Textdaten
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Autor: Friedrich Lorentz
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Titel: Drei Gläser Wein
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aus: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei, S. 17–19
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1930
Verlag: Fuchs & Cie.
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Erscheinungsort: Danzig
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Quelle: Pomorska Digitale Bibliothek, Commons
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Drei Gläser Wein.

Drei Brüder gingen zusammen in die Welt. Eines Tages kamen sie zu einer Kapelle und gingen hinein. Auf dem Altar standen drei Gläser voll Wein, auf die etwas aufgeschrieben war. Sie traten heran und lasen. Auf dem ersten Glase stand: „Wer den Wein, der in mir ist, austrinkt, der wird König werden.“ Auf dem zweiten Glase stand: „Wer den Wein, der in mir ist, austrinkt, der wird reich werden.“ Auf dem dritten Glase stand: „Wer den Wein, der in mir ist, austrinkt, der wird glücklich werden.“ Die Brüder lasen das, und dann sagte der älteste Bruder: „Wer König ist, der ist auch reich und glücklich. Ich trinke das erste Glas aus.“ Der zweite Bruder sagte: „Wer reich ist, der ist auch glücklich und kann ruhiger [18] leben als ein König. Ich trinke das zweite Glas aus.“ Der dritte Bruder sagte: „Wer glücklich ist, der hat genug, er braucht nicht König zu sein und bedarf keines Reichtums. Ich trinke das dritte Glas aus.“ Sie tranken den Wein und gingen weiter.

Als sie an einen Kreuzweg kamen, sagte der älteste Bruder: „Ich gehe den Weg zur Rechten.“ Der zweite Bruder sagte: „Ich gehe den Weg zur Linken.“ Und der dritte sagte: „Ich gehe geradeaus.“ Sie küßten sich zum Abschied, und jeder ging seines Weges.

Als der älteste Bruder ein Stück Weges gegangen war, erblickte er ein weißes Pferd. Das Pferd kam zu ihm heran, und wie er danach griff, blieb es stehen. Er setzte sich hinauf und ritt. Nach einiger Zeit kam er zu einer Stadt, wo kein König war. Die Leute in der Stadt hatten abgemacht: „Wer zuerst auf einem weißen Pferde in die Stadt geritten kommt, der soll König sein.“ Als er in die Stadt kam, riefen die Leute: „Das ist unser König!“ Sie führten ihn zum königlichen Schlosse und setzten ihm die königliche Krone aufs Haupt. Da war er König.

Aber das Königreich war klein und arm. So konnte er nicht viele Soldaten halten, denn er hatte kein Geld dazu. Das merkten die benachbarten Könige und führten Krieg in seinem Lande, so daß er in seinem ganzen Leben auch nicht eine Stunde glücklich war.

Als der zweite Bruder seines Weges ging, begegnete ihm ein Wagen, und der Herr, der darin saß, fragte ihn, ob er mit ihm fahren wolle. Er stieg in den Wagen und fuhr mit dem Herrn, und sie unterhielten sich. Der Herr fand Gefallen an ihm und fragte ihn, ob er bei ihm bleiben wolle. So blieb er bei dem Herrn. Nach einem halben Jahre starb der Herr und hinterließ ihm sein ganzes Vermögen. Da war er sehr reich und konnte leben, wie er wollte. Aber wenn er etwas hatte oder tat, [19] so wünschte er sich schon wieder etwas anderes und war in seinem ganzen Leben auch nicht eine Stunde glücklich.

Der dritte Bruder kam am Abend zu einem Bauernhofe und blieb bei dem Bauern über Nacht. Der Bauer hatte eine Tochter, er gefiel ihr und sie wollte ihn nicht fortlassen. So blieb er dort und verheiratete sich mit der Tochter. Er hatte Arbeit genug, denn die Bauernstelle war klein, und er konnte kein Gesinde halten; aber er war zufrieden, denn er erwarb so viel, daß er und die Seinigen leben konnten, und hatte eine gute Frau, sie bekamen Kinder und lebten glücklich bis zum Tode.