Drei Sommer in Tirol/Von St. Luciensteig gegen Bregenz
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Die letzte Wanderung ist ein gutes Stück über Vorarlberg
hinausgegangen, da das ganze Paznaunerthal zum Land
Tirol gehört. Noch bleibt uns übrig Einiges von den schönen
und fruchtbaren Gegenden am Rhein zu sagen. Wir
gehen daher von Chur aus durch Maienfeld, ein sehr unscheinbares
städtisches Nestchen, und ziehen St. Luciensteig hinan.
Das Thal von Chur bis daher hat die Zierde der Fruchtbarkeit
und ist an allen Halden mit großen Dörfern und mit ausgebrannten,
aber noch im Namen erinnerungsreichen Burgställen
geschmückt, über denen die rühmlichsten Berghäupter
aufsteigen. Weiter wollen wir diese Schönheiten nicht auseinander
legen; wir sind jetzt schon auf der Luciensteig, die
von St. Lucius, einem König von Schotten und Apostel der
Rhätier, ihren Namen hat, beim Passe, wo eine niedere Mauer
und ein kleiner Wall durch den engen Bergsattel gezogen ist,
wo ein Zollhaus, ein Thorbogen und links von der Straße
ein uraltes Kirchlein steht. Die andere Aussicht, in die Ferne
nämlich, geht nicht sehr weit – unten ein Stück Rheinthal,
darüber der Säntis. Daß da auf St. Luciensteig in der uralten
Herberge eine kühle steinere Trinkstube ist, lernte der Wanderer
erst zu spät von Gustav Schwab; sonst war’ er an dem heißen
Tage gewiß nicht so spröd vorbeigegangen.
Von der Steig zieht man hinab und kommt zuerst an den St. Katharinenbrunnen, der unter der Straße hervorquillt. Dort liegt ein grauer Stein, der auf der Seite die gen Bünden sieht das bündnerische Wappen weist mit den ehrwürdigen Worten: Alt fry Rhätien. Dann geht’s gen Balzers, erste [145] Dorfschaft des Fürstenthums Liechtenstein, in dessen Gebiet wir nun fast fünf Stunden lang zu wandern haben. Dieses Ländchen, so sehr es wegen seiner Kleinheit verschrien ist, hat gleichwohl einen großen Flecken und ein halb Duzend schöne Dörfer, hat auch ein Hochgebirg mit ein paar unbewohnten Wildthälern und nennt den Vater Rhein seinen Landesstrom. Die Vorsehung hat ferner den Fürsten von Liechtenstein Wohlfahrt und Beseligung von 6000 katholischen Einwohnern übertragen und es ist daher nur Bescheidenheit dieses Regentenhauses, wenn es nicht wie die **schen Fürsten in Thüringen von den „seinem Scepter unterworfenen Völkern" spricht.
Von Balzers gegen den Rhein zu schaut von einem fahlen Hügel die Burg Gutenberg ins schöne Thal herab, welche, wie Guler sagt, lange Zeit die Herren von Ramschwag innegehabt im Namen des Hauses Oesterreich. Die Mauern sind noch ungebrochen, ein fester Thurm ragt noch an einer Ecke empor und der ganze Bau zeigt sich noch recht stattlich in all seiner Verödung.
Vaduz selbst, der Hauptort des Fürstenthumes Liechtenstein, das die Herren dieses Namens 1708 von den Reichsgrafen von Ems erkauften, ist ein guter Flecken in der Niederung. Dicht über seinen Häusern steigt eine Wand empor, welche reich mit Grün überwachsen das alte Schloß trägt, das ehemals zunächst den Namen Vaduz führte, nun aber von den Einwohnern des Fleckens irrthümlich Liechtenstein genannt wird. Es ist ein steiles Steigen auf diese Höhe, oben aber ein belohnender Blick ins Rheinthal. Die alten Mauern der Burg haben etwas Ungeheurliches, sind dick und schwer, als wenn die Cyclopen sie erbaut hätten. Auf diesen gewaltigen Urbau hat man in spätern Zeiten leichte Mäuerchen aufgesetzt, die gegen die Unterlage seltsam abstechen. Das Wirthshaus im Schloß gilt für einen Hort auserlesenen Landweins; in der Capelle sind etliche altdeutsche Gemälde.
Von Vaduz nach Feldkirch lauter schöne Landschaften, wie alle wissen, die einmal vom Rheinthale gehört. Weingelände und Kornfelder, große Bauernhäuser an der Straße, verfallene Burgen auf den Höhen, Obstbaumwaldungen, reiche [146] Aussicht in die Schweiz, grüne Hügel, rothe Berghörner, Alles belebt von dem Strome, der glänzend durch das Thal zieht.
Feldkirch selbst ist eine kleine Stadt mit großen Erinnerungen. In frühern, bewegteren Zeiten wegen der Nachbarschaft der Schweiz immer gehätschelt und geschont, ward dieses Gemeinwesen, nach Weizeneggers Worten, ein zweites St. Marino. Schon die Montforte zu Feldkirch, deren letzter, der öfter genannte Graf Rudolph, die Herrschaft im Jahre 1375 an Oesterreich verkaufte, hatten viel dazu gethan. Unter den neuen Herren, den Herzogen, mußten die Vögte beim Antritt ihres Amtes dem Stadtammann und dem Rath einen Eid schwören, daß sie alle guten Gewohnheiten, altes Herkommen, alle Freiheiten und Rechte aufrecht erhalten würden, und wenn zwischen dem Landesfürsten und der Bürgerschaft Streitigkeiten entstanden, so waren sie vor dem Bürgermeister und kleinem Rathe der Stadt Zürich auszutragen. Erschien der beklagte Herr nicht binnen vierzehn Tagen zu Zürich, so sollte die Stadt Feldkirch dem römischen Reiche anheimfallen, fügten sich die Bürger nicht dem Ausspruche der Schiedsrichter, so sollten ihre Freiheiten vernichtet seyn. Auf dieses Berufungsrecht hatte die Stadt zwar schon 1653 Verzicht geleistet, aber wegen des Vogteides entstanden noch 1750, als Maria Theresia die Rechtspflege und Verwaltung umgestaltete, unfreundliche Erörterungen. Eine der glänzendsten Zeiten der Stadt begann mit dem Jahre 1417, als im Unglücke Herzog Friedrichs sein Bruder Ernst die Herrschaft an den reichen und prachtliebenden Grafen Friedrich von Tokenburg verpfändete und dieser zu Feldkirch seinen Sitz nahm. „An dem Hoflager Friedrichs war, wie Johannes von Müller erzählt, ein Zusammenfluß der Großen aus den Vorlanden, aus Rhätien und Helvetien, der Verwandten des Hauses, die im Testament erwähnt seyn wollten, vieler Hauptleute und Vögte, vieler dienstsuchenden jungen Ritter, andrer, welche diesen Hof als eine Schule adeliger Sitten betrachteten; hier glänzten die von Raron, die Werdenberg, die Aarburg, die Sax, die Matsch von Kirchberg, die von Brandis, alle um den Preis der großen Kunst zu gefallen wetteifernd." Als Friedrich von [147] Tokenburg, der letzte seines Geschlechts, im Jahre 1436 gestorben war, brachte Herzog Friedrich die Herrschaft Feldkirch wieder an das Haus Oesterreich.
Die Stadt liegt in einer engen Schlucht, welche die neuen Gebäude, die außerhalb der Mauern erstehen, nach allen Seiten auszufüllen streben. Oberhalb fällt die Ill durch eine schöne Klamm herein, unterhalb zieht sie durch einen andern Bergriß wirbelnd wieder ab. Alle Höhen sind mit Tannengehölz und Laubwald oder Weinbergen bedeckt und so gewinnt das enge Berggelände ein lachend grünes Ansehen, das auch manche rauhe Felsenwand, die da und dort zu Tage steht, nicht verdirbt. In dem Bauwerke der Stadt schlägt jetzt die Gegenwart vor, an den breiten Gassen stehen hübsche neue Häuser, doch hat sich auch manches Alterthum erhalten. Eine starke Mauer, mit runden Thürmen wohlversehen, umfängt den Ort; die Pfarrkirche selbst ist ein altdeutscher Bau aus dem Jahr 1478. Auf dem Kornmarkt, der seine Lauben hat, steht ein altes finsteres schiefes Herrenhaus mit einem wappengezierten Erker, das übrigens, so hochbetagt es aussieht, wohl kaum in die Zeiten hinaufreicht, als die Montforte Herren zu Veltkilch waren, sondern nach den Inschriften, die außerhalb unter den Fenstern zu lesen sind, von den tirolischen Rittern Caspar von Welsberg und Oswald Sebner, beide in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts lebend, erbaut worden ist. Ober der Stadt auf einem Abhange des Schrofens, den die Ill durchbrochen hat, steht das Feldkircher Schloß, die Schattenburg genannt. Die äußern Mauern sind verfallen, die innern Gebäude noch bewohnbar, aber nicht mehr in gutem Stande. Eine anmuthige Aussicht über die Stadt und ihre enge Feldmark belohnt den der hinaufgestiegen. Fast anziehender aber ist es von der hohen Brücke bei Heiligenkreuz, der Vorstadt jenseits der Ill, auf Feldkirch herüber zu sehen, das sich von da betrachtet grau und alterthümlich darstellt, auf einer Seite von den Rebenhügeln umspannt, auf der andern von jenem kühnen Felsen überragt, der die Burg trägt. Diese Veste mit ihren vier Eckthürmen tritt da recht ritterlich und stolz hervor und weckt das Andenken vergangener Zeiten nicht minder lebhaft, [148] als die alten, baufälligen Häuschen, mit den bäuerlichen Riegelwänden, die unterhalb in den Fluß hinein nicken, über den auch mancher Obstbaum seinen Schatten wirft. Ein halbes Duzend Thürme, die aus der kleinen Häuserrunde aufsteigen, thun da das Ihrige, des Städtchens Aussehen bedeutsam hervorzuheben. Dabei soll sich der beschauliche Wanderer auch erinnern, daß er auf einer Brücke steht, welche im Jahre 1799 die Landesschützen mit den Studenten und Weibern von Feldkirch heldenmüthig und siegreich gegen die Franzosen vertheidigten, die Massena gegen das Städtchen zu führen vorhatte.
Von der Brücke mag man noch jenseits der Ill einer andern schönen Stelle nachgehen. Der Weg führt zuerst in jene andre Schlucht, durch welche der Strom im tiefen schattigen Bette wieder davonzieht, um dem Rheine zuzufließen. Von da schlängelt sich ein Fußsteig bald in die Höhe zu einer Capelle und einem kleinen Häuschen, das einer Warte gleich auf der höchsten Spitze eines Felsens steht. Wer sich unten im Thalgelände beengt gefühlt, dem wird’s hier oben auf St. Margarethens Kapf[WS 1] wieder freier werden, denn da liegt zunächst das Tostnerfeld, reich mit Mais bebaut und mit einem alten Burgthurm ausgestattet, und der weite Wiesenplan, wo die Ill ihr Delta bildet und so fort das Rheinthal offen zu seinen Füßen, weit hinausgestreckt bis an den blauen Bodensee, in dem der Strom nach langen mühseligen Windungen endlich verschwindet. Das Thal ist mit Burgen und Flecken wohl verziert und jenseits des Rheins mit erhabenen Bergzinnen eingefaßt.
Der Weg von Feldkirch nach Altenstadt geht an dem Friedhofe vorbei, dessen Viereck, wie es fast in allen Städten des Gebirgs zu finden, mit Laubengängen versehen ist. Es sind da manche anziehende Darstellungen noch aus dem 16ten Jahrhundert erhalten.
Diese Heerstraße von Feldkirch nach Altenstadt zieht durch ein schmales, aber schönes und weinreiches Thal, dessen Abendseite der Ardetzenberg bildet, der ein Gewächs von gutem Ruf erzielen läßt, und durch das Dorf Levis, dessen Häuser, weit auseinander gebaut, den Weg langehin erheitern. Oberhalb desselben zur rechten Hand liegt das Schlößchen Amberg, [149] von dem einst ein Kind der Liebe des letzten Ritters, seinen Namen trug, Friedrich Maximilian von Amberg nämlich, der im Jahre 1511 wahrscheinlich hier oder zu Feldkirch geboren, als ein Feldobrister Kaiser Karls V zu Mailand 1553 starb. Auch Altenstadt ist wie Levis geräumig angelegt, und füllt mit großen Häusern einen weiten Raum, so auch Rankweil, das altbekannte Rankweil, nach den Römerzeiten in den Jahrhunderten der Merowinger der vornehmste Ort der Landschaft. Davon hat später das kaiserliche freie Landgericht zu Rankwyl den Namen erhalten, das, seit dem grauen Alterthume bis ins fünfzehnte Jahrhundert unter freiem Himmel auf dem grünen Hügel zu Müsinen bei Sulz rechts des Frutzbaches gehalten, dann aber wegen naher Gefahr der Schweizerkriege in benanntes Dorf verlegt wurde, immer jedoch mit Ehrung des alten Herkommens, daß das Gericht auf des Reiches freier Straße, höchstens unter einem Schutzdach mit offenen Seiten und nur im Winter in warmer Stube gehalten werde. Sein Sprengel reichte damals an den Arlberg, an den Septimer in Graubünden, an den See von Wallenstadt, bis ins Thurgau und an den Bodensee. Die mächtigsten Herren weit und breit waren ehedem seine Schöffen, und man weiß, daß die Grafen von Montfort, von Werdenberg, von Tokenburg, von Misox, die Freiherren von Aspermont, von Belmont und Räzüns und andre hochangesehene Ritter auf der Müsiner Wiese zu Gericht saßen. Später, nachdem die alten Herren untergegangen, wurden die zehn Beisitzer aus dreizehn freien Geschlechtern des Sprengels genommen. Den freien Landrichter setzte jeweils kaiserliche Majestät, im letzten Jahrhundert aber ward verordnet, daß es für alle Zeiten der Vogt von Feldkirch seyn solle. Das ganze Jahr hindurch waren zwölf bis fünfzehn Gerichtstage. Das freie Landgericht erhielt sich, freilich in kümmerlichem Daseyn, bis zur Zeit, da Vorarlberg an Bayern fiel, und in diesen Tagen verendete auch das andre kaiserliche freie Landgericht auf der Leutkircher Heide und in der Pürs in Schwaben, Jahrhunderte hindurch ein Doppelgänger des Gerichts zu Rankweil. Vor diesen Schranken stand nach der Sage im sechsten Jahrhundert, lang ehe die Geschichte [150] ihre Errichtung zugeben dürfte, St. Fridolin, der Glaubensbote aus Erin, und klagte vor dem Grafen Baldebert gegen Landolf, den Adeling, der die reichen Güter, welche sein verstorbener Bruder Ursus dem Heiligen Vermacht hatte, die Schankung läugnend, nicht herausgeben wollte. St. Fridolin war nicht lange verlegen um den Beweis und führte den todten Ursus, der zu Glarus schon im Grabe lag, in den Ring. Als Landolf dessen ansichtig ward, ging er schaudernd in sich, gab alle Ansprüche auf und schenkte als kinderlos dem Heiligen zum Bau des Klosters Seckingen am Rhein das ganze Land zu Glarus und all sein Eigen. An der Kirche auf Unser Lieben Frauen Berg zu Rankweil ist die Geschichte abgemalt und Gustav Schwab hat sie in einer Romanze besungen.
Von jener Kirche, die auf einem grünen Kegel erbaut ist, wo ehemals die Burg Hörnlingen stand, ist eine angenehme Uebersicht der Gegend zu gewinnen. Man darf aber auch an der Pfarrkirche von St. Peter, die unten in der Ebene liegt, nicht bedachtlos vorbeigehen, denn obgleich die kleinste Pfarrei im Kaiserthume, da ihr Sprengel nur etwa sechzig Seelen zählt, thut sie sich doch durch ein Alterthum hervor, das sie über tausend andere hinaushebt. Und nicht allein daß sie für die älteste im Lande gilt, sie bewahrt auch noch eine Erinnerung an merowingisches Christentum. Es muß den Pilger wundersam ansprechen wie ein tausendjähriges Wahrzeichen, wenn er etwa am dreißigsten Sommermond des Morgens in das Kirchlein tritt und ihm die stillen Beter leise zuflüstern, es werde eben Messe gelesen für die seligen Herren Dagobert und Sigebert, die weiland Könige von Austrasien gewesen. Der eine starb im Jahre 638, der andere 650 und beide stifteten sich als Seelgeräthe, in der Kirche zu Rancovilla, diesen Jahrtag, der noch gehalten wird bis auf die jetzige Zeit. Freilich können wir dabei nicht verheimlichen, daß ihn Weizenegger für eine jüngere Stiftung hält, die ihr Daseyn etwa frommen Geschichtsfreunden aus den letzten Jahrhunderten verdanken möchte.
[151] Die neue Stadt, die der Altenstadt, welche bei Rankweil liegt, an die Seite getreten, ist übrigens Feldkirch selbst, das im zehnten Jahrhundert entstand, und die Erinnerung an St. Peter, den Patron der Gegend, der in Rankweil seine Pfarrkirche hat, lebt noch in dem Namen St. Pieder, den die Romanschen der neuen Stadt geben. Nicht weit von Rankweil streckt sich ein stiller Bergsee aus seinem hohen Umfange gegen die Ebene heraus, an dessen oberem Ende ein verfallenes Klösterlein liegt, Namens Valduna, das ehemals 1380 von dem Grafen Rudolf von Montfort für Clarisserinnen gestiftet, von Kaiser Joseph aufgehoben wurde. Es hatte trotz seiner Abgeschiedenheit von der Welt durch Krieg und Pest in frühern Jahren viel Leiden überstanden. Die klösterliche Einsamkeit des engen Thales an dem kleinen See hat ungemein viel Anmuth und die Feldkircher gehen deßwegen oft dahin spazieren. Zwischen den Dörfern Sulz und Weiler, wo das Sträßchen dicht am Abhange der Laternser Berge hinzieht, schaut von grüner Höhe St. Victorsberg hernieder, ehemals ein Minoritenkloster, aber von Kaiser Joseph aufgehoben. Dort wohnte zur Zeit Kaiser Karls des Dicken ein schottischer Einsiedler, Eusebius mit Namen, fünfzig Jahre verschlossen in seiner Klause. Er verließ die Kemenate nur selten, sondern belehrte und unterrichtete alle die zu ihm wallfahrteten, aus seinem Fensterchen. Einmal aber stieg er, Gottes Wort zu predigen, nach Prederis*)[1] hinab, einem Oertchen das unterhalb Rankweil im Blachfelde liegt. Als er dort seinem frommen Eifer Genüge gethan, legte er sich von der Hitze des Tages ermüdet unter einer Linde zum Schlummer nieder. Zur selben Stunde kamen aber etliche heidnische Bauern des Weges, ersahen den christlichen Feind und schnitten ihm mit der Sense das Haupt ab. Diese versanken nach der Unthat in [152] die Erde, St. Eusebius aber nahm mit der Rechten sein Haupt, ging damit dreimal in die Runde und trug es dann gen St. Victorsberg hinauf. Zu seinen Lebzeiten war Kaiser Karl der Dicke sein Freund gewesen, und als solcher oft zu ihm in die Klause gekommen, wo ihm der Einsiedler viele zukünftige Dinge weissagte. Auf seine Bitte schenkte der Kaiser den Berg und seine Güter zu Röthis und die Höfe, Felder und Zehnten, die ihm in dem jetzt vergebens gesuchten Venomina gehörten, dem Stifte zu St. Gallen, das dafür auf St. Victorsberg Jahr aus Jahr ein zwölf Reisende beherbergen und verpflegen sollte.
Später kam dieß Pilgerspital an die Grafen von Montfort und das Minoritenkloster, das Kaiser Joseph aufgehoben, hat Rudolph, der letzte Graf zu Feldkirch im Jahr 1381 gegründet.
Nahe bei Weiler über grünen weinreichen Berghalden liegt als etliches kaum findbares Gemäuer die verfallene Burg Alten-Montfort, die im Jahre 1406 von den Appenzellern zerstört wurde, zu der Zeit, als die streitbaren Hirten in ihrer Fehde wider den Grafen Wilhelm von Bregenz und Herzog Friedrich von Oesterreich über den Rhein gegangen waren und siegreich, ritterlichen Burgen höchst gefährlich, bis nach Imst im Tirol streiften. Damals waren viele Anzeichen, daß sich ganz Vorarlberg zu den Bauern wenden würde, denn „es was in diesen Tagen ain Leuff in dieselben Puren kommen, daz sie all Appenzeller wottend sin und wott sich niemand gegen inen weren.“ Der Bregenzerwald hatte ihnen schon zugeschworen und den Walsern insonderheit scheint das Appenzellerwesen gefallen zu haben, denn sie schlugen sich alle auf seine Seite. Zu Imst bekamen indessen die Eidgenossen bedenkliche Zeitung aus ihren Bergen und zogen wieder heim, nachdem sie vorher in dieser Gegend ein wildes Volk bezwungen hatten, von dem man jetzt noch nicht weiß wo es hergekommen. Darnach aber im Jahre 1408 ward dem „Leuff“ ein Ende gemacht, denn nach dem großen Schaden, den sie bei Bregenz erlitten, zeigten sich auch die Appenzeller wieder [153] geschmeidiger und nahmen den Frieden an, den ihnen Kaiser Ruprecht zu Constanz gesprochen.
Jene Veste zu Alten-Montfort hatte das Geschlecht erbaut, als es sich von seinen frühern Sitzen zu Sargans und Werdenberg in Macht und Blüthe über die Gegenden im Rheinthal ausbreitete. Die älteste Burg aber, von der es den Namen trug, Montfort oder Fortifels, stand zwischen Grabs und Werdenberg und wurde von einem Grafen Rudolf von Montfort schon 1260 zerstört, oder nach Andern war es eine Veste, die vor uralten Zeiten bei Trins in Graubünden zu sehen war.
Nicht ferne von Alten-Montfort im grünen weinreichen Bergwinkel liegt das Dorf Klaus und weiter an dem Wege, der durch eine enge Thalwindung führt, die alte Kirche St. Arbogast, nach einem Bischof zu Straßburg so benannt, der in seinen letzten Tagen hier als Einsiedler gelebt haben soll. Ueber der Capelle dräuen die stolzen Trümmer von Neuen-Montfort, das die Appenzeller zur selben Zeit zerstörten, als sie das alte in Rauch aufgehen ließen.
Diese beiden Trümmerhaufen zu Alt- und Neu-Montfort erinnern uns wiederholt an die mächtigen Herren, von denen einst, wie von den Andechsern und später von andern Häusern, die Sage ging, daß sie nach Rom fahrend jeden Tag auf eigenen Burgen übernachten könnten. Nachdem bisher schon hin und wieder ihre Geschichte berührt worden, mag hier im Angesicht dieser verfallenen Schlösser auch ihrer Mythen gedacht werden. Obgleich sie überall dabei waren in den wälschen Kriegen der Kaiser und auf den Kreuzzügen im gelobten Lande, obgleich sie in manchem Turniere den Dank gewannen, so schien den Zeitgenossen all die Ehre, die sich auf den Namen häufte, doch nicht genug, und frühe schon fanden sich belesene Männer, die den Montforten rühmend nachsagten, sie seyen ein altetruskischer Königsstamm und schon ein halb Jahrtausend vor Christi Geburt mit dem Herzog Rhätus in Hohen-Rhätien eingewandert. Andre Rittergeschlechter Graubündens sind dieser fabelhaften Spur gläubig nachgegangen und ehemals wenigstens vermeinten die meisten derselben ihre [154] Urahnen zu Volaterra, Volsinii und Veji suchen zu müssen. Indeß waren die Montforte wohl so gut als die Mehrzahl der andern rhätischen Herren alemannischer Abkunft und neuerer Zeit folgt man daher eher der Meinung, daß sie von Gerold von Bussen, dem vexillifer imperatoris, der im Jahre 799 in einer Avarenschlacht gefallen, herstammen möchten, obgleich auch dieser Graf von der Fahne eine etwas mythische Färbung hat. Abgesehen von jener fabelhaften Genealogie scheinen die Montforte in ihren historischen Zeiten die Träger mancher wunderlichen Sage gewesen zu seyn. So erwähnt Freiherr von Hormayr in der Schwangauer Chronik eines Ritters von Montfort, der mit dem Böhmenkönig gegen die heidnischen Litthauer sieghaft, von dort eine gefangene wunderschöne Fürstentochter als Sklavin mitbrachte, sie bei den Dominicanerinnen zu St. Peter bei Bludenz erziehen ließ und dann, wie der Graf von Gleichen, mit zwei Frauen lebte. Ein paar andre Geschichten, mit denen man sich damals trug, hat uns ein sinniger Schreiber aufbewahrt, der, wenn man seinen scheinbar eigenen Worten trauen dürfte, ein Dienstmann der Montforte, jedenfalls ihrem Hause mit großer Verehrung zugethan war.
Vor etwa vierhundert Jahren nämlich mag zu Rankweil ein schreibkundiger Mann, Namens Thomas Lyrer, gelebt haben – wenigstens gibt es eine Schrift unter dem Titel: Alte schwäbische Geschichten, an deren Ende sich ein so Benannter als Verfasser anzeigt. Dieses kleine Buch ist im Jahre 1486, und zwar in demselben Jahre zweimal bei Conrad Dinkmut zu Ulm gedruckt worden und wurde fast drei Jahrhunderte darnach, nämlich 1761, von Licentiat Wegelin, Bürgermeister zu Lindau, neuerdings herausgegeben, „weil es so gar rar geworden, daß es selten mehr in alten Bibliotheken, geschweige in öffentlichen Buchläden und eben so wenig in einer Collection der alten Geschichtschreiber und Jahrbücher anzutreffen und dahero unter die fast gar verloren gegangenen Bücher nicht unbillig zu rechnen war.“ Uebrigens ist damit auch jedesmal als zweiter Theil eine deutsche Chronik abgedruckt worden, welche bis zum Jahre 1462 reicht, nach allen [155] Anzeichen aber einen andern Verfasser hat als die Erzählungen, an deren Schlusse sich Thomas Lyrer nennt. Dieser zweite Theil erzählt allerlei Dinge, die sich im heiligen römischen Reiche von der Zeit Karls des Großen an bis zu besagtem Jahre begeben haben, geht zwar mit der Geschichte nicht immer ganz säuberlich um, nimmt es aber damit doch ungleich genauer als der erste Theil, der nur hie und da eine Angabe bringt, welche wirklicher Historie ähnlich sieht.
Im ersten Theil, für dessen Verfasser wir also bis auf weiteres den Thomas Lyrer von Rankweil ansehen, erzählt derselbe zum Beispiele Eingangs seiner Geschichten, wie im hundert und vierten Jahre nach der Geburt unseres Herrn ein Kaiser zu Rom war, Namens Kurio, der wegen seines christlichen Glaubens, trotz der Fürsprache der Senatoren Amor und Ventrum Urseum, vertrieben wurde und mit seiner Gemahlin Docka, seinen eigenen Söhnen und den Söhnen seiner Schwester, Jürgo und Hego, über das Hochgebirg gen deutschen Landen wärts floh und auf den Plan Dalfaz in Graubünden kam. Kaiser Kurio baute darauf seinen Söhnen in Rhätien und in Schwaben verschiedene Vesten, und so wurden sie die Anherren mächtiger Geschlechter. So baute er dem ältesten die Veste Hohentrins und nannte ihn Magnus von Höwen; dem andern die Veste Gutenberg und nannte ihn Eglof von Wartau; dem dritten gab er einen Berg und errichtete darauf die Veste Starkenberg und gab ihm einen weißen Schild mit einer rothen Fahne zum Wappen, zum Zeichen, daß er die christliche Ordnung halten und darum fechten sollte, wenn es Noth thue. „Dem Deutschen nach,“ sagt Lyrer, „wird das Geschlecht geheißen: die von dem rothen Fahnen; aber darnach als sich die wälschen Kurwalhen gemehrt hatten, da ward der Namen in wälsch bekehret und geheißen: von Montfort.“ Der vierte Sohn Kaiser Kurio’s war Wilpart von Leutkirch, der fünfte aber der Patriarch Burgundus; der führte gar ein selig Leben und hatte seine Wohnung auf dem Berge Kirchberg bei dem Dorfe Ulm. Der sechste Sohn erhielt die Stadt Ravenau, die jetzt Ravensburg heißt, und wurde Herzog Rumulus von Schwaben genannt. [156] Kaiser Kurio aber baute sich selbst eine Veste, die er nach seiner Gemahlin Dockenburg (Tokenburg) nannte, und wohnte daselbst und starb nach Christi Geburt im Jahre 172 und ward begraben im Kloster Fischingen.
In solch glaubwürdiger Art erzählt Thomas Lyrer fort und fort die alten schwäbischen Geschichten. Manche Capitel enthalten nur ein buntes Durcheinander von Kriegen, Stößen, Herrentagen, Stiftungen, Hochzeiten und Geschlechtsregistern, in dem sich jedoch allenthalben deutlich ein Streben zeigt, das Haus der Grafen von Montfort nach besten Kräften zu verherrlichen und ihre Geschichte in Wahrheit und Dichtung auszuschmücken. Zuweilen erblüht aber auch aus dem krausen Wirrsal eine wundersame Mähr und aus diesen haben wir denn die Geschichte des Herrn von Montfort und der Königin von Kathay (China) und die andere des Grafen Albrecht von Werdenberg und der Königstochter von Portugal wie wir hoffen zum Vergnügen des Lesers herausgehoben.
Es folgt also nebst ihrer schönen Einleitung:
Item zu denselben Zeiten – es war eben nachdem Rom gestiftet fünfzehnhundert und drei Jahr und so lange war kein Kaiser da gewesen. Der erste Kaiser, der da ward zu Rom, hieß Julius. Der war ein deutscher Mann und war von Trier gebürtig. Denselben Kaiser aber setzte ein Herr von Schwaben mit Gewalt. Der Herzog Bremo von Schwaben nämlichen hatte ehevor gekrieget mit den Römern hundert und zehen Jahre kräftiglich und ohne Unterlaß. Er baute auch mit Gewalt vor Rom sechs Städte, so daß sie gegen deutschen Landen sahen und daß auch die Römer auf dem Lande nicht zu ihm möchten kommen. Die hießen Hohensen, Teutschensen, Bewen und Brissen, Mailand und Pavy. Und alles das Opfer, das man sollte bringen aus Lamparten und deutschen Landen in das Haus Capitolium gen Rom den Heiligen, das mußte man bringen den Heiligen gen Bern (Verona). Darzu zwang sie der Herzog von Schwaben. Zu denselben Zeiten [157] aber kam Virgilius gegen Rom, der war gebürtig von Mantua. Der machte es mit seinen Listen, wie er wohl konnte, daß alle Länder, die der Römer gewesen waren und die sie bezwungen hatten, Tribut dahin geben mußten. Also sandten, um dieß zu richten, die Römer Kaiser Julium aus mit großer Gewalt der Leute und auch mit Reichthum des Gutes, damit er gen Schwaben führe und das Land bezwänge und auch andere deutsche Lande. Und sandten ihn aus seiner Witze, Kunst und Mannheit wegen und geboten ihm auch bei ihrer Huld, daß er nicht länger aus wäre, denn zehen Jahre, und wenn er einen Tag über das Ziel ausbliebe, so hätte er ihre und des Landes Huld verloren.
Da fuhr Kaiser Julius gegen Schwaben und focht mit den Herren von Schwaben. Und sie thaten drei Feldstreite, den einen auf dem Hasenbühl ob Füssen bei dem Lech, den andern bei Mindelheim und den dritten an einem andern Orte. Und es mochte keiner dem andern obsiegen, so mächtig waren sie beide. Da wurden sie mit einander versöhnt und gerichtet und ward der von Schwaben des Kaisers Diener und der baute ihm eine Stadt, darum zu Liebe. Dieselbe Stadt ward geheißen Tharcinus, das bedeutet eine Stadt der Milden. Julius, der Kaiser, und der Herr von Schwaben, die fuhren aber mit einander in das Land zu Bayern und fochten da mit zweien Herren von Bayern. Diese zween waren Brüder und hieß der ältere Portemont, der jüngere Igrum. Und der Kaiser siegte ihnen Beiden ob und wurden die zween Herren des Kaisers Diener. Julius, der Kaiser, baute ihnen auch zu Liebe eine Stadt. Die hieß er Albach und machte ihnen da ein Markgrafenthum. Er fuhr auch mit ihnen durch das Land mit Gewalt und baute Wien und bezwang Böheimerland, Poland, Sachsen, Meißen, Osterland, Thüringen, Westphalen, Hessen, Westerreich und dazu Windischland.
Und da besetzte der Kaiser die Länder und gab dem Herzoge von Schwaben und den zweien Herzogen von Bayern Urlaub und ließ sie wieder heimfahren und er fuhr gen Rom. Nun war Kaiser Julius ein halbes Jahr länger ausgewesen, dann die zehen Jahre, wie die Römer gesetzt und geboten [158] hatten. Also versagten sie ihm Huld und wollten ihn nicht einlassen. Da erschrack der Kaiser sehr und ward von ganzem seinem Herzen betrübet, da er meinte, er sollte deß billig genießen, da er also wohl geschaffen hätte. Und er entbot es seinem Oheim, dem Herzoge von Schwaben, und klagte es ihm und bat ihn fieißiglich durch seiner Liebe willen, daß er ihm zu Hülfe käme. Der aber kam zu ihm mit einem gar großen unzählbarlichen Volk, und sie zogen vor die Römer. Da nun die Römer vernahmen, daß der gewaltige König Bremo gekommen war mit seinem großen Volk, da erschracken sie gar sehr, denn er hatte ihnen auch ehevor viel Leids gethan. Und von rechter Furcht flohen da zween von den zehen gewaltigen Herren zu Rom. Der eine war der Herzog Pompejus; derselbe entrann und floh in Egyptenland zu dem König Bartholomäus, den er ehevor dahin gesetzt hatte, und da war er sicher. Da floh auch Herr Cato, der ernsthaft Richter, und entrann mit einem großen Volk an das Meer und wollte darüber gefahren seyn. Da eilte und zog ihm Herzog Bremo nach mit seinen Leuten an das Meer und focht mit ihm und schlug ihn todt und viele seines Volkes mit ihm. Da das die Römer vernahmen, da wurden die acht Herren, die da gewaltig waren, zu Rath, daß sie Julium den Kaiser empfingen zu einem einigen Herrn und zu ihrem Gewaltigen und Kaiser. Und dieselbe Ehre und Würdigkeit, Gewalt, Kraft und Macht, die Julio, dem Kaiser, von den Römern gefestnet und gegeben und von ihm auch kräftiglich besessen ward, mit all den Rechten, die dazu gehören und gehört haben, dieselben alle, wie sie genannt sind, gab der Kaiser Julius dem Herzog Bremo um der Würdigkeit willen, die er an ihn gelegt hatte mit seiner Hülfe. Und er gab sie ihm und auch allen deutschen Herren, die dann von Geburt und von ritterlicher That wegen derselben Ehren würdig waren. Davon hat Niemand die Ehre, noch soll sie Jemand haben, dann die Schwaben und deutschen Leute, die dieser Gnaden beholfen wurden von den Römern. Und solche Gnade und Freiheit ist bestellt mit genugsamer Urkund und einem Artikel zu dem andern, als [159] man es findet in der schwäbischen Kanzlei mit Urkund und mit Briefen.
Zu denselben Zeiten also da ist gewesen ein mächtiger und edler Herr von Montfort, und der saß ob der Stadt, die hieß Cleroa, auf einem Schloß, das hieß auch Montfort, und war ein ritterlicher, frommer und mannhafter Mann. Der ist um Ehren und der Ritterschaft willen nach weiten und fernen Landen ausgezogen und gekommen an des großen Kaisers Hof, des Chans von Kathay. Daran hat er sich etwan viele Zeit so gar ritterlich und wohl gehalten. Indem da hat sich eine Sach begeben, daß die Königin des ehegenannten Kaisers von Kathay außerhalb ihres Herren und ehelichen Gemahls einen andern geliebet und auserwählt, ihre Kurzweil mit ihm zu haben. Das that einen Ritter an dem Hofe sehr übel und fast verdrießen, und die Königin ward bei dem König verklaget. Nun ist dazumal an dem Hofe und in dem Lande Sitte gewesen, daß eine jegliche, der Unehren geziehene Frau sich mit einem rittermäßigen Manne deß kämpflich gegen den Zeiher verantworten und selbes ab ihr bringen mußte, was ihr auch also von dem König aufgelegt ward. Nun war die Königin in großem schweren Leid und wußte Niemand an ihrem Hofe, um solches anzusuchen, auf den sie Trauen und Glauben setzen möchte. Und ging deß daher an den Grafen von der rothen Fahne mit hohem Ermahnen und Ersuchen, mit vielen glimpflichen, schönen und guten Worten, der Deutschen Frauendienst sehr berühmend und bittlich um aller Frauen Zucht und Ehre willen ankommend, wenn ihm je eine Gutheit oder Ehrwürdigkeit von einer Frau geschehen wäre, oder aber noch zu gegenwärtigen Zeiten geschehen möchte, solche ihre Ehre und guten Leumund gegen den mordlichen Ehrabschneider, ihren Versager, kämpflich zu entschuldigen, mit viel und gar großem Erbieten dieses bittend, wovon zu schreiben nicht Noth ist, sondern ein jeglich ritterlich Mann sich deß wohl besinnen mag. Der frumm ritterlich Graf beweist seine Mannheit, Weisheit und Herkommen und gewährt der Königin ihr Gebet. Dadurch ward alles ihr Trauern hinlässig und ihr Herz zu großen Freuden gemehrt, was sie gar zu großem dankbarlichem [160] Erkennen von ihm aufnahm. Doch muthete er ihr zu, bei ihren königlichen Treuen, in einer Frage, die er zu ihren Gnaden hätte, eine Wahrheit zu sagen, was sie auch also gelobte. Da fragte er sie bei diesem Gelübde, ob sie der That solcher Anklage schuldig wäre oder nicht. Da sagte sie ihm, ja, sie wäre deren schuldig. Da sagte er zu ihr, nicht desto minder wolle er dennoch um ihrer Ehren und seines Zusagens willen kämpfen.
Nun ward der Kampf durch den König vorgenommen und angeschlagen. Der frumm ritterlich Graf besammelte sein Gemüthe mit Anrufung des allmächtigen Gottes und seiner Mutter, bittend, um aller Frauen Ehre willen Hülf und Beistand zu thun. Und besann sich also, um kämpflich gegen den Versager der Königin in den Kreis zu treten. Und da er in den Kreis kam und sich kämpflich gegen den Ritter um der Königin Ehre wegen wehren sollte, fürchtete er der Frau Geständniß und wahre That und wich und floh eine kleine Zeit und Weile. Das verdroß den andern Ritter und er legte sich mit Scheltworten an ihn und schrie: „Ei du Bösewicht, du fliehst!“ Das ging dem Grafen zu Herzen und wollt sich deß erwehren und sprach: „Du lügst mich an und bist an dir selber; und ich will heut, so Gott will, meine Ehre und Frömmigkeit an dir rächen und dich darum mit der Hülfe Gottes zu todt schlagen.“ Und er gewann darauf den Sieg und rettete der Königin Ehre und schlug ihn zu todt.
Das kam der Königin zu großem Guten und sie sprach zu ihm, wie das nicht unbillig war, mit hohem Erbieten und Vermögen, ihm Wiedergelt zu thun und ihm große Habe und Gut zu geben, dessen er sich aber widerte und keine zeitliche Hab darum begehrte, noch auch haben wollte, da er das vorab um unser lieben Frauen und aller andern Frauen Ehre willen gethan habe. Doch aber hätte sie ein Tuch, das wäre, als unser Herr Jesu Christ von dem Stammen des Kreuzes genommen ward, unter und über ihn gelegt worden, und so bäte er ihre königliche Gnade, ihm das zu geben und nichts anderes. Das gab sie ihm mit großen Ehren, Demüthigkeit und hohem Erbieten, seine gnädige Frau zu seyn. Also kam er hinweg [161] und führte das mit sich und kam an des Herzogen Hof von Savoyen; da ist es geblieben. Und seine ritterliche That an der Königin Hof ist immer und ewig ihm und allen Deutschen zu Lob und Preis eingeschrieben, daß sich ein jeder rittermäßiger Mann wohl freuen mag und schönen Frauen desto pflichtiger hernach dienen wolle, um den Lohn zu empfahen, den sie zu geben haben.
Es war einmal ein Herzog von Schwaben, der hatte
einen Vogt, der hieß Walter von Wolfegg. Der fand den
Herzog bei seiner Schwester und erschlug ihn. Darauf floh
er gen Werdenberg zu dem Herren mit der weißen Fahne,
und des Herzogen Bruder und der von Werdenberg waren
deßhalb lange uneins mit einander. Endlich ward gesprochen,
daß der von Wolfegg hundert Meilen aus Schwabenland sollte
und nimmermehr hinein. Das that er und nahm mit ihm
seiner Schwester Sohn Arbogast von Andelon *)[2] und kam in
das Land zu Portugal. Da fanden sie einen Ritter, der hieß
Herr Oswald von Hatstatt und war ihr Freund und half
ihnen beiden an des Königes Hof. Nun war Arbogast ein
Knab von fünfzehn Jahren; den that man in das Frauenzimmer
und der von Wolfegg ward des Königs Truchseß.
Nun stand ein Unglauben auf in einer Insel, die hieß Zang, und dem vermeinte der König zu wehren. Also zog er aus auf die Zänger. Die setzten sich zur Wehr und ward viel Volks erschlagen und erschossen, auch der von Wolfegg. Doch gewann der König die Insel und zwang sie zum Christenglauben [162] und gab sie in die Gewalt des Königs von Boßla, der auch kürzlich zu dem Glauben war gebracht worden.
Da kam aber die Pestilenz unter das Volk und der König der ein Wittwer war, floh mit seinen Kindern auf ein Schloß, das hieß Ampernesto. Nun hatte er eine Tochter, die war das älteste Kind und hieß Elisa, und zween Söhne, mit Namen Antonius und Franciscus. Der König zog bald wieder von dem Schlosse, hieß aber die Kinder dableiben, und als nun die Kinder dablieben, so fingen sie vor Kurzweil an zu laufen in einem Garten. Da sprach Elisa zu Arbogast: wir wollen dich wälsch lehren und lehre du uns deutsch. Er antwortete: Gnädige Frau, gern! Könnte ich nur etwas anfangen, das euern Gnaden gefällig wäre und möchte nur so viel verdienen, daß mir eure Gnade etwas hieße! Da sprach die Königin: ein jung Mann soll allweg gedenken in die Höhe; denn denkt er unter die Bank, so kommt er nimmermehr darauf. – Da sprach Argobast: wer hoch klimmt, der fällt hart und wer über sich hauet, dem fallen die Späne in die Augen. – Da sprach Elisa: gelehrten Leuten ist gut predigen und ich meine, du seyst mit ihnen gen Schul gegangen. – Da sprach Argobast: ich bin unweise und ein ganzer Thor. Gott gebe mir Barmherzigkeit und Gnade, daß ich ein Mensch überkomme, das sich über mich erbarme und sich meiner unterwinde und mich seinen Willen lehre und mich zu gebührlichen Dingen ziehe. Hierum, gnädige Frau, seyd mir gnädig und heißet mich etwas thun oder lassen zu euerm Gefallen. – Da sprach sie: du bist ein Kind und nicht Alles steht dir wohl an. – Da kam der Kammermeister und sagte, er solle an seinen Dienst gehen. Da ging er und bereitete den Tisch und ging dann zu seinem Vetter, dem Herrn Oswald von Hatstatt, und sagte ihm alle die Reden, die gethan waren. Da sandte der von Hatstatt nach einem Schneider und ließ sich und allen den seinen und auch seinem Vetter Arbogast grüne Kleider machen, übernäht mit Rauten. Als nun die Kleider gemacht waren, legten sie die an und Arbogast ging mit der Königin zur Kirchen. Da sprach sie: von wannen kömmt dir das neue Kleid? Er antwortete: mein Vetter hat es mir gegeben. – Da sprach sie: hätte ich einen Schüler, ich hieß ihn an den [163] Schatten sitzen und das Antlitz weiß behalten. Arbogast, der war jung und ward vor Scham roth und wußte nicht was er zu ihr sprechen sollte. Da sprach sie ferner: wenn aber ein Schiff über das Meer führe gegen die Heiden, so müßte er ihnen entgegenkommen und sie mit den Ruthen streichen. Da wußte Arbogast abermals nicht was er sagen sollte und sagte es seinem Vetter. Der sprach: sie meint, wenn die Heiden herschiffen, so sollst du dich mit andern in ein Schiff setzen und wider sie fechten. – Und kürzlich darnach kam die Mähre, wie daß die Heiden gekommen wären das Land zu beschädigen. Da eilte Arbogast mit andern in ein Schiff und hielt sich so ritterlich, daß sie meinten, wär’ er nicht gewesen, sie hätten den Heiden unterliegen müssen.
Das Geschrei kam an den Hof und in das Frauenzimmer und es gefiel Elisen gar wohl und sie gewann Arbogasten fast lieb. Und eines Tages sprach sie: Arbogast, hast du deine Mutter noch? Er sprach: nein, gnädige Frau, nur einen Vater, der hat eine andere Frau genommen nach meiner Mutter Tod. Da sprach sie: du sollt ohne Zweifel seyn, ich will deine Mutter werden und was dir anliegt, so komm’ zu mir. Ich will dir mit ganzen Treuen rathen und helfen wie meinem eigenen Herzen. – Das dankte ihr Arbogast so hoch, wie er es nur in seinem Herzen mochte finden, so daß sie einander sehr lieb gewannen.
Und darnach über eilf Monate so kamen die Heiden mit großer Macht. Da stand Arbogast auf und eilte mit den andern in ein Schiff und focht mit den Heiden und da gewannen die Heiden den Sieg und nahmen Arbogast gefangen und führten ihn hinweg. Alsbald aber kamen die rhodischen Herren und warfen die Heiden nieder und nahmen ihnen alle, die sie gefangen hatten und meinten, sie wären auch wider sie gewesen und führten sie gen Rhodus. Da fragten sie Arbogast besonders, wer er wäre, und da sprach er: ich bin ein Deutscher, aber er wollte nicht sagen wie er hieße, noch von wannen er wäre. Da führten sie ihn auf ein Schloß, genannt Schönehab, und da lag er in einem Zimmer gefangen.
[164] Unterdessen war ein Ehehalt an des Königs Hof zu Portugal, der war auch ein Deutscher und war gebürtig aus einer Stadt, die hieß Feldkirch. Sein Name war Kaspar Rumolt. Der ward ausgesandt vom König zu Portugal zu dem römischen König und zu andern Fürsten, Grafen und Herren und gemeiner Ritterschaft in deutschen Landen und ging die an und bat sie um Hülfe wider die Heiden. Und da kam er gegen Feldkirch, da fand er den Grafen auf dem Schlosse daselbst, der hieß Heinrich mit der weißen Fahne. Der hatte fünf Söhne und davon der zweite, Graf Albrecht, der rüstete sich aus dem Lande zu reiten und nahm mit ihm Marquard von Altstetten, und sie eilten in das Königreich Portugal. Und da kam Graf Albrecht gen Hof und fand da Herrn Oswald von Hatstatt. Der sagte ihm, wie einer von Wolfegg, der bei seinem Vater gewesen, drinnen gestorben wäre und hätte derselbe seiner Schwester Sohn Arbogast von Andelon mit ihm gebracht und diesen hätten die Heiden gefangen, so daß er besorge, er wäre umgekommen. Und nun bat Graf Albrecht den von Hatstatt, daß er Niemand sagte, wer er wäre und ihn sich ließe befohlen seyn und ihm des Landes und des Hofes Sitten sagte. Nun war aber Graf Albrecht ein weidlich starker Mann und was man thut zu Schimpf und zu Ernst, so wollte er allweg einer seyn. Eines Tages nun, da ging der König und beide seine Söhne und auch die Königin Elisa mit ihren Frauen und Jungfrauen in den Garten und in das Zuckerfeld spazieren und da sprach die Königin zu Graf Albrecht: ach, ihr Deutscher, daß euch Gott und allen Deutschen Heil gebe, und erseufzete gar inniglich dazu. Graf Albrecht fiel auf die Knie und dankte ihr als seiner gnädigen Frauen und wo er für sie ging und wo er sie und sie ihn ersah, so seufzte sie gar inniglich. Das nahm Graf Albrecht wahr und fügte sich einmal zu ihrer liebsten Jungfrau, die hieß Amisa, und bat sie zu erfahren ob die Königin ein Mißfallen an ihm hätte. Die Jungfrau redete darüber mit der Konigin. Sie sprach, er solle zu Abend kommen, wenn nicht viele Leute um den Weg wären und dann wollte sie ihm sagen, was ihr anliege. Graf Albrecht kam wie er geheißen [165] war. Da empfing sie ihn gar gnädiglich und sprach: was uns anliegt, das wollen wir euch sagen, als einem frommen Deutschen, um daß ihr uns helfet und rathet und hob an und sagte ihm, wie ein Deutscher bei ihr gewesen wäre und sie ihn zu guter Maß erzogen hätte. Der wäre von den Heiden gefangen und hinweggeführt worden und Niemand wüßte, ob er lebendig oder todt wäre. Dann bat sie ihn um Hülfe und Rath, daß er ihr möchte beistehen, daß sie inne würde was es um ihn für eine Gestalt hätte. Dafür wollte sie ihm geben Zehrung und was dazu gehörte, dennoch hoch dazu danken und das zu guten Gnaden nimmermehr vergessen.
So sagte ihr Graf Albert zu und bat den König, daß er ihm erlaubte, zu dem heiligen Grab zu ziehen, da er eine Fahrt dahin schuldig wäre. Also erlaubte es ihm der König und deß war der andere gar froh und sagte es der Königin. Diese gab ihm Zehrung und was ihm noth war. Dann ritt er hinweg und nahm mit ihm den von Altstetten und einen Knecht und kam gen Rhodus. Dort hatte er einen Freund, der war ein Graf von Pfirt[WS 2]. Zu dem kam er und sagte ihm, warum er hergekommen wäre und was es für eine Gestalt mit ihm hätte. Da sprach sein Freund: ich weiß wohl einen Gefangenen, der ist ein Deutscher, der will Niemand sagen, wer er sey und seinen Taufnamen und sein Geschlecht nicht nennen, und ist garzumal ein hübscher Knabe. Da bat er seinen Freund, daß er ihn zu dem Gefangenen ließe und das that derselbe und führte ihn zu diesem. Da bat er seinen Freund abermals, daß er ihm einen wohl kundigen Maler besenden sollte, um den Deutschen abmalen zu lassen. Das geschah und der Maler malte ihn auch eben gleich nach seiner Gestalt und nach allen Gliedmaßen. Also nahm der Graf das gemalte Tuch und machte sich mit dem von Altstetten förderlich wieder auf den Weg gegen Portugal. Und da er kam und die Königin seiner inne ward, da war sie gar froh und sandte nach ihm, daß er ohne alles Verziehen zu ihr käme. Das that er gar behend. Da sprach die Königin: seyd uns Gottwillkommen, mein lieber Freund! [166] saget uns, wie es euch ergangen sey und was ihr uns geschafft habet. Er antwortete und sprach: ich bin gesund wieder hergekommen von der Gnade Gottes; aber der von Altstetten ist gar tödtlich krank worden; doch habe ich ihn dennoch mit mir hergebracht. Da sprach sie: hat er nicht ruhig Gemach und was ihm anliege und Nothdurft sey, das wollen wir ihm genug schaffen. Und ferner, was habt ihr erfahren oder was seyd ihr inne worden? Da sprach er: gnädige Frau! ich habe euch ein Gemälde gebracht. Ist es ihm gleich, so hoffe ich gute Mähr zu bringen. Da sprach sie: zeiget her. Das that er und als sie es ansah, da ward sie vor Freuden roth und darnach bleich und sprach: wo habt ihr das Gemälde genommen oder wo ist es euch geworden? Da sagte er ihr alle Dinge, wie sie geschehen waren. Da sprach sie: ist er noch bei Leben, so wollt ich das meinige wagen und zu ihm kommen und wolltet ihr mir dazu verhelfen, so wollte ich wohl groß Gut und Kleinod mit mir hinweg nehmen. Da sprach er: gnädige Frau! was ich mit Ehren thun mag, darum will ich Leib und Gut wagen. Da sprach sie: gedenkt ihm nach und das will ich auch thun, und kommt morgen um diese Zeit wieder zu mir. Also nahm er Urlaub und ging wieder von ihr und kam zu seinem Diener, dem von Altstetten und sagte ihm die Dinge, daß ihm die Königin entbieten ließe, er solle keinen Mangel haben. Nun war Sanct Bernhards Orden erst angefangen in der Christenheit und der König hatte ein Kloster machen lassen und siebenzig Mönche darein gesetzt. Und so sprach der von Altstetten: ich weiß einen guten Weg. Ich will begehren, daß man mich in das Kloster lege in ein stilles Gemach, darinnen ich Ruhe haben möchte, und wenn das geschehen, so gehet zu der Königin und redet mit ihr und sehet, ob sie mit euch hinwegfahren wolle. Wollte sie das thun, so wüßtet ihr gar einen guten Weg, damit sie recht wohl davon möchte kommen.
Also ward der von Altstetten in das Kloster geführt und lag manchen Tag da und das Kloster lag nahe bei dem Meere. Unterdem kam aber Graf Albrecht zu der Königin, zu fragen, was ihre Wille wäre. Da sprach sie: ich habe mich bedacht, [167] daß ich mit euch hinweg will und meine Jungfrau Amisen mit mir nehmen. Nun war Amisa eines Herrn Tochter zu Portugal, der hieß Anthoni de Ponagiri. Die rüstete sich, mit ihr hinwegzukommen.
Also ging Graf Albrecht wieder zu dem von Altstetten, und fragte, wie er es anfangen wollte. Da sprach der von Altstetten: gar wohl! mein Rath ist, ihr sollet Urlaub nehmen von dem König, daß ihr nimmer sein Diener seyd und sprecht, ich sey tödtlich siech; ihr wollet mich heimführen in meine Luft, denn die Aerzte rathen es, sonst möge ich nicht genesen. Dann wollen wir ein gut Schiff bestellen, das mit Leuten wohl gefertiget sey. Dann, so es Alles zugerüstet, soll die Königin eine Weile vor Tag kommen und bringen, was sie mit ihr nehmen will, in mein Gemach. So wollen wir in das Schiff sitzen und förderlich von Statt fahren. Und ehe man dieß inne wird, so wollen wir gar einen fernen Weg seyn, daß wir wohl sicher seyen mit Gottes Hülfe. Das gefiel Graf Albrecht gar wohl und er ging zu der Königin und sagte es ihr. Da gefiel es ihr auch fast wohl und sie sprach, sie wolle es in dem Namen Gottes wagen und sagte es ihrer Jungfrau Amisen. Graf Albrecht ging von Stund an zu dem König und nahm Urlaub von ihm. Da sprach der, warum er von ihm wolle, denn er hatte ihn gar lieb und ließ ihn ungern von sich. Da sprach Graf Albrecht: gnädiger Herr! die Aerzte sagen, der von Altstetten müsse sterben, man führe ihn denn in seine Luft und wenn es sich so macht, so komme ich vielleicht wieder. Also gab ihm der König eine gute Zehrung und köstlich Tuch von Sammet und von Seide und der Graf nahm Urlaub von allem Hofgesind und den Jungfrauen und der Königin und dem von Hatstatt und sagte ihm nicht von den Dingen.
Also Morgens früh vor Tag kam die Königin mit ihrer Jungfrau und brachte unermeßlich viel Gut und viele hübsche Kleinode. Und sie saßen alle in das Schiff und fuhren. Und da die Sonne wohl aufkam und um die Zeit, als der Königin Gewohnheit war, daß sie aufstünde und Messe hörte, da kam zu Hof ihrer Diener einer und fragte, ob sie bald wolle Messe hören. Da sprachen die Jungfrauen: wir haben sie heute noch nicht [168] gehört und dürfen sie nicht wecken. Das sagte der Diener dem König. Der sprach, er solle wieder hingehen und sie wecken lassen. Das that der Diener und kam hinauf zu den Jungfrauen und hieß sie wecken, es hätte es der König geschafft. Die Jungfrauen gingen hinein und wo sie hinsahen und lugten, so sahen sie Niemand. Da erschracken sie ohne Massen und wußten nicht, was sie thun sollten und schickten nach dem Marschall des Hofes und sagten ihm, was es für eine Gestalt hätte. Der Marschall erschrack sehr und ging zu den andern Räthen allen und sie wurden überein, daß sie es dem Könige sagten. Und also gingen sie alle zu dem Könige und sagten es ihm. Da erschrack er auch ohne Massen, wie billig war und schuf, daß man alle die finge, die zu der Königin gehörten, Frauen und Männer und besonders auch alle deutsche Gäste, die an dem Hofe waren. Also ward Herr Oswald von Hatstatt auch gefangen und besonders in ein Gemach geschlossen. Denn die gemeine Rede war von Stund an, die Deutschen hätten sie hinweggeführt. Also schickte man viel Volks auf dem Wasser und auf dem Lande, ob Jemand erfahren möchte, wo sie aus wäre. Da ging man auch über alle ihre Behältnisse zu sehen, ob man nichts mangle. Da waren die besten Kleinode alle hinweg.
Die andern aber fuhren dahin und kamen in kurzen Tagen gen Rhodus. Da wurden sie von dem Grafen von Pfirt wohl empfangen. Und kürzlich darnach führte er sie auf sein Schloß, genannt zu der Schönehab, denn der von Pfirt hatte dasselbe Schloß besonders inne. Und da es Abend war, sprachen der von Pfirt und Graf Albrecht: wir wollen zu dem Gefangenen gehen und ihn fragen, wer er sey oder wie er heiße und ihm drohen, wolle er es nicht sagen, so müsse er sterben. Also gingen sie zu ihm und fragten ihn, weß Geschlechts er wäre und wie er hieße und redeten viele harte und drohliche Worte mit ihm. Da fragte er, wer sie denn wären oder wie sie hießen; er wisse doch nicht, ob er in christlichem oder heidnischem Glauben und Lande wäre. Da sprach der von Pfirt: ich heiß Graf Hans von Pfirt und dieser heißt Graf Albrecht von Werdenberg. Da ward der [169] Gefangene von Herzen froh und sprach: mein Vetter selig, von Wolfegg, dem Gott gnädig sey, hat mich in Portugal geführt und ist aus dem Lande vertrieben worden derer von Werdenberg willen. Nun schadet mir aber nicht, was ich gelitten habe, so ich zu frummen Herren gekommen bin, die meiner Gewalt haben. Und dann sprach er: ich heiß von meinem Geschlecht Andelon und mein Vater heißt Ruprecht von Andelon. Da saßen sie zusammen und redeten gar von mancherlei. Da sprach der von Pfirt: wir wollen euch eurer langen Zeit eines Theils ergötzen und euch zu schönen Frauen führen. Da sprach Arbogast: ich bin gelb und ungestalt und so ich mich auf das Schönste mache, so bin ich dennoch nicht gar wohl gestaltet zu Frauen zu gehen. Also gingen sie weg von ihm und schufen ihm einen Barbierer, der ihm Rath thäte.
Da es nun Nacht war und dunkel, da kam Graf Albrecht und führte ihn zu der Königin und er saß zu der Jungfrau. Nun war es dunkel in der Kammer und da fragte Arbogast die Frau: ob sie deutsch könnte. Da sprach sie: nicht viel. Da wollte er sie angerühret haben. Da sprach sie in ihrer Sprache, er solle die Hände bei sich behalten. Da gedachte er wohl, wie redet sie meiner Frau Elisa so gleich, und ward gar von Herzen traurig. Und da gedachte sie auch: wie redet der meinem Arbogast so gleich. Da sprach der Graf Albrecht: wohlauf, wir wollen hinweggehen. Und so gingen sie.
Als sie aber hinweg waren, sprach Amisa: Frau, wer ist der, der an euch gesessen? Sie sprach: ich weiß nicht. Wohl redet er meinem lieben Arbogast so gleich, daß mir alsbald an meinem Herzen weh ist worden. Und Arbogast sprach unterwegen zu Graf Albrechten: ach, lieber Herre, wohl redet die Frau sonst einer Frauen so gleich, daß mir alsbald an meinem Herzen weh ist worden. Da sprach Graf Albrecht: ist dir gar weh worden! Ich meinte, ich wolle dir eine lange Zeit kurz machen. Da sprach Arbogast: ich habe immer Sorge um ihrer willen, die ich meine. Da sprach Graf Albrecht: Gott ist aller Gnaden zu trauen.
Und Morgens frühe kam Graf Albrecht zu Elisa und sprach: sitzet an das Fenster und luget dort hinüber in jene [170] Bäu, und wenn ich dann zu euch komme, so sagt mir, was ihr sehet. Und dann ging er zu Arbogast und sprach zu ihm: geh’ mit mir dort ans Fenster und sieh hinüber, wie der Wirth eine schöne Frau hat. Und da sie Arbogast sah, brann er unter den Augen wie ein Feuer und sprach: wäre es möglich zu reden! es ist aber und kann nicht seyn – so wäre doch die Frau einer andern Frau so gleich, daß ich gerne einen leiblichen Tod wollte leiden, wenn ich es erfahren könnte. Da sprach Graf Albrecht: nun thu’ es um der Liebsten willen, die du hast und singe mir eine Tagweise, so du meinest, daß die Liebste habe ehedem von dir gehört. Und damit ging er von ihm und kam zu Elisa und sprach: Frau, was thut ihr? Da sprach sie: da sitz’ ich und ist mir weder wohl noch wehe. Lieber lasset uns bald hinweg, daß ich komme zu meinem Arbogast. Da hob Arbogast an zu singen und sprach Graf Albrecht: Frau, wen habt ihr gesehen? Da sprach sie: eines hübschen Mannes Bild; wenn er nicht so bleich wäre, so sähe er meinem Arbogast gleich. Und da er sang, da sprach sie: er singt ihm auch nicht ungleich. Da sprach Graf Albrecht: es ist ein Knecht in dem Haus.
Nun ging Graf Albrecht zu dem von Pfirt und sie gingen mit einander zu Arbogast und führten ihn zu der Königin. Und da sie ihn ansah, da erschrack sie von Herzen vor rechten Freuden; deßgleichen geschah ihm auch. Da hätte Elisa Arbogasten gerne zur Ehe genommen. Da sprach er aber: nein. Das wolle Gott nimmermehr, daß ich eueren Gnaden solche Unehre erzeige; aber dieser ist ein wohlgeborner Graf von Werdenberg, den sollt ihr nehmen. Und mag ich es an eueren Gnaden und an ihm gelten, so gebet mir Amisen.
Also schickte der von Pfirt von Stund an nach seinem Caplan. Der hieß Herr Hans Heberlin und derselbe gab sie zusammen. Und da fuhren sie über Meer und kamen gen Triest. Da starb Herr Marquard von Altstetten der mit Graf Albrechten gen Portugal gefahren war, und ward da begraben in der Capellen des Patriarchen, der ein Graf von Görz war und Ludwig hieß und sind allda noch heutzutage sein Helm und Schild. Nachdem zogen die anderen heraus und [171] kamen in eine Stadt, heißt Salzburg. Da ist ein Bisthum und da lagen sie still. Und Graf Albrecht schickte zu dem von Altstetten, der ein Vogt zu Werdenberg war und ein Vetter desselben, so in Triest gestorben. Diesem ließ er sagen, daß er eine Königin von Portugal brächte, die sein Gemahl wäre, und mit ihr ein großes Gut. Da sollte er zu seinen Brüdern und anderen seinen Freunden senden und ihnen zu wissen thun, daß sie ihm entgegenritten, so gut sie könnten. Auch das Schloß Werdenberg sollten sie herrichten so köstlich und gut sie könnten. Also ward ihm auch entgegengeritten wohl mit sechshundert Pferden und zwei und dreißig Frauenwagen und wohl hundert und achtzig Speisewagen. Dabei waren zween Burggrafen von Nürnberg und drei Grafen von Teck und zwei von Helfenstein und etlich von Tokenburg und Graf Wilhelm von Achalm und zween seiner Söhne und Diether von Stoffeln und sein Bruder und da waren der Herren und Knechte so viele, daß man sie nicht alle beschreiben mag.
Nun hatte Graf Albrecht einen Sohn, der war das erste Kind. Als der neun Jahre alt war, schickte er ihn in das Land gen Portugal, seinem Aehne auf Gnade. Und ließ ihm sagen, er hätte ihm den liebsten und größten Schatz gegeben, den er hätte auf dieser Erde und wenn er ihm gnädig wäre und seine Ungnade abließe und ihn hörte, so wollte er ihm sagen, was die Sache für eine Gestalt hätte und was an ihr wäre. Also da der König in Portugal das hübsche Kind ersah, da ward er sehr fröhlich und schrieb seinem Vater ein Geleit zu unter seinem heimlichen Secret, daß er zu ihm käme. Also machte sich der Graf auf und fuhr zu ihm. Und da er in die Stadt kam gen Portugal zu seinem Schwäher, da erfuhr er, daß der von Hatstatt noch in der Gefängniß liege, weil er geziehen worden, er hätte dazu gerathen und geholfen, daß die andern hinweg wären gekommen, und wäre das also, so müßte er in der Gefängniß sterben. Das lag Graf Albrecht hart an.
Des Morgens schickte der König nach ihm und da er zu ihm einging, fiel er auf die Knie und sprach: gnädiger Herr, eure Gnade vergesse eures Zornes und so will ich euch sagen, was es für eine Gestalt hat und wie es darzu gekommen ist, [172] und hob an und sagte von Anfang bis zu Ende, wie Arbogast in das Land kam und die Sache ganz aus bis zu Ende. Da ward der König versöhnt und sprach: also will ich Gnade, Freundschaft und Liebe zu euch haben und bittet, was ihr wollet, das ziemlich sey, das wollen wir euch gewähren, so ferne wir können und mögen.
Und vor Freuden gingen Graf Albrecht die Augen über und er sprach: so bitt’ ich eure Gnade, daß ihr mir wollet geben Herrn Oswald von Hatstatt ledig mit mir heimzuführen, denn er hat weder Rath noch That, noch eine Schuld an der Sache. Deß ward er gewährt. Also lag Graf Albrecht dem von Hatstatt zu Liebe dennoch XVI Wochen da still, bis er erstarkte und die Luft gewöhnte, und führte ihn dann mit ihm heim und hatte ihn auch bei sich bis an seinen Tod. Und Graf Albrecht saß im Lande und regierte es ordentlich, wie es einem frummen Herrn ziemt. Und Graf Hans, Albrechts Sohn, der zu Portugal geblieben war, ward XIII Jahre alt, da starb er und ward in St. Bernhards Kloster begraben. Und ist noch heutzutage dort ein Stein und Schild und Helm daran, wie manch Ritter und Landfahrer gesehen hat und noch sehen mag.
Item da Graf Albrechts Hochzeit eine Ende nahm und auch die Reise, da hatte Arbogast seine Hausfrau auch heimgeführt in die Stadt Bern. Da war sein Vater Landvogt und Statthalter des Stifts zu Straßburg. Und das erste Kind, das seine Frau gebar, hieß Albrecht und das zweite war eine Tochter, hieß Elisa. Und er kam in große Würdigkeit, Ehre und Gut, denn er war vernünftig, fromm und keck.
In dieser Erzählung ist es allerdings sehr befremdlich,
daß die Königstochter von Portugal nicht den heurathet, dem
zu Liebe sie sich hat entführen lassen, allein es war nicht rathsam
etwas zu ändern. Die Mähre macht übrigens den
Schluß des ersten Theils oder der alten schwäbischen Geschichten,
und am Ende derselben sind folgende Worte zu lesen:
[173] Und ich, Thomas Lyrer, gesessen zu Rankweil, das da gehört zu dem Schloß und der Herrschaft Feldkirch, hab diese Dinge den mehrern Theil gesehen und auch viel an frummen Leuten erfragt und erfahren, an wahrhaften Herren, Rittern und Knechten, die mich deß gar wahrlich unterrichtet haben, denn ich auch meines gnädigen Herrn von Werdenberg Knecht bin gewesen und mit ihm ausgefahren gen Portugal und mit ihm wieder heimgekommen. Und ist das Buch zum ersten abgeschrieben worden, indem als man zählte von der Geburt Christi XI hundert und im XXXIII Jahre *)[3] am Sanct Oswalds Tag.
Nahe bei dem Schlosse Neu-Montfort mündet der Seitenweg,
den wir bisher verfolgt, in die Heerstraße ein, gerade
da wo zwischen Obstbäumen in schöner Gegend der große
Markt Gözis sich ausbreitet. Etwas oberhalb dieses Fleckens
stehen auf einem grünen Hügel die alten Mauern jener Veste
„zu Newenburg in Churwalhen," die wie schon gesagt das
erste Besitzthum war, welches Oesterreich in Vorarlberg erwarb.
Bis dahin, bis 1365 hatte sie den Thumben von
Neuenburg gehört, die früher zu Neuenburg ob Untervaz
in Bünden saßen.
Eine Stunde weiter abwärts liegt ein andrer großer Flecken, Hohenems, zu den Füßen eines steil aufragenden Felsens, der die großartige Ruine der alten Burg Ems trägt. In dem Flecken wohnen ein halbes Tausend Juden, darunter mehrere sehr reiche Kaufleute, die große Geschäfte nach Wälschland, ja sogar nach der Levante treiben. Diese israelitischen Familien haben sich hier zuerst im Jahre 1617 aufgethan, und Bergmann wie Weizenegger geben den Freiheitsbrief, den ihnen in jenem Jahre die Hohenemsische Kanzlei ertheilte. Er lautet sehr milde und das Drückendste was er enthält, ist, daß [174] jeder der neuen Hausväter jährlich zehn Gulden Schutz- und Schirmgeld sammt zwei gemästeten Gänsen entrichten solle. Diese Judenschaft führt übrigens eine gute Schule und einen Rabbiner, der wöchentlich in der Synagoge eine deutsche Predigt hält. Auch besteht hier ein wohlthätiger Verein, um die Kinder armer Eltern zu brauchbaren Handwerkern zu bilden und sie so dem entwürdigenden Schacher zu entziehen, der mit allen seinen schlimmen Folgen den frühern Landständen oft Anlaß zu erheblichen Beschwerden gegeben hatte. Die Jüdinnen von Hohenems stehen ihrer Leibesgestalt wegen in gutem Rufe und sind, wie schon angemerkt, liebe Gäste zu Bad Reute im Walde, wo sie gerne ihre Sommerfrische zubringen. „Daheim arbeiten sie nichts als für ihren Putz," sagt Bergmann und mag es auch verantworten. Außer den 92 Familien zu Hohenems sind in Tirol und Vorarlberg nur noch acht jüdische Haushaltungen, nämlich sieben zu Innsbruck und eine zu Bozen. Diese Zahlen dürfen nicht überschritten werden.
Was das Geschlecht der Ritter und Reichsgrafen von Hohenems betrifft, so werden sie zuerst im zehnten Jahrhundert genannt und ihr Schloß stand wohl schon zu den Zeiten Karls des Großen. Auf die Burg zu Hohenems setzte Kaiser Heinrich VI Wilhelmen, den einzigen Sohn des Königs Tancred von Sicilien, in Haft, nachdem er ihn vorher hatte blenden lassen; da mußte er in seinem Schmerze vergehen, wenn nicht eine mildere Sage Recht hat, die ihn aus dem Gefängniß über Frankreich nach Italien entkommen und später im St. Jacobsthale ob Chiavenna als Einsiedler sterben läßt. Auf dieser Burg lebte auch im dreizehnten Jahrhundert Rudolf von Ems, der Dichter, ein höchst gebildeter und sogar gelehrter Mann, der gegen die damalige Sitte lesen und schreiben konnte und außer der wälschen Sprache auch der lateinischen mächtig war. Mehrere seiner Dichtungen sind in neuerer Zeit wieder ans Licht getreten, zuletzt Barlaam und Josaphat, eine im Mittelalter sehr beliebte poetische Erzählung.
Die spätern von Ems fielen mit den Oesterreichern bei Sempach und am Stoß und waren in damaliger Zeit geachtete Herren. Einen neuen Anlauf zu Ruhm und [175] Ehre nahm aber das Geschlecht in den Tagen Kaiser Max I, wo aus dem alten Schloß ein Capitän Jacob hervorging, der zuerst 1509 mit jenem Herrn gegen Venedig zog und vor Padua als einer der tapfersten focht, später aber mit achttausend Landsknechten Ludwig XII, dem König von Frankreich, abermals in Italien diente und 1512 am Ostertage in der Schlacht bei Ravenna fiel. Das war ein auserlesener, etwas absonderlicher deutscher Degen, der, obgleich ein Kampfgenosse Gaston’s de Foix und des ritterlichen Bayards, nie französisch lernte, deßwegen auch stets einen Dolmetscher mit sich führte und sich in fremde Sprachen nicht weiter einließ, als bon jour Monseigneur zu sagen. Die Franzosen nannten ihn le bon capitaine Jacob.
Sein Neffe Marx Sittich war gleichfalls ein Kriegsheld und einer der Feldhauptleute Kaiser Maxens, wodurch er unter anderm die Auszeichnung verdiente, daß ihn die Münchner Maler 1838 im Fastnachtspiele, das Albrecht Dürers Hochzeit darstellte, im Gefolge des Kaisers erscheinen ließen. Auch für Karl V zog er oftmal zu Feld, und man erzählt, daß er es gewesen, der den 24 Hornung 1525 am Anfange der Schlacht vor Pavia den französischen Oberst Georg Langenmantel von Augsburg im Zweikampf erlegt, ein Heldenstück, das freilich von andern dem ritterlichen Georg von Freundsberg zugeschrieben wird und das weder der eine noch der andere verübt hat, wenn der Oberst von Augsburg schon durch Kugeln niedergestreckt war, ehe die Ausforderung angenommen worden. Berühmter noch als diese beiden ist Hannibal von Hohenems, der zuerst unter Karl V im schmalkaldischen Kriege auftrat, dann ein Feldobrister der römischen Kirche und ihr Gesandter am spanischen Hofe ward, darnach in Spanien, Neapel und in Afrika siegreich gegen die Mauren focht, später zweimal für König Philipp II in die Niederlande zog und wegen seiner großen Dienste den Titel eines Granden von Spanien erhielt. Schon vorher, 1560, hatte Kaiser Ferdinand I den Helden, der bis dahin ein Freiherr, zum Reichsgrafen, Erzherzog Ferdinand ihn zum Obersthauptmann der vier vorarlbergischen [176] Herrschaften ernannt. Er starb reich an Ehren auf seiner Burg zu Hohenems im Jahre 1587.
Mit diesem Hannibal, Reichsgrafen von Hohenems, Grafen zu Galerate im Herzogthum Mailand, ging der Kriegsruhm des Geschlechts zu Grabe. Dafür traten aber zwei Kirchenlichter auf – ein Hohenemser, Marx Sittich nämlich, Hannibals Bruder, war Cardinal und Bischof zu Constanz († 1595), ein anderer gleichen Namens Erzbischof von Salzburg († 1619). Der erstere von diesen hat den Bau des großen Residenzschlosses im Markte Ems begonnen, das jetzt den Grafen von Waldburg-Zeil gehört, der andere ließ zu Hellbrunn bei Salzburg die neckischen Wasserkünste errichten, die noch jetzt dort ihr Wesen treiben. Die Reichsgrafen von Hohenems starben übrigens unberühmt und schuldenvoll im Jahre 1759 aus und die reichslehenbare Grafschaft wurde von Kaiser Franz I bald darauf gnädiglich dem Erzhause Oesterreich ertheilt.
In der Pfarrkirche sind mehrere Denkmäler, auch ein Cardinalshut, der weiland dem heiligen Karl Borromäus gehörte, welcher mit den Emsern verschwägert war.
Von Hohenems geht’s durch sumpfige Gegend, die aber mit rühmlichem Fleiß fruchtbar gemacht wird, nach Dorenbüren. Dieses Dorf, das nach der Einwohner Behauptung jetzt schon zu groß ist, um noch eine Stadt werden zu wollen, zählt gegen dreizehnhundert Häuser und über siebentausend Einwohner. Es ist der Hauptsitz der vorarlbergischen Industrie, und die Fabrikgebäude, die von Bludenz an der Ill herab und von Feldkirch her in größern Zwischenräumen einzeln zu sehen sind, stehen hier zu Hauf. Es gibt da Baumwollspinnereien, Webereien, Kattundruckereien, Türkischrothfärbereien, chemische Bleich- und Appreturanstalten, Eisenschmelzen, Wetzsteinfabriken, Fourniersägen und dergleichen mehr. Deßwegen theilt auch das Dorf alle Leiden und Freuden der Fabrikstädte und hat wie diese schöne, glänzende Häuser in welchen reiche Leute wohnen, neben der Armuth und den Kümmernissen der Arbeiter. Doch hört man oftmals betheuern, die Fabrikherren in Vorarlberg und insbesondere in Dorenbüren, seyen milder und billiger als anderswo.
[177] Die Heerstraße von Dorenbüren nach Bregenz, nach der vorarlbergischen Hauptstadt, führt auch ferner noch durch moorige Landschaft, die von vielen Canälen durchzogen ist. Sie bildet das Delta des obern Rheins und ist wohl erst seit anderthalb tausend Jahren bewohnt, denn vorher zog sich der Bodensee in weitem Busen bis gegen Hohenems hinauf. In Dorenbüren hat sich eine Ueberlieferung erhalten, welche bis in diese Zeiten zurückreicht. Man erzählt nämlich in dem Dorfe, das erste Haus der Gemeinde sey auf einer Anhöhe, der Schauinger genannt, gestanden und den Fuß des Bühels hätten die Wellen des Bodensees bespült. Von da sollen die Leute zu Schiff in die Kirche gefahren seyn.
Je mehr wir uns aber dem Bodensee nähern, desto mehr vertiefen wir uns in das Gebiet, das Gustav Schwab beschrieben hat, und wenn wir schon bisher nicht anders konnten als dem poetischen Schilderer manche Angabe zu entlehnen, so würde diese Nöthigung von jetzt an immer dringender werden. Deßwegen wollen wir lieber ganz und gar von dem fernern Umgang mit dem Wanderer, den wir bisher durch Vorarlberg geführt, abstehen und ihn hiemit feierlich der angenehmen Geleitschaft des schwäbischen Dichters überantwortet haben.
- ↑ *) Prederis aus Pra de rives, Bachwiese. Nebenbei gesagt ist das oben erwähnte Walduna gewiß nicht, wie überall angegeben, aus vallis dominarum verdorben, da es schon im Jahrhundert seiner Stiftung Valduna heißt. Der Name ist wohl rhätischen Ursprungs.
- ↑ *) Ein Arbogast von Andlow war nach Bucelin Comthur im Johanniterhause zu Feldkirch von 1569—1592.
- ↑ *) Daß diese Jahrzahl falsch sey, versteht sich von selbst.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Kapf ist häufig der lokale Name eines Berges, einer Anhöhe oder einer Ansiedlung auf einer solchen.
- ↑ siehe die Wikipedia zur Grafschaft Pfirt
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