen doch ein steifes Ansehen geben. Von Carl und August Friedrich, zwei Schülern der bekannten Blumenmalerin gleiches Namens, sind verschiedene Fruchtstücke vorhanden, die eben so gut componirt als ausgeführt sind; auch hat eine Dem. Haßlauer, ein nach de Heem gesticktes Fruchtstück geliefert, welches von vielen bewundert wird, dem ich aber, vielleicht wegen meiner Antipathie gegen diese mühsamen Spielereien, die trotz des Aufwandes von Zeit und Geduld den sie erfordern, nie eine bedeutende Wirkung hervorbringen können, keinen sonderlichen Geschmack abgewinnen kann; ob ich gleich gerne einräumen will, daß einige Beeren von der darauf angebrachten Traube, wirklich so schön sind, als sie nur immer unter der Nadel hervorgehen können. Fast aus gleicher Ursache liebe ich die Miniatur-Gemälde nicht, und dennoch zwingt mich das Talent des Hrn. Schreubels, der unter Anleitung des Professor Graßi von ihm verfertigten, hier rühmlichst zu gedenken. Es sind deren sieben, größtentheils Copieen nach alten Meistern, auch Portraits seines Lehrers und die Ausführung derselben, vorzüglich einer Copie der heiligen Catharine ist bei aller Zartheit, doch so kräftig und lebendig, daß man mit Vergnügen einige Zeit darauf verwendet, diese Gebilde zu studiren. Auch ein Dilettant, Hr. Kammerportier Kühn, der sonst nur immer mit crayonnirten, aber [218] nichts weniger als fehlerlosen Zeichnungen erschien, hat sich zur Miniatur-Malerei bekannt, und wie seine diesjährigen Producte, die in einigen recht hübsch gearbeiteten Portraits und Copieen bestehen, darthun, in dieser Kunst ganz gute Fortschritte gemacht. Möchte er sich nur mehr auf richtige Zeichnung legen, die man besonders an dem Portrait eines Knaben im Soldatenkostüme noch sehr vermißt. Ein Portrait des russischen Kaisers in Oel von Sobolew, welches in dem Fenster linker Hand hängt, hat viel Sensation gemacht, mehr weil dieser Monarch hier allgemein geschätzt, und von dem schönen Geschlechte fast vergöttert wird, als weil es besondern Kunstwerth hätte, obschon der Verfasser durch einige andere Gemälde bewiesen hat, daß es ihm nicht an Talent gebricht. Nächst diesem Portrait zog eine von Dem. Geßler verfertigte Copie des Kaisers Napoleon als Consul, nach einem Gemälde von Jordan im königl. Schlosse zu Potsdam, der ich aber, wenn sie nicht das Verdienst der Aehnlichkeit hat, ebenfalls keinen Kunstwerth beilegen kann, alle Augen auf sich. Jener Vorwurf trift indessen nicht die Verfertigerin, die ihr Talent im Copiren, durch eine gleich daneben hängende Nachbildung der Magdalene nach Battoni bewährt hat. Uebrigens befinden sich in diesem Zimmer noch eine Menge anderer Copieen nach Raphael, Annibal Carraci, Rembrand, Therburg, Mengs und andere, unter denen viele recht gut gerathen sind, vor allen aber eine niederländische Scene nach Metzu, vom Hofmahler Nachtigall in Sepie getuscht, sich auszeichnet.

Ich verlasse nunmehr diese Abtheilung, um Sie von den Gemälden in dem linker Hand daranstoßendem Zimmer, oder der eigentlichen zweiten Abtheilung des Saals, [219] wo zugleich der größte Theil der übrigen Kunstsachen ausgestellt ist, zu unterhalten. Der Ordnung nach, will ich zuerst von den Gemälden, von den übrigen Kunstwerken aber zuletzt reden. Gleich links neben der Thüre, hängt ein großes Blumenstück in Oel von Arnold, der sich durch seine schönen Arbeiten in Wasserfarben schon längst einen berühmten Namen gemacht hat. Allein die gegenwärtige wird schwerlich dazu dienen, seinen erworbenen Ruf zu verherrlichen. Leider geht diesem Künstler, wie auch die Mißverhältnisse in den Umgebungen seiner zeitherigen kleinen Blumenstücke gezeigt haben, die Kenntniß der Perspective, und die dahin gehörige richtige Vertheilung des Lichts und Schattens gänzlich ab. Einzelne Blumen, die er vielleicht mühsam nach der Natur copirt, gerathen ihm vortrefflich, allein bei größern Compositionen, vermißt man sogleich die das Ganze allein belebende Haltung. Daher gewährt sein diesjähriges Stück, eine Menge Blumen in einem antiken Gefäß, die, jede für sich, recht gut ausgearbeitet sind, wegen der auffallenden Flachheit des Ganzen, nichts weniger als einen anziehenden Anblick, vielmehr wendet das, durch eine geschmacklose Zusammenstellung widriger Farben beleidigte Auge, sich fast unwillig von demselben hinweg. Bei fünf von Dem. Freystein erfundenen, und in Oel gemalten Landschaften, wird man sich dagegen schon länger verweilen. Zwar macht man auch dieser Künstlerin den Vorwurf einer nicht ganz richtigen Perspective, und eines zu manierirten Baumschlags. Ich pflichte dem einigermaßen bei, da mir ihr Baumschlag zu krauß, und nicht andeutend genug vorkommt, auch finde ich, daß alle ihre Graspartieen viel zu mosartig erscheinen; dennoch gefallen mir zwei ihrer Landschaften, wovon die eine das jenseitige Ufer eines breiten Flusses mit einer Anfuhr, nach der ein [220] Fährmann in einem großen Kahne hinüber steuert, darstellt, die andere aber einen reißenden Strom neben einem Waldwege, auf dem ein Jäger mit seinem Hunde wandelt, zum Gegenstande hat, vorzüglich ihrer Composition wegen recht sehr gut. Andere ziehen dagegen eine dritte, auf welcher ein breiter Steg von einer Seite eines Dorfes zur andern, über einen durch dasselbe fließenden Bach führt, den übrigen vor; mir aber scheint gerade diese am steifsten behandelt zu seyn. – Herr Oldendorp hat diesmal nur ein einiges, aber ein wirklich anziehendes Gemälde geliefert. Es ist eine Feuersbrunst, die im Hintergrunde eines Städtchens ausgebrochen ist, das sich von der linken Hand her nach dem Vordergrunde hervorzieht. Die im Dunkel stehenden vordern Häuser desselben, lehnen sich an einen hohen Felsen an, auf dessen oberer Fläche man eine, zum Theil vom Feuer beleuchtete Burg erblickt. Die Idee hat der Maler wahrscheinlich von der Lage des Städchens Königstein gegen die Festung gleiches Namens hergenommen; doch würde der Effect ungleich besser seyn, wenn die Felsenburg dem Feuer nicht zu nahe stünde. Durch diese Nähe imponirt sie zu sehr, und tritt als Nebenpartie zu mächtig hervor. Hr. Oldendorp, der ein eben so humaner als gefälliger Künstler ist, und sich beiläufig gesagt, durch die Verlegung des neulich von den Pintherschen Erben übernommenen Musäums nach hiesiger Neustadt, auf den Dank der dortigen Einwohner den größten Anspruch erworben hat, soll, als sein Gemälde bereits vollendet gewesen, auf den Rath einiger Kunstfreunde, durch Wiederwegschaffung des größten Theils der Felsenburg, jenen Fehler schon zu verbessern gesucht haben. Wer das Mühsame einer solchen Vertilgung kennt, wird die Gefälligkeit des Künstlers, und dessen Bestreben, seinen Arbeiten den möglichsten Grad von Vollkommenheit [221] zu geben, mit mir bewundern. Doch wünschte ich, er hätte die ganze Veste weggelassen, um sie uns einst in einer besseren Zusammenstellung mit dem Feuer, auf einem andern Gemälde wieder zu geben. Gleich unter dem Bilde des Hrn. Oldendorp hat wieder, wie im vorigen Jahre, Hr. Hammer, ein ehemaliger Schüler Veits, eine in Sepia getuschte Zeichnung ausgehangen. Sie zeigt uns das Schloß Kriebenstein, nebst dem Dorfe Ehrenberg, ohnweit Waldheim in der schönsten Ansicht, und ist mit eben so viel Fleiß als Sorgfalt ausgearbeitet.

Von den übrigen Gemälden und Kunstsachen dieses Zimmers, in meinem nächsten Briefe ein Mehreres, bis dahin bin ich u. s. w.

– t –      

[335]

Zweiter Brief.
Dresden am 1. April 1806.     

Mein erster Brief über die diesjährige Ausstellung[2] schloß sich mit der Schilderung einer Sepia-Zeichnung von [336] Hammer in der ersten Abtheilung des Saals. Dieser soll mit Beschreibung der an der nämlichen Wand hängenden drei Oelgemälde des Portraitmalers Albert beginnen. Zwei davon sind die sehr ähnlichen Brustbilder des Kupferstechers Rasp und des Malers Sobolew. Wegen ihres schönen lebendigen Colorits sowohl, als wegen des Fleißes, den der Künstler auf die Ausarbeitung der Bekleidung verwendet hat, betrachtet man sie gewiß nicht ohne Vergnügen. Das dritte etwas über eine Elle ins Gevierte, gehört zu den historischen und gefällt wegen des Gegenstandes und der guten Ausführung desselben fast allgemein. Die Zeit beschneidet dem Amor die Flügel: so giebt das gedruckte Verzeichniß den Inhalt dieses Bildes an. Unter einem Felsenbogen, durch den man ins Freie hinaus sieht, sitzt Saturn, den seine mächtigen Schwingen, und die mit Amors Köcher und Bogen zu seinen Füßen liegende Sense als Zeit charakterisiren. Das Stundenglas, welches der Künstler vergessen zu haben scheint, würde diese Bezeichnung vollendet haben. Auf seinem Schoose hält der alte Gott den sich sträubenden Knaben, dessen Blick ihn flehentlich um Schonung bittet. Doch umsonst streckt er das zarte Händchen aus, den Bart des Alten zu streicheln. Die grausame Scheere verrichtet ihr Amt, und umher flattern die Federspitzen der gestutzten Flügel. Was nützt dein vergebliches Bemühen, ehrlicher Alter? Nur zu schnell wachsen dem kleinen Bösewicht neue Federn, und auf und davon flattert dann lachend der unstäte Bube! so dachte mancher und manche, die dies Gemälde mit einem leisen Seufzer betrachteten, während andre mit mir nur den trockenen Wunsch äußerten: Herr Albert möchte die Carnation seiner Figuren besser unterschieden, und dem Saturn kräftigere Muskeln, auch der Scheere desselben eine antike Form gegeben haben. [337]

Ueber der Thüre dieses Zimmers hängt die zweite Landschaft von Friedrich, deren ich schon in meinem ersten Briefe gedachte. Dieser Künstler weiß seinen Zeichnungen einen gewissen, fast möchte ich sagen, melancholischen Ton mitzutheilen, der seine Wirkung auf den Beschauer niemals verfehlen wird. Ueberhaupt hält er sich in seinen Compositionen mehr an das Ungewöhnliche, wovon er uns auch in dieser Landschaft einen Beweis gegeben hat. Neben einer hoch emporsteigenden Ruine, deren Trümmer den größten Theil des Vordergrundes einnehmen, streift der Blick hinaus in die offene See, auf der man ein einzelnes Schiff wahrnimmt. Verschiedene Seevögel erheben sich durcheinander geworfen in die Lüfte, und verkünden einen herannahenden Sturm. Der ganze Horizont ist rund umher von einem dunkeln eintönigen Gewölk umzogen, das einer Wand gleich aufgestiegen ist, und sich von dem darüber befindlichen hellen Himmel, der im höchsten Tone des Lichts stehet, scharf abschneidet. Dieser grelle Contrast bringt einen Effect hervor, der in der Wirklichkeit das Gemüth sonderbar erschüttern muß.

Unter den architektonischen Zeichnungen, zu deren Ausstellung diese Abtheilung mit bestimmt ist, habe ich nichts ganz Vorzügliches gefunden, doch verdient ein Grabmal vom Conducteur Heine, und ein Badehaus im italienischen Geschmack, am Ufer eines großen Flusses, von einem gewissen Thieme, jenes, wegen seiner saubern Zeichnung, und dieses, wegen seiner guten Erfindung, rühmlichst erwähnt zu werden. Auch das Portrait einer Demoiselle Herzog in schwarzer Kreide, von Gläser, einem Schüler des Professor Tischbein, blickt uns von seiner Staffelei so freundlich an, daß man gern [338] ein Weilchen stehen bleibt, um ihm in die gutmüthigen Augen zu schauen.

Von den plastischen Kunstwerken, zu deren Beschreibung ich mich nunmehr wende, zeichnen sich drei Büsten unsers berühmten Bildhauers Ulrich, Kaiser Napoleon, Bergrath Werner und Professor Grassi, erste beide in weißem, die letzte in bronzirtem Gips, vor allen anderen aus. Die Büste Napoleons ist nach Canova gearbeitet, Werners Nachbildung hat besonders im Profil viel ähnliches mit dem Originale, und Grassi’s Kopf ist in jeder Rücksicht sprechend; das einzige was mir an der Büste des letzteren mißfällt, ist der, mit großen griechischen Lettern darunter gesetzte Vor- und Zunahme des Urbildes. Auch dieser sonderbare Fehlgriff scheint eine Folge der Gräcomanie zu seyn, deren man uns Teutsche jetzt, nicht ohne Grund beschuldigt. Wer übrigens die so eben beschriebenen drei Kunstwerke mit Aufmerksamkeit betrachtet, oder überhaupt etwas von Hrn. Ulrichs vorzüglichen Arbeiten, wozu unter andern auch eine Büste des russischen Kaisers Alexander, die aber nicht ausgestellt ist, gehört, zu sehen Gelegenheit gehabt hat, der kann sich unmöglich des Wunsches enthalten, daß dieser brave Künstler Unterstützung und Gelegenheit finden möchte, etwas Großes auszuführen. Gewiß würde sein Name dadurch so allgemein bekannt werden, als er es schon längst zu seyn verdient hätte.

Nicht weit von den eben erwähnten Arbeiten, lehnen zwei ziemlich große ovale und stark vergoldete Bilderrahmen mit convexen Gläsern, unter welchen sich auf einem Spiegelgrunde halb erhobene Körbchen mit künstlichen Blumen von S. E. Müller befinden, die aber sowohl in [339] Rücksicht der dazu gewählten Stoffe, als der Ausführung und Anordnung etwas steif ausgefallen sind; auch will mir diese Art, nachgemachte Blumen unter Glas und Rahmen, gleich Gemälden oder Kupferstichen, zu Zimmerverzierungen zu benutzen, nicht ganz gefallen. Immer wird ein schön gearbeitetes Bouquet oder Blumenkörbchen unter einer gläsernen Glocke, wo man es von allen Seiten betrachten kann, diesen Zweck weit besser erfüllen. Noch hat Hr. C. W. Kummer, wie im vorigen Jahre, einen ganzen Strauß trockner, mit dem von ihm erfundenen Lack überzogener Feldblumen, geliefert, die aber eben keine Fortschritte seiner Erfindung bemerken lassen. Ganz artig ist dagegen in einem Kelchglase eine neue Art Potpourri von Blumenblättern, die durch jenen Lack ihre eigenthümliche Farbe, und dabei zugleich ihren natürlichen Geruch erhalten haben. Es scheint mir aber noch zweifelhaft, ob der letzte nicht ebenfalls ein Werk der Kunst seyn möchte. Von der Meißner Porcellainfabrik, welche in dieser Abtheilung des Saals ihre Kunstwerke ebenfalls aufzustellen pflegt, ist leider diesmal gar nichts geliefert worden. Im vorigen Jahre hatte man noch ein an dieser Abtheilung befindliches hinteres Zimmer zur Ausstellung benutzt; allein schon damals enthielt es nur einige wenige Gemälde, und gegenwärtig war die Thüre desselben ganz verhangen. Auch an die mittlere Abtheilung des Saals stößt ein dergleichen Hinterzimmer, in dem sich aber gewöhnlich nur Schülerarbeiten befinden. Ich würde dessen weiter nicht erwähnen, wenn nicht zwei von Hrn. Friedrich ganz spät nachgebrachte Landschaften, die nicht übersehen werden dürfen, aus Mangel des Raums hier auf Staffeleien aufgestellt worden wären. Beide stellen Ansichten, der durch ihre Kreidegebirge bekannten, dänischen Insel Möna vor. Auf der ersten erblicken wir einen natürlichen Haven, der rechter [340] Hand von einer fortsetzenden Kette hoher Kreidefelsen gebildet wird. Am Fuße derselben läuft ein Weg hinab, den das, den übrigen Theil der Landschaft einnehmende Meer bespühlt. Im Vordergrunde sitzt auf einer einzeln stehenden Bank ein Reisender, der mit dem Fernrohre in die weite See hinausschaut. Auf der zweiten ziehen sich andere, etwas niedrigere Kreideufer der Insel, weit in das ebenfalls linker Hand befindliche Meer hinaus. Ein auf seinem Stabe sich stützender Hirt, nebst einigen zerstreuten Schafen in der Mitte des Vordergrundes, so wie ein schön beleuchtetes Gebüsch rechter Hand, gewähren dieser an sich todten Gegend ein erfreuliches Leben. Beide Landschaften beweisen aufs neue, wie trefflich sich Hr. Friedrich auf den Effect versteht, und ich bin überzeugt, Sie werden mir beipflichten, wenn ich nach allem, was ich Ihnen von den Werken dieses braven Künstlers, der die Perspective so ganz in seiner Gewalt hat, schon erzählt habe, noch den Wunsch hinzufüge, daß Hr. Friedrich sich der Theater-Malerei gewidmet haben, oder wenigstens Skitzen zur Ausführung für andere, dazu entwerfen möchte. Ein von ihm gezeichnetes Fenster, aus dessen unteren geöffnetem Flügel man in eine weite, von der Sonne beleuchtete Gegend hinaussieht, während die oberen verschlossenen, den heiteren Himmel, in dem richtigen, nur um ein weniges dunkler gehaltenen Ton durchscheinen lassen, berechtiget mich noch mehr zu jenem Wunsche. Diese schöne Zeichnung hängt in einem Fenster der mittelsten Abtheilung, und man kann sich durch einen Blick aus diesem in die Natur, sogleich von der Wahrheit überzeugen, womit Hr. Friedrich den gewählten Gegenstand behandelt hat.

Ich betrete nunmehr das letzte, oder sogenannte Professorzimmer, in welchem aber eigentlich alle Arbeiten der [341] Mitglieder der Academie ausgehangen werden. Lassen Sie mich hier zuerst von zwei italienischen Landschaften in Oel, einem Morgen und einem Abend reden, womit unser braver Klengel die gegenwärtige Ausstellung geschmückt und unser Auge ergötzt hat. Nur in dem Lande

„wo die Citronen blühen“

kann der junge Morgen so reizend erwachen, und der stille Abend so ruhig einherschreiten, als sie uns auf diesen schönen Gemälden erscheinen. Der klare Himmel, der bis in seiner weitesten Ferne, wo ungeheure Massen von Gebirgen, die ihre grauen Häupter stolz emporheben, ihn zu unterstützen scheinen, von keinem Wölkchen getrübt wird, verbreitet eine unaussprechliche Heiterkeit über die erste der gedachten Landschaften; zwischen jenen, linker Hand des Gemäldes aufsteigenden Gebirgen, zieht unter den Bögen eines Aqueducts sich ein breiter Fluß nach dem Vordergrunde hervor, der diesen von einer sich rechts erhebenden Anhöhe, die mit dem schönsten Gebüsche besetzt ist, und die Ruinen eines halb eingestürzten Tempels trägt, abschneidet. Im Vordergrunde selbst sehen wir unter vortrefflich gruppirten Bäumen eine Heerde Vieh mit ihrem Hirten. Eine von Rindern und Ziegen umgebene Bäuerin, den Milcheimer in der Rechten, die Linke über die Augen haltend, scheint der schon aufgegangenen, dem Beschauer aber unsichtbaren Sonne entgegen zu blicken. Nicht weit davon führt ein anderer Hirt einen Theil der Heerde zur Tränke. Hat das rege Leben, welches dieses schöne Gemälde beseelt, dem Gefühle des Anschauers eine höhere Spannung gegeben, so trete er mit mir hin vor den schönen Abend, und die himmlische Ruhe, welche über dieses Gemälde verbreitet ist, wird seine aufgeregten Empfindungen wieder in ihre vorigen Gränzen zurückführen. Die Landschaft, welche der Künstler uns hier vor Augen stellt, [342] hat etwas ähnliches von der ersten, nur daß linker Hand die hohen Berge fehlen, und die Ferne sich in eine flache Gegend verliert, die aber ebenfalls von einem sich nach dem Vordergrunde hervorziehenden Fluß, über den in ziemlicher Entfernung eine Brücke führt, durchschnitten wird. Am Fuße der gebüschreichen Anhöhe rechter Hand, erblickt man ein unterirdisches Gewölbe von antiken Pfeilern und Gemäuer unterstützt, aus dem vielleicht einst Orakelsprüche ertönten, das aber jetzt nur von dem Gebrüll des Viehes wiederhallt, zu dessen Aufenthalt die Nachwelt es bestimmt zu haben scheint. Diese Vermuthung bestätiget sich durch den Anblick eines aus den Ruinen hervorschreitenden Esels und verschiedener Rinder und Ziegen, die theils über der Höhle, theils neben einem nicht weit von ihrem Eingange ruhenden Hirten zerstreut weiden. Der eigentliche Vordergrund ist ohne alle Staffage. Nur zwei einzelne hohe Bäume strecken hier ihre Zweige in die schönen Lüfte hinaus, gleichsam als wären sie die mächtigen Gebieter der Ruhe, die sich so eben auf alle Gegenstände dieser schönen Landschaft niedergelassen hat.

Ich muß, ehe ich von den Landschaften zu den andern Gemälden übergehe, noch zwei sehr schöner Zeichnungen in Sepie von Zingg gedenken, welche die Gegenden von Mariaschein und Millischau in Böhmen darstellen, und ihren Platz in dem Professorzimmer mit Recht behaupten.

Von Grafs Meisterhand ist dies Zimmer mit mehreren Portraits in Oel geschmückt worden, von welchen man sein eignes Bildniß für das gelungenste hält. Die aufgehobene Reißfeder in der Rechten, mit der Linken das vor ihm liegende Papier haltend, schaut uns der Künstler durch [343] die Brille, deren er sich seiner Augenschwäche halber zu bedienen genöthiget ist, mit so sprechender Wahrheit an, daß jeder, der das Bild betrachtet, sich für den Gegenstand halten muß, dessen Züge der lauschende Maler aufzufassen im Begriff steht. Gleich daneben hängt das wohlgetroffene und äußerst fleißig behandelte Portrait des Rittmeisters von Carlowitz, in Lebensgröße und in Uniform. Zwar rügt man an diesem Gemälde den grellen Lichtstrahl, den der Künstler auf die rechte Seite der Figur fallen läßt, und der die linke Seite derselben zu sehr in Schatten stellt. Allein man thut dem geübten Meister Unrecht, denn gerade dadurch hat er das schöne Hervortreten des Körpers aus dem dunkeln Gewölke, das ihn umgiebt, am besten zu bewirken vermocht. Noch verdient ein Kniestück von ihm, welches einen auswärtigen Kaufmann, der sitzend seinem vor ihm stehenden Knaben, den er bei der Hand hält, etwas zu sagen scheint, besonders erwähnt zu werden. Die aus allen Zügen des Mannes unverkennbar hervorblickende Vaterliebe, und die kindliche Aufmerksamkeit des Kleinen auf die Worte des Vaters sind mit hinreisender Wahrheit der Leinwand mitgetheilt. Herr Professor Grassi hat diesmal überhaupt vier Portraits in Oel, wobei sich Dr. Gall in halber Figur befindet, ausgestellt. Die übrigen, zwei männliche und ein weibliches Portrait, sind Brustbilder zum Theil unbekannter Personen, die man aber dennoch wegen des schönen Lebens, das den Pinsel des Verfertigers beseelt, mit inniger Theilnahme und Vergnügen betrachtet. Vorzüglich wird der weibliche Kopf, wegen seines reitzenden Gesichts und des Geistes, der aus den schönen Augen und der schalkhaften Miene hervorleuchtet, den Blick gewiß am längsten auf sich ziehn. Bei dem Portrait des Dr. Gall scheint dem Künstler ein gewisser, das Original charakterisirender Hauptzug entgangen zu seyn, [344] doch wird das Bild durch die schöne Haltung der Figur, und die gedachte Anordnung ihrer Umgebungen gefallen. Mit übereinandergeschlagenen Armen und dem Blick des ernsten Nachdenkens hat Hr. Grassi den in die Geheimnisse der Natur so tief eingedrungenen Forscher, vor ein Tischgen hingestellt, auf dem wir rechts Haydn’s Büste, links die skeletirten Köpfe einiger Singvögel, in der Mitte aber den Abriß eines menschlichen Schädels erblicken, der von einem darüber liegenden Buche bis zu der Stelle am Auge, wo Gall dem Organe des Tonsinns seinen Platz giebt, bedeckt ist. Vielleicht hat die Verwandschaft der Musik mit der Malerei dem Künstler diese schöne Idee eingeflößt. Gerade unter diesem Gemälde hängt eins der zuerst erwähnten männlichen Brustbilder, welches wegen des ganz vorzüglich schön behandelten Gesichts, das ohne allen Farbenprunk mit täuschendem Leben aus der Leinewand hervorzugehen scheint, den Kenner vielleicht am meisten befriedigen wird. Vom Herrn Professor Tischbein aus Leipzig sind drei Portraits, die Brustbilder der edlen Erbprinzessin von Weimar, Maria Paulowna, und des unsterblichen Schillers nebst einem Familienstück eingesandt worden, wovon das erste nach dem Urtheile mehrerer, die die vortreffliche Fürstin kennen, ausnehmend gut gelungen ist.

Vom Herrn Vogel sind zwei kleine Mädchen ausgestellt, wovon das eine auf einem umgekehrt stehenden Stuhle kniet, und über dessen Lehne mit dem auf beiden unterlegten Aermchen ruhenden Köpfchen zu dem Beschauer aufblickt, das andere aber ebenfalls mit unterliegenden Armen, jedoch in mehr aufgerichteter Stellung über einen Tisch hinwegsieht. Beide Kinder sind in des Künstlers gewöhnlicher Manier ausgeführt, nur ist die Lage des [345] ersten nichts weniger, als malerisch schön, und daher macht das zweite Bild auch einen weit gefälligern Eindruck als jenes. Derselbe Künstler hat auch ein biblisches Stück: Jesus, der die Kindlein zu ihm zu bringen befiehlt, geliefert. Wenn ich mich aber nicht irre, so ist es bloß eine Copie des von ihm selbst verfertigten, und schon vor mehreren Jahren ausgestellten Originals. Zwei Miniaturgemälde von Madame Seidelmann, Copieen der heiligen Cäcilie nach Dominichino, und des keuschen Josephs, nach Cignani, wird man wegen ihrer Zartheit mit Vergnügen betrachten. Auch fand eine junge Katze, welche Demoiselle Friedrich, als Studium in Pastell, statt der schönen Blumen, womit sie sonst dies Zimmer zierte, ausgestellt hat, viel Beifall. Das kleine graue Thier sitzt in einem Körbchen und scheint mit gespanntem Blick und aufgehobener Pfote den Augenblick zu erwarten, wo sich Jemand nähern wird, um mit ihm zu spielen. Nur schade, daß die Veilchenfarbene Unterlage, worauf es ruht, so steif behandelt ist, daß es schwer fällt, zu bestimmen, aus welchem Stoff sie bestehe. Ungleich besser hat die Künstlerin, das aus Weidenruthen geflochtene Körbchen ausgeführt.

Von historischen Stücken sind außer zwei vom Rath Guttenbrunn nach einem verjüngten Maaßstabe gefertigten, und recht gut gerathenen Copieen der Nacht und des heiligen Georgs von Correggio, überhaupt vier Stücke vorhanden, mit deren nähern Beschreibung ich diesen Aufsatz beschließen will. Die erste, Diana, welche den schlafenden Endymion aufweckt, ist von Pochmann, der außer diesem großen Oelgemälde, auch noch ein weibliches Portrait geliefert hat, das aber nach dem allgemeinen Urtheile wegen seiner flachen Behandlung weit hinter den ehemaligen Arbeiten [346] dieses Künstlers zurücksteht. Auch das zuerst erwähnte Gemälde ist bei weitem nicht mit dem Fleiße ausgeführt, den wir sonst von ihm gewohnt sind. Unter dem Schatten eines Baumes, an den sich ein dichtes Gebüsch anschließt, schlummert halb sitzend, halb sich an den Stamm lehnend, der junge Hirt. Mit dem linken Arme, der aber keinen bestimmten Ruhepunkt hat, unterstützt er sein Haupt, in dem rechten ruht der Hirtenstab, und zu seinen Füßen der Hüter seiner Heerde. Von der linken Seite her, hat sich ihm die aus einer Wolke hervortretende Göttin genahet, um küssend den geliebten Schläfer aus einem schönen Traume zu einer noch schönern Wirklichkeit zu wecken. Ihre Rechte umfaßt des Jünglings Nacken, während die Linke sich seinem Kinn zu nähern scheint. Ein Faun, der aus dem Gebüsch verstohlen hervorblickt, belauscht die sich mit ihrem Liebling allein wähnende Göttin. Das Fehlerhafte dieser Composition springt in die Augen. Die beschriebenen Stellungen geben der Gruppe etwas steifes, und die Gegenwart des Fauns wird dem Beschauer lästig. Warum gab uns der Künstler die Scene nicht ohne Zeugen, oder wählte nicht wenigstens statt des grinsenden Satyrs, einen schalkhaft lächelnden Amor? Warum ließ er uns die Göttin nicht über den Jüngling hinweggebeugt erscheinen, und diesen auf einer Rasen- oder Felsenbank hingestreckt schlummern. Diese Gruppirung würde ungleich mehr Wahrheit gehabt haben. Was die Carnation betrifft, so ist das Fleisch des nackten Hirten kräftig und warm, das der Göttin hingegen hat eine gypsartige Weiße und Kälte. Ihr Gesicht ist schön, aber ohne Ausdruck. Das Auge belebt nicht Liebe, der Blick desselben ist zu buhlerisch, und erniedrigt das göttliche Wesen zu einer gemeinen Sterblichen. Auch sind die Gewänder und sonstigen Umgebungen nicht sorgfältig [347] genug behandelt. So hätte der Künstler z. B. den schlafenden Hund, da dieser die erste Figur des Vordergrundes ist, durchaus fleißiger ausmalen, oder ihn ganz weglassen müssen.

Das zweite historische Oelgemälde hat Baptiste Rivière, ein auswärtiges Mitglied der Akademie eingesandt. Es zeigt uns die Erscheinung des Geistes Samuelis, den Saul durch die Wahrsagerin zu Enoor hervorrufen ließ. Die Zauberin hat ihre Beschwörung vollendet. Ihre Linke hält den Zauberstab, und mit der Rechten schüttet sie aus einer Schaale Rauchwerk in die Flamme eines, auf einem Dreifuße angezündeten magischen Feuers. Der Dampf desselben vereinigt sich mit einer Wolke, aus welcher der, durch einen von oben herab schräg auf ihn fallenden Lichtstrahl beleuchtete Geist hervortritt. Der Anblick dieser Erscheinung scheint den König zu Boden geworfen zu haben: Wenigstens sehen wir ihn im Vordergrunde von einem Zauberkreise, neben welchem ein mit Blut angefülltes ehernes Gefäß steht, umgeben, mit dem Angesichte auf der Erde liegen. Die Composition des Bildes ist gedacht und schön, die Zeichnung vortrefflich: Nur an der Ausführung findet sich manches zu erinnern. In den Figuren herrscht durchaus etwas steifes, und im Ganzen eine Kälte, wodurch die Wirkung, welche diese Scene hervorbringen sollte, offenbar vermindert wird. Die Wahrsagerin hat uns der Künstler nicht unter der gewöhnlichen Gestalt eines alten Weibes, sondern als eine Frau von mittlern Jahren dargestellt. Ihr Gesicht, dem wenigstens die Spuren der innern Anstrengung und Exaltation aufgeprägt seyn sollten, ist viel zu ruhig. Der Geist des grauen Alten, der die Hauptfigur ausmacht, hat zu viel körperliches. Er erscheint dem Auge des Beschauers mehr [348] als eine steinerne Statue. Saul als bloße Nebenfigur, interessiert nicht genug. Man sieht von den nach vorne zu liegenden Kopfe desselben zu wenig, und begreift nicht, wie er in dieser, von dem Geiste ganz abgewandten Stellung niedersinken konnte. Die Ruhe und Kälte in dem Gesichte der Zauberin, wollten einige für einen Wink des Künstlers halten, wodurch er die Scene, als einen dem Saul gespielten Betrug angedeutet habe. In diesem Falle wäre freilich das Körperliche des Geistes zu erklären, aber daß er auf einer Wolke einherschreitet, würde immer noch jener Voraussetzung entgegen stehen.

Das dritte historische Stück ist eine Scene aus Geßner’s Tod Abels, in Oel gemalt vom Professor Schubert. Es stellt den von seiner Familie umgebenen kranken Adam vor, dem sein Sohn Abel den, von einem Engel aus Kräutern bereiteten Trank, überbringt. Ich habe das Gedicht nicht bei der Hand, um die Gruppirung richtig beurtheilen zu können. Am Fuße eines Hügels, unter einer auf Bäumen ruhenden Verdachung, liegt der kranke Adam auf einem Lager von Fellen hingestreckt. Neben ihm sitzt Eva, und rund herum erblicken wir, theils in liegender, theils in sitzender Stellung Mehala und Thirza nebst ihren Kindern. Im Vordergrunde sieht man den Abel, der den empfangenen Trank in einer Muschelschaale trägt. Die Zusammenstellung ist nicht übel geordnet, nur wider Zeichnung und Colorit dürfte verschiedenes einzuwenden seyn. Die beiden männlichen Figuren sind zu colossalisch gehalten, die Breite ihrer Brust, besonders beim Adam ist auffallend. Eins von den Kindern der Mehala scheint sich so eben erst dem Schoose der Mutter entwunden zu haben, das andere neben ihr stehende aber, ist ein Knabe von lieblicher Gesichtsbildung. Der herbeikommende [349] Abel, hat nicht die ganz richtige Stellung eines schnell gehenden Menschen: es liegt etwas zu sehr vorschießendes in dem Moment der Bewegung. Die Carnation der nur mit Fellen bekleideten Figuren, ist zwar nicht ohne Bezeichnung des Alters, aber in der Schattirung durchaus verunglückt. Die Schatten sind nicht verwaschen genug, sie scheinen ganz besonders aufgetragen zu seyn, und geben dem Fleische ein schmutziges Ansehen. Das Colorit der Thirza ist zu kreidenartig, und eine sonderbare Erhöhung des Fleisches über Abels rechter Hüfte, läßt sich auf keine Weise erklären.

Das vierte historische Oelgemälde, ist wohl ohnstreitig das vorzüglichste der diesjährigen Ausstellung. Der berühmte Herr v. Kügelchen hat es während seines jetzigen Aufenthalts in Dresden verfertigt, und frei von falschem Künstlerstolz, durch dessen öffentliche Ausstellung dem Publicum einen höchst angenehmen Genuß gewährt, wofür ihm der herzlichste Dank gebührt. Der Gegenstand des Gemäldes ist Apoll, der seinen durch den unglücklichen Wurf des Diskus getödteten Liebling, Hyacinth, so eben von der Erde aufhebt. Sitzend auf einem Felsenstücke, hat der nackte, nur mit dem goldenen Köcher, und einem von seinen Schultern herabfließenden brennenden Purpurgewande bekleidete Gott, den Leichnam seines Freundes zwischen seinen Knieen aufgerichtet. Der rechte Arm umfaßt die Hüfte des Entseelten, während der linke sich um dessen Nacken schlingt, und das zurückfallende blutige Haupt des Jünglings emporzuheben strebt. Die Rechte des Todten ragt starr über der Schulter des Gottes hinweg, die Linke hängt an dem, auf Apollo’s Schenkel ruhenden Körper, der in knieender Stellung noch die Erde berührt, herab. Im Vordergrunde zu den Füßen der Gruppe, liegt die mit [350] Blut gefärbte Wurfscheibe, und schon ist aus dem, was aus Hyacinth’s Wunde zur Erde floß, die Blume entsprossen, die noch bis zum jetzigen Augenblicke seinen Namen führt. Ich will versuchen, Ihnen nach meiner Ansicht der Dinge, die Schönheiten des Bildes auseinander zu setzen, ohne dabei zu verschweigen, was mir hin und wieder an demselben aufgefallen ist. Das schön Gedachte der Composition geht schon aus meiner Beschreibung hervor. Die Zeichnung ist durchaus richtig, und die Anatomie, die vorzüglich an dem Leichname des Jünglings sichtbar wird, zeigt, daß Hr. v. Kügelchen alles was zu seiner Kunst gehört, studiert hat. Welche Schönheit spricht nicht trotz der Todtenblässe, und der bluttriefenden Stirnwunde, aus dem Gesichte des Erschlagenen. Wie edel ist nicht der Bau seines Körpers, aus dem das junge Leben, wovon sich in den unteren Theilen noch Spuren zeigen, zu entweichen gezwungen ward. Mit welcher Zartheit hat nicht der Künstler das jugendliche Fleisch behandelt. Und der kräftige Körper Apollo’s, an dem durch die Anstrengung das Spiel jeder einzelnen Muskel bemerkbar wird, wie trefflich ist er nicht dargestellt! Wahr ist es dagegen, daß die gekrümmte Stellung des Gottes, nicht ganz angenehm ins Auge fällt, und daß das Colorit seines Fleisches zu hoch, die Wange mit einer zu glühenden Röthe übergossen zu seyn scheint. Allein diese kleinen Unebenheiten verschwinden bei der längeren Betrachtung des schönen Ganzen, und ich erwähne sie bloß, weil ich Ihnen versprach, auch das zu bemerken, was ich an dem Bilde auszusetzen finde. Hierher gehört noch ein übrigens unbedeutender Umstand, der mir aber dennoch bei einem so denkenden Künstler, als Hr. von Kügelchen ist, nicht wenig aufgefallen ist. Er hat nämlich der Blume, die er auf dem Gemälde hervorwachsen ließ, eine weiße Farbe gegeben. Schon der [351] Ursprung derselben, aus dem Blute des Hyacinth’s. müßte den Künstler, meinem Bedünken nach, auf die rothe Farbe geleitet, und ein ferneres Nachdenken ihn überzeugt haben, daß eine rothe Blume wohl in weiß, gelb und blau ausarten, niemals aber eine ursprünglich weiße, Abarten von jenen Farben erzeugen kann. Ueberdies spricht Ovid, der uns die Geschichte in der VI. Fabel des 10. Buchs seiner Methamorphosen erzählt, ausdrücklich:

Ecce cruor, qui fusus humi signaverat herbas,
Desinit esse cruor, Tyrioque nitentior ostro
Flos oritur, fomamque capit quam lilia:
 Si non
Purpureus color his, argenteus esset in illis.

Doch soll auch diese letzte Bemerkung weniger Tadel, als ein Beweis seyn, wie aufmerksam man auf jede Kleinigkeit dieses ausgezeichneten Bildes gewesen ist.

Gleich unter demselben hängen noch drei – Carricaturgemälde möchte ich fast sagen, wovon das größere den Heiland, der seinen Jüngern bei verschlossenen Thüren erscheint, eins der kleinen Geßner’s ersten Schiffer, und das andere dessen Semin und Semina darstellen soll. Ueber der von einem Regenbogen und Wolken umgebenen Figur Christi, schweben eine Menge himmlischer Heerscharen, die sich aber auf eine sehr irdische Weise herzen und küssen. Um den Erlöser her stehen und knieen überhaupt 13 Personen, wovon die eine ihre Hand so sonderbar zwischen dessen Füße durchsteckt, daß man in einiger Entfernung deren drei zu sehen glaubt. Wegen der Höhe und Ausdehnung dieser Gruppe, müßte jedermann die Möglichkeit der Erscheinung in einem Zimmer bezweifeln, aber die linker Hand sichtbare, mit starken Angeln versehene [352] Thüre, und das gedruckte Verzeichniß, weisen den Zweifler sogleich zurechte. In gleichem Geschmacke sind die beiden anderen Bilder behandelt. Der erste Schiffer, wird den Stumpf, der die Stelle seines rechten Fußes vertritt, wohl schwerlich aus dem unproportionirten Kahne, worin er eingeklemmt ist, ans Land bringen, und Semina, die sich über ihr Unglück die Augen rein ausgeweint hat, flößt weniger Theilnahme, als Mitleid ein. Mit ihr weint die Kunst darüber, daß man in diesem Zimmer, noch dergleichen Ausgeburten der Phantasie und des Pinsels erblicken muß, die leider einem Heere eben so kunstloser Schülerarbeiten, die in den übrigen Zimmern vertheilt sind, Autorität geben.

Als etwas ungewöhnliches, muß ich zum Schlusse noch bemerken, daß die Ausstellung, welche sonst immer mit der Woche vor den Osterfeiertagen geschlossen wird, diesmal, aus mir unbekannten Ursachen, 14 Tage länger dauern, und erst künftigen 19. d. Mt. aufhören wird. Es läßt sich erwarten, daß die Einnahme, welche aus der gewöhnlichen Bezahlung von 4 gr. für den Catalog, und 2 gr. für jeden Besuch entstehet, dadurch bedeutend erhöht werden wird. Wie man hört, so sollen die eingehenden Gelder für die hiesigen Armen bestimmt seyn, und zur städtischen Armencasse fließen. So edel diese Bestimmung auch ist, so scheint sie mir doch der Sache nicht ganz angemessen zu seyn. Warum verwendet man diese Gelder nicht lieber dazu, um den Quell, aus dem sie fließen, zu verschönern und zu verstärken? Warum stiftet man davon nicht jährliche Prämien zur Aufmunterung des Kunstfleißes, Pensionen zu Unterstützung aufkeimender Talente, die aus Armuth vielleicht im Werden ersticken, durch Erhaltung des physischen Daseyns aber zu fruchttragenden Bäumen [353] heranwachsen können? Ein Plan, wie diese Gelder mit zweckmäßiger Anwendung durch sich selbst wuchern, und der Kunst einen bedeutenden Nutzen stiften könnten, würde meinem Erachten nach, nicht so gar schwierig seyn, als man sich wahrscheinlich vorstellt. Vielleicht theile ich Ihnen darüber einst bei mehrerer Musse, meine Ideen ausführlicher mit, für jetzt aber schließe ich mit der Versicherung u. s. w.





  1. Mit Vergnügen sahen wir vor Kurzem diese Gemälde bei Herrn Mechau in Dresden und stimmen vollkommen mit dem Einsender über deren künstlerischen Werth überein. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese beiden treflichen Landschaften bald in eine öffentliche oder große Privat-Sammlung kämen, und Liebhaber würden sich mit Hrn. Mechau gewiß bald über den Preiß vereinigen.
    D. H.     
  2. S. das Aprilstück dieses Journals S. 209 u. f.